Unter temporomandibulärer Dysfunktion (TMD; Synonym: Myoarthropathie des Kausystems [MAP]), versteht man eine Reihe von Beschwerden und Befunde, die die Kaumuskulatur, die Kiefergelenke bzw. damit in Verbindung stehende Gewebestrukturen betreffen.1
Bei der TMD kommt es zu einer Dysfunktion der Funktionszusammenhänge zwischen Ober- und Unterkiefer, was Auswirkungen auf die Kaumuskulatur, den Kopf, den Nacken, einschließlich der Halswirbelsäule haben kann.
Die TMD ist eine Unterform der kraniomandibulären Dysfunktion (CMD), die eine spezifische Funktionsstörung ist und die Kaumuskulatur, die Kiefergelenke und/oder die Okklusion (Stellung der unteren Zahnreihe zur oberen Zahnreihe bei zwanglosem Kieferschluss in der sog. Schlussbissstellung) betrifft.1
Die Betrachtung der Okklusion ist bei der TMD formal nicht eingeschlossen, wodurch die Abgrenzung zur CMD erfolgt.1Allerdings werden die Begriffe in der Literatur häufig uneinheitlich verwendet und die Abgrenzung zwischen CMD und TMD nicht immer scharf eingehalten.
Häufigkeit
Beschwerden im Kiefergelenk kommen häufig vor, sind oft selbstlimitierend2-3 und die häufigste Ursache für chronische orofaziale Schmerzen.
Man schätzt, dass mindestens 20 % der Bevölkerung von CMD-Symptomen betroffen sind.4
Nur etwa 5 % der Menschen, die eines oder mehrere Anzeichen für eine temporomandibuläre Dysfunktion haben, suchen ärztliche Hilfe auf.5
Klinische Anatomie
Das Kiefergelenk wird gebildet durch den mandibulären Kondylus und der Fossa glenoidalis des Os temporale. Das Kiefergelenk enthält eine knorpelige Gelenkscheibe (Discus articularis), die als Polsterung zwischen den Gelenkflächen dient.6
Die Form des Gelenkes ermöglicht es, sowohl Scharnier- als auch Schlittenbewegungen ausführen.
Durch kombinierte Scharnier- und Schlittenbewegungen sowie den Diskus im Gelenk, sind schmerzfreies und effektives Kauen, Schlucken und Sprechen möglich.
Die Gelenkflächen sind mit fibrösem Bindegewebe bedeckt. Dieses Bindegewebe ist avaskulär und nicht innerviert, und es hat, verglichen mit anderen Synovialgelenken, eine größere Fähigkeit, degenerativen Veränderungen zu widerstehen und sich zu regenerieren.
Die Synovialgelenkkapsel und die umliegende Muskulatur sind innerviert. Es wird angenommen, dass diese die Hauptquelle der Schmerzen bei Kiefergelenkserkrankungen sind.
Ätiologie und Pathogenese
Die Ursache der TMD, wie der CMD ist komplex und wahrscheinlich multifaktorieller Genese.7
Mikro- und Makrotraumata, strukturelle Parameter und konstitutionelle Voraussetzungen (orthopädische Störungen in Statik und Dynamik, Schädelwachstum) und Parafunktionen (nicht-natürlicher Gebrauch des Kauapparates wie Zähneknirschen, Zähnepressen [Bruxismus]) sowie bio-psycho-soziale Probleme wie emotionaler Stress, Angst und Depressivität werden als Risikofaktoren, Auslöser oder Unterhalter der Erkrankungen gewertet.7-8
So können z. B. beim Bruxismus durch die typischen rhythmischen Muskelkontraktionen Mikrotraumata entstehen und Beschwerden auslösen.7
Primäre Kiefergelenkerkrankungen, wie Kapselentzündungen oder -verletzungen, z. B. durch rheumatische Erkrankungen sowie sekundäre pathologischen Veränderungen der Kiefergelenke mit Diskusverlagerungen bis hin zur Arthrose können Ursachen der TMD sein.8
Häufig kommt es durch die Funktionsstörung zu einer Diskoordination synergistischer und antagonistischer Muskelgruppen, die Myalgien, Muskelverspannungen, Myositiden, Myogelosen, Muskelhypertrophien und -hypotrophien auslösen kann.8
Patient*innen mit einer temporomandibulären Dysfunktion können im Rahmen einer Verkettungsproblematik Funktionsstörungen im gesamten muskuloskeletalen System entwickeln.9
Die häufigsten Störungen
Schmerzen der Kaumuskulatur
Die häufigste Erkrankung bei Personen mit TMD-Beschwerden. Betroffene können eine Funktionseinschränkung im Kiefergelenk haben, aber ohne Knirschen des Kiefergelenks.
Lokale und allgemeine Faktoren, wie z. B. Trauma, Bruxismus, Zungenpressen, psychische Gesundheit, soziale Situation, genetische Faktoren, Entzündungen oder gleichzeitig vorliegende Erkrankung können Schmerzen der Kaumuskulatur auslösen und oder aufrechterhalten oder das Risiko dafür erhöhen.
Bisher ist kein klarer Zusammenhang zwischen einer Malokklusion und der Entwicklung von TMD nachgewiesen mit Ausnahme einer akuten Störung der Okklusion.10
Verschiebung der Gelenkscheibe (Diskus)
Bei der typischen Pathologie ist die Gelenkscheibe nach vorn verschoben und liegt vor dem Gelenkkopf. Beim Öffnen des Mundes gleitet der Diskus mit einem leichten Knacken nach hinten an seinen Platz.
Beim Schließen des Mundes gleitet der Diskus nach vorne in die anomale Position – dies geschieht in der Regel lautlos, ohne Knacken.11
Ein derart verschobener Diskus, der auf der Vorderseite des Kondylus liegen bleibt, beeinträchtigt die Mechanik des Gelenkes und kann die Beweglichkeit einschränken.
Diese Dysfunktion ist meistens über mehrere Jahre oder Jahrzehnte stabil, ohne Progression oder Komplikationen.
Es sollte nach Schmerzlokalisation, -qualität, -quantität, Schmerzausstrahlung, Art des Schmerzes, Schmerzauslöser oder Maßnahmen, die den Schmerz mindern, gefragt werden.
Die Erkrankung kann besonders unangenehm sein und zu einer verminderten Lebensqualität führen, daher sollte auch nach Auswirkung des Schmerzes auf die Stimmung gefragt werden.3
Frühzeitig sollte die Möglichkeit funktioneller Körperbeschwerden in Betracht gezogen werden.
Patient*innen sollten nicht nur nach ihren Hauptbeschwerden und nach weiteren Beschwerden befragt werden, sondern auch, wie es ihnen mit ihren Beschwerden geht, wie sich die Beschwerden im Alltag auswirken und wie sie damit umgehen.14
Manche Betroffene mit TMD hat Ohrenschmerzen, obwohl keine Anzeichen einer Ohreninfektion vorliegen.
Die Ohrenschmerzen werden in der Regel als vor oder unter dem Ohr lokalisiert beschrieben.
Verstopfung des Ohres
Etwa 1/3 der Patient*innen mit TMD hat das Gefühl, dass das Ohr verstopft ist.
Im Flugzeug bemerken sie bei Start und Landung ein Knacken im Ohr (bzw. in den Ohren). Diese Symptome werden in der Regel durch eine Tubendysfunktion verursacht.
Es wird angenommen, dass bei Patient*innen mit TMD eine Hyperaktivität (Krämpfe) der Muskeln vorliegt, die für die Tubenventilation benötigt werden.
Anomalien in der Zahn- oder Kieferstellung können ätiologisch von Bedeutung sein.
Palpation und Auskultation
Ein durch Fingerdruck auf das Gelenk bei geöffnetem Mund verstärkter Schmerz kann auf eine Erkrankung des Kiefergelenks hindeuten.6
Die Palpation und Auskultation des Gelenks während der Öffnungs- und Schließbewegung kann Schmerzen oder Geräusche wie Klicken, Krepitation oder Knacken aufdecken.6
Die Bewegung des Kondylus lässt sich am besten palpieren, indem man den kleinen Finger in den äußeren Gehörgang legt und einen sanften Druck nach vorne ausgeübt, während die Patient*innen den Kiefer bewegen.6
Die Kaumuskulatur (M. temporalis, M. masseter, M. pterygoideus medialis und lateralis) sowie die zervikalen und okzipitalen Muskeln sollten palpiert werden, um Schmerzbereiche zu lokalisieren und Triggerpunkte aufzudecken.6
Die Art. temporalis sollte zur Abwägung der Differenzialdiagnose einer Riesenzellarteriitis palpiert werden.
Palpation der Lymphknotenregionen zervikal, submandibulär, periaurikulär zur Detektion von Lymphknotenschwellungen
Palpation der Trigeminusdruckpunkte zur Abwägung der Differenzialdiagnose Trigeminusneuralgie
Mittelgroße Patient*innen können den Mund mindestens 40 mm öffnen (gemessen zwischen den oberen und unteren mittleren Schneidezähne); dies entspricht ca. den 3 Fingern (Zeige-, Mittel-, Ringfinger) der Patient*innen übereinander.6
Seitenabweichungen können Ausdruck eines Gelenkschadens sein.
Diagnostik bei Spezialist*innen
Zahnärztliche Funktionsdiagnostik
intraoraler und funktioneller Befund der Kiefergelenke, der Muskulatur und der Peripherie, ggf. bildgebende Verfahren9
MRT
beste Methode für den Nachweis von Weichteilveränderungen, wie Synovitis, Gelenkerguss (mit Kontrastmittel) oder Diskusverlagerung (ohne Kontrastmittel)
akzeptable Genauigkeit für den Nachweis oder den Ausschluss einer Diskusverschiebung, einer Diskusdeformität oder Skelettveränderungen des Kondylus (Gelenkkopf) am Unterkiefer oder der Gelenkpfanne am Schläfenbein18
Es fehlt ein Goldstandard, die Genauigkeit des Verfahrens wird im Verhältnis zur Biopsie oder zu Autopsiematerialien bewertet.
Ultraschall
zufriedenstellende Genauigkeit für den Nachweis einer Diskusverschiebung (akzeptable Sensitivität), aber nicht für deren Ausschluss (geringe Spezifität), verglichen mit der MRT18
CT-Diagnostik
geeignet für die Beurteilung knöcherner Strukturen, also des Gelenkkopfes oder des Kiefergelenkes (Schläfenbein)11
Orthopantomogramm (OPG)
Gibt einen guten Überblick über Zähne und Kiefer und ist für Zahnärzt*innen ein wichtiges Diagnoseverfahren zur Abklärung von Differenzialdiagnosen.11
Diagnostische Injektion
Injektion von Lokalanästhetika in Triggerpunkte der Kaumuskulatur kann nützliche Informationen liefern, sollte aber von Spezialist*innen durchgeführt werden.19
Indikationen zur Überweisung
Eine zahnärztliche Mitbeurteilung und ggf. Mitbehandlung sollte erfolgen.
Checkliste zur Überweisung
Verdacht auf temporomandibuläre Dysfunktion
Zweck der Überweisung
Diagnostik? Therapie? Sonstiges?
Anamnese
Wann und wie hat die Erkrankung begonnen? Entwicklung?
Schmerz, Beweglichkeitsprobleme, Zähneknirschen, andere Symptome?
Andere relevante Erkrankungen?
Regelmäßige oder akute Medikation?
Folgen?
Klinische Untersuchung
Der Biss? Palpationsschmerz Kaumuskulatur?
Öffnung des Mundes: Problemlos oder gibt es ein Knirschen und Knistern?
Ergänzende Untersuchungen
evtl. MRT, CT oder Röntgen
Therapie
Therapieziele
Schmerzen und Beschwerden im Gelenk reduzieren oder beseitigen.
Die normale Beweglichkeit im Gelenk wiederherstellen.
Allgemeines zur Therapie
Spontanheilung
5–10 % der Patient*innen benötigen eine Behandlung.19
Bei den meisten Patient*innen gehen die Beschwerden mit der Zeit zurück, mit oder ohne aktive Therapie.
Eine Studie zeigte bei 50 % der Betroffenen eine Verbesserung nach 1 Jahr, und 85 % waren nach 3 Jahren symptomfrei.20
Der Grundsatz besteht darin, die verschiedenen pathophysiologischen Zustände im Rahmen der Funktionsdiagnostik stufenweise zu erfassen, den Patient*innen zu erläutern und auf dieser Grundlage geeignete Therapieverfahren auszuwählen.8
Es ist wichtig, beteiligte Faktoren wie Stress, Angst, Depression oder Zähneknirschen mitzubehandeln.
Bei funktionellen Beschwerden sollte initial empathisch beruhigt (ohne zu verharmlosen) und sorgfältig beraten werden. Eine Abgrenzung zu befürchteten Erkrankungen sollte erfolgen.
Zuerst sollte eine ermutigende Beratung zu allgemeinen lebensstilverändernden Maßnahmen erfolgen. Hierbei ist es hilfreich, die Vorlieben und Eigenschaften der Patient*innen und die Erfahrungen zu kennen, mit denen früher in vergleichbaren Situationen positive Erfahrungen gemacht worden sind.
Zusätzlich ist es sinnvoll bei Bedarf ein Wiedervorstellungstermin in 2–4 Wochen zu vereinbaren, mit dem deutlichen Hinweis, dass sich die Beschwerden wahrscheinlich bessern bzw. zunächst kein Grund zur Sorge besteht, falls sie persistieren (abwartendes Offenhalten).
Einseitig psychosoziale oder einseitig somatische Ursachenzuschreibungen sollten vermieden werden.
Gemeinsam mit den Patient*innen persönliche, verständliche, multifaktorielle Erklärungsmodelle („Sowohl-als-auch") entwickeln, die gleichzeitig mögliche Lösungen aufzeigen, vor allem Veränderungsmöglichkeiten durch die Betroffenen selbst (z. B. Abbau von Schon- oder Überforderungsverhalten, Bewältigung von Konflikten).
Die Verwendung von „Teufelskreismodellen" kann sehr hilfreich sein.
Im weiteren Prozess sollte an Erwartungen und Zielen der Patient*innen gearbeitet, Selbstfürsorge und Selbstwirksamkeit gestärkt und zur körperlichen Aktivität ermutigt werden.
Selbsthilfeliteratur und Selbsthilfegruppen können hier aktiv unterstützen.
Die Einleitung einer Psychotherapie sollte erwogen werden. Bei funktionellen Beschwerden sind wissenschaftlich gut fundiert: (kognitive) Verhaltenstherapie, psychodynamische Psychotherapie und Hypnotherapie.
Ggf. ist eine (teil-)stationäre psychosomatische Behandlung oder eine Rehabilitation hilfreich.
Harte und zähe Lebensmittel meiden, aber nach Besserung der Schmerzen gewöhnliche Essgewohnheiten wieder aufnehmen.
Versuchen, eine normale Kieferaktivität beizubehalten, damit die Muskulatur stark und flexibel bleibt.
Je nachdem, was besser wirkt, kalte oder warme Umschläge versuchen.
Medikamentöse Therapie
Unterschiedliche Arten von Medikamenten können je nach Ursache und Begleitumständen nützlich sein.
Abhängigkeitsinduzierende Mittel (z. B. Diazepam) sollten in der Regel nicht verwendet werden.
Bei einer rheumatischen Erkrankung des Kiefergelenkes können Kortikosteroidinjektionen indiziert sein, evtl. Behandlung mit DMARD (Zytostatika oder Immunsuppressiva).11
Schmerzmedikation – kurzfristige Einnahme bei akuten Schmerzen für 1 Woche
Paracetamol
z. B. Paracetamol 2- bis 4-mal tgl. 500–1.000 mg in Phasen mit starken Schmerzen
NSAR
z. B. Naproxen 3 x 250 mg für 1 Woche
Die lokale Anwendung von NSAR kann eine Alternative zur oralen Einnahme sein.
Antidepressiva
Eine Verschreibung sollte bei funktionellen Beschwerden eher mit Zurückhaltung und vorwiegend bei begleitenden Problemen mit Stimmung und Schlaf erfolgen.14
Häufig besteht ein erhöhtes Risiko für mangelnde Akzeptanz und/oder Verträglichkeit aufseiten der Patient*innen.14
SNRI, z. B. Venlafaxin, Duloxetin: Wirken antidepressiv, anxiolytisch und antriebssteigernd. Die antriebssteigernde Wirkung ist etwas ausgeprägter als bei SSRI.
SNRI scheinen eine leichte schmerzdistanzierende Wirkung zu haben.
SSRI, z. B. Escitalopram, Fluoxetin, Sertralin: Wirken antidepressiv, anxiolytisch und antriebssteigernd. Im Vergleich zu trizyklischen Antidepressiva haben sie ein günstigeres Nebenwirkungsprofil.
Es liegt eine sehr geringe Evidenz für die Wirksamkeit bei funktionellen Körperbeschwerden vor. Sie scheinen eine leichte schmerzdistanzierende Wirkung zu haben.
Andere Antidepressiva, die erwogen werden können, sind:
trizyklische Antidepressiva, z. B. Amitripylin (v. a. wirksam bei neuropathischen Schmerzen)
Mirtazapin
Opipramol
Hypericum-Extrakt/Johanniskraut (Cave: Photosensibilität und Interaktionen!)
Phytotherapeutika, z. B. Passionsblume, Lavendel, Baldrian (haben eher geringe Wirkung).
Weitere Therapien
Eine zahnärztliche Mitbehandlung kann sinnvoll sein:
okklusale Behandlung der Zähne
Eine Beißschiene aus Acryl, die die Patient*innen über die Zahnarztpraxis bekommen, scheint in vielen Fällen zu helfen.17 Sie gleicht den Biss aus und reduziert oder beendet das Zähneknirschen (Bruxismus).
Bei anomalem Biss ist evtl. eine dauerhafte Justierung der Zähne erforderlich.15,21
Der Zusammenhang von Malokklusion und Kieferschmerzen ist in der Forschung nicht ausreichend dokumentiert.22-23
Behandlungen wie Physiotherapie, Osteopathie, Biofeedback oder Entspannungskurse können ergänzend, aber auch kausal eingesetzt werden, um funktionelle Symptome an den Zähnen, der Muskulatur und den Kiefergelenken zu behandeln.8
Da physiotherapeutische Maßnahmen häufig zu einer raschen Schmerzbeseitigung führen, sollte ihr Einsatz besonders in der Initialtherapie, aber auch bei chronifizierten Verläufen in Erwägung gezogen werden.8
Injektionsbehandlung
Kortison intraartikulär kann bei langwierigen Beschwerden indiziert sein, wenn die bisherige Therapie keine Wirkung entfaltet.24
Sollte nur bei schweren akuten Exazerbationen verabreicht werden, oder wenn die konservative Therapie keine Ergebnisse erzielt hat.11,22
Wiederholte Injektionen werden nicht empfohlen.
Injektion von Botulinumtoxin in die Triggerpunkte
Bei chronischem Bruxismus kann Botulinumtoxin zur Behandlung myofaszialer Triggerpunkte verwendet werden.20
Der Effekt auf die Schmerzen scheint gering und vorübergehend zu sein und die Qualität der vorhandenen Studien ist gering.25
Injektion von Dextrose („Prolotherapie")
In einer Studie zeigten 3 Injektionen im Abstand von 1 Monat einen guten Effekt sowohl auf die Schmerzen als auch auf die Kieferfunktion.26
Die Injektion erzeugt eine lokale Irritation/zelluläre Proliferation.
Operative Therapie
Ultima Ratio
Allgemein ist eine Operation nicht wirksamer als die konservative Therapie.27
Eine Operation kann in Ausnahmefällen bei geschädigter Gelenkstruktur aufgrund einer Meniskusläsion oder einer Arthrose indiziert sein.
Kann zu einer Blockierung des Kiefergelenkes in der geöffneten Stellung führen.
Bei den meisten Patient*innen mit dieser Erkrankung besteht eine Tendenz zu rezidivierenden Beschwerden.
Das Gelenk sollte so bald wie möglich reponiert werden.
Die Gelenke sollten seitengetrennt reponiert werden.
Empfehlung für Patient*innen
Versuchen, den Unterkiefer seitlich zu verschieben, während gleichzeitig der Mund weit geöffnet wird.
Manuelle Reposition nach Hippokrates
Den Kopf der Betroffenen entweder mithilfe einer Hand, einer Kopfstütze, oder durch Anlehnen gegen eine Wand stabilisieren.
Mit dem Daumen in den Mund der Patient*innen fassen und mit den restlichen Fingern unter das Kinn greifen. Das Tragen von Handschuhen kann vor Bissverletzungen schützen.
Der Daumen drückt auf die Zähne zuerst nach kaudal, dann erfolgt ein Druck mit den restlichen Fingern nach dorsal.
Der Gelenkkopf des Unterkiefers wird nach unten geschoben, wodurch es dem Gelenkkopf ermöglicht wird, nach hinten an seinen Platz zu gleiten.
Die manuelle Reposition der akuten Luxation kann initial ohne Medikamentengabe erfolgen.
Bei erfolgloser Reposition sollten die Patient*innen so schnell wie möglich in eine kieferchirurgische Klinik eingewiesen werden.
Verlauf und Prognose
Verlauf
Der Verlauf ist selten progressiv.
Der Verlauf wird von Faktoren wie Stress, Angst und Depression beeinflusst.
Prognose
Bei den meisten Betroffenen sind die Beschwerden vorübergehend und bessern sich spontan ohne Behandlung oder mit einzelnen Maßnahmen wie Information über das Krankheitsbild und Befolgung der Empfehlungen zur Selbstbehandlung.
Die Prognose ist abhängig von der zugrunde liegenden Ursache. In vielen Fällen kann Stressabbau oder ein Schonen des Kiefers innerhalb weniger Tage zu Verbesserungen führen.
Je länger die Dauer und je zahlreicher die (erfolglosen) Therapien, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass zukünftige Therapien helfen werden.
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Literatur
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Autor*innen
Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
Kristine Scheibel, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Norderney
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Zusammenfassung
Definition:Unter temporomandibulärer Dysfunktion (TMD) versteht man Beschwerden und Befunde, die die Kaumuskulatur, die Kiefergelenke bzw. damit in Verbindung stehende Gewebestrukturen betreffen.
Häufigkeit:Beschwerden im Kiefergelenk treten häufig auf und sind deutlich verbreiteter bei Frauen.
Symptome:Symptome können akute, rezidivierende oder chronische Kieferschmerzen, eingeschränkte oder schmerzhafte Beweglichkeit des Gelenkes, Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, Klicken im Gelenk und Ohrenschmerzen sein.
Befunde:Mögliche klinische Befunde sind Klicken und Knistern im Gelenk, evtl. Bissanomalien, evtl. Schmerzen in der entsprechenden Muskulatur.
Diagnostik:Indizierte Diagnoseverfahren können Ultraschall, CT, MRT oder Orthopantomogramm sein.
Therapie:Die meisten Patient*innen werden spontan gesund. Evtl. erforderliche Maßnahmen sind Stressbewältigung, Ausruhen des Kiefers, Kühlung, Beißschiene oder Zahnregulierung.
Schmerzen im Kiefergelenk; Kiefergelenkschmerzen; Chronische Kieferschmerzen; Kieferschmerzen; Bissanomalien; Myoarthopathie des Kausystems; MAP; Anspannung der Kaumuskulatur; Bruxismus; Zähneknirschen; Kopfschmerzen; Ohrenschmerzen; Beißschiene; Beissschiene; Aufbissschiene; Aufbißschiene; Kieferdysfunktion; craniomandibuäre Dysfunktion
Temporomandibuläre Dysfunktion (TMD)
U-MK 18.12.2019
U-MK 28.05.2019
BBB MK 08.10.2020 umfassende Überarbeitung der sehr schlechten Übersetzung, aktuelle LL.
Revision at 03.07.2014 11:13:09:
Tilføyd tekst under etiologi, sykehistorie og terapi.
Revision at 08.01.2014 14:48:38:
Revidert med utgangspunkt i 2 rapporter fra kunnskapssenteret
Revision at 28.01.2013 10:19:29:
Generell gjennomgang med utgangspunkt i Best Practice. chck go 23.5.16
Definition:Unter temporomandibulärer Dysfunktion (TMD) versteht man Beschwerden und Befunde, die die Kaumuskulatur, die Kiefergelenke bzw. damit in Verbindung stehende Gewebestrukturen betreffen.