Diagnostik:Diagnostische Infiltration mit Lokalanästhetikum ins ACG führt zu Schmerzlinderung. Röntgen der Schulter in 3 Ebenen mit ACG-Zielaufnahme.
Therapie:Initial konservativer Therapieversuch mit Entlastung und Meidung schmerzhafter Bewegungen. Bei refraktären Schmerzen arthroskopische ACG-Resektion.
Allgemeine Informationen
Definition
Verschleißerscheinung des Akromioklavikulargelenks (Schultereckgelenk, AC-Gelenk, laterales Schlüsselbeingelenk)
radiologische Zeichen für Arthrose:
Gelenkspaltverschmälerung
Osteophyten
subchondrale Sklerosierung
Geröllzysten.
Primäre Arthrose: keine eindeutige Ursache eruierbar
Sekundäre Arthrose: Folge einer Vorerkrankung
häufig posttraumatisch
Gelenkinstabilität
Z. n. Arthritis
Häufigkeit
Eine der am häufigsten vorkommenden Arthrose des menschlichen Körpers1
Grund ist der rezidivierende Wechsel an Kompressions- und Scherkräften.
Bei den meisten Menschen liegen bereits in der 4. Lebensdekade ein schmalerer Gelenkspalt und evtl. weitere degenerative Veränderungen vor.2
Meistens bleiben die Patient*innen jedoch asymptomatisch.
Klinische Anatomie
Das Akromioklavikulargelenk (ACG) verbindet die laterale Klavikula und das Akromion der Skapula.
Das ACG wird durch eine klavikuläre und eine akromiale Gelenkfläche gebildet, wobei unterschiedliche Gelenkphänotypen (vertikal, schräg, konkav/konvex) mit unterschiedlichem Kongruenzausmaß existieren.1
Ausgleich der Inkongruenzen durch hyalinen Knorpelüberzug und einen Discus articularis
Stabilisierung des Gelenks durch umliegende Gelenkkapsel und korakoklavikuläre (Lig. conoideum und Lig. deltoideum), akromioklavikuläre und korakoakromiale Bänder.3
Ätiologie und Pathogenese
Einzige knöcherne Verbindung zwischen Arm und Thorax
Dadurch großen mechanischen Belastungen (Druck, Rotation) ausgesetzt und prädestiniert für degenerative Veränderungen.1
Bei sekundärer Arthrose Folge von vorangehenden Verletzungen bzw. Erkrankungen, die die physiologische Biomechanik verändern.
Prädisponierende Faktoren
Anatomische Veränderungen, die die Inkongruenz der Gelenkpartner verstärken, z. B. Frakturen.
Instabilität des Gelenks, z. B. durch Bandverletzungen
Fusionsstörung der Knochenkerne des Acromions, in der Regel asymptomatische Normvariante
Anamnese
Bei älteren Menschen
Die Schmerzen beginnen meist schleichend ohne vorangehendes Trauma auf und verstärken sich nach Belastung.
Bei jüngeren Menschen
Bei jüngeren Personen entsteht die Arthrose meist infolge eines Traumas, das zu einer Bänderverletzung, einer Luxation oder einer Gelenkfraktur geführt hat.
Schmerzen
dumpfer Schmerz im anterosuperioren Bereich der Schulter
Patient*in wird aufgefordert, den 90 Grad flektierten und 15 Grad adduzierten Arm zunächst in maximaler Innenrotation gegen Widerstand der untersuchenden Person zu halten.
Der gleiche Test wird anschließend in Außenrotation durchgeführt.
Positiv, wenn während des ersten Teils Schmerzen ausgelöst wurden, die bei Außenrotation gelindert oder verschwunden sind.
Sollten alle diese 3 Tests positiv sein, haben sie zusammen eine Genauigkeit von 93 % für die Diagnose einer ACG-Arthrose.1
häufig auch „hoher schmerzhafter Bogen" (Schmerzen bei > 120-Grad-Abduktion)5
Injektion eines Lokalanästhetikums
Diese führt zur Schmerzlinderung und ist diagnostisch.2
Unter Ultraschallkontrolle ist eine genauere Injektion möglich.6
Darstellung der Schulter in 3 Ebenen (true a. p., Y-View und axial)
ACG-Zielaufnahme nach Zanca
10–15 Grad kaudal-kranial geneigter Strahlengang
hierdurch exaktere Beurteilung des Gelenkspalts
Zum Ausschluss von Instabilitäten können noch bilaterale Wasserträger- und Alexander-Aufnahmen durchgeführt werden.
Zur Erfassung möglicher Begleitpathologien, insbesondere von Weichteilstrukturen wie Sehnen, Bändern und Schleimbeuteln, kann eine MRT durchgeführt werden.
Indikationen zur Überweisung
Bei refraktären Schmerzen unter konservativer Therapie Überweisung an orthopädische Praxis mit der Frage nach arthroskopischer ACG-Resektion
Therapie
Therapieziel
Symptomlinderung
Allgemeines zur Therapie
Prinzipiell Beginn mit konservativer Therapie
Bei frustraner Therapie ggf. arthroskopische Resektion des ACG
Empfehlungen für Patient*innen
Bewegungen, die die Schmerzen hervorrufen, sollten vermieden werden.
In der Regel sind es Überkopfarbeiten und Liegen auf der betroffenen Seite.
Keine Immobilisierung der Schulter (cave: Kapselverkleinerung mit resultierenden Bewegungseinschränkungen!)
Verzicht auf Kontaktsportarten
Konservative Therapie
Es existieren verschiedene konservative Therapieoptionen, die vor einer chirurgischen Therapie ausgereizt werden sollten:1
NSAR (oral oder topisch)
Physiotherapie
Belastungsanpassung (insbesondere Vermeidung von Überkopf- und Kompressionsbelastungen)
ggf. temporäre Ruhigstellung
physikalische Therapie
Injektionsverfahren (Lokalanästhetika, ggf. auch Glukokortikoide).
Chirurgische Therapie
Indikation
Versagen der konservativen Therapie
Schmerzen, die Patient*innen im Alltag einschränken.
Arthroskopische bipolare (akromiale und klavikuläre) ACG-Resektion1
Bei den meisten Menschen entwickelt sich im Laufe des Lebens durch die hohe Belastung im ACG eine Arthrose, die jedoch nur bei wenigen Patient*innen symptomatisch wird.
Komplikationen
Therapierefraktäre Schmerzen mit signifikanten Einschränkungen bei Aktivitäten des täglichen Lebens, z. B. Haare kämmen.
Infektionen nach Infiltration
Hohe Rate an postoperativer Instabilität des AC-Gelenks bei zu großzügiger arthroskopischer Resektion7
Prognose
Die Prognose ist unter adäquater Therapie günstig.
Gute bis sehr gute Ergebnisse nach arthroskopischer Resektion bei > 90 % der Patient*innen.8
In den meisten Fällen reicht es aus, Arbeiten über Kopfniveau zu meiden, um eine deutliche Schmerzlinderung zu erzielen.
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?
Die Patient*innen sollten beruhigt und über die Ursache der Schmerzen sowie die Therapiemöglichkeiten aufgeklärt werden.
Illustrationen
Schultergelenk
Quellen
Leitlinie
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC). Rotatorenmanschette. AWMF-Leitlinie Nr. 033-041. S2e, Stand 2017. www.awmf.org
Literatur
Karvouniaris N, Wagner FC, Jaeger M, et al. Update zu Indikation und Operationstechnik der Akromioklavikulargelenkresektion. Obere Extremität 2020; 15: 93-102. link.springer.com
Montellese P, Dancy T. The acromioclavicular joint. Prim Care 2004; 31:857. PubMed
Kishner S. Acromioclavicular Joint Injection. Medscape, last updated Dec 10, 2019. emedicine.medscape.com
Walton J, Mahajan S, Paxinos A, et al. Diagnostic values of tests for acromioclavicular joint pain. J Bone Joint Surg Am 2004; 86-A:807. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Scheibel M, Habermeyer P. Aktuelle klinische Untersuchung der Schulter. Orthopäde 2005; 34: 267-84. link.springer.com
Peck E, Lai JK, Pawlina W, Smith J. Accuracy of ultrasound-guided versus palpation-guided acromioclavicular joint injections: a cadaveric study. PM R 2010; 2:817. PubMed
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC). S2e-Leitlinie Rotatorenmanschette. AWMF-Leitlinie Nr. 033-041. Stand 2017. www.awmf.org
Pensak M, Grumet RC, Slabaugh MA, et al. Open versus arthroscopic distal clavicle resection. Arthroscopy 2010; 26: 697-704. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Definition:Verschleißerscheinung der knöchernen Verbindung zwischen Klavikula und Akromion (Akromioklavikulargelenk = ACG). Häufigkeit:Arthrotische Veränderungen lassen sich im Laufe des Lebens bei fast allen Menschen nachweisen, jedoch bleiben die meisten asymptomatisch.