Definition:Ermüdungsfrakturen (Stressfrakturen) treten meist in den unteren Extremitäten auf und sind auf langdauernde und wiederholte Belastungen zurückzuführen.
Häufigkeit:Häufige Fraktur bei Laufsportler*innen und Soldat*innen, die plötzlich die Trainingsintensität deutlich steigern.
Symptome:Schleichend beginnende, umschriebene Knochenschmerzen bei Belastung, die in Ruhe abnehmen.
Befunde:Lokale Druckempfindlichkeit und evtl. leichte Schwellung über der Frakturstelle.
Diagnostik:Röntgen, evtl. MRT in der Frühphase.
Therapie:Oft ist körperliche Schonung für 4–6 Wochen für die Frakturheilung ausreichend. Bei Pseudarthrose ist eine OP indiziert.
Allgemeine Informationen
Definition
Stressfrakturen (Ermüdungsfrakturen) treten meist in den unteren Extremitäten auf und sind auf langdauernde und wiederholte Belastungen zurückzuführen.1-2
Die Frakturen resultieren aus mikroskopischen Läsionen des submaximal überlasteten, von seiner mechanischen Resistenz und seinem Aufbau her im Übrigen normalen Knochens.3
Von Stressfrakturen sind Insuffizienzfrakturen abzugrenzen, die an Knochen auftreten, deren mechanische Resistenz beeinträchtigt oder deren Aufbau gestört ist (typischerweise Osteoporose).
Häufigkeit
Gehäuft bei Sportler*innen aus Lauf- und Sprungdisziplinen sowie bei Soldat*innen4
In Sportdisziplinen mit einem hohen Laufanteil im Training rangiert die Inzidenz von Knochenstressverletzungen zwischen 10 und 31 %.3
Frauen haben ein höheres Risiko als Männer.
Lokalisation fast ausschließlich in der unteren Extremität5
Das Transformationsgesetz nach Wolff besagt, dass der Knochen sich in seinem Aufbau an die mechanische Belastung anpasst:6
Unter regelmäßiger Belastung nimmt ein Knochen an Festigkeit zu, bei fehlender Belastung wird er fragiler.
Die initiale Antwort auf einen zunehmenden physikalischen Stress ist eine osteoklastische Knochenresorption etwa 3 Wochen nach der maximalen Knochenbelastung3
Die anschließende Knochenneubildung mittels Osteoblasten braucht etwa 90 Tage.
In diesem vulnerablen Zeitfenster kann es bei übermäßiger Belastung zur Fraktur kommen.
Prädisponierende Faktoren
Viel Belastung auf hartem Untergrund
Schlecht gedämpfte Laufschuhe
Rasche Erhöhung der Trainingsintensität bei unzureichend ausgebildeter Muskulatur
Bei wenig trainierten Sportler*innen, Jogger*innen oder Soldat*innen entstehen Ermüdungsfrakturen in der Regel einige Wochen bis wenige Monate nach Beginn des Lauftrainings.
Bei aktiven Sportler*innen treten Ermüdungsfrakturen häufig in Verbindung mit einer erhöhten Trainingsintensität auf, oft im Vorfeld eines größeren Wettkampfs.
Die Schmerzen beginnen meistens schleichend und bessern sich in Ruhephasen.
Es besteht in der Regel ein umschriebener Knochenschmerz.3
Klinische Untersuchungen
Lokale Druckempfindlichkeit und evtl. Schwellung über der Frakturstelle9
Klinische Tests allein reichen für die Diagnose Stressfraktur nicht aus.10
Diagnostik bei Spezialist*innen
Röntgen
Wenn eine Knochenstressreaktion vermutet wird, ist die konventionelle Röntgenaufnahme die erste bildgebende Modalität.3
geringe Sensitivität, hohe Spezifität
Kann in einer frühen Phase negativ sein, aber nach einigen Wochen ist evtl. Kallus nachweisbar.11
Es kann 3–4 Wochen dauern, bis Änderungen in den Metaphysen auftreten, und 4–6 Wochen bei der Diaphyse.12
Rund die Hälfte aller Stressfrakturen sind auch in späteren Röntgenaufnahmen nicht zu sehen.9
MRT
Im Falle einer negativen oder zweifelhaften Röntgenaufnahme wird die Diagnose durch die Magnetresonanztomografie (MRT) ausgeschlossen oder bestätigt.3
Wird heute gegenüber einer Szintigrafie aufgrund einer deutlichen höheren Spezifität bevorzugt.9,13
Kann Knochenmarksödeme als frühe Stressreaktion nachweisen.
Unspezifisch, weist nur erhöhten Knochenstoffwechsel nach, wie z. B. auch infolge einer fokalen Infektion oder eines Tumors14
Indikationen zur Überweisung
Kann evtl. in der hausärztlichen Praxis unter Beachtung der nachfolgenden Empfehlungen betreut werden.
Bei ausbleibender Wirksamkeit der konservativen Behandlung oder Hochrisiko-Stressfrakturen sollten die Patient*innen an eine orthopädische Praxis überwiesen werden.
Therapie
Therapieziele
Ausheilung der Fraktur und Schmerzfreiheit
Allgemeines zur Therapie
Die meisten Stressfrakturen können konservativ erfolgreich durch eine Entlastungsphase von 4–6 Wochen mit anschließend vorsichtiger Steigerung der körperlichen Aktivität therapiert werden.2
Stark schmerzgeplagte Patient*innen können für einige Wochen mit einem Gipsverband oder speziellen Entlastungsschuhen versorgt werden.
Es bestehen sog. Hochrisiko-Stressfrakturen, die gehäuft zu Pseudarthrosen führen können und daher engmaschig kontrolliert werden sollten.2
Eine Operation kann bei diesen Arten von Frakturen oder einer erfolglosen konservativen Therapie indiziert sein.15
Hochrisiko-Stressfrakturen
Bei folgenden Stressfrakturen wurden vermehrt Pseudarthrosen beobachtet: 2
Oberschenkelhalsfrakturen
Fraktur vom Os naviculare
Tibiafrakturen mit Beteiligung der anterioren Kortikalis
Frakturen der Basis der Ossa metatarsalia 2 und 5
Patellafraktur
Fraktur des medialen Malleolus.
Im Gegensatz dazu zählen zu den Niedrigrisiko-Frakturen:2
fast alle Frakturen der oberen Extremitäten
Ausnahmen Humeruskopf und medialer Epicondylus vom Humerus
Rippen
Becken
Femurschaft
Fibula
Calcaneus
Schaft der Ossa metatarsalia.
Empfehlungen für Patient*innen
Mindestens 4–6 Wochen Entlastung bis zur Heilung der Fraktur einplanen.
Sportler*innen sollten nicht „testen“, ob die Fraktur schon früher verheilt ist; dies erhöht das Risiko eines Rückfalls und einer längeren Heilungsdauer.
Alternative Trainingsgestaltung
Sportler*innen können in der Heilungsphase Trainingsalternativen nutzen, bei denen der frakturierte Knochen nicht belastet wird, z. B. Schwimmen oder Krafttraining anderer Teile des Körpers.
Zugrunde liegende Ursache für die Stressfraktur abklären.
Trainingsintensität realistisch anpassen.
Beinlängendifferenzen durch Einlagesohlen ausgleichen.
NSAR mit Bedacht, da möglicherweise eine verminderte Knochenheilung bei ihrer Einnahme besteht.16
Operative Therapie
Tibia
In Ausnahmefällen ist die Stressfraktur in der vorderen Kortikalis im mittleren Teil der Tibia lokalisiert.
Wahrscheinlich wegen der schlechten Blutversorgung hat eine Fraktur an dieser Lokalisation die Tendenz zu einer verzögerten Heilung bzw. Pseudarthrosenbildung.
Selbst eine langfristige Entlastung führt häufig nicht zum gewünschten Ergebnis.
Es werden mehrere, vermutlich gleichwertige Operationsmethoden vorgeschlagen.
u. a. Osteosynthese mittels Platte und Schrauben, Marknagel oder Exzision der Frakturstelle und Knochentransplantation
Fuß
Eine operative Osteosynthese kann z. B. bei einer Fraktur des Os naviculare erforderlich sein.
Bei Entwicklung einer Pseudarthrose im Os naviculare werden in der Regel die beiden Fragmente operativ durch Verschraubung miteinander fixiert.
Eine Ermüdungsfraktur an der Basis des Metatarsale 5 und des Sesambeins unter dem Caput des Os metatarsale 1 heilt bei einer konservativen Therapie schlecht, bedingt durch die Zugbelastung, die vom M. Peroneus brevis bzw. M. flexor hallucis brevis ausgeht.
Die Therapie erfolgt daher häufig operativ mittels Schraubenosteosynthese des Metatarsale 5 und Exstirpation des einen (kleinsten) Fragments im Sesambein.
Prävention
Es gibt nur wenige Studien, die die Wirksamkeit dokumentieren.4
Passendes Schuhwerk mit ausreichender Dämpfung verwenden.17
Fußfehlstellungen korrigieren.
Zu viel Training auf hartem Untergrund meiden.
Zu rasche Erhöhung der Trainingsintensität meiden.
Bei frühzeitiger Diagnose und adäquater Entlastung heilt die überwiegende Mehrheit der Stressfrakturen aus.2
Rezidive kommen jedoch häufig vor.
Rund 60 % aller Patient*innen mit einer Stressfraktur haben im Laufe des Lebens eine erneute Stressfraktur.18
Verlaufskontrolle
Kontrolle etwa alle 2 Wochen
Sich überzeugen, dass die Patient*innen schmerzfrei sind.
Die Besserung mit leichten Provokationstests (Druckdolenz?) prüfen.
Im Falle einer deutlichen Besserung nach 4–6 Wochen, ggf. in Absprache mit den mitbehandelnden orthopädischen Kolleg*innen, eine langsame und schrittweise Erhöhung der Belastung empfehlen.
Bei Beschwerdepersistenz sollte die Überweisung an orthopädische Spezialist*innen zum Ausschluss einer Pseudarthrose und Evaluation einer möglichen OP-Indikation erfolgen.
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Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
Die ursprüngliche Version dieses ArtikelArtikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Ermüdungsfraktur; Ermüdungsbruch; Chroniche Belastung; Wiederholte Belastung; Tibiafraktur; Stressfraktur der Tibia; Navicularefraktur; Stressfraktur des Naviculare; Metatarsalefraktur; Stressfraktur des Metatarsale; Fibulafraktur; Stressfraktur der Fibula; Calcaneusfraktur; Fußwurzelfrakturen; Erhöhte Trainingsintensität
Stressfraktur
U-NH 21.03.18
BBB MK 27.10.2020 umfassend überarbeitet, Lit. aktualisiert (AiW Ortho).
Revision at 14.02.2015 11:56:37:
Små endringer.
Revision at 7/5/2011 8:25:49 AM:
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Definition:Ermüdungsfrakturen (Stressfrakturen) treten meist in den unteren Extremitäten auf und sind auf langdauernde und wiederholte Belastungen zurückzuführen.