Definition:Thrombotische Mikroangiopathie mit mikroangiopathischer hämolytischer Anämie, Thrombozytopenie und disseminierten mikrovaskulären Thromben. Zugrunde liegender Pathomechanismus ist ein Mangel an ADAMTS13, einer Protease, die spezifisch für die Spaltung des Von-Willebrand-Faktors zuständig ist.
Häufigkeit:Sehr selten, jährliche Inzidenz in Deutschland ca. 1,5/1.000.000.
Diagnostik:Hämolyse-Parameter (erhöhte LDH, nicht nachweisbares Haptoglobin, erhöhte Retikulozytenzahl), Schistozyten im Blutausstrich, deutlich verringerte ADAMTS13-Aktivität (< 10 %).
Therapie:Sofortige Einleitung einer Plasmapherese, Gabe von Fresh Frozen Plasma (FFP) und Kortikosteroiden. Erweiterung der Therapie durch Hinzunahme von Rituximab und Caplacizumab.
Prognose:Unbehandelt liegt die Letalität bei > 90 %, unter Therapie bei ca. 5–10 %.
Allgemeine Informationen
Definition
Die TTP gehört zur Gruppe der thrombotischen Mikroangiopathien (TMA) und hat folgende charakteristische Befunde:
mikroangiopathische hämolytische Anämie (MAHA)
Nachweis von Schistozyten (auch Fragmentozyten genannt) im peripheren Blutausstrich1
schwere Thrombozytopenie (< 30.000/μl)
Organischämien (zerebral, kardial, renal) verursacht durch disseminierte kleine Thromben im arteriokapillären Endstromgebiet1
Bestätigung der Diagnose durch Nachweis einer deutlich verringerten (< 10 %) ADAMTS13-Aktivität2-3
ADAMTS13 (A Disintegrin And Metalloproteinase with a Thrombospondin Type 1 Repeats, Member 13) ist eine Protease die in den Ito-Zellen der Leber generiert wird. Sie ist spezifisch für die Spaltung des Von-Willebrand-Faktors (VWF) zuständig.
Unterteilung in:
erworbene, idiopathische TTP: Nachweis von Autoantikörpern gegen ADAMTS13 (> 90 % der Fälle)4
angeborene TTP: Auftreten bereits im Kindesalter, angeborener ADAMTS13-Mangel durch Gendefekt (ca. 5 % der Fälle)4
Aufgrund des Überwiegens der erworbenen TTP im Erwachsenenalter bezieht sich dieser Artikel im weiteren Verlauf im Wesentlichen auf diese Entität.
In Abgrenzung hiervon gibt es Krankheitsbilder, die der TTP ähneln, aber durch andere Pathomechanismen hervorgerufen werden, weswegen sie unter dem Oberbegriff Thrombotische Mikroangiopathien (TMA) zusammengefasst und unter den Differenzialdiagnosen aufgeführt werden.5
Das klinische Bild unterscheidet sich dabei u. U. kaum von dem einer TTP.
Je nach zugrunde liegender Ursache sprechen auch diese TMA auf Plasmapherese und die Gabe von FFP an.
Historisches
Erstbeschreibung 1924 durch Dr. Eli Moschcowitz
Moake et al. beschrieben 1982 die Bildung von großen VWF-Multimeren im Plasma von TTP-Patient*innen.6
Furlan et al. und Tsai gelang es dann Mitte der 90er-Jahre eine neue Protease zu identifizieren, durch die VWF-Multimere spezifisch gespalten werden.7-8
Ende der 90er-Jahre konnte der Zusammenhang zwischen TTP und hochgradig verringerter ADAMTS13-Aktivität hergestellt werden.2,9
Häufigkeit
Inzidenz
sehr selten: Inzidenz in Deutschland ca. 1,5/1.000.00010
Möglicherweise deutlich unterdiagnostiziert!
Auftreten typischerweise im Erwachsenenalter (ca. 90 % der Fälle)
Ätiologie und Pathogenese
Unter physiologischen Bedingungen sorgt die Protease ADAMTS13 für den Abbau des Von-Willebrand-Faktors (VWF) und kontrolliert damit die Aktivität und den Einfluss auf die Blutgerinnung.
Der Von-Willebrand-Faktor ist ein Glykoprotein, das von Endothelzellen und Megakaryozyten gebildet wird. Es wird ins Blut abgegeben und kann dort spontan große Multimere bilden.
Bei Verletzungen des Gefäßendothels bindet der VWF an Proteine der subendothelialen Matrix und gleichzeitig an bestimmte Oberflächenmoleküle auf den Thrombozyten. Der VWF stellt sozusagen das Bindeglied zwischen verletzter Gefäßwand und Thrombozyten dar, er aktiviert die Thrombozyten und hat eine essenzielle Funktion in der Aktivierung der primären Hämostase.11
Bei einer stark reduzierten Aktivität von ADAMTS13, z. B. durch Bildung von Autoantikörpern, fällt der regulierende Einfluss auf den VWF weg.
Es bilden sich ungewöhnlich große Multimere (Ultra Large VWF) die zur Adhäsion und unkontrollierten Aktivierung von Thrombozyten führen. Es bilden sich disseminierte Mikrothromben, vor allem in der arteriokapillären Endstrombahn.11
Die Mikrothromben führen zu Organischämien und zur Schädigung der Erythrozyten, was sich in der hämolytischen Anämie und dem Nachweis von Schistozyten (= fragmentierte Erythrozyten) im Blutausstrich widerspiegelt.
Es ist bisher nicht völlig geklärt, welche Faktoren für die Entstehung von Autoantikörpern gegen ADAMTS13 verantwortlich sind.
Als prädisponierende Faktoren für das Auftreten einer TTP gelten:
Stärkstes diagnostisches Kriterium ist der Nachweis einer verminderten ADAMTS13-Aktivität von < 10 %. In einem weiteren Schritt erfolgt dann die Suche nach möglichen Antikörpern.
TMA ausgelöst durch Medikamente – z. B. Calcineurin-Inhibitoren oder Zytostatika: Nierenschädigung und in der Folge Hypertonie; ADAMTS13-Aktivität normal bis leicht erniedrigt
Kann als typisches HUS bei einer Infektion mit Shiga-Toxin bildenden E.-coli auftreten.13Hierbei verursachen die Bakterientoxine Schäden an den Endothelzellen der Gefäßwände. Shiga-Toxine binden dabei an das Glykolipid Gb3, was in hohem Maße auf den Endothelzellen der Glomeruli exprimiert wird.14
Ein atypisches HUS tritt auf bei unkontrollierter Aktivierung des Komplementsystems, z. B. durch Mutationen oder Autoantikörper.
Ein sekundäres HUS kann auftreten im Zusammenhang mit Malignomen, Zytostatika oder bestimmten Infektionen (Pneumokokken, Influenza).
im Gegensatz zur TTP ist die ADAMTS13-Aktivität nicht bzw. nur leicht erniedrigt.
Anamnese
Akutes und lebensbedrohliches Krankheitsbild
In den meisten Fällen klinisch schwer kranke Patient*innen
ZNS: Somnolenz bis hin zum Koma, neurologische Ausfälle, Krampfanfälle
Diagnostik bei Spezialist*innen
Bei V. a. das Vorliegen einer Erkrankung aus dem Kreis der TMA unverzügliche Einweisung in die Klinik, die Diagnostik darf die Therapie nicht verzögern.
Unverzügliche Therapieeinleitung – bereits bei V. a. das Vorliegen einer TTP
Die Verzögerung einer adäquaten Therapie führt zu Erhöhung von Morbidität und Mortalität.
Unbehandelt endet eine TTP fast immer letal, unter multimodaler Therapie (d. h. Kombination aus Plasmapherese, Kortikosteroiden, Rituximab und Caplacizumab) liegt die Letalität bei 5–10 %.16-17
Plasmapherese
Plasmaaustausch und Zufuhr von Fresh Frozen Plasma (FFP) als wichtiger therapeutischer Ansatzpunkt18
Entfernung der gegen ADAMTS13 gerichteten Autoantikörper und Transfusion von Spenderplasma mit funktionsfähigen Proteasen19
Ein erfolgreiches Therapieansprechen führt zur Normalisierung von Hb-Wert und Thrombozyten und zum Rückgang der klinischen Symptomatik.
Medikamentöse Therapie
Kortikosteroide
Spielen ebenfalls eine wichtige therapeutische Rolle, kommen meist in Kombination mit der Plasmapherese zum Einsatz und sollen durch ihre immunsuppressive Wirkung die erneute Bildung von Autoantikörpern unterbinden.15
Rituximab
Monoklonaler Antikörper, der gegen das CD20-Oberflächenmolekül auf B-Lymphozyten gerichtet ist.
Einsatz vor allem während der akuten Phase
Es gibt Hinweise darauf, dass spätere Rezidive durch den Einsatz von Rituximab verhindert werden können.20-22
Caplacizumab
Immunglobulin, das gegen eine Domäne des VWF gerichtet ist und die Interaktion mit Thrombozyten verhindert.
Nach aktueller Studienlage führt Caplacizumab zur Verbesserung des Outcomes, schnellerer Erholungszeit und weniger Rezidiven.23-25
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Autor*innen
Kristin Haavisto, Dr. med., Fachärztin für Innere Medizin und Hämato-/Onkologie, Münster
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
M31; M311
B83
Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP)
U-NH: 22.03.18
BBB MK 12.10.2021 revidiert und komplett umgeschrieben.
Definition:Thrombotische Mikroangiopathie mit mikroangiopathischer hämolytischer Anämie, Thrombozytopenie und disseminierten mikrovaskulären Thromben. Zugrunde liegender Pathomechanismus ist ein Mangel an ADAMTS13, einer Protease, die spezifisch für die Spaltung des Von-Willebrand-Faktors zuständig ist.
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