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Schenkelhalsfraktur, Femurfraktur

Zusammenfassung

  • Definition:Frakturen des proximalen Femurs umfassen die Femurkopffrakturen, Schenkelhalsfrakturen und die Frakturen der trochantären sowie subtrochantären Region.
  • Häufigkeit:Bei den proximalen Femurfrakturen handelt es sich um die häufigste Ursache eines stationären Krankenhausaufenthalts von Patient*innen im Alter > 64 Jahre.
  • Symptome:Schmerzen in der Leiste bei eingeschränkter Fähigkeit zur aktiven Bewegung des Beins nach Sturz oder Bagatelltrauma.
  • Befunde:Das betroffene Bein ist in der Regel verkürzt und nach außen rotiert.
  • Diagnostik:Klinischer Verdacht, der durch Röntgen bestätigt wird. 
  • Therapie:Operative Therapie. Konservative Therapie nur bei absoluten Kontraindikationen für Operation.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Frakturen des proximalen Femurs umfassen die Femurkopffrakturen, Schenkelhalsfrakturen und die Frakturen der trochantären sowie subtrochantären Region. 1
    • Femurkopffraktur (Pipkin-Fraktur)
      • seltenSelten, häufig auf Hochrasanztrauma zurückzuführen.
    • Schenkelhalsfraktur
      • typische Verletzung des alten Menschen durch Sturz aus geringer Höhe
    • Fraktur der peri- und subtrochantären Region
      • ähnlich häufig wie Schenkelhalsfraktur mit analogen Patientencharakteristika 
  • Eine solche Fraktur ist meist ein dramatisches Ereignis für die Betroffenen und trägt das Risiko eines Funktionsverlusts und einer Pflegebedürftigkeit mit sich.2-3
  • Aufgrund der Seltenheit der Femurkopffraktur werden in diesem Artikel nur die Schenkelhalsfraktur sowie die Fraktur der peri- und subtrochantären Region behandelt.

Einteilung der Schenkelhalsfrakturen4

  • Nach Risiko der Perfusionsstörung des Kopfs (nach Garden)
    • Typ I: impaktiert, Aufrichtung der Kopftrabekel
    • Typ II: nicht impaktiert, nicht disloziert, Unterbrechung der Trabekel ohne
      Abwinkelung
    • Typ III: disloziert, Trabekel medial noch in Kontakt
    • Typ IV: vollständig disloziert, Kopffragment ohne Kontakt mit dem Schenkelhals (höchstes Risiko einer Perfusionsstörung)
  • Nach mechanischen Gesichtspunkten (nach Pauwels)
    • Typ I: impaktiert, Bruchwinkel bis 30° Grad zur Horizontalen
    • Typ II: nicht impaktiert, Bruchwinkel > 30°–50 bis 50°Grad zur Horizontalen
    • Typ III: nicht impaktiert, Bruchwinkel > 50° Grad zur Horizontalen
    • Jeje steiler die Frakturlinie, desto höher Risiko für Dislokation (Abrutschen der Fraktur)

Häufigkeit

  • Bei den proximalen Femurfrakturen handelt es sich um die häufigste Ursache eines stationären Krankenhausaufenthalts von Patient*innen im Alter > 64 Jahre. 1
  • Inzidenz 1
    • Inin Deutschland altersabhängige, exponentiell ansteigende Inzidenz von 0,06 % bei den 60- bis 64-Jährigen, bis hin zu 1,32 % im Alter >mehr als 85 Jahren. 
  • Lebenszeitrisiko Schenkelhalsfraktur 5
    • Frauen 11–23 % und Männer 5–11 % 
  • Verteilung zwischen Schenkelhalsfraktur mit ca. 54 % und der pertrochantären Fraktur mit ca. 46  % relativ ausgeglichen6
  • Alter und Geschlecht
    • Frauen sind deutlich häufiger betroffen.
    • Das Risiko steigt mit dem Alter, bedingt durch Abnahme der Knochendichte (Osteoporose) und erhöhtes Sturzrisiko.

Ätiologie und Pathogenese

  • Typischer Verletzungshergang ist ein Bagatelltrauma mit Sturz aus geringer Höhe bei älteremlteren Menschen. 1
  • Deutlich seltener ist eine Fraktur Folge eines Hochenergietraumas (meist Verkehrsunfall), welchesdas vor allem junge männliche Patienten betrifft. 1

Disponierende Faktoren

  • Besonders 2 disponierende Faktoren: erhöhtes Sturzrisiko und Osteoporose 4
  • Erhöhtes Sturzrisiko u. a. bedingt durch:
    • Alkohol- und Medikamenteneinfluss
    • Neurologischeneurologische Erkrankungen
    • Muskelschwäche
    • Sehstörungen.
  • Osteoporose u. a. bedingt durch:

ICPC-2

  • L75 Fraktur Femur

ICD-10

  • S72.0 Schenkelhalsfraktur
  • S72.1 Pertrochantäre Fraktur

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die klinische Verdachtsdiagnose wird durch Röntgen bestätigt.
  • Bei komplexen Frakturen ggfsggf. Ergänzung durch CT.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Abklärung der funktionellen und sozialen Situation vor dem Unfall4,7
  • Abklärung des Unfallmechanismus und der Sturzursache
    • häuslicher Sturz (Bagatelltrauma) durch Stolpern, Gleichgewichtsstörungen als Hinweis auf neurologische oder kardio-vaskulkardiovaskuläre Störungen
    • Sportunfall oder Rasanztrauma (Verkehrsunfall, Sturz aus großer Höhe)
    • ohne adäquates Trauma bei Tumor oder anderen Erkrankungen (pathologische Fraktur)
  • Vorerkrankungen
  • Voroperationen
  • Aktuelle Medikation
  • Allergien
  • Letzte Nahrungsaufnahme

Klinische Untersuchung

Inspektion

  • Klassisch: außenrotiertes und verkürztes Bein mit schmerzbedingter Immobilisierung 6
  • Prellmarken, Hämatome, Hautverletzungen

Palpation

  • Druckschmerz im Bereich der Leiste oder des Trochanters

Funktionsprüfung 1

  • Detaillierte Bewegungsprüfung sollte aufgrund der Schmerzen unterbleiben. 
  • Überprüfung der körperfernen Durchblutung, Motorik und Sensibilität

Weitere Untersuchungen im Krankenhaus

Labor

  • Kreuzblut für Blutgruppe und Blutkonserven
  • Gerinnungsparameter (Quick, PTT) und Hämoglobin
  • Weitere Laboruntersuchungen unter Berücksichtigung von Alter und Begleiterkrankungen der Patient*innen7

Röntgen 4

  • Tiefe Beckenübersichtsaufnahme
  • Proximaler Oberschenkel axial

Knochendichtemessung

  • Die Leitliniengruppe vom Dachverband Osteologie empfiehlt eine medikamentöse Osteoporose-Therapie nach niedrig-traumatischen proximalen Femurfrakturen bei einem DXA T-Score < -2,0. 8
    • Bei typischen klinischen osteoporotischen Aspekten bei Vorliegen einer proximalen Femurfraktur kann nach Ansicht der Leitliniengruppe für die Diagnosestellung auf eine Knochendichtemessung verzichtet werden. 8

Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung

  • Bei Verdacht auf Fraktur Einweisung in ein Krankenhaus.

Therapie

Therapieziele

  • Therapieziele gemäß der deutschen Leitlinie zu Schenkelhalsfrakturen 4
  • Überleben sichern.
  • Lebensqualität erhalten.
  • Komplikationen und funktionelle Einschränkungen minimieren.

Allgemeines zur Therapie

  • Die operative Behandlung ist das Verfahren der Wahl.4,6
    • KonservativeEine konservative Therapie ist nur dann eine Option, wenn klare Kontraindikationen gegen eine Operation bestehen.
  • Die Patient*innen sollten so schnell wie möglich innerhalb von 24 h operiert werden. 4
    • Bei längerem Aufschub u. a. erhöhte Rate an Femurkopfnekrosen, Lungenembolien und insgesamt erhöhte Mortalität. 

Konservative Therapie

  • Konservatives Vorgehen nur bei Kontraindikationen für Operation, z. B.:6
    • Ablehnung der Operation durch Patient*in/Betreuer*in
    • Bettlägerigkeit
    • ASA Grad 4 (hohe perioperative Mortalität).
  • In diesen Fällen funktionelle Therapie mittels:4
    • Analgetika
    • Thrombose-, Pneumonie- und Dekubitus-Prophylaxe
    • bei Bedarf Gelenkpunktion
    • schmerzabhängiger Mobilisierung unter zunehmender Belastung  
    • Physiotherapie unter Vermeidung von Rotationsbewegungen.

Operative Therapie

  • Sämtliche Empfehlungen zur operativen Therapie beziehen sich auf nachfolgende Referenz.1
  • Perioperativ sollte eine antibiotische Prophylaxe erfolgen (z. B. Cefuroxim 1,5 g i. v. in der Einleitung und intraoperativ alle zwei2 Stunden). 

Schenkelhalsfraktur

  • Abhängig von Fraktur und Patientencharakteristika Osteosynthese oder Endoprothese.
  • Junge, gesunde Patient*innen, eine gute Knochenqualität, eine Fraktur nicht älter als 24 Stunden, keine Arthrose und eine gut reponierbare Fraktur sprechen eher für eine Osteosynthese. 
    • Sonst kommt eine Endoprothese zum Einsatz.

Fraktur der peri- und subtrochantären Region

  • Stabile peritrochantäre Frakturen mit medialer Abstützung
    • Versorgung mit extramedullären Implantaten
      • Dynamischedynamische Hüftschraube (DHS) oder dynamische Hüftklinge (DHK)
  • Instabile Frakturen 
    • Intramedullintramedulläres Implantat (Nagel)

Postoperative Maßnahmen und Nachsorge (Auswahl)

  • Physikalische und medikamentöse Thromboseprophylaxe ab 6 Stunden postoperativ
  • Adäquate Schmerztherapie
  • Physiotherapeutische Beübung, manuelle Lymphdrainage:
    • Schenkelhalsfraktur:
      • frühfunktionelle Mobilisierung mit Vollbelastung (bei Prothesenimplantation oder DHS/DHK) bzw. Teilbelastung bis 20 kg (bei Schraubenosteosynthese)
      • bei erhöhtem Luxationsrisiko nach Prothesenimplantation Begrenzung der Flexion im Hüftgelenk auf 60° Grad, keine Adduktion über die Mittellinie und Vermeidung forcierter (Innen-) Rotationsbewegungen im Hüftgelenk für die ersten sechs6 Wochen
    • Peri-/subtrochantäre Fraktur: frühfunktionelle Mobilisierung mit Vollbelastung ohne Limitierung der Hüftgelenkbeweglichkeit

Empfehlungen für Patient*innen

  • Die Patient*innen sollen das Bein so früh wie möglich nach der Operation belasten.
    • Dies fördert die frühzeitige Selbstständigkeit und trägt zur Vorbeugung von thrombembolischen Komplikationen bei.
    • Die eigene Motivation der Patient*innen zum Training nach der Verletzung ist ebenso wichtig wie das gemeinsame Festlegen langfristiger und realistischer Ziele.

Prävention

  • Empfehlungen gemäß der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie 4
  • Stürze vermeiden durch:
    • dem Wetter angepasstes Schuhwerk und Gehhilfen.
    • altersgerechte Wohnungseinrichtung (Türschwellen und Teppiche vermeiden, Handläufe benutzen).
    • Überprüfung und Korrektur der Sehfähigkeit.
    • gute Beleuchtung auch nachts.
    • Überprüfen der Medikamente, die das Gleichgewicht beeinträchtigen.
    • Muskelaufbau- und Kräftigungsübungen.
  • Frakturen vermeiden durch: 
    • Regelmregelmäßige körperliche Aktivität
    • Hüftprotektoren (jedoch sehr niedrige Trageakzeptanz, nur bei selektiver Population mit hohem Risiko, insbesondere in PflegeheimenPflegeeinrichtungen, sinnvoll)
    • Ausreichendeausreichende Ernährung (Body Mass Index > 20)
    • Kalziumreichekalziumreiche Ernährung (1200-15001.200–1.500 mg/Tagd)
    • Ausreichendeausreichende Sonnenexposition (> 30 min täglichtgl.)
    • Gegebenenfallsggf. Supplementierung Vitamin D (400-1200–1.200 IE oral)
    • Nikotinverzicht
    • Erkennung und rechtzeitige Behandlung bei Filialisierung maligner TumoreTumoren.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Bei Aufschub einer operativen Versorgung > 24 h nimmt die Anzahl der Komplikationen deutlich zu. 4
  • Nach dem standardmäßigen operativen Vorgehen profitieren die Patient*innen von einer raschen Mobilisation unter Vollbelastung. 6

Komplikationen

  • Bei konservativem Vorgehen sekundäre Dislokation der Fraktur 4
  • Pseudarthrose
  • Hüftkopfnekrose (bei konservativer Therapie bzw. Osteosynthese) 1
  • Sekundäre Coxarthrose
  • Pflegebedürftigkeit durch Abnahme der Mobilität
  • Dekubitus
  • Allgemeine OP-Risiken (z. B. thrombembolische Ereignisse, Infektionen, Wundheilungsstörungen)

Prognose

  • Variabel, abhängig von der Art der Fraktur und dem Gesundheitszustand und Alter der Patient*innen
  • Mortalität
    • Die 90-Tages-Mortalität bei proximalen Femurfrakturen beträgt 7,9 %. 1
  • Morbidität
    • 10–25 % der Patient*innen, die eine Hüftfraktur überleben, sind nicht in der Lage, in ihr Zuhause zurückzukehren, und 50 % haben eine verringerte Gehfunktion.9
  • Neue Frakturen
    • Patient*innen, die eine Hüftfraktur erlitten haben, haben im Vergleich mit Kontrollpersonen ein erhöhtes Vorkommen von neuen, nicht-vertebralennichtvertebralen Frakturen.10

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Oberschenkelhalsbruch
Oberschenkelhalsbruch

Quellen

Leitlinien

  • Dachverband Osteologie. Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose. AWMF-Leitlinie Nr. 183-001. S3, Stand 2017. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. Pertrochantäre Oberschenkelfraktur. AWMF-Leitlinie Nr. 012-002. S2, Stand 2016. (abgelaufen).  www.leitliniensekretariat.de
  • Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. Schenkelhalsfraktur des Erwachsenen. AWMF-Leitlinie Nr. 012-001. S2e, Stand 2015. (abgelaufen). www.awmf.org

Literatur

  1. Raschke MJ, Everding J. SOP Proximale Femurfraktur. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2019; 14: 120-26. www.thieme-connect.com
  2. Figved W, Opland V, Frihagen F et al. Cemented versus uncemented hemiarthroplasty for displaced femoral neck fractures. Clin Orthop Relat Res 2009; 467: 2426-35. PubMed
  3. Gjertsen JE, Vinje T, Engesaeter LB et al. Internal screw fixation compared with bipolar hemiarthroplasty for treatment of displaced femoral neck fractures in elderly patients. J Bone Joint Surg Am 2010; 92: 619-28. PubMed
  4. Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. Schenkelhalsfraktur des Erwachsenen. AWMF-Leitlinie Nr. 012-001. Stand 2015. (abgelaufen). www.awmf.org
  5. Bleß H.-H., Kip M. Weissbuch Gelenkersatz . Springer Verlag 2017 www.bvmed.de
  6. Klopfer T, Hemmann P, Schreiner AJ, et al. Proximale Femurfraktur. Trauma und Berufskrankheit 2019; 21: 86-94. link.springer.com
  7. Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. Pertrochantäre Oberschenkelfraktur. AWMF-Leitlinie Nr. 012-002. Stand 2016. (abgelaufen). www.leitliniensekretariat.de
  8. Dachverband Osteologie. Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose. AWMF-Leitlinie Nr 183-001. Stand 2017. www.awmf.org
  9. Roche JJW, Wenn RT, Sahota O, Moran CG. Effect of comorbidities and postoperative complications on mortality after hip fracture in elderly people: prospective observational cohort study. BMJ 2006; 331: 1374-6. www.ncbi.nlm.nih.gov
  10. Colon-Emeric C, Kuchibhatla M, Pieper C, Hawkes W, Fredman L, Magaziner J et al. The contribution of hip fracture to risk of subsequent fractures: data from two longitudinal studies. Osteoporos Int 2003; 14: 879 - 83. PubMed

Autor*innen

S720; S721
fractura colli femoris; femurbrudd; lårbensbrudd; Femur, lårhalsbrudd; lårhalsbrudd; hoftebrudd; Femur, hoftebrudd; Femur, Oberschenkelhalsbruch; Hüftfraktur (Femurfraktur)
L75
Hüftgelenknahe Fraktur; Schenkelhalsfraktur; pathologische Fraktur; Mediale Schenkelhalsfraktur; Intrakapsuläre Schenkelhalsfraktur; Pertrochantere Oberschenkelfraktur; Femurkopfnekrose; Hüftkopfnekrose; Osteoporose; Hüftfraktur
Schenkelhalsfraktur, Femurfraktur
U-NH 09.11.17
BBB MK 14.03.2022 revidiert, aktualisiert und gekürzt. MK 04.10.17 Komplett neu überarbeitet
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Definition:Frakturen des proximalen Femurs umfassen die Femurkopffrakturen, Schenkelhalsfrakturen und die Frakturen der trochantären sowie subtrochantären Region.
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