Y84 Sonstige medizinische Maßnahmen als Ursache einer abnormalen Reaktion eines Patienten oder einer späteren Komplikation, ohne Angabe eines Zwischenfalls zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme
Y84.6 Harnwegkatheterisierung
Indikationen
Der Einsatz von Harnwegkathetern soll auf das medizinisch vertretbare Minimum reduziert werden, eine Katheterentfernung soll zum frühest möglichen Zeitpunkt erfolgen.1-2
kurzfristige Anwendung im Zusammenhang mit bestimmten operativen Eingriffen
genaue Bilanzierung der Urinausscheidung bei schwerkranken Patient*innen
eine Verbesserung der Lebensqualität bei im Sterben liegenden Patient*innen
Förderung der perinealen Wundheilung bei Hautschädigung durch Inkontinenz.
Nicht indiziert ist die Verordnung eines Blasenkatheters nur aufgrund einer Harninkontinenz (Frauen/Männer).
Die Indikation für die Anlage eines Harnblasenkatheters kann hier eine Restharnbildung, ein klinisch relevanter Infekt, schwerwiegende Hautdefekte/Intertrigo, ein Nierenreflux sowie individueller Leidensdruck durch Miktionsbeschwerden sein.3
Eine Alternative kann bei Männern ein Kondomurinal sein.
Bei neurogener Dysfunktion des unteren Harntraktes (Neurogenic Lower Urinary Tract Dysfunction – NLUTD) ist der intermittierende Katheterismus (IK) entweder als Selbst- oder Fremdkatherisierung eine komplikationsarme Methode der Blasenentleerung.4
Die Indikation hierfür muss immer individuell nach neurourologischer Diagnostik gestellt werden.
In der Akutphase einer Querschnittlähmung kann es im Rahmen des spinalen Schocks zu Blasenentleerungsstörungen kommen.5
Hier kann zeitlich begrenzt ein transurethraler Dauerkatheter zum Einsatz kommen, ein frühestmöglicher Wechsel auf intermittierenden Katheterismus oder einen suprapubischen Katheter muss angestrebt werden.
Durchführung
Man unterscheidet die transurethrale Katheterisierung entweder einmalig, intermittierend oder als permanenten Blasenverweilkatheter von der suprapubischen Katheterisierung, die den Fachärzt*innen überlassen bleiben sollte.
Suprapubischer Katheter
Bei längerfristiger Notwendigkeit der Katheterisierung sollte auf einen suprapubischen Katheter gewechselt werden.
Hiermit können zuverlässig katheterbedingter Harnröhrenstrikturen vermieden werden.
Die Nachteile eines suprapubischen Katheters sind die Gefahren einer Phlegmone und eines Hämatoms sowie einer Leckage an der Einstichöffnung, eines Prolapses durch die Urethra und einer Fehlpunktion der Abdominalhöhle.
Relative Kontraindikationen sind suprasymphysäre Vernarbungen oder Verbrennungen, Meteorismus, Darmüberblähung, Ileus, Schwangerschaft, Adipositas, Antikoagulation oder Gerinnungsstörungen.
Als absolute Kontraindikationen gelten die ungenügend gefüllte oder aufgefüllte Harnblase (< 200 ml), Blasentumor, Abdominaltumor mit Verdrängung der Harnblase sowie Hauterkrankungen im Punktionsbereich.
Man unterscheidet 3 Möglichkeiten der Durchführung:4
steriler Katheterismus (sterile Bedingungen, analog OP) bei Brandverletzten und Immunsupprimierten
aseptischer Katheterismus (bei Selbst- und Fremdkatheterisierung)
Hygienischer Katheterismus sollte nur dann zur Anwendung kommen, wenn eine Selbstkatherisierung unter aseptischen Bedingungen nicht möglich ist.
Materialien
Die Katheterlänge variiert von 7–50 cm.
Der Standarddurchmesser für Erwachsene beträgt Charriere (1 Charr = 1/3 cm) 12–14.
Die Katheterspitze kann bei entsprechenden Indikationen variieren.
bei unkomplizierten Eingriffen
Nelaton-Katheter mit gerader abgerundeter Spitze
Ergothan-Katheter mit flexibler, konisch verjüngter Spitze und
Kugelkopf-Katheter mit einer flexiblen Kugelkopfspitze
bei spastischem Beckenboden oder Sphinkter
Ergothan-Katheter mit flexibler, konisch verjüngter Spitze und
Kugelkopf-Katheter mit einer flexiblen Kugelkopfspitze
bei urethralen Passagestörung oder Prostataobstruktion
Ergothan-Katheter mit flexibler, konisch verjüngter Spitze
Kugelkopf-Katheter mit einer flexiblen Kugelkopfspitze oder
Tiemann-Katheter mit leicht gebogener Spitze.
Die Spitze zeigt beim Einführen nach oben.
Man unterscheidet außerdem nichtbeschichtete Einmalkatheter und beschichtete Einmalkatheter (Hydrophile oder Gelkatheter)
Bei einem Einsatz von nichtbeschichteten Kathetern wird der Einsatz eines Gleitmittels mit oder ohne Lidocain oder Chlorhexidin empfohlen.
Beim intermittierenden Katheterismus sollen beschichtete Einmalkatheter gewählt werden.
Die tägliche Katheterisierungsfrequenz liegt zwischen 2 und 10, die Blasenfüllung soll bei Erwachsenen 500 ml pro Katheterisierung nicht überschreiten.
Durchführung
Hygienische Händedesinfektion
beim Fremdkatheterismus zusätzlich unsterile Handschuhe
Desinfektion des Meatus urethrae mit Schleimhautdesinfektionsmittel wie Octenidin oder Povidon-Iod-Lösung oder alternativ Polihexanid als Reinigungsmittel (Einwirkzeit 1–2 min gemäß Herstellerangaben)
Mann
Vorhaut zurückziehen.
Eine Streckung des Penis ist für das Einschieben des Katheters und zur Vermeidung von Harnröhren-Verletzungen notwendig.
Die Liegedauer eines Blasenverweilkatheters ist stets auf ein erforderliches Minimum zu beschränken.2
Patient*innen und/oder Pflegekräfte sollten im Umgang mit dem Blasenkatheter geschult werden.7
Vor und nach jeder Manipulation am Blasenverweilkatheter oder Drainagesystem ist eine hygienische Händedesinfektion vorzunehmen.
Es sollten keine routinemäßigen Wechsel in festen Intervallen durchgeführt werden.
Es sollten nur geschlossene Ableitungssysteme verwendet werden, es ist darauf zu achten, dass der Schlauch nicht abknickt und der Auffangbeutel frei hängend ohne Bodenkontakt und unter Blasenniveau angebracht wird.
Reinigung des Genitales mit Trinkwasser und Seifenlotion ohne Zusatz antiseptischer Substanzen im Rahmen der normalen, täglichen Körperpflege2
Komplikationen
Verstopfung des Katheters
Inkrustationen, Obstruktion oder Verschmutzung des Katheters können dazu führen, dass der Katheter gewechselt werden muss.
Chronische Entzündungen der Harnblase können die Entstehung eines Harnblasenkarzinoms begünstigen.10
Perforation der Urethra
Insbesondere nach Traumen mit Harnröhrenverletzungen kann eine transurethrale Katherisierung schwierig bis unmöglich sein.
Kann durch achtsame Einführung vermieden werden.
Kann bei zu großem Kraftaufwand vorkommen. Die Diagnose wird durch retrograde Urethrografie und Urethroskopie gestellt.
Wenn eine minimale Extravasation vorliegt, können Antibiotika und eine Harndrainage über 1−2 Tage eine ausreichende Behandlung sein.
Liegt eine größere Extravasation ins Peritoneum oder extraperitoneal vor, kann es erforderlich sein, die Flüssigkeit zu drainieren oder einen chirurgischen Eingriff vorzunehmen.
Mortalität
Sowohl Inkontinenz als auch das Tragen eines Katheters hat einen negativen Einfluss auf die Mortalität.11
Katherentfernung
Ein Abklemmen des Katheters vor der Entfernung (Blasentraining) erhöht die Wahrscheinlichkeit einer katheterassoziierten Infektion und sollte nicht durchgeführt werden.2,7
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Brennen beim Wasserlassen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-001. S3, Stand 2018. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG). Harninkontinenz bei geriatrischen Patienten, Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 084-001. S2e, Stand 2019. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V., Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegie e. V. Intermittierender Katheterismus (IK) bei Neurogenen Blasenfunktionsstörungen, Management und Durchführung. AWMF-Leitlinie Nr. 043-048. S2k, Stand 2019. www.awmf.org
Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegiologie. Querschnittgelähmte Patienten, neurourologische Versorgung. AWMF-Leitlinie Nr. 179-001. S2k, Stand 2016. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Urologie. Früherkennung, Diagnose, Therapie und Nachsorge des Harnblasenkarzinoms. AWMF-Leitlinie Nr. 032-038OL. S3, Stand 2020. www.awmf.org
Literatur
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Bundesgesundheitsbl 2015, Prävention und Kontrolle Katheter-assoziierter Harnwegsinfektionen 58:641–650 DOI 10.1007/s00103- 015-2152-3 Online publiziert: 1. April 2015 edoc.rki.de
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Kölner Interprofessionelles Skills Lab & Simulationszentrum, Steriles Arbeiten am Beispiel des Blasenkatheters, UNIVERSITÄT ZU KÖLN MEDIZINISCHE FAKULTÄTSTUDIENDEKANATREFERAT 4 DR. C. STOSCH,Stand Mai 2017. medfak.uni-koeln.de
Kranz J, Schmidt S, Wagenlehner F, Schneidewind L: Catheter-associated urinary tract infections in adult patients—preventive strategies and treatment options. Dtsch Arztebl Int 2020 www.aerzteblatt.de
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Brennen beim Wasserlassen – S3-Leitlinie und Anwenderversion der S3-Leitlinie Harnwegsinfektion. AWMF-Leitlinie Nr. 053-001, Stand 2018. www.awmf.org
Saint S, Trautner BW, Fowler KE et al.: A multicenter study of patient-reported infectious and noninfectious complications associated with indwelling urethral catheters. JAMA Intern Med. 2018 jamanetwork.com
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Bootsma AM, Buurman BM, Geerlings SE. Urinary incontinence and indwelling urinary catheters in acutely admitted elderly patients: relationship with mortality, institutionalization, and functional decline. J Am Med Dir Assoc. 2013 Feb pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Autor*innen
Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
Heidrun Bahle, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
BBB MK 03.02.2021 komplett überarbeitet und umgestellt. Veraltete Angaben entfernt.
BBB 21.03.2019, komplett überarbeitet, problematische Formulierungen entfernt, Link zu Abbildungen, LL berücksichtigt
Revision at 09.09.2015 15:20:15:
German Guideline
Revision at 04.09.2015 14:20:15:
GErman Version
In die Harnblase eingeführter Katheter für die Ableitung von Urin Es gibt verschiedene Arten der Katheter:
transurethrale Einmalkatheter z. B. zu diagnostischen Zwecken oder bei Harnverhalt
transurethrale Dauerkatheter (Blasenverweilkatheter) mit längerer Liegedauer, z. B. perioperativ
suprapubischer Verweilkatheter bei Notwendigkeit längerfristiger Harnableitung.