Definition:Als fulminante Kolitis bezeichnet man eine schwere Entzündung des Kolons. Es gibt viele zugrunde liegende Ursachen, der häufigste Auslöser ist jedoch die Colitis ulcerosa. Als schwerwiegende Komplikation kann es zur Ausbildung eines toxischen Megakolons kommen.
Häufigkeit:5–15 % der Patient*innen mit Colitis ulcerosa entwickeln eine fulminante Kolitis.
Symptome:Blutige Diarrhö mit mindestens 6 makroskopisch blutigen Stühlen am Tag, allgemeines Krankheitsgefühl, Gewichtsverlust, abdominelle Schmerzen, Tenesmen.
Diagnostik:Anamnese, körperliche Untersuchung, Bestimmung von Laborparametern, Stuhluntersuchung, Bildgebung (CT, Ultraschall), Sigmoidoskopie mit Biopsieentnahme.
Therapie:Stationäre Behandlung, medikamentöse Therapie mit systemischen Steroiden, Biopharmazeutika, ggf. Antibiotika. Interdisziplinäre Zusammenarbeit zur Beurteilung der Indikation einer frühzeitigen Kolektomie.
Allgemeine Informationen
Definition
Als fulminante Kolitis bezeichnet man eine schwere Entzündung von großen Teilen bzw. des gesamten Kolons.1
Die Erkrankung ist lebensbedrohlich.
Es gibt verschiedene Ursachen, am häufigsten wird die Erkrankung jedoch durch einen akuten Schub einer Colitis ulcerosa ausgelöst.
Häufigkeit
Colitis ulcerosa
Inzidenz 3,0–3,9 pro 100.000 Einw. in Deutschland2
Bei 5–15 % der Betroffenen kommt es zu einer fulminanten Kolitis.3
Ätiologie und Pathogenese
Ein akuter Schub einer Colitis ulcerosa ist die häufigste Ursache für eine fulminante Kolitis.3-6
Eine fulminante Kolitis tritt am ehesten im Rahmen des ersten Krankheitsschubs auf.
Sie kann durch eine im schweren Schub durchgeführte Röntgenkontrastuntersuchung bzw. Koloskopie ausgelöst werden.
Bei schwer Erkrankten kann sich die Entzündung von der Mukosa zur Muskelschicht des Kolons ausbreiten.
Es kommt zu einer eingeschränkten Motilität des Kolons und zu einer Dilatation mit Gefahr der Ausbildung eines toxischen Megakolons.
Der pathophysiologische Mechanismus zur Entstehung eines toxischen Megakolons ist noch nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass Entzündungsprozesse (vermittelt durch Stickstoffmonoxid, Substanz P und vasoaktives intestinales Peptid) zur Relaxation der glatten Muskulatur und Inhibierung des gastrokolischen Reflexes und damit zu einer Dilatation des Kolons führen.
Beim Übergreifen der Erkrankung auf die Serosa kann es zu einer Kolonperforation kommen.
Andere Kolitisarten können bei einem akuten Verlauf jedoch zu einem identischen Krankheitsbild führen:
NSAR und peristaltikhemmende Medikamente können das Auftreten eines toxischen Megakolons begünstigen.6
Checkpoint-Inhibitoren: Onkologische Immuntherapie mit monoklonalen Antikörpern, die sich gegen regulatorische immunologische Checkpoint-Moleküle richten, die die T-Zell-Aktivierung hemmen.
ICPC-2
D94 Chron. entzündl. Darmerkr./Colitis
ICD-10
K51 Colitis ulcerosa
K51.8 Sonstige Colitis ulcerosa
K52 Sonstige nichtinfektiöse Gastroenteritis und Kolitis
K52.1 Toxische Gastroenteritis und Kolitis
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
Eine schwere Colitis ulcerosa bzw. eine fulminante Colitis wird anhand der Kriterien von Truelove und Witts definiert. Diese umfassen die Anzahl blutiger Diarrhöen, Temperatur, Herzfrequenz, Hb-Wert sowie BSG.4
Bei einer C.-difficile-assoziierten pseudomembranösen Kolitis gelten Fieber, Leukozytose, Linksverschiebung, Hypalbuminämie, Kreatininanstieg, Laktaterhöhung, Alter über 65 Jahre sowie das Vorliegen signifikanter Komorbiditäten als Prädiktoren für eine schwere Verlaufsform.15
Leitlinie: Definition der schweren Colitis ulcerosa 4
Definition einer schweren Colitis ulcerosa anhand der Kriterien von Truelove und Witts:
schwere Diarrhöen mit 6 oder mehr makroskopisch blutigen Stühlen pro Tag
Fieber (mit einer mittleren Abendtemperatur von über 37,5 °C oder einer Temperatur > 37,8 °C an wenigstens 2 von 4 Tagen)
Bei schwerem akuten Schub und/oder therapierefraktärem Verlauf soll eine Untersuchung auf C. difficile und Zytomegalovirus erfolgen.
Indikationen zur Klinikeinweisung
Sofortige stationäre Einweisung bei Verdacht auf die Erkrankung
Leitlinie: Therapie der schweren Colitis ulcerosa4
Patient*innen mit einem schweren akuten Schub einer Colitis ulcerosa sollten stationär behandelt werden.
Therapie
Therapieziele
Vitalparameter stabilisieren.
Nach Möglichkeit Kolon bewahren.
Remission
Allgemeines zur Therapie
Intensive stationäre Behandlung: gemeinsame Überwachung durch Gastroenterologie und Chirurgie zur Beurteilung der Indikation einer frühzeitigen Kolektomie
Hauptelemente der Therapie
Überwachung
Medikamentöse Behandlung
Evtl. chirurgischer Eingriff
Überwachung
Engmaschige Überwachung von:
Vitalparameter: Puls, Blutdruck, Temperatur
Flüssigkeitshaushalt
Anzahl der Darmentleerungen (tägliche Inspektion!)
Laborkontrollen: Initial werden täglich Hb, Albumin und CRP kontrolliert.
Abdomen-CT wird, wenn nötig, täglich wiederholt.18
Medikamentöse Therapie
Besteht kein Verdacht einer Kolondilatation oder -perforation, ist eine medikamentöse Therapie möglich.
Primäre medikamentöse Behandlung
Flüssigkeitssubstitution, Ausgleich des Säure-Basen-Haushalts19
Häufig sind Bluttransfusionen und die Gabe von Albumin notwendig.
Vollständige parenterale Ernährung, je nach Verträglichkeit Umstellung auf enterale Ernährung
Steroide
Hochdosierte Kortikosteroide sind die wichtigste Akuttherapie bei schwerer Colitis ulcerosa, mit guter Wirksamkeit bei ca. 70 % der Betroffenen.
bei Dehydratationsrisiko, Immobilisierung, Thrombozytose
1 x tgl. Fragmin 2.500 IE oder 1 x tgl. Enoxaparin-Natrium 20 mg
Ciclosporin kann bei unzureichendem Ansprechen nach 3–5 Tagen in Erwägung gezogen werden.
Operative Therapie
Indiziert bei:
akuter toxischer Kolondilatation
Perforation
massiven Blutungen
fehlendem Ansprechen auf medikamentöse Behandlung.
Operationsmethode
Primär wird eine subtotale Kolektomie mit Ileostomie (Endileostomie) durchgeführt.
Der Rektumstumpf wird in Höhe des Promontoriums geschlossen.
Eine primäre akute Kolektomie ist bei Verdacht auf eine Perforation, ein toxisches Megakolon, eine therapierefraktäre Darmblutung oder bei Vorliegen von Kontraindikationen für eine medikamentöse Akutbehandlung (z. B. bei Krebserkrankung, Sepsis oder einer anderen schweren Infektion) indiziert.
Bei fehlendem Ansprechen auf die medikamentöse Akutbehandlung sollte spätestens am 7. Krankheitstag eine Kolektomie erfolgen. Verspätete chirurgische Behandlung führt zu einem erhöhten Komplikationsrisiko, wie Darmnekrose, Sepsis oder Wundinfektionen.
Im Falle eines chirurgischen Eingriffs sollten eine präoperative Infektionsprophylaxe sowie eine prä- und postoperative Thromboseprophylaxe verabreicht werden.
Leitlinie: Therapie der schweren/fulminanten Colitis ulcerosa4
Patient*innen mit einem schweren, akuten Schub sollten stationär behandelt werden.
Die Behandlung sollte in enger Zusammenarbeit in einem interdisziplinären Team inkl. erfahrene Abdominalchirurg*in erfolgen.
Systemische Steroidtherapie (1 mg/kg KG Prednisolonäquivalent pro Tag)
Therapiedauer von mindestens 3 Wochen
Patient*innen mit einem schweren akuten Schub sollten eine Thromboseprophylaxe erhalten.
Bei Patient*innen mit schwerer Krankheitsaktivität und unzureichendem Ansprechen auf systemische Steroide bzw. bei Kontraindikationen oder Intoleranzen, Einsatz von:
TNF-Antikörpern
oder im Falle von Infliximab vorzugsweise Kombinationstherapie mit Thiopurin
Tofacitinib – oder –
Ciclosporin A – oder –
Tacrolimus.
Patient*innen mit einer Colitis ulcerosa mit fulminanter Krankheitsaktivität, die refraktär auf die Behandlung mit intravenösen Steroiden sind, sollten mit Infliximab (vorzugsweise als Kombinationstherapie mit einem Thiopurin) oder mit Ciclosporin A oder Tacrolimus behandelt werden.
Eine Proktokolektomie sollte mit in Erwägung gezogen werden.
dringliche OP-Indikation innerhalb von 24 Stunden bei Verschlechterung unter intensivierter medikamentöser Therapie
Proktokolektomie kann ebenso indiziert sein, wenn nach 4–7 Tagen keine Verbesserung des klinischen Zustands eintritt.
Weitere Maßnahmen
parenteraler Flüssigkeits- und Elektrolytausgleich
Ernährungstherapie bei Patient*innen mit Malnutrition
Patient*innen mit hoher Krankheitsaktivität sollen initial mit systemischen Glukokortikoiden behandelt werden.
Besteht eine ausgedehnte Kolitis, so kann eine Proktokolektomie indiziert sein.
Leitlinie: Therapie der schweren C.-difficile-Infektion15
Bei schwerer Krankheitsausprägung oder bei Vorliegen von Prädiktoren für einen schweren Verlauf sollte die Therapie mit Vancomycin 4 x 125–250 mg/d p. o. erfolgen.
Bei erhöhtem Rezidivrisiko und zusätzlichem Vorliegen von Risikofaktoren für Komplikationen (Immunsuppression, Komorbidität) kann der Einsatz von Fidaxomicin (2 x 200 mg/d p. o.) erwogen werden.
Die Therapiedauer sollte 10–14 Tage betragen.
Chirurgische Intervention bei schwerem Krankheitsbild (z. B. Perforation, toxisches Megacolon, akutes Abdomen, therapierefraktärer Ileus, Verschlechterung unter konservativer Therapie).
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Colitis ulcerosa: Diagnostik und Therapie. S3, Stand 2021. www.dgsv.de
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Diagnostik und Therapie des M. Crohn. AWMF-Leitlinie Nr. 021-004. S3, Stand 2014 (abgelaufen). www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple. AWMF-Leitlinie Nr. 021-024. S2k, Stand 2015 (in Überarbeitung). www.awmf.org
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Autor*innen
Susanne Engelhardt, Dr. med., Ärztin in Weiterbildung für Allgemeinmedizin, Hof
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
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