Definition:Diese sexuell übertragbare Krankheit durch das Bakterium Haemophilus ducreyi ist durch genitale Ulzera und ggf. eine inguinale Lymphadenitis gekennzeichnet.
Häufigkeit:Verbreitet im tropischen Afrika, Südostasien und Lateinamerika. In Deutschland tritt die Erkrankung nur sporadisch auf.
Symptome:Nach einer Inkubationszeit von ca. 3–7 Tagen entwickeln sich im Genitalbereich zunächst Papeln, Pusteln und dann Ulzera. Begleitend kann es zu einer inguinalen Lymphadenitis kommen, die bis zur Abszessbildung fortschreiten kann.
Befunde:Multiple Papeln, Pusteln und dann schmerzhafte Ulzera mit ausgefransten unterminierten Rändern, purulentem Exsudat und oft inguinaler Lymphadenitis. Prädilektionsstellen sind Vorhaut und Frenulum bei Männern, Vulva Cervix und Perineum bei Frauen.
Diagnostik:Der Erregernachweis mittels Kultivierung ist schwierig. Bevorzugt wird ein Nachweis mittels PCR aus dem Wundabstrich. Mögliche Koinfektionen mit anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen sollten bedacht werden.
Therapie: Die Therapie erfolgt mit Antibiotika. Wichtig ist eine Aufklärung bezüglich präventiver Maßnahmen.
Durch das gramnegatives Stäbchenbakterium Haemophilus ducreyi ausgelöste sexuell übertragbare Krankheit
Die Erkrankung geht mit meist mehreren, weichen, schmerzhaften genitalen Ulzera und lokaler Lymphadenitis einher.
Die Erkrankung wird als weicher Schanker oder Ulcus molle, auf Englisch als Chancroid bezeichnet.
Eine schwierige mikrobiologische Anzucht erschwert die Diagnose.
Häufigkeit
Insgesamt ist es schwierig, die Prävalenz zu schätzen, da der Erreger schwer nachzuweisen ist.2
In Europa ist die Erkrankung bisher selten, aber sporadische Fälle treten auf.1,3-4
In tropischen und subtropischen Gebieten in Afrika, Südostasien und Lateinamerika ist das Ulcus molle eine häufigere Krankheit. Tendenziell sind die Zahlen in den meisten Ländern rückläufig, mit Ausnahme von Nordindien und Malawi.1,3-4
In tropischen Ländern, insbesondere im Südpazifik, kommt Haemophilus ducreyi vermehrt auch als Erreger nichtgenitaler Hautulzera bei Kindern vor.1
Ätiologie und Pathogenese
Die Erkrankung wird durch das gramnegative Stäbchenbakterium Haemophilus ducreyi ausgelöst.3
Transport und Kultivierung des Bakteriums sind komplex, was die Diagnose erschwert.
Vorzuziehen ist der Erregernachweis mittels PCR.
Nach dem amerikanischen Center for Disease Control and Prevention (CDC) kann die wahrscheinliche Diagnose eines Ulcus molle gestellt werden, wenn die folgenden Kriterien erfüllt sind:1-2,5
Auftreten eines oder mehrerer schmerzhafter Ulzera
typische Präsentation
kein Nachweis von Treponema pallidum (mindestens 7 Tage nach Symptombeginn)
Meist sind jüngere, sexuell aktive Personen betroffen, insbesondere Sexarbeiter*innen.2
Die Inkubationszeit beträgt 3–7 Tage, kann aber auch länger sein.1,3
Die Infektion beginnt mit roten, schmerzhaften Papeln im Genitalbereich, die sich relativ schnell zu Pusteln entwickeln. Die Pusteln erodieren und werden zu Ulzera.1,7
Die Ulzera sind weich und anders als z. B. bei Syphilis schmerzhaft.3
Bei Frauen können die Ulzera schmerzlos sein, insbesondere wenn sie in der Vagina oder im Bereich der Zervix gelegen sind.1,3
Bei ca. der Hälfte der Patient*innen schwellen die Lymphknoten in der Leistengegend an, in der Regel schmerzhaft und unilateral. Diese können sich zu Abszessen entwickeln.1
Unbehandelt können die Ulzera für Monate persistieren.1
Bei HIV-positiven Patient*innen können sich atypische Präsentationen und atypische Verläufe zeigen.2
Klinische Untersuchung
Multiple Papeln, Pusteln oder weiche, schmerzhafte Ulzera von 1–2 cm Größe mit ausgefransten, unterminierten Rändern, weichem Randwall und purulentem Exsudat1
Prädilektionsstellen sind Vorhaut und Frenulum bei Männern, Vulva, Zervix und Perineum bei Frauen.1
Bei 50 % der Patient*innen lokale, meist unilaterale Lymphadenitis, möglicherweise mit Abszessbildung1
Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis
Der kulturelle Nachweis des kulturell anspruchsvollen Bakteriums ist schwierig.1,3,8
Das bevorzugte diagnostische Mittel ist daher eine PCR aus dem Wundabstrich, da hierfür keine lebenden Erreger erforderlich sind.1
Sollte doch eine mikrobiologische Anzucht angestrebt werden, sollte vorher eine Rücksprache mit dem Labor erfolgen, da spezielle Transport- und Kulturbedingungen erforderlich sind.
Formal kann nur durch eine Kultivierung die Diagnose eindeutig gesichert werden, die Sensitivität liegt aber nur bei maximal 75 %.
Die Kultivierung kann vor allem sinnvoll sein, wenn z. B. eine Resistenztestung erfolgen soll.1
Ein zuverlässiger serologischer Nachweis ist nicht möglich.1
Aufgrund der klinischen Ähnlichkeit und der Möglichkeit von Koinfektionen, sollten alle Patient*innen mit Verdacht auf Ulcus molle auf Syphilis und Herpes genitalis (HSV) untersucht werden. Auch eine Testung auf andere sexuell übertragbare Erkrankungen wie HIV oder Virushepatitiden sollte erwogen und angeboten werden.1
Eine empirische Behandlung des Ulcus molle kommt in Betracht, wenn klinische Manifestation und Epidemiologie die Diagnose nahelegen sowie Syphilis und Herpes genitalis ausgeschlossen sind bzw. eine Koinfektion vermutet wird.1-2,5
Medikamentöse Therapie
Eine Infektion mit Haemophilus ducreyi wird antibiotisch behandelt.1
Empfohlene Therapieregime für Erwachsene entsprechend der Leitlinien:1,3,5-6
1. Wahl
250 mg Ceftriaxon i. m. als Einmaldosis – oder –
Azithromycin 1 g oral als Einmaldosis
Eine Einmaldosis ist vorteilhaft in Bezug auf die Adhärenz.
2. Wahl
Ciprofloxacin 500 mg oral 2 x tgl. für 3 Tage – oder –
Erythromycin 500 mg oral 3–4 x tgl. für 7 Tage
Insbesondere bei HIV-positiven Patient*innen ist ein Therapieversagen nach Gabe von Einmaldosen beschrieben, sodass hier eines der mehrtägigen Therapieregimes gewählt werden sollten.
Anmerkung d. Red.: Infektionen mit Haemophilus ducreyi sind selten. Sie werden in keiner der Fachinformationen der o. g. Antibiotika unter den Anwendungsgebieten ausdrücklich genannt und auch keine speziellen Dosisregime aufgeführt. Bei Ceftriaxon, Azithromycin und Ciprofloxacin werden jedoch im Allgemeinen Infektionen der Haut- und Weichteile als Anwendungsbiete angegeben (bei Ceftriaxon: komplizierte Infektionen der Haut und Weichgewebe).
Es sollte innerhalb von 1–2 Wochen nach Beginn der Antibiotikatherapie zu einer Besserung der Symptomatik kommen.1
Personen, mit denen die erkrankte Person innerhalb der letzten 10 Tage vor Symptombeginn sexuelle Kontakte hatten, sollten untersucht und behandelt werden, auch wenn sie asymptomatisch sind. Auch hier sollte eine Testung auf andere sexuell übertragbare Erkrankungen wie HIV, Hepatitiden oder Syphilis angeboten werden.1,5
Verzicht auf sexuelle Kontakte bis zum Abschluss der Therapie und bis zum Abheilen der Läsionen3
Aufklärung der Patient*innen über Präventionsmaßnahmen in Bezug auf sexuell übertragbare Erkrankungen8
Ggf. Angebot regelmäßiger Testung auf sexuell übertragbare Erkrankungen1
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Ohne Therapie können die Ulzera monatelang persistieren. Nach 1–2 Monaten kann es zu einer spontanen Heilung kommen.1-2
Bei erfolgreicher antibiotischer Behandlung sollte sich die Symptomatik innerhalb von 1–2 Wochen nach Therapiebeginn bessern.
Bei ausgeprägten Befunden kann es zu Narbenbildung kommen.1
Bei Therapieversagen sollte an eine Fehldiagnose, Koinfektionen, Adhärenzprobleme, Antibiotikaresistenzen und eine Immunsuppression bzw. HIV-Infektion gedacht werden.1-2
Ohne Therapie kann es nach 1–2 Monaten zu einer spontanen Heilung kommen, es besteht jedoch das Risiko der Entwicklung einer abszedierenden Lymphadenitis.1-2
Verlaufskontrolle
Eine klinische Verlaufskontrolle wird empfohlen, um den Therapieerfolg zu überprüfen, insbesondere bei HIV-positiven Patient*innen.1-2
Eine erneute Diagnostik ist bei klinischer Besserung nicht erforderlich.1
Es wird empfohlen, Patient*innen eine erneute Testung auf HIV und Syphilis nach 3 Monaten anzubieten.6
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Literatur
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Deutsche STI-Gesellschaft e. V. (DSTIG). Sexuell übertragbare Infektionen (STI) - Beratung, Diagnostik, Therapie. AWMF Leitlinie 059 - 006, Stand: 03.08.2018. www.awmf.org
Autor*innen
Anneke Damberg, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Berlin
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
BBB MK 12.10.2020, grundlegend überarbeitet, aktuelle LL berücksichtigt.
Revision at 15.12.2015 11:40:40:
German Version
Revision at 15.12.2015 11:39:34:
German Version JT 14.4. JT - Titel geändert. chck go 16.4.
Definition:Diese sexuell übertragbare Krankheit durch das Bakterium Haemophilus ducreyi ist durch genitale Ulzera und ggf. eine inguinale Lymphadenitis gekennzeichnet.