Definition:Akut oder chronisch verlaufende Entzündung im subkutanen Fettgewebe, überwiegend im Bereich der Steißbeinregion.
Häufigkeit:Häufige Erkrankung bei jungen Erwachsenen in der Altersgruppe der 15- bis 30-Jährigen, Männer sind deutlich häufiger betroffen.
Symptome:Akuter oder chronischer Abszess mit eitriger Sekretion oder Fistelbildung.
Befunde:Meist in der Rima ani befindlicher Abszess.
Diagnostik:Die Diagnose wird klinisch gestellt.
Therapie:Operativ.
Allgemeine Informationen
Definition
Akut oder chronisch verlaufende Entzündung im subkutanen Fettgewebe, überwiegend in der Steißbeinregion1
Synonyme für die Erkrankung sind Haarnestgrübchen und Haarnestfistel. Steißbeindermoid und Steißbeinfistel sind ebenfalls häufig benutzte Synonyme, obwohl die Erkrankung nichts mit dem Steißbein zu tun hat.
Entzündung einer Talgdrüse in der Rima ani, die zu Abszessbildung und häufig zur Entwicklung von Fisteln (Kanälen) in der Unterhaut führt, deren Folge ein chronisch rezidivierendes Geschehen sein kann.2
Klinisch wird unterschieden zwischen:
der asymptomatischen (inzidentell entdeckten) Form
dem akut abszedierenden Pilonidalabszess
der chronischen Pilonidalerkrankung.
Unbehandelt besteht die Gefahr von Beschwerden mit Absonderung von Sekret, Schmerzen, Fistelbildung und Abszessen, die über Jahre anhalten können.
Der Pilonidalsinus tritt vornehmlich in der Rima ani auf, wird aber auch im Nabelbereich, am Penis, an der Vulva, interdigital, an der Fingerspitze im Bereich der Brust und auch hinter den Ohren gesehen.1
Häufigkeit
Häufige Erkrankung bei jungen Erwachsenen, insbesondere in der Altersgruppe der 15- bis 30-Jährigen
Selten wird sie nach dem 40. Lebensjahr beobachtet.
Die Inzidenz in Deutschland betrug 2012 48/100.000.3
Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen, bei Frauen ist der Krankheitsbeginn häufig früher, dies hängt vermutlich auch mit der früheren Pubertät zusammen.2
Ätiologie und Pathogenese
Erworbene Erkrankung, die während der Pubertät auftritt, mit möglicherweise genetischer Komponente.4
Die Entstehung eines Pilonidalsinus scheint ein multifaktorielles Geschehen zu sein.
Hohe Phenytoin-Spiegel während der Schwangerschaft können eine Pilonidalsinus-Bildung bei Neugeborenen hervorrufen.1
Pathophysiologie
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.2
Abgebrochene Haare wandern immer weiter ins subkutane Fettgewebe, bilden dort Fremdkörpergranulome und können sich infizieren.
Hygiene scheint keine kausale Rolle bei der Entstehung, Exazerbation oder Rezidivneigung des Pilonidalsinus zu spielen.1
Eine Pilonidalzyste kann asymptomatisch verlaufen: Hier finden sich eine oder mehrere reizlose Pori in der Rima ani.
Die akut abszedierende Form imponiert mit Schwellung und Schmerzen, meist paramedian der Rima ani. Nach Spontanperforation oder chirurgischer Spaltung entleert sich Eiter.
Ohne adäquate Therapie (Entfernung der Fistel) kommt es in der Regel zu einem Rezidiv.
Im chronischen Stadium kommt es zu permanenten oder intermittierenden serös-eitrigen Absonderungen.
Diagnostik
Neben Inspektion, Palpation und ggf. Sondierung sind weitere Diagnostikmaßnahmen nicht erforderlich.
Labor
Bei der akuten Form kann eine Leukozytose und CRP-Erhöhung bestehen.
Klinische Untersuchung
Abhängig vom Stadium zum Zeitpunkt der Untersuchung:
In 90 % der Fälle geht ein epithelisierter Sinus von einem Follikel aus, der als Strang palpiert werden kann.
Nicht selten können mehrere Öffnungen identifiziert werden, die vom Sinus in der Mittellinie ausgehen oder lateral lokalisiert sind.
Indikationen zur Überweisung
Erhebliche Entzündung
Chronisch rezidivierende Erkrankung
Zur operativen Revision
Therapie
Allgemeines zur Therapie
Asymptomatische Veränderungen sollten nicht behandelt werden.
Bei symtomatischen Verläufen ist eine langfristige Heilung nur durch eine operative Maßnahme zu erzielen.1
Die entzündlichen, fistelnden Hautareale sollten sparsam ausgeschnitten werden, die Wunden heilen dann entweder offen (sekundäre Wundheilung) oder können mit verschiedenen Techniken vernäht werden.
Die minimalinvasiven Verfahren können meist in Lokalanästhesie durchgeführt werden. Die größeren Exzisionen und die plastischen Verfahren werden meist in Allgemein- oder Regionalanästhesie durchgeführt, wobei beide Verfahren gleichwertig sind.1
Operative Therapie
Akuter Pilonidalabszess
Bei akuten Abszedierungen sollte erst eine Inzision zur Drainage durchgeführt werden, die Sanierung erfolgt im Anschluss nach Abheilung der Entzündung.6
Um schlecht heilende mediane Wunden zu vermeiden, sollte die Inzision neben der Rima ani gesetzt werden.3
Nur in Ausnahmefällen sollte eine definitive Exzision erfolgen.1
Fortsetzung der Therapie
Die Wunde sollte täglich beim Duschen gereinigt werden.
Haare im betroffenen Bereich sollten rasiert werden, um zu vermeiden, dass sie in die abheilende Wunde gelangen.
Diese Vorgehensweise sollte ungefähr 3 Monate beibehalten werden, auch nachdem die Wunde verheilt ist.
Chronischer Pilonidalsinus
Fortbestehen eines Pilonidalsinus nach Drainage eines Pilonidalabszesses, gelegentlich mit chronischer Sekretion über den Sinus
Es gibt kein einheitliches und allgemein akzeptiertes Therapieverfahren, viele verschiedene chirurgische Verfahren kommen zum Einsatz.3
Auch ist nicht eindeutig, ob eine offene Wundbehandlung oder ein Wundverschluss besser ist.7
Leitlinie: Operative Verfahren und postoperative Therapie beim Pilonidalsinus1
Exzision des Sinus
Die in Deutschland am häufigsten verwendete Operationsmethode ist die vollständige Exzision des Sinus mit anschließender offener Wundbehandlung.
Der Nachteil sind lange Wundheilungszeiten.
Eine zusätzliche Marsupialisation der Wundränder (Mobilisation der Hautränder mit anschließender Fixation an der Sakralfaszie) reduziert die Wundheilungszeit und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit.
Es gibt verschiedene Techniken, die Wunde zu verschließen (Limberg-Plastik, Kardyakis-Plastik, Y-Plastik etc.); ihnen allen ist gemeinsam, dass die Gefahr der sekundären Infektion besteht.
Eine Mittelliniennaht sollte wegen einer erhöhten Rezidivrate und einer hohen Inzidenz von Wunddehiszenzen nicht durchgeführt werden.
Minimalinvasive Verfahren
Bei der Pit-Picking-Operation werden die Primärfisteln in der Rima ani deepithelialisiert („herausgepickt"), um deren Ausheilen zu ermöglichen.1
Die Methode eignet sich für nicht voroperierte Patient*innen mit relativ begrenztem Befund.
Bei der Sinusektomie werden einige Fistelgänge exzidiert und es erfolgt eine offene Abheilung.
Lay open (Fistelspaltung, Fistulotomie)
Eröffnung des Fistelgangs in ganzer Länge vom Pit bis zur Sekundäröffnung.
Für endoskopische Verfahren gibt es zurzeit noch keine ausreichende Evidenz.
Auch für eine Laserbehandlung, bei der wiederholte Behandlungen erforderlich sind und die ohne Analgesie auskommt, fehlt es an randomisierten, kontrollierten Studien.
Für Fibrin-Installationen gibt es ebenfalls keine ausreichende Evidenz.
Verfahren in anderen Ländern
Phenol-Installationen sind in Deutschland nicht zugelassen.
Unterstützung der Wundheilung mit autologen Stammzellen
Medikamentöse Therapie
Postoperativ sollte eine bedarfsorientierte Schmerzmedikation durchgeführt werden.
Der Einsatz von Antibiotika (auch eine Singleshot-Antibiotikaprophylaxe) bei Exzision und offener Wundbehandlung sollte Ausnahmefällen vorbehalten sein.
Die intraoperative lokale Applikation von Sulmycin oder Gentamycin kann vor allem bei adipösen Patient*innen und bei Lappenplastiken die erhöhte Inzidenz an Wundinfekten reduzieren.
Prävention
Gründliche persönliche Hygienemaßnahmen spielen keine Rolle bei der Entstehung, Exazerbation oder Rezidivneigung des Pilonidalsinus.1
Regelmäßige Entfernung der scharfen Haarfragmente aus der Interglutealfalte (durch Duschen oder Baden).1
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Bei großen Hautdefekten und offener Behandlung kann sich die Wundheilung über Monate hinziehen.
Rezidive sind häufig, insbesondere dann, wenn bei einem Abszess eine Inzision und Drainage angelegt wurde, ohne dass der Pilonidalsinus entfernt wurde.
Nach dem 40. Lebensjahr scheint es zu einer spontanen Besserung der Erkrankung zu kommen.
Iesalnieks I, Ommer A: The management of pilonidal sinus. Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 12–21. www.aerzteblatt.de
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Arda IS, Güney LH, Sevmis S et al. High body mass index as a possible risk factor for pilonidal sinus disease in adolescents. World J Surg 2005; 29: 469-71. PubMed
Lee SL, Tejirian T, Abbas MA. Current management of adolescent pilonidal disease. J Pediatr Surg. 2008;43:1124-1127. PubMed
AL-Khamis A, McCallum I, King PM, Bruce J. Healing by primary versus secondary intention after surgical treatment for pilonidal sinus. Cochrane Database of Systematic Reviews 2010; 1: CD006213. www.cochrane.org
Autor*innen
Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Definition:Akut oder chronisch verlaufende Entzündung im subkutanen Fettgewebe, überwiegend im Bereich der Steißbeinregion. Häufigkeit:Häufige Erkrankung bei jungen Erwachsenen in der Altersgruppe der 15- bis 30-Jährigen, Männer sind deutlich häufiger betroffen.