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Tarsaltunnelsyndrom

Zusammenfassung

  • Definition:Als Tarsaltunnelsyndrom wird eine Kompression des Nervus tibialis oder seiner Äste unter dem Retinaculum musculorum flexorum pedis im Bereich des Sprunggelenks oder weiter distal bezeichnet.
  • Häufigkeit:Es handelt sich um eine relativ seltene Erkrankung.
  • Symptome:Zu den Symptomen zählen Schmerzen und teils brennende Parästhesien von der medialen Seite des Sprunggelenks bis in die Fußsohle und die Zehen. In seltenen Fällen kann der Schmerz in die Ferse und in den Unterschenkel ausstrahlen.
  • Befunde:Positives Hoffman-Tinel-Zeichen (Parästhesien durch Perkussion des Nervs). Schmerzprovokation durch die gleichzeitige Dorsalextension und Eversion des Fußes.
  • Diagnostik:Ausschluss knöcherner Veränderungen per Röntgen und Darstellung des Nervs im Ultraschall und/oder MRT. Messung der Nervenleitgeschwindigkeit.
  • Therapie:Die Therapie erfolgt initial konservativ mit Kortisoninjektionen. Bei konservativem Therapieversagen chirurgische Dekompression des Nervs.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Als Tarsaltunnelsyndrom wird eine Kompression des Nervus tibialis oder seiner Äste unter dem Retinaculum musculorum flexorum pedis im Bereich des Sprunggelenks oder weiter distal bezeichnet.1-2
  • Im Vordergrund stehen Schmerzen, es kann aber auch zu Hypästhesien und selten zu Paresen der Zehenspreizer und kurzen Zehenbeuger kommen.3
  • Das Tarsaltunnelsyndrom des Sprunggelenks entspricht dem Karpaltunnelsyndrom des Handgelenks.

Häufigkeit

  • Es handelt sich um eine relativ seltene Erkrankung.
  • Es sind insbesondere Sportler*innen und Menschen mit Diabetes (periphere Neuropathie) betroffen.

Klinische Anatomie

  • Fuß, Sehnen und Nerven
    Fuß, Sehnen und Nerven
    Der Tarsaltunnel ist auf der medialen Seite des hinteren Teils der Ferse lokalisiert.4
  • Der Tarsaltunnel verläuft hinter dem Malleus medialis und wird ventral durch den Innenknöchel, dorsal durch das Retinaculum extensorum und lateral durch den Processus posterior tali und den Processus posterior calcanei begrenzt.3
  • Der Tunnel enthält den Nervus tibialis posterior, die Sehnen des Musculus flexor digitorum longus und des Musculus flexor hallucis longus sowie die Arteria und Vena tibialis posterior.
  • Der Nervus tibialis posterior verläuft durch diesen Tunnel und teilt sich in seine terminalen Äste, den Nervus plantaris medialis und lateralis sowie den Ramus calcanearis medialis.
    • Diese Äste versorgen sensibel den plantaren Vorfuß bis zu den Zehen bzw. die mediale Ferse (R. calcanearis medialis) und motorisch die Muskulatur der Fußsohle sowie insbesondere die Zehenbeuger.3

Ätiologie und Pathogenese

  • Das Tarsaltunnelsyndrom tritt idiopathisch, posttraumatisch oder durch Raumforderungen auf.3
    • zu 20 % verbleibt die Ursache idiopathisch
    • Häufige Auslöser sind posttraumatische Erkrankungen wie Distorsionen des oberen Sprunggelenks, Innenbandläsionen, Innenknöchelfrakturen, Calcaneusfrakturen.
    • Verursachende Raumforderungen sind z. B. Unterschenkelvarizen, Thrombophlebitiden, Tendovaginitiden, Hypertrophie des M. abductor hallucis longus, Ganglien, Zysten, gut- bzw. bösartige Tumoren (u. a. Schwannome, Neurofibrome), Gefäßanomalien, Diabetes mellitus, Hypothyreose, Gicht oder Mucopolysaccharidose, sehr selten auch Hyperlipidämien.
  • Im Knöchelbereich ist der N. tibialis posterior meist an der Stelle betroffen, wo er unter der Sehne des M. tibialis posterior hinter dem Malleolus medialis entlang verläuft.

Prädisponierende Faktoren

ICPC-2

  • N94 Periphere Neuritis / Neuropathie

ICD-10

  • G57 Mononeuropathien der unteren Extremität
    • G57.5 Tarsaltunnel-Syndrom

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Der Verdacht ergibt sich aus der Anamnese und den klinischen Befunden; die Stellung der Diagnose gestaltet sich außer in Fällen, in denen ein auslösendes Trauma vorliegt, jedoch schwierig.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Es bestehen Schmerzen und teils brennende Parästhesien von der medialen Seite des Sprunggelenks bis in die Fußsohle, den distalen Fuß und die Zehen, mitunter auch bis in die Ferse. Der Schmerz kann in den Unterschenkel ausstrahlen.
  • Die Beschwerden sind nachts häufig am unangenehmsten, können sich durch längeres Stehen intensivieren und führen häufig dazu, dass die Betroffenen den Drang verspüren, ihre Schuhe auszuziehen.

Klinische Untersuchung

  • Variierende Befunde
  • Hoffmann-Tinel-Zeichen
    • Provokation der Parästhesien bzw. Schmerzen durch Beklopfen des N. tibialis posterior im Bereich des Tarsaltunnels
  • Alternativer Test
    • Durch die gleichzeitige Dorsalextension und Eversion (Anhebung des lateralen Fußrandes) des Fußes können die Symptome reproduziert werden, da der Nervus tibialis posterior dabei gestreckt und komprimiert wird.
  • Neurologische Ausfälle
    • Diese sind schwer nachzuweisen.
    • Evtl. liegen sensorische oder motorische Störungen samt Atrophien bzw. Paresen der Zehenspreizer und kurzen Zehenbeuger oder Gehstörungen (Überpronation und Humpeln aufgrund von Schmerzen bei der Gewichtsbelastung) vor.
  • Plattfuß
    • Plattfüße sind eine häufige Ursache des Tarsaltunnelsyndroms.6-8
    • Sie führen zu einer verstärkten Abduktion des Vorderfußes und einer Valgusdeviation des Hinterfußes.
    • Dadurch kommt es zu einer erhöhten Spannung des Nervus tibialis.

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Röntgen
    • Beurteilung etwaiger Frakturen, Knochenveränderungen und Osteophyten
  • MRT und Ultraschall
    • Diese Untersuchungen können zur Ermittlung der zugrunde liegenden Ursachen herangezogen werden.9
    • Beide Verfahren erlauben den Nachweis morphologischer Veränderungen des Nervs beziehungsweise des nervenumgebenden Gewebes. 3
  • Messung der Nervenleitgeschwindigkeit
    • Die empfindlichste, technisch sehr anspruchsvolle Methode ist die Messung der sensiblen Leitgeschwindigkeit der Nn. plantaris medialis und lateralis.3
  • Operative Exploration
    • in unklaren Fällen bei hohem klinischem Verdacht und entsprechendem Leidensdruck der Patient*innen3

Indikationen zur Überweisung

  • Zur weiteren Untersuchung und Behandlung sollte eine Überweisung an orthopädische Spezialist*innen erfolgen.

Therapie

Therapieziel

  • Symptome lindern.

Allgemeines zur Therapie

  • Falls durch die konservative Therapie keine ausreichende Beschwerdelinderung erzielt werden kann, sollte eine chirurgische Dekompression des Nervs erfolgen.10

Konservative Therapie

  • Eine Ruhigstellung der distalen unteren Extremität ist selten erfolgreich.10
  • Die Therapie der Wahl ist eine Infiltrationsbehandlung des Tarsaltunnels mit einem Kortikosteroid.3
  • Bei Patient*innen mit Plattfuß kann eine Einlegesohle oder evtl. auch eine Orthese hilfreich sein.
  • Bei leichten oder mäßigen Beschwerden kann eine konservative Therapie über bis zu 6 Monate versucht werden.10
    • Bei starken Beschwerden sollte bereits früher zu einer operativen Therapie übergegangen werden.

Operative Therapie

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.3
    • Wird eine Operation notwendig, so erfolgt eine langstreckige Dekompression des N. tibialis und seiner Äste vom unteren Drittel des Unterschenkels bis tief in die distale Innenseite des Fußes. Die Nn. plantaris medialis und lateralis sollten ebenfalls langstreckig entlastet werden.
    • Die Operation kann in Lokal-, Epidural-, Spinal- oder Allgemeinanästhesie in Blutleere durchgeführt werden.

    Verlauf, Komplikationen und Prognose

    Komplikationen

    • Dauerhafter Nervenschaden
    • Postoperativ weiterhin Beschwerden durch unzureichende Spaltung des Retinaculums oder narbige Verwachsungen
    • Nerven- oder Gefäßverletzungen bei der Operation
    • Allgemeine OP-Risiken wie Infektionen oder Wundheilungsstörungen

    Prognose

    • Durch eine adäquat durchgeführte chirurgische Dekompression können gute Ergebnisse erzielt werden.10
      • 44–91 % der operierten Patient*innen mit zufriedenstellendem Ergebnis
      • vor allem bei idiopathischen Fällen gute Resultate
    • Die postoperative Prognose ist bei jenen Patient*innen am besten, die eine kurze Krankengeschichte aufweisen, bei denen ein Ganglion festgestellt wurde, bei denen keine Inversionstraumata aufgetreten sind und die körperlich nicht schwer arbeiten.11

    Illustrationen

    Fuß, Sehnen und Nerven
    Fuß, Sehnen und Nerven

    Quellen

    Literatur

    1. Persich G. Tarsal tunnel syndrome. Medscape, last updated Mar 23, 2020. emedicine.medscape.com
    2. DiDomenico LA, Masternick EB. Anterior tarsal tunnel syndrome. Clin Podiatr Med Surg. 2006 Jul. 23(3):611-20. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
    3. Schuh A, Handschu R, Eibl T, et al. Das Tarsaltunnelsyndrom. DNP 2018; 19: 30-32. link.springer.com
    4. Aldridge T. Diagnosing heel pain in adults. Am Fam Physician 2004; 70: 332-8. PubMed
    5. Daniels TR, Lau JT, Hearn TC: The effects of foot position and load on tibial nerve tension. Foot Ankle Int 1998 Feb; 19(2): 73-8. PubMed
    6. Schepsis AA, Jones H, Haas AL. Achilles tendon disorders in athletes. Am J Sports Med 2002; 30: 287-305. PubMed
    7. Trepman E, Kadel NJ, Chisholm K, Razzano L. Effect of foot and ankle position on tarsal tunnel compartment pressure. Foot Ankle Int 1999; 20: 721-6. PubMed
    8. Daniels TR, Lau JT, Hearn TC. The effects of foot position and load on tibial nerve tension. Foot Ankle Int 1998; 19: 73-8. PubMed
    9. Duran-Stanton AM, Bui-Mansfield LT. Magnetic resonance diagnosis of tarsal tunnel syndrome due to flexor digitorum accessorius longus and peroneocalcaneus internus muscles. J Comput Assist Tomogr. 2010 Mar-Apr. 34(2):270-2. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
    10. Antoniadis G, Scheglmann K. Posterior Tarsal Tunnel Syndrome. Dtsch Arztebl Int 2008; 105(45): 776-81. www.aerzteblatt.de
    11. Turan I, Rivero-Melián C, Guntner P, Rolf C. Tarsal tunnel syndrome. Outcome of surgery in longstanding cases. Clin Orthop Relat Res 1997; 343: 151-6. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov

    Autor*innen

    • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frnakfurt
    • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
G57; G575
Tarsal tunnel-syndrom; tarsal tunnel syndrom; nerveinnklemming; tibialisnerven; nervus tibialis
N94
Tarsal-Tunnel-Syndrom; Tarsaltunnel-Syndrom; Nervenkompression; Tibialisnerv; Kompression des Nervus tibialis; N. tibialis; Schmerzen im Sprunggelenk; Diabetes mellitus; Periphere Neuropathie; Tinel-Zeichen; Plattfuß; Plattfüße
Tarsaltunnelsyndrom
BBB MK 19.10.2020 umfassend revidiert, aktuelle Quellen. Check GO 21.1.
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Definition:Als Tarsaltunnelsyndrom wird eine Kompression des Nervus tibialis oder seiner Äste unter dem Retinaculum musculorum flexorum pedis im Bereich des Sprunggelenks oder weiter distal bezeichnet.
Physiotherapie/Sportmedizin
Tarsaltunnelsyndrom
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