Definition: Tendopathie im Bereich des Streckapparates des Kniegelenks. Wird auch als Springerknie (Jumper's Knee) bezeichnet.
Häufigkeit: Kommt unter Sportlern relativ häufig vor.
Symptome: Schmerzen am unteren oder oberen Rand der Kniescheibe (Patella). Wird häufig durch einen einzelnen Vorfall ausgelöst.
Befunde: Klinisch äußert sich die Erkrankung in klar abgegrenzten Schmerzen am unteren oder oberen Rand der Kniescheibe oder am Ansatz an der Tuberositas tibiae.
Diagnostik: Weitere Untersuchungen sind in der Regel nicht erforderlich.
Therapie: Wird meistens konservativ behandelt. In hartnäckigen Fällen kann eine Operation erforderlich sein.
Allgemeine Informationen
Definition
Wird auch als Springerknie bezeichnet.
Tendopathie am Streckapparat des Kniegelenks, die von der Quadrizepssehne bis zum Ansatz der Patellarsehne an der Tuberositas tibiae auftreten kann, meist aber am unteren Rand der Kniescheibe lokalisiert ist.
Morbus Sinding-Larsen bei Kindern wird manchmal auch inkorrekter Weise als Jumper's Knee bezeichnet.
Eine wiederholt auftretende Belastung (z. B. beim Springen) führt zu einer Reizung der Patellarsehne.
Häufigkeit
Die Erkrankung tritt relativ häufig auf, besonders verbreitet unter Sportlern.
Eines der häufigsten Überlastungssyndrome im Ballsport
Im Hochleistungssport vor allem im Volleyball (45 % der aktiven Sportler) und im Basketball (32 %)1
Selbst im Breitensport zeigt sich eine hohe Prävalenz betroffener Sportler (Volleyball 14 %, Basketball 12 %).2
Lokalisation der Beschwerden im Kniegelenksbereich:3
65 % im Bereich der Patellaspitze
25 % am oberen Patellapol im Übergang zur Quadrizepssehne
10 % an der Tuberositas tibiae.
Ätiologie und Pathogenese
Obwohl die zugrunde liegenden pathophysiologischen Prozesse weitgehend ungeklärt sind, lassen sich doch bestimmte externe und interne Faktoren definieren, die zum Ausbruch der Erkrankung führen können.
Hierzu gehören: Reizung der Patellarsehne und Reißen der Sehnenfasern bei Sprungbelastungen; entsprechend tritt die Erkrankung vor allem bei Sportlern auf.4
Bei abrupten Bewegungen der Muskeln können Kräfte wirken, die das Körpergewicht um ein Vielfaches übersteigen und über die Dehnbarkeit der Sehne hinausgehen.
Wenn man z. B. springt und mit gebeugten Knien wieder aufkommt, liegt praktisch die gesamte Belastung auf der Patellarsehne.
Dadurch können am Übergang zwischen Sehne und Knochen Mikrorupturen entstehen.
Impingement-Syndrom?
Jüngere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass hier auch ein Impingement-Syndrom vorliegen kann.6
Dabei klemmt der untere Rand der Kniescheibe die Sehne in ihrem weiteren Verlauf nach distal ein.
Histologie
Häufig sind Neovaskularisation und Apoptose festzustellen, was eher auf degenerative Prozesse als auf eine Entzündung schließen lässt.7
Evtl. zeigt sich eine Resorption von Knochensubstanz, die zu deren Neubildung und der Bildung von entzündlichem Gewebe führt.
Prädisponierende Faktoren
Sprungintensive Sportarten wie Basketball, Fußball, Volleyball, Hochsprung, Dreisprung und Tanzen
Schnellkraft-Sportarten mit raschen Richtungswechseln, abruptem Abbremsen (Stop and Go) und starker Belastung beim Springen und Landen
Harter Untergrund wie Asphalt oder Beton beim Sport
In biomechanischer Hinsicht lässt sich dem Springerknie lediglich eine unzureichende Flexibilität von Quadrizeps und rückseitiger Oberschenkelmuskulatur zuordnen.9
Geschwächte, verkürzte Oberschenkelmuskulatur
Trainingsfehler (Anzahl der Trainingseinheiten pro Woche, rasche Steigerung der Trainingsintensität8)
Erblich bedingter Hochstand der Kniescheibe (Patella alta), Q-Winkel (Winkel zwischen Femurschaft und Patellarsehne) > 15 Grad3
Schmerzen ausschließlich nach körperlicher Aktivität, keine Funktionseinbuße
Stadium 2
Schmerzen während und nach körperlicher Aktivität, die sportliche Leistungsfähigkeit ist aber noch zufriedenstellend.
Stadium 3
Anhaltende Schmerzen während und nach körperlicher Aktivität, die sportliche Leistungsfähigkeit lässt zunehmend nach.
Stadium 4
Ruptur der Sehne, die einen chirurgischen Eingriff erforderlich macht.
Klinische Untersuchung
Klar abgegrenzte Schmerzen in einem kleinen Bereich am unteren oder ggf. oberen Rand der Kniescheibe, ggf. am Ansatz an der Tuberositas tibiae.
Zur differenzialdiagnostischen Abklärung kann ein Lokalanästhetikum in die schmerzende Stelle injiziert werden. Bei einer durch Abrieb bedingten Sehnenschädigung (Traktionstendopathie) lassen die Schmerzen daraufhin nach.
Zu beurteilen sind auch Beweglichkeit und Kraft von Quadrizeps und rückseitiger Oberschenkelmuskulatur, auch bei Dorsalflexion des Sprunggelenks.
Beweglichkeit, Kraft und Gelenkstabilität sind unauffällig.
Diagnostik beim Spezialisten
Bildgebende Verfahren sind nur selten erforderlich.4
Ultraschall
Goldstandard
Kann Verdickungen und hypoechogene Veränderungen der Sehnenfasern zeigen und somit die klinische Diagnose bestätigen.10
Farbdoppler
Bei bis zu 60 % der Patienten mit Springerknie ist eine Neovaskularisation zu erkennen.11
Röntgen
Befund ist in der Regel unauffällig, kann aber Abrieb und Verkalkungen an der Patellarsehne zeigen (Traktionssporn?).
Differenzialdiagnostik
Erkennen eines Patella-Malalignments
MRT oder CT?
nicht routinemäßig, ggf. zum Ausschluss anderer Erkrankungen oder zur Planung operativer Eingriffe
Stimmt häufig nur bedingt mit dem klinischen Befund überein. Die Spezifität ist niedrig, und es kommen viele falsch positive Befunde vor.12-14
Kann bei chronischem Verlauf degenerative Veränderungen zeigen, aber auch negativ ausfallen.
Indikationen zur Überweisung
Bei langfristig anhaltenden Symptomen, die nicht auf eine konservative Behandlung ansprechen.
Checkliste zur Überweisung
Beschwerden an Weichteilen sowie Schmerzen vorn am Knie und Instabilität der Kniescheibe
Zweck der Überweisung
Diagnostik? Operation? Sonstiges?
Anamnese
Beginn und Dauer? Trauma oder Überlastung? Beschreiben Sie ggf. die Vorgänge bei einem als Ursache infrage kommenden Trauma. Verlauf und Entwicklung? Anhaltende Beschwerden?
Lokalisation der Schmerzen? Schmerzauslösende Faktoren? Hydrops? Blockaden? Instabilität?
Andere relevante Erkrankungen?
Derzeit eingenommene Medikamente?
Folgen, Funktionseinbußen? Arbeitsfähigkeit?
Klinische Untersuchung
Lokalisation der Schmerzen? Schwellungen? Gangstörung?
Lokale Befunde? Kraft von Quadrizeps und rückseitiger Oberschenkelmuskulatur, auch bei Dorsalflexion des Sprunggelenks?
Ergänzende Untersuchungen
Sind in der Regel nicht erforderlich.
Therapie
Therapieziel
Rückgang der Entzündung, Linderung der Schmerzen und Wiederherstellung der Funktion.
Allgemeines zur Therapie
Die meisten Patienten (90 %) sprechen gut auf eine konservative Behandlung an.4
Schweregrad und Dauer der Erkrankung bestimmen den Umfang der konservativen Therapiemaßnahmen.
Die Erstbehandlung besteht in Ruhe, Dehnen, Kühlen mit Eis und Verabreichung von NSAR.
Die Kräftigung erfolgt schwerpunktmäßig durch exzentrische Übungen.15
In hartnäckigen Fällen kann ein chirurgischer Eingriff indiziert sein. Dieser sollte jedoch erst erwogen werden, wenn nach einer konservativen Therapie von mindestens 6 Monaten Dauer keine Besserung eingetreten ist.
Empfehlungen für Patienten
Bei einem Patellaspitzensyndrom scheint körperliche Betätigung und dabei insbesondere ein exzentrisches Training die beste Wirkung zu erzielen (la).15-16
Anpassung der körperlichen Betätigung (Trainingsadaptation/-modifikation)
Schmerzauslösende Bewegungen meiden, evtl. auch Änderung der Sprungtechnik.17-18
Kühlung
4- bis 6-mal tgl. für 20–30 Minuten mit Eis kühlen, insbesondere nach körperlicher Betätigung.4
Dehnübungen
Die Beuger und Strecker von Hüfte und Knie sowie den Tractus iliotibialis dehnen.
Das Aufbringen von Tape unter dem unteren Rand der Kniescheibe bzw. das Tragen einer Jumper's-Knee-Bandage kann die Schmerzen lindern.
Trainingsplan
Ein Trainingsplan sollte folgende Aspekte abdecken:
Exzentrische Übungen zur Kräftigung des Quadrizeps und Dorsalflexion des Sprunggelenks
Dehnung der rückseitigen Oberschenkelmuskulatur, des Quadrizeps und der für die Dorsalflexion des Fußes zuständigen Muskulatur
Übungen
Das Muskeltraining ist im mittleren Bewegungsbereich (nicht in endgradigen Gelenkstellungen) durchzuführen.
Eine Übung besteht darin, in der Beinpresse (Trainingsgerät zum Training der Bein- und Gesäßmuskulatur) die Vorwärtsbewegung mit dem gesunden Bein auszuführen und die Rückwärtsbewegung mit dem betroffenen Bein aufzunehmen.
Die Übungen können täglich, sollten aber mindestens 3-mal wöchentlich durchgeführt werden.
Belastung und Intensität
Um die Muskulatur und den Übergang zwischen Knochen und Sehne zu kräftigen, wird die Belastung nach und nach gesteigert.
Dabei ist unbedingt darauf zu achten, Belastung und Intensität des Trainings nicht zu schnell und nicht zu stark zu steigern.
Zu Beginn ist eine hohe Wiederholungshäufigkeit wichtig, z. B. 4–5 Sätze mit je 25–30 Wiederholungen. Wenn die Knie höhere Gewichte vertragen, wird die Anzahl der Wiederholungen gesenkt.
Mit zunehmender Kräftigung sollten Sehnen und Knochen die Belastungen, denen sie in Bewegung ausgesetzt sind, besser verkraften. Anderenfalls kann eine Verschlechterung eintreten.
Dauer
mindestens 12 Wochen.
Wenn nach 6 Monaten keine Wirkung festzustellen ist, spricht dies für einen chirurgischen Eingriff.
Wirkung
gut bei einem Teil der Patienten
Medikamentöse Therapie
NSAR in der akuten Phase von 7–10 Tagen
Die Wirksamkeit ist nicht wissenschaftlich belegt.
Eine langfristige Gabe von NSAR wird nicht empfohlen.
evtl. lokale Behandlung mit Ketoprofen-/Ibuprofen- oder Diclofenac-Gel19
Injektion von thrombozytenreichem Plasma an die Patellarsehne
Es hat sich gezeigt, dass mit der therapeutischen Injektion von thrombozytenreichem Plasma gute klinische Ergebnisse erzielt werden können (Ib).15
Diese Therapie ist in Deutschland jedoch aktuell noch nicht von der GKV übernommen, sondern nur als IGeL möglich.
Lokale Steroidinjektion?
Lokale Steroidinjektionen sollten beim Patellaspitzensyndrom nicht erfolgen.15
Es besteht das Risiko einer Sehnenruptur.
Eine Injektion in die Sehne ist kontraindiziert.
Sklerotherapie?
Bei Vorliegen von Gefäßneubildungen wurden laut einer Studie mit ultraschallgesteuerten Injektionen in die Patellarsehne bei Leistungssportlern im Ballsport vielversprechende Ergebnisse erzielt.16,20
Daten möglicherweise mit Bias
gute Kurzzeitresultate
Rupturgefahr wird beschrieben.
Weitere Behandlungsmöglichkeiten
Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT)
Ist sowohl in der Frühphase als auch bei Patienten, die bereits andere konservative Behandlungsformen über mehrere Monate versucht haben, indiziert.15
Diese Therapie wird in Deutschland nicht von der GKV übernommen, sondern als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) berechnet.
Ultraschall?
Eine Metaanalyse kommt zu dem Schluss, dass eine Ultraschallbehandlung beim Patellaspitzensyndrom ungeeignet ist.16
Operation
Dekompression durch einen kleinen Einschnitt längs der Sehne über dem unteren Rand der Kniescheibe
Seit einiger Zeit kommt ein weiteres chirurgisches Verfahren zur Anwendung. Hierbei wird ein Teil des Knochens am unteren Pol der Kniescheibe entfernt.
Da die Patellarsehne vor diesem Bereich entspringt, wird sie nicht beschädigt.
Therapeutische Arthroskopie: Debridement von Adhäsionen und fibrösem Gewebe am oberen Teil der Patellarsehne
Prävention
Ausreichendes Aufwärmen vor sportlichen Aktivitäten
Die Wirkung des Aufwärmens ist nicht durch wissenschaftliche Studien belegt.4
Vor sportlichen Aktivitäten die Muskeln gut vordehnen.
Die Belastungsintensität sollte langsam gesteigert werden.
Ausreichende Regeneration ist erforderlich.
Bei bekannter Fehlstatik sollten ggf. Schuheinlagen getragen werden.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Komplikationen
Anhaltende Schmerzen, die eine Beendigung der sportlichen Laufbahn erforderlich machen.
In den Stadien 1 und 2, in denen die Symptome noch nicht so schwer ausgeprägt sind und die konservative Behandlung häufig gut wirkt, ist die Prognose gut.
Bei Durchführung einer Operation wird in 60–70 % der Fälle eine gute Wirkung erzielt.
Wenn das Patellaspitzensyndrom bereits weiter fortgeschritten ist (Stadium 3 und 4), kann die sportliche Leistungsfähigkeit von Spitzensportlern ggf. nicht auf dem früheren Niveau wiederhergestellt werden.
Bei maßvoller Belastung der Knie verursacht die Erkrankung keine Arthrose oder chronische Knieschmerzen.
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patienten informieren?
Beim Patellaspitzensyndrom ist die Sehne der Kniescheibe gereizt.
Es wird durch wiederholte Überlastung durch Springen verursacht. Die dadurch ausgelösten Schmerzen nehmen auch bei Belastung der Oberschenkelmuskulatur zu.
Die Symptome lassen nach, wenn Patienten die schmerzauslösenden Aktivitäten eine Zeit lang meiden.
In der akuten Phase können schmerzstillende und entzündungshemmende Medikamente Linderung bringen.
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Autoren
Sandra Krüger, Dr. med., Fachärztin für Orthopädie, Berlin
Ingard Løge, specialist i allmänmedicin och universitetslektor, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
Arild Aamodt, avdelningsöverläkare/professor, ortopedavdelningen, St. Olavs Hospital, Trondheim
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