Schmerzen im vorderen Kniegelenk, Patellaspitzensyndrom, Springerknie, Jumper's Knee

Das Patellaspitzensyndrom bezeichnet eine Überlastung der Sehnenansätze des Oberschenkelmuskels im Bereich der Kniescheibe (Patella). Meistens beruhen die Schmerzen auf einer Reizung oder Entzündung der Sehnenansätze des Quadrizeps (Oberschenkelmuskel), ausgelöst durch eine wiederholte Belastung (z. B. Springen). Die Erkrankung wird häufig durch einen einzelnen Vorfall ausgelöst und tritt vermehrt bei Sportlern auf.

Der Quadrizeps (Oberschenkelmuskel)

Der Quadrizeps (Musculus quadriceps femoris) verläuft auf der Vorderseite des Oberschenkels und ist für die Streckung (Extension) des Kniegelenks verantwortlich. Er besteht aus vier Muskelköpfen, die in eine gemeinsame Endsehne am oberen Rand der Kniescheibe (Patella) einstrahlen. Vom unteren Pol der Kniescheibe verläuft die Quadrizepssehne als sog. Patellasehne (Ligamentum patellae) weiter bis zur Tuberositas tibiae, einem Knochenvorsprung an der Vorderseite des Schienbeins. Somit ist die Kniescheibe in die Endsehne des Quadrizeps eingebettet und kann gewissermaßen als ein Teil von ihr betrachtet werden.

Patellaspitzensyndrom – was ist das?

Dem Patellaspitzensyndrom liegt ein Sehnenleiden (Tendinopathie) der Patellasehne zugrunde. Als Tendinopathie werden primär nicht-entzündliche Sehnenerkrankungen bezeichnet, die normalerweise auf einer Über- bzw. Fehlbelastung oder auf degenerativen Veränderungen (Verschleißerscheinungen) beruhen. Das Patellaspitzensyndrom wird auch als Springerknie („Jumper's Knee") bezeichnet, da die Überlastung der Sehne und die Schmerzen in erster Linie durch Springen ausgelöst werden. Durch abrupte Bewegungen der Muskeln wirken Kräfte, die das Körpergewicht um ein Vielfaches übersteigen und über die Dehnbarkeit der Sehne hinausgehen. Wenn man z. B. springt und mit gebeugtem Knie aufkommt, liegt eine große Belastung auf der Patellasehne. Dadurch entstehen Mikrorupturen am Übergang zwischen Sehne und Knochen. Die Knieschmerzen sind am unteren oder oberen Rand der Kniescheibe oder am Sehnenansatz des Schienbeins lokalisiert.

Tritt das Patellaspitzensyndrom bei Kindern auf, so spricht man vom sog. Morbus Sinding-Larsen.

Das Patellaspitzensyndrom ist nicht ungewöhnlich. Es tritt besonders häufig bei der Ausübung von Sportarten auf, in denen viel gesprungen wird (Basketball, Fußball, Volleyball, Hochsprung, Tanz). Bei Volleyballspielern beträgt die geschätzte Häufigkeit rund 40 %.

Ursachen

Die genaue Ursache der Erkrankung ist unbekannt. Durch die wiederholte und häufige Beanspruchung beim Springen kann es zu einer Reizung der Patellasehne und zum Reißen der zentralen Fasern kommen. Landet man nach einem Sprung mit gebeugten Knien, so liegt annähernd die gesamte Belastung auf der Quadrizeps-Sehne. Auch beim Abspringen wird die Sehne stark belastet.

Eine Theorie geht davon aus, dass bei Überlastung feine Risse in der Sehne auftreten. Diese verursachen eine lokale Reizung und eine Entzündungsreaktion. Unter dem Mikroskop sind Gefäßneubildung und Zelluntergang nachweisbar. Das Narbengewebe ist weniger elastisch als die ursprüngliche Sehne. Dadurch ist das Risiko weiterer Verletzungen und chronischer Schmerzen erhöht.

Neuesten Erkenntnissen zufolge kann das Patellaspitzensyndrom auch durch ein partielles Einklemmen der Sehne am unteren Rand der Kniescheibe („Impingement“) hervorgerufen werden.

Prädisponiert für das Patellaspitzensyndrom sind Menschen mit Bänderschwäche, Hochstand der Kniescheibe, abgeflachtem Fußgewölbe, reduzierter Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk oder geschwächter Oberschenkelmuskulatur. Ungünstig sind sprungintensive Sportarten und Schnellkraft-Sportarten mit raschen Richtungswechseln. Auch ein harter Untergrund (Asphalt oder Beton), ein Wechsel des Schuhwerkes oder eine rasche Steigerung der Trainingsintensität prädisponieren für die Erkrankung.

Symptome

Häufig treten die Schmerzen plötzlich nach einem einfachen Sprung, beim Abstoßen oder Landen, oder infolge einer hohen Belastungsintensität beim Training oder Wettkampf auf. Aber auch ein schleichender Verlauf mit allmählich zunehmenden Schmerzen ist möglich. Die Beschwerden konzentrieren sich in der Regel auf den Bereich vom Ansatz der Strecksehne am unteren Patellapol bis hin zum Sehnenansatz an der Vorderseite des Schienbeins. Die Schmerzen beginnen häufig in einem abgegrenzten Bereich und breiten sich nach und nach auf große Teile der Sehne aus, während sie gleichzeitig an Intensität zunehmen. Laufen und Springen führen zu einer Verschlimmerung der Beschwerden. Auch das Treppensteigen, Autofahren oder langes Sitzen können Schmerzen hervorrufen.

Das Patellaspitzensyndrom kann in vier Stadien unterteilt werden:

  • Stadium 1: Die Schmerzen treten ausschließlich nach körperlicher Aktivität auf. Es bestehen keine Funktionseinschränkungen des Knies.
  • Stadium 2: Die Schmerzen treten während und nach körperlicher Belastung auf. Die sportliche Leistungsfähigkeit ist aber noch zufriedenstellend.
  • Stadium 3: Anhaltende Schmerzen während und nach körperlicher Aktivität. Die sportliche Leistungsfähigkeit lässt zunehmend nach.
  • Stadium 4: Die Sehne ist gerissen und muss chirurgisch behandelt werden.

Diagnostik

Die Diagnose kann oft problemlos anhand der Anamnese und des klinischen Befunds gestellt werden. Bei der Untersuchung zeigt sich eine schmerzhafte Druckempfindlichkeit in einem klar abgrenzbaren Bereich, entweder am unteren oder am oberen Pol der Patella, eventuell auch entlang des Sehnenverlaufs oder im Bereich des Sehnenansatzes am Schienbein.

Eine bildgebende Diagnostik ist nur selten erforderlich. Zuweilen wird zur Diagnosesicherung am ehesten eine Ultraschalluntersuchung vorgenommen. Diese kann Veränderungen der Sehne nachweisen. Röntgen, CT oder MRT werden nur selten durchgeführt und dienen dem Ausschluss von anderen Erkrankungen.

Therapie

Die Therapie beim Patellaspitzensyndrom zielt auf das Eindämmen der Entzündungsreaktion, die Linderung eventueller Schmerzen und die Wiederherstellung der normalen Funktion ab. Die Behandlung umfasst Maßnahmen wie Kühlung, Anpassung der körperlichen Betätigung, Kräftigungsübungen, Dehnübungen, propriozeptives Training, ein Tape oder eine Kniebandage. Entzündungshemmende Medikamente (NSAR) können die Schmerzen lindern. 90 % der Patienten sprechen gut auf diese Therapieoptionen an. Zeigen die genannten Maßnahmen nicht die gewünschte Wirkung, kann eine Operation erforderlich sein. Über die Notwendigkeit eines chirurgischen Eingriffs sollte allerdings frühestens nach einer Behandlungsdauer von sechs Monaten entschieden werden.

Empfehlungen für Patienten

Vermeiden Sie Bewegungen, die Schmerzen hervorrufen. Kühlen Sie das betroffene Knie vier- bis sechsmal täglich und insbesondere nach Aktivitäten für einen Zeitraum von 20 bis 30 Minuten. Dehnen Sie die Beuge- und Streckmuskulatur von Hüfte und Knie regelmäßig. Mithilfe von Muskelaufbautraining können Sie die Kraft der Oberschenkelmuskulatur verbessern. Tape-Verbände unterhalb des unteren Patellapols oder sog. „Jumper's-Knee-Bandagen“ können zur Schmerzlinderung beitragen.

Das nachfolgende Trainingsprogramm empfinden viele Patienten als äußerst wirkungsvoll.

Trainingsprogramm

Das Training umfasst Übungen zur Kräftigung der vorderseitigen Oberschenkelmuskulatur und Übungen mit Beugung im Sprunggelenk in Richtung Fußrücken (die Zehen gehen hoch). Des Weiteren sollte die vorder- und rückseitige Oberschenkelmuskulatur und die Muskeln zur Fußhebung gedehnt werden. Beachten Sie beim Muskeltraining, dass eine komplette Beugung bzw. das Durchstrecken des Kniegelenks zu vermeiden ist. Führen Sie die Übungen langsam und ohne Eile aus. Empfehlenswert sind insbesondere sogenannte exzentrische Übungen, bei denen die Muskulatur während der Dehnung belastet wird. Ein Beispiel für solche Übungen sind Beinpressen, die mithilfe eines speziellen Trainingsgeräts durchgeführt werden. Sollten Sie die Möglichkeit haben mit einer Beinpresse zu trainieren, so empfiehlt es sich, die Streckbewegung mit dem gesunden Bein zu vollziehen und bei der Beugebewegung gezielt das geschädigte Bein zu nutzen, um langsam und kontrolliert in die Ausgangsposition zurückzukehren. Führen Sie die Übungen nach Möglichkeit täglich, mindestens aber dreimal pro Woche durch.

Die Belastung der Sehne wird allmählich gesteigert, um die Muskelkraft und die Stabilität am Sehnenansatz schrittweise (wieder) aufzubauen. Eine unnötig hohe Trainingsintensität oder eine zu schnelle Erhöhung der Belastung ist in jedem Fall zu vermeiden. Andernfalls droht eine Verschlimmerung der Beschwerden. Anfänglich sollte mit vielen Wiederholungen trainiert werden, empfohlen werden 4 bis 5 Sätze mit je 25 bis 30 Wiederholungen. Sobald die Knie eine höhere Gewichtsbelastung zulassen, kann die Anzahl der Wiederholungen reduziert werden.

Besonders wichtig für ein erfolgreiches Training ist das gründliche Dehnen der Beuge- und Streckmuskulatur des Beins.

Das Training sollte über einen Zeitraum von mindestens 12 Wochen kontinuierlich durchgeführt werden. Zeigen sich nach sechs Monaten noch keine wesentlichen Behandlungserfolge, sollte eine Operation in Erwägung gezogen werden.

Medikamentöse Therapie

Bei akuten Beschwerden (die ersten 7–10 Tage) kann eine Behandlung mit entzündungshemmenden Medikamenten (NSAR) erfolgen. Allerdings ist die tatsächliche Wirksamkeit einer solchen Behandlung bislang nicht belegt, und die Einnahme sollte nicht langfristig erfolgen. Zur lokalen Therapie können Ketoprofen-/Ibuprofen- oder Diclofenac-Gel erwogen werden. Die Injektion von thrombozytenreichem Plasma zeigte gute Ergebnisse in einigen Studien. Diese Therapieoption wird derzeit noch nicht von den gesetzlichen Krankenversicherungen bezahlt. Sie wird bislang nur als sog. IGeL-Leistung angeboten. Gleiches gilt für eine Therapie mittels extrakorporaler Stoßwellentherapie (ESWT). Eine Kortisoninjektionen in den Bereich rund um die Patellasehne wird aktuell nicht mehr empfohlen, da sie das Risiko einer Sehnenruptur erhöht.

Operative Therapie

Bei einer therapieresistenten Tendinopathie sowie bei einer Ruptur der Patellasehne (Patellaspitzensyndrom Grad 4) sollte eine Operation in Erwägung gezogen werden. Hierbei erfolgt ein kleiner Einschnitt längs der Sehne über dem unteren Rand der Kniescheibe. In einem neueren Verfahren wird ein Teil des Knochens am unteren Pol der Kniescheibe entfernt. Zur Entfernung von Verwachsungen am oberen Teil der Patellasehne kann eine Gelenkspiegelung (Arthroskopie) durchgeführt werden.

Prävention

Zur Vorbeugung empfiehlt es sich, die Muskeln vor dem Training zu dehnen und aufzuwärmen, wobei letzteres nicht wissenschaftlich bewiesen ist. Beim Sport sollte die Belastungsintensität langsam gesteigert werden. Außerdem ist eine ausreichende Ruhephase nach dem Training empfehlenswert. Bei bekannter Fehlstatik können Schuheinlagen notwendig sein.

Prognose

Bei einer geringfügig bis mäßig ausgeprägten Tendinopathie, die gut auf die konservative Therapie anspricht, ist die Prognose im Allgemeinen gut. Die operative Therapie führt bei 60–70 % der Patienten zu einem guten Behandlungsergebnis. In besonders schwerwiegenden Fällen kann das Patellaspitzensyndrom für betroffene Sportler das Ende der Profikarriere bedeuten. Bei mäßiger Belastung der Knie sind nach einer Tendinopathie der Patellasehne keine Spätkomplikationen wie Arthrose oder chronische Knieschmerzen zu befürchten.

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Springerknie
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  • Hannah Brand, Cand. med., Berlin

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Patellaspitzensyndrom. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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