Definition:Erniedrigtes TSH, aber FT3 und FT4 im Normbereich.
Häufigkeit:Prävalenz bei asymptomatischen Personen in Deutschland 1,8 %.
Symptome:Es können typische Symptome einer Hyperthyreose auftreten.
Befunde:Der klinische Befund ist in der Regel normal, es ist jedoch auf eine Struma zu achten.
Diagnostik:TSH, FT4; Schilddrüsenantikörper; Sonografie der Schilddrüse.
Prognose:Nur ein geringer Teil der Patient*innen entwickelt eine manifeste Hyperthyreose. Die subklinische Hyperthyreose wird jedoch als Risikofaktor für die Entwicklung von Osteoporose und Vorhofflimmern angesehen.
Therapie:Die meisten Patient*innen benötigen keine Therapie. Eine Therapieindikation ist immer dann sorgfältig zu prüfen, wenn die TSH-Werte unter 0,1 mIU/l erniedrigt sind, da für diese Patientengruppe die Evidenz für nachteilige gesundheitliche Effekte am größten ist.
Grad 1: niedriges, aber noch nachweisbares TSH (TSH 0,1–0,39 mIU/l)
Grad 2: So stark erniedrigt, dass TSH nicht mehr nachweisbar ist (TSH < 0,1 mIU/l).
Die subklinische Hyperthyreose ist primär eine Labordiagnose und ihre Relevanz ist umstritten. Nicht alle Patient*innen, bei denen ein derartiger Befund vorliegt, müssen zwingend an einer zugrunde liegenden Schilddrüsenerkrankung leiden3, und lediglich bei einer geringen Zahl entwickelt sich eine klinisch manifeste Hyperthyreose.4-5
Häufigkeit
Angaben für Europa aus einer Metaanalyse (subklinische und manifeste Hyperthyreosen)6
jährliche Inzidenz: 51 Fälle pro 100.000 Personen
Prävalenz: 0,75–1,72 %
Angaben für Deutschland aus einer Stichprobe von 3.941 asymptomatischen Persone.7
Die Entwicklung einer (subklinischen) Hyperthyreose beim Morbus Basedow oder einer Thyreoiditis ist häufig akut bis subakut, beim autonomen Adenom ist der Verlauf deutlich langsamer und meist auch milder.
Im 1. Schwangerschaftstrimenon ist eine subklinische Hyperthyreose physiologisch.
HCG (humanes Choriongonadotropin) hat eine schwach TSH-ähnliche Wirkung auf die Schilddrüse, was zur erhöhten T4-Produktion und TSH-Suppression führt.
Aufgrund dieser HCG-Wirkung ist der TSH-Normbereich im 1. Trimenon niedriger als im späteren Schwangerschaftsverlauf.
Im Verlauf einer Thyreoiditis können ebenfalls Phasen einer subklinischen Hyperthyreose vorkommen.
Exogene Ursachen
Die insgesamt häufigste Ursache für eine subklinische Hyperthyreose ist eine zu hoch eingestellte Schilddrüsenhormontherapie.8
Einnahme von hohen Joddosen über Nahrung, Nahrungsergänzungsmitteln oder jodhaltigen Medikamenten wie Amiodaron
ICPC-2
T85 Hyperthyreose / Thyreotoxische Krise
ICD-10
E05.8 Sonstige Hyperthyreose
E05.9 Hyperthyreose, nicht näher bezeichnet
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
Die Diagnose wird bei erniedrigtem oder nicht nachweisbarem TSH und gleichzeitig normalen Werten für die freien Schilddrüsenhormone freies Trijodthyronin (FT3) und freies Thyroxin (FT4) gestellt.8
Da die häufigste Ursache eine Überdosierung von Schilddrüsenhormonen ist, nimmt die Medikamentenanamnese eine wichtige Rolle ein.
Differenzialdiagnosen
Medikamente, die die TSH-Produktion (bei initial normalen peripheren Hormonen) drosseln und somit eine Hyperthyreose vortäuschen können, sind u. a.: 9
Dopamin und Dopaminagonisten
Serotoninantagonisten
Somatostatin, Octreotide
Morphin und Morphinderivate
Glukokortikoide
Heparin.
Bei Patient*innen, die wegen einer Hyperthyreose mit Thyreostatika behandelt wurden, kann noch mehrere Monate danach ein erniedrigter oder supprimierter TSH-Wert vorliegen.10
Insbesondere beim Morbus Basedow finden sich lange stark supprimierte TSH-Werte, hier erfolgt die Therapiekontrolle über Bestimmung von FT4 und TRAK.
Anamnese
Bei einem Teil der Patient*innen können trotz normwertiger Schilddrüsenhormone Anzeichen einer Hyperthyreose bestehen.
Dazu zählen z. B. Palpitationen, ein erhöhter Puls, vermehrtes Schwitzen, Nervosität und Wärmeintoleranz.
Detaillierte Medikamentenanamnese mit Frage nach Einnahme von:
jodhaltigen Medikamente, z. B. Amiodaron oder Kontrastmittel
V. a. fokale oder diffuse Autonomie bei Hyperthyreose
diagnostisch unklare Fälle in der Abklärung eines M. Basedow (DD lymphozytäre Thyreoiditis oder Marine-Lenhart-Syndrom: M. Basedow und gleichzeitig autonomes Adenom)
insbesondere hilfreich bei TRAK-negativem M. Basedow
zur Dokumentation des Therapieerfolgs einer definitiven Therapie (OP, Radiojod)
Komplikationen bei Patient*innen mit erhöhtem Risiko vorbeugen.
Entwicklung einer manifesten Hyperthyreose nicht übersehen.
Allgemeines zur Therapie
Bei einer Thyroxinübersubstitution wird die Dosis reduziert (Ausnahme: Z. n. Schilddrüsenkarzinom, wo eine Suppression von evtl. noch vorhandenem Schilddrüsengewebe erwünscht ist).
Bei V. a. zugrunde liegende endogene Ursache, aber ohne Symptome oder Anzeichen einer manifesten Hyperthyreose, wird eine Behandlung nur unter Abwägung der individuellen Patientensituation empfohlen.5
Eine Therapieindikation ist immer dann sorgfältig zu prüfen, wenn die TSH-Werte unter 0,1 mIU/l erniedrigt sind, da für diese Patientengruppe die Evidenz für nachteilige gesundheitliche Effekte am größten ist.8
Bei der Thyreostatika-Therapie beträgt die NNT 4,2, d. h. es müssen 4,2 Patient*innen mit subklinischer Hyperthyreose behandelt werden, um innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren die Entwicklung eines Vorhofflimmerns bei 1 Patient*in zu verhindern.13
Die Thyroxin-Dosis ist zu senken, und die Laborwerte sind zu kontrollieren.
Endogene subklinische Hyperthyreose
Falls eine Behandlung indiziert ist, sind die gleichen Behandlungsprinzipien wie bei der klinischen Hyperthyreose zu befolgen.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
In 1–5 % pro Jahr geht eine subklinische in eine manifeste Hyperthyreose über.8
Besonders für ältere Patient*innen und Patient*innen mit multinodösen Strumen ist das Risiko für eine manifeste Hyperthyreose im weiteren Verlauf erhöht.
Außerdem ist das Risiko bei Patient*innen mit vollständig supprimiertem (nicht mehr nachweisbarem) TSH höher als bei Patient*innen, bei denen TSH noch nachweisbar ist.15
Diese Konstellation findet sich häufiger beim Morbus Basedow als bei autonomen Adenomen.
Im Rahmen einer schottischen Studie wurden 2.024 Patient*innen mit subklinischer Hyperthyreose (TSH unterhalb des Referenzbereichs) über einen Zeitraum von 7 Jahren hinweg beobachtet.16
Die meisten Patient*innen (63 %) blieben ohne Behandlung stabil in der subklinischen Hyperthyreose, einige wurden wieder euthyreot (36 %) und nur sehr wenige (0,7 %) entwickelten eine manifeste Hyperthyreose.
Bei Patient*innen über 60 Jahren, die an einer subklinischen Hyperthyreose leiden, wurde bezogen auf einen Zeitraum von 10 Jahren ein um das 3-Fache erhöhtes Risiko zur Entwicklung eines Vorhofflimmerns festgestellt.17-18
Die kumulative Inzidenz des Vorhofflimmerns nach 10 Jahren lag bei Patient*innen mit einem supprimierten TSH-Wert bei 28 % und in der Gruppe mit normalem TSH bei 11 %.17
Im Rahmen einer Metaanalyse prospektiver Kohortenstudien wurde ein Zusammenhang zwischen einer subklinischen Hyperthyreose und einem erhöhten Risiko von Hüft- und sonstigen Frakturen festgestellt (verglichen mit euthyreoten Patient*innen HR von 1,6 für Hüftfrakturen).19
Dieser Zusammenhang stellte sich bei Patient*innen mit einem nicht mehr nachweisbaren TSH-Wert am deutlichsten dar.
Mortalität
Bisherige Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich einer erhöhten Mortalität bei einer subklinischen Hyperthyreose.8
Die bislang größte Studie mit über 50.000 Proband*innen zeigte eine erhöhte Mortalität (Hazard Ratio 1,24), insbesondere durch kardiovaskuläre Ereignisse.20
Prognose
Ein geringer Teil der Betroffenen entwickelt eine manifeste Hyperthyreose und muss behandelt werden.
Verglichen mit euthyreoten Kontrollgruppen besteht bei Patient*innen mit subklinischer Hyperthyreose ein erhöhtes Risiko von kardiovaskulären Erkrankungen und Osteoporose.
Verlaufskontrolle
Bei einer Normalisierung des TSH-Spiegels wird auf weitere Maßnahmen verzichtet.
Bestätigt sich die subklinische Hyperthyreose in Kontrollmessungen, wird abhängig von den Beschwerden und Vorerkrankungen der Patient*innen und dem Ausmaß der TSH-Reduktion ein Therapieversuch oder ein abwartendes Verhalten unter Laborkontrollen vereinbart.
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Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
Caroline Beier, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Definition:Erniedrigtes TSH, aber FT3 und FT4 im Normbereich. Häufigkeit:Prävalenz bei asymptomatischen Personen in Deutschland 1,8 %. Symptome:Es können typische Symptome einer Hyperthyreose auftreten.