Die allergenspezifische Immuntherapie (Synonyme: AIT, SIT, ASIT), auch Hyposensibilisierung genannt, ist derzeit die einzige krankheitsmodifizierende Behandlungsmöglichkeit bei Inhalationsallergien.1
Weiterhin lassen sich Insektengiftallergien in der Regel mit gutem Erfolg mit einer SIT behandeln.2
Es wird geschätzt, dass in Deutschland bis zu 24 % der Bevölkerung unter allergischer Rhinokonjunktivitis und 5 % an allergischem Asthma leiden. Die allergische Rhinokonjunktivitis steht in enger Beziehung zu anderen atopischen Erkrankungen.3
Möglich sind die subkutane (SCIT) oder die sublinguale Applikation (SLIT) von Allergenextrakten in schrittweise steigender Konzentration und Menge bis zu einer bestimmten Höchstdosis (Aufdosierung bis zu einer Erhaltungsdosis) bei Allergie-Patient*innen.4
Durch die Gabe von Allergenextrakten werden spezifische blockierende Antikörper, toleranzinduzierende Zellen und Botenstoffe aktiviert, die eine weitere Verstärkung der durch Allergene ausgelösten Immunantwort verhindern, die spezifische Immunantwort blockieren und die Entzündungsreaktion im Gewebe dämpfen.
Die Behandlung wird empfohlen, wenn Allergene nicht ausreichend gemieden werden können und eine Behandlung mit Medikamenten unbefriedigend war.
Allergene
Produkte zur subkutanen Immuntherapie (SCIT) oder sublingualen Immuntherapie (SLIT) sind aufgrund ihrer heterogenen Zusammensetzung derzeit nicht vergleichbar.
Die angegebenen Allergenkonzentrationen unterschiedlicher Hersteller sind aufgrund unterschiedlicher Methoden zur Messung der wirksamen Inhaltsstoffe nicht vergleichbar.
Zur SCIT werden nicht modifizierte Allergene als wässrige oder physikalisch gekoppelte (Semidepot-)Extrakte sowie chemisch modifizierte Extrakte (Allergoide) als Semidepot-Extrakte eingesetzt. Die Allergenextrakte zur SLIT werden als wässrige Lösungen oder Tabletten angewendet.
Präparate, die häufige Allergenquellen enthalten (Pollen der Süßgräser oder von Birke, Erle und Hasel, Hausstaubmilben, Bienen- und Wespengifte), bedürfen in Deutschland aufgrund der Therapie-Allergene-Verordnung (TAV) in jedem Fall der Zulassung. Im Zulassungsverfahren werden diese auf Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit überprüft. Individualrezepturen dienen der Verordnung seltener Allergenquellen (z. B. Pollen von Esche, Beifuß oder Ambrosia, Schimmelpilz Alternaria, Tierallergene) zur SIT. Sie können nicht mit den TAV-Allergenen gemischt werden.
Zugelassene Allergene, mit denen derzeit in Deutschland eine SIT durchgeführt werden kann, werden Therapie-Allergene genannt und sind (siehe Informationen Paul-Ehrlich-Institut):5
subkutan
Gräser-/Getreide-/Kräuterpollen
Baumpollen
Hausstaubmilben
Insektengifte
sublingual
Gräser-/Getreide-/Kräuterpollen
Baumpollen
Hausstaubmilben.
In Deutschland zugelassene Präparate sind durch die Zulassungsnummer auf der Umverpackung und in der Fachinformation von individuellen Rezepturen zu unterscheiden.4
Indikationen
Nachweis einer Immunglobulin-E(IgE)-vermittelten Sensibilisierung (vorzugsweise mit Hauttest unda/oderb In-vitro-Diagnostik) und eindeutiger Zusammenhang mit klinischer Symptomatik (ggf. Provokationstestung)4
Verfügbarkeit von standardisierten bzw. qualitativ hochwertigen Allergenextrakten
Wirksamkeitsnachweis der geplanten SIT für die jeweilige Indikation und Altersgruppe
Allergenkarenz nicht möglich oder nicht ausreichend
Alter der Patient*innen ≥ 5 Jahre
Alle Punkte sollen erfüllt sein. Unda bezieht sich auf seltene Allergene bzw. diagnostisch unsichere Ergebnisse. Oderb bezieht sich auf Bedingungen, die keinen Hauttest zulassen, und auf die Diagnostik bei Kindern unter 5 Jahren.
Wenn die Patient*innen keine ausreichende Symptomlinderung durch expositionsreduzierende Maßnahmen und optimale entzündungshemmende Behandlung erreichen.
Patient*innen mit Rhinokonjunktivitis
Beginnt als Vorzeichen einer bronchialen Hyperreaktivität/von Asthma.
Die Immuntherapie ist die einzige Behandlung, die die Entwicklung von allergischer Schleimhautaktivität stoppen kann.7
Wenn die Patient*innen keine ausreichende Symptomlinderung durch expositionsreduzierende Maßnahmen erreichen.
Wenn die Patient*innen Bedarf an regelmäßiger Steroidbehandlung haben.
Voraussetzung: Patient*innen sind für diese Behandlung geeignet, wenn
sie definierte, klinisch relevante und allergiebedingte Reaktionen zeigen, die ihre Lebensqualität oder tägliche Funktionen in einem deutlichen Grad beeinflussen.
keine adäquate Symptomkontrolle durch die Vermeidung von Allergenen oder durch eine Pharmakotherapie zu erreichen ist.
Eine Schwangerschaft gilt als Kontraindikation für den Beginn einer SIT. Nur im Einzelfall (z. B. bei einer lebensbedrohlichen Insektengiftallergie) kann die SCIT während einer Schwangerschaft begonnen werden.
Die Fortsetzung der SCIT bei einer lebensbedrohlichen Allergie durch Insektengifte (Biene, Wespe) und bei guter Verträglichkeit ist ratsam.
Die Fortführung der SIT mit Aeroallergenen bei guter Verträglichkeit ist möglich (jeweils nach den Empfehlungen der Fach- und Gebrauchsinformation).
Spezifische Immuntherapie bei Asthma
Leitlinie: Spezifische Immuntherapie bei allergischem Asthma9
Empfehlungen
Bei Patient*innen mit allergischem Asthma soll die Indikation zu einer spezifischen Immuntherapie (SIT) geprüft werden, wenn die allergische Komponente der asthmatischen Beschwerden gut dokumentiert ist (nachgewiesene spezifische Sensibilisierung und eindeutige klinische Symptomatik nach Allergenexposition).
Die Indikationsstellung sowie die Auswahl der Antigene und der Applikationsform sollten von allergologisch qualifizierten Ärzt*innen (möglichst mit der Zusatzbezeichnung Allergologie) vorgenommen werden.
Sondervotum der DEGAM: Die Indikationsstellung sowie die Auswahl der Antigene und der Applikationsform sollen von allergologisch erfahrenen Ärzt*innen vorgenommen werden.
Kommentar der NVL: Wenn es in der Versorgungssituation nicht anders machbar ist, dann können auch andere Ärzt*innen die Indikationsstellung übernehmen. Die Empfehlung soll nicht dazu führen, dass Patient*innen unterversorgt sind.
Begründung
Es gibt Hinweise, dass die verschiedenen Formen der Immuntherapie bei Asthma mit oder ohne allergische Rhinitis die asthmaspezifischen Endpunkte verbessern, jedoch auch ein Risiko für unerwünschte Wirkungen mit sich bringen.
Die Evidenzbasis um valide Aussagen zur Wirksamkeit und Sicherheit einer sublingualen Immuntherapie zu tätigen, ist nicht ausreichend.
Effekte
Reduziert Allergiesymptome und Medikamentenanwendung.6,10
Führt zu reduzierter Empfindlichkeit für Allergene auf der Haut, in den Augen, der Nase und den Bronchien, zu einer verringerten spezifischen und unspezifischen Hyperaktivität in den Atemwegen sowie zu weniger asthmatischen Spätreaktionen.
Verhindert Fortschreitung einer allergischen Rhinitis zu Asthma
Studienergebnisse deuten darauf hin, dass die Immuntherapie bei einer allergischen Rhinitis das Risiko für eine spätere Entwicklung von Asthma bei Kindern reduzieren kann.
Eine frühe Behandlung bei Kindern mit allergischen Reaktionen gegenüber Hausstaub führte zu einer reduzierten Entwicklung von Allergien gegenüber anderen Allergenen.
Insektengiftallergien
Während der SIT mit Hymenopterengift (Biene, Wespe) in der Standarderhaltungsdosis von 100 µg sind etwa 75– 85 % der bienengiftallergischen und etwa 90–95 % der wespengiftallergischen Patient*innen vor einer systemischen Reaktion auf einen erneuten Stich geschützt.2
Kosten
Die SIT ist auf längere Dauer betrachtet im Vergleich zur Pharmakotherapie bei allergischer Rhinitis und allergischem Asthma deutlich kosteneffektiver – ein Effekt, der stark von der Compliance der Patient*innen beeinflusst wird.4
Wirksamkeitsnachweise
Metaanalysen belegen die Wirksamkeit von SCIT und SLIT für bestimmte Allergene und Altersgruppen. Die Daten der kontrollierten Studien unterscheiden sich hinsichtlich ihres Umfangs, ihrer Qualität und Dosierungsschemata und erfordern eine produktspezifische Bewertung. Es empfiehlt sich daher die Beurteilung der Einzelpräparate nach klar definierten Kriterien. Eine verallgemeinernde Übertragung der Wirksamkeit von Einzelpräparaten auf alle Präparate einer Applikationsform verbietet sich.4
Bei der DGAKI finden sich Tabellen mit einer präparatespezifischen Darstellung der in Deutschland sowie in der Schweiz und Österreich auf dem Markt befindlichen SIT-Produkte.
Voruntersuchungen
Hauttests
Um die Allergie von Patient*innen zu bestätigen, wird ein Allergie-Schnelltest auf lgE-vermittelte Typ-1-Hypersensitivität empfohlen (Prick-Test).
Das Allergen wird unter die Hautoberfläche gespritzt.
Eine positive Pricktest-Reaktion spiegelt die Anwesenheit von spezifischen lgE-Antikörpern gegen das getestete Allergen wider, und wenn dies mit der Krankengeschichte im Zusammenhang steht, ist die Diagnose eindeutig.
Nachweis von Antikörpern im Serum
In vitro, allergenspezifische Immunassays zum Nachweis von lgE-Antikörper sind weniger sensibel als Hauttests.
Aber sie können bei Hauterkrankungen, die die Hautreaktion stören können, oder bei Patient*innen, die keine Medikamentenpause von Antihistaminika und oralen Kortikosteroiden wegen einer Beeinflussung der Hautreaktion einlegen können, angewendet werden.
Liegen bronchiales Asthma und/oder bronchiale Hyperreaktivität vor?
Zusätzlich zur klinischen Untersuchung wird eine Lungenfunktionsuntersuchung vor und nach der Verwendung von Beta-2-Agonisten durchgeführt.
Zusätzlich sollte ggf. noch ein bronchialer Reaktivitätstest durchgeführt werden.
Expositionsreduzierende Maßnahmen
Sollten bis zu einem möglichen Beginn der Immuntherapie durchgeführt werden.
Während der Behandlung muss die Exposition gegen die entsprechenden Allergene und andere Allergene, gegen die die Patient*innen sensibilisiert werden sollen, verhindert oder in höchstmöglichen Maß eingeschränkt werden.
Informieren Sie die Patient*innen ausführlich über den Zweck, die Durchführung und die Sicherheitsmaßnahmen der Therapie!
Durchführung der SIT
Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.4
Die Injektionen zur SCIT sowie die Einleitung der SLIT werden von Ärzt*innen durchgeführt, die mit dieser Therapieform Erfahrung haben und bei einem allergologischen Zwischenfall zur Notfallbehandlung befähigt sind.
Die Therapie sollte entsprechend der Fach- und Gebrauchsinformation des Herstellers durchgeführt werden.
Sofern die SIT nach der Indikationsstellung von anderen Ärzt*innen durch- oder weitergeführt wird, ist eine enge Zusammenarbeit erforderlich, um eine konsequente Umsetzung und risikoarme Durchführung der Therapie sicherzustellen.
Wenn zweckmäßig und fachlich vertretbar, kann die Erhaltungsbehandlung von den Hausärzt*innen durchgeführt werden.
In diesen Fällen soll eine notwendige Ausbildung gewährleistet werden. Für Probleme sollen feste Routinen für einen schnellen Kontakt zwischen den Spezialist*innen und den Hausärzt*innen aufgestellt sein.
Vor der Injektion die Patient*innen nach aktuellen allergischen oder anderen relevanten Symptomen (z. B. Fieber oder andere Infektzeichen), der Verträglichkeit der letzten Injektion, durchgemachten Erkrankungen, neuer oder veränderter Medikamenteneinnahme und Impfungen befragen, und das Intervall zur letzten Injektion prüfen.
Eine Verwechslung der Allergenpräparate kann z. B. durch lautes Vorlesen von Präparat und Patientennamen im Beisein der Patient*innen verhindert werden.
Zur Injektion, die eine ärztliche Tätigkeit darstellt, dient eine 1-ml-Spritze mit Feingraduierung bis zu 0,01 ml mit einer Injektionsnadel (Größe Nr. 14–18, kurzer Anschliff, Nadel von ausreichender Länge).
Zunächst erfolgt eine Desinfektion des Hautgebietes, in dem die Injektion appliziert wird. Die Injektionen erfolgen streng subkutan in eine abgehobene Hautfalte nach vorheriger bzw. je nach Injektionsvolumen wiederholter Aspiration handbreit über dem Olekranon an der Streckseite der Oberarme; sie werden unter Angabe des Injektionsorts und der Dosis dokumentiert.
Nach der Injektion sollen die Patient*innen mindestens 30 Minuten unter ärztlicher Beobachtung bleiben. Schon in dieser Zeit sind die Patient*innen angehalten, sämtliche auf eine allergische Reaktion hinweisende Symptome unverzüglich mitzuteilen. Nach der Wartezeit die Injektionsstelle kontrollieren. Bei einer verstärkten Lokalreaktion den Durchmesser dokumentieren, da u. U. bei der nächsten Injektion die Dosis gemäß der jeweiligen Gebrauchs- und Fachinformation des eingesetzten SCIT-Präparats angepasst werden muss.
Kurz vor und für den Rest des Tages nach der Injektion sollten Augmentationsfaktoren für allergische Reaktionen (z. B. körperliche Belastung, Saunabesuche, Alkoholgenuss) gemieden werden.
Zwischen einer SCIT-Injektion und einer planbaren Impfung sollte der Abstand mindestens 1 Woche betragen. Impfungen sollten daher in der Erhaltungsphase der SCIT durchgeführt und zwischen 2 mit 4-wöchigem Abstand applizierten Injektionen gegeben werden. Sofort notwendige Impfungen (z. B. Tetanus nach Verletzungen) können jederzeit erfolgen.
Therapieabstände liegen in der Steigerungsphase (häufig Verdoppelung der vorherigen Dosis; beachte Fach- und Gebrauchsinformationen!) zwischen 3–7 Tagen bei wässrigen Lösungen und 1–2 Wochen bei Semidepotlösungen.
Bei Cluster- oder Rush-Steigerungsschemata werden mehrere Injektionen je Behandlungstag verabreicht.13
Bei Überschreiten des Injektionsabstands wird die Dosis gemäß Fach- und Gebrauchsinformation reduziert, und zwar umso mehr, je größer die Zeitüberschreitung ist.
Die Dauer der SCIT sollte bei Atemwegsallergien mindestens 3 Jahre betragen.
Bei Patient*innen mit allergischem Asthma wird empfohlen, während der Therapiedauer ein „PeakFlow“-Protokoll führen zu lassen und in regelmäßigen Intervallen Lungenfunktionsuntersuchungen durchzuführen.
Die SLIT wird ambulant gemäß der vom Hersteller beigefügten Fach- und Gebrauchsinformation durchgeführt.
Je nach Präparat und Herstellerangaben ist die erste Dosis unter Aufsicht und Nachbeobachtung von allergologisch erfahrenen Ärzt*innen einzunehmen.
Gemäß der jeweiligen Fachinformationen kann die SLIT mit einigen SLIT-Präparaten während des Pollenflugs begonnen werden (intrasaisonaler Beginn).
Bei Virusinfekten des Respirationstrakts kann die Einnahme entweder nach ärztlicher Empfehlung fortgeführt bzw. unterbrochen werden (siehe Fach- und Gebrauchsinformationen). Sie kann anschließend je nach Gebrauchsinformation des Präparats wieder auf die Maximaldosis gesteigert werden.
Bei akuten Entzündungen oder Verletzungen der Mund-/Rachenschleimhaut, bei größeren chirurgischen Eingriffen (Zahnextraktion) in der Mundhöhle, bei akuter Gastroenteritis oder bei unkontrolliertem Asthma sollte unter Berücksichtigung der Gebrauchsinformation kein Allergenextrakt zur SLIT eingenommen werden (siehe die jeweiligen Fach- und Gebrauchsinformationen).
Eine kosaisonal durchgeführte SLIT (Fortführung während der Beschwerdesaison) ohne Dosisreduktion ist bei entsprechender Fach- und Gebrauchsinformation, aktuell fehlenden oder geringen allergischen Symptomen und sorgfältiger klinischer Dokumentation möglich. Bei einer mehrtägigen Pause der Einnahme sollte je nach Fach- und Gebrauchsinformation die Dosis reduziert werden, und zwar umso mehr, je größer die Zeitüberschreitung ist. Die Dauer der SLIT sollte analog zu den Erfahrungen mit der SCIT mindestens 3 Jahre betragen. Wird die Behandlung in einer anderen Praxis fortgesetzt, sollte besonders bei Fragen zur Wirksamkeit und Sicherheit eng mit den Ärzt*innen kooperiert werden, die die Indikation ursprünglich gestellt haben.
Im Februar 2020 wurde in den USA auch erstmalig eine SLIT gegen Erdnussallergene zugelassen.14
Erdnussallergien sind in den USA ein häufiges Problem.
Die Anaphylaxierate unter dieser SLIT ist mit bis zu 10 % der Anwender*innen recht hoch und unbedingt zu beachten.
Das Auftreten schwerer, potenziell lebensbedrohlicher systemischer Reaktionen bei der SCIT ist möglich, aber bei Einhaltung aller Sicherheitsmaßnahmen sehr selten. Die meisten unerwünschten Reaktionen sind leicht bis mittelschwer und lassen sich gut behandeln.
Dosisabhängige unerwünschte lokale Symptome im Mund- und Rachenraum treten häufig bei der SLIT auf. Systemische Reaktionen hingegen sind zwar beschrieben, kommen aber deutlich seltener vor als bei der SCIT. Die SLIT zeigt im Hinblick auf anaphylaktische und andere schwere systemische Reaktionen ein besseres Sicherheitsprofil als die SCIT.
Das Risiko und die Folgen unerwünschter systemischer Reaktionen im Rahmen einer SIT können durch Schulung des Personals, Beachtung der Sicherheitsstandards und rasche Anwendung von Notfallmaßnahmen – einschließlich der frühzeitigen Adrenalin-Gabe i. m. – wirksam vermindert werden.
Systemische Reaktionen nach SIT treten meist innerhalb der ersten 30 Minuten nach Applikation auf.
Patient*innen sollen bei der SCIT deshalb mindestens 30 Minuten nach Injektion unter Beobachtung in ärztlicher Verantwortung bleiben und sollten jede auf eine allergische Reaktion verdächtige Symptomatik sofort melden.
Notfalltherapie bei Anaphylaxie
Systemische Reaktionen sollen wegen der Gefahr der raschen Verschlimmerung ohne Verzögerung behandelt werden.4
Der Umgang mit obligaten Medikamenten und Ausrüstungsgegenständen für den allergologischen Notfall (siehe Notfallausrüstung unten) soll dem beteiligten Personal vertraut sein: regelmäßige (Wiederholungs-)Schulungen.
Das wichtigste Medikament in der Akuttherapie bei Anaphylaxie ist Adrenalin (Epinephrin). 15
Bei nicht reanimationspflichtigen Patient*innen ist die sofortige intramuskuläre Applikation einer Dosis von 0,3–0,5 mg Adrenalin (ab 30–50 kg KG) in die Außenseite des Oberschenkels die medikamentöse Therapie der 1. Wahl.
Weitere Erstmaßnahmen umfassen die symptomorientierte Lagerung, Sauerstoffgabe, Inhalation eines Beta-2-Sympathomimetikums sowie die intravenöse Gabe von Histamin-Antagonisten, Glukokortikoiden und Volumen.15
Frühzeichen einer schweren Reaktion: Brennen und Jucken von Handflächen und Fußsohlen, perianaler oder perigenitaler Juckreiz, Harn- und Stuhldrang, Niesattacken und generalisierter Pruritus. Weitere Atemwegs- und/oder Kreislaufsymptome können rasch hinzutreten.
Empfehlungen gelten analog auch für anaphylaktische Reaktionen, die im Rahmen einer SLIT auftreten.
Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. (Allergen-) spezifische Immuntherapie bei IgE vermittelten allergischen Erkrankungen. AWMF-Leitlinie Nr. 061-004. S2k, Stand 2014. www.awmf.org
Anhang zu Präparaten, Studien, Patienteninformationen (Stand 2014 und 2018)
Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. Bienen- und Wespengiftallergie, Diagnose und Therapie. AWMF- Leitlinie Nr. 061-020. S2k, Stand 2011. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. Anaphylaxie, Akuttherapie und Management. AWMF-Leitlinie Nr. 061-025. S2k, Stand 2013. www.awmf.org
Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ). Nationale Versorgungsleitline Asthma. 4. Auflage, Stand 2020. www.leitlinien.de
Literatur
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Brehler R, Klimek L, Kopp MV, Virchow JC: Specific immunotherapy—indications and mode of action. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(9): 148–58. DOI:10.3238/arztebl.2013.0148 www.aerzteblatt.de
Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie. (Allergen-) spezifische Immuntherapie bei IgE vermittelten allergischen Erkrankungen. AWMF S2K Leitlinie Nr. 061-004. Stand 10.10.2014 www.awmf.org
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Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
Caroline Beier, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Hamburg
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
CCC MK 09.04.2020, SLIT zur Erdnussallergie
CCC MK 13.01.2020, neue NVL Asthma und andere LL.
DDD MK 21.06.2018, kleine Nachkorrekturen von CB
CCC MK 14.10.2020 NVL berücksichtigt.
Revision at 14.08.2015 14:38:40:
Final Version
Revision at 05.06.2015 11:55:50:
German Guideline added
Revision at 01.06.2015 19:15:25:
Revision according German National Guideline
Revision at 29.05.2015 17:30:03:
German Guidelines included; Formatierung optimiert GO 20.3.
CCC MK 14.06.2018, komplett überarbeitet
Die allergenspezifische Immuntherapie (Synonyme: AIT, SIT, ASIT), auch Hyposensibilisierung genannt, ist derzeit die einzige krankheitsmodifizierende Behandlungsmöglichkeit bei Inhalationsallergien.1
Weiterhin lassen sich Insektengiftallergien in der Regel mit gutem Erfolg mit einer SIT behandeln.2