Die Erkrankung wird auch Chikungunya-Fieber genannt.
Durch Stechmücken übertragene Viruserkrankung mit Fieber und Gelenkschmerzen. Die Erkrankung ist selbstlimitierend und hat eine gute Prognose, die Gelenkbeschwerden können jedoch über einige Monate persistieren.
Das Virus wurde erstmals im Jahr 1953 nach einem Ausbruch in Tansania isoliert. Der Name kommt aus der Swahili-Sprache und bedeutet „gebückt sein“.1
Häufigkeit
Die Erkrankung tritt in wärmeren Regionen in Teilen Afrikas, in Indien, Süd- und Südostasien, auf der arabischen Halbinsel und in den letzten Jahren auch in der Karibik und Südamerika auf.
Seit 2004 gab es größere und andauernde Ausbrüche in Regionen Afrikas und Asiens; es wird geschätzt, dass mehr als 2 Mio. Menschen infiziert wurden.
In den Jahren 2004–2005 gab es eine Epidemie auf der Insel La Réunion und anderen Inseln im Indischen Ozean mit mehr als 300.000 Erkrankungsfällen.2
Im Jahr 2007 kam es zu Ausbrüchen in der Provinz Ravenna in Norditalien (wahrscheinlich importiert durch einen Reisenden aus Südindien), und es wurden auch einige Fälle in Frankreich registriert.
2013 wurde der erste Fall in der Karibik gemeldet – später verbreitete sich die Krankheit in großen Teilen Mittelamerikas, einzelne Fälle wurden in Nordamerika nachgewiesen.
Die Bedeutung für Reisende hat zugenommen, in Deutschland werden regelmäßig importierte Infektionen beobachtet.3
Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 162 importierte Infektionen an Chikungunya-Fieber übermittelt. In den Vorjahren seit 2006 waren jährlich 9–54 Erkrankungsfälle an das RKI übermittelt worden.4
Ätiologie und Pathogenese
Die Erkrankung wird durch das Chikungunya-Virus (ein Einzelstrang-RNA-Virus1) verursacht.5
Das Virus wird durch Mückenstiche auf Menschen übertragen.
Es wird am häufigsten von der Mückenart Aedes aegypti übertragen, der gleichen Mückenart, die auch Dengue-Fieber, Gelbfieber und Zika-Fieber überträgt. Diese Mückenart sticht in der Regel tagsüber.
Die Mückenart Aedes albopticus, die in gemäßigteren Klimazonen vorkommt, kann das Chikungunya-Virus ebenfalls übertragen. Auch sie sticht tagsüber.
Das Virus wird nicht von Mensch zu Mensch übertragen.
Hauptreservoir
Das Hauptreservoir sind Affen, aber auch Nagetiere und Vögel können infiziert sein.
Bei Epidemien können auch Menschen die Quelle für eine weitere Ausbreitung des Virus sein.
Das Chikungunya-Fieber ist als Vektor-übertragende Erkrankung ein Beispiel dafür, wie schnell sich Krankheiten in andere Teile der Welt ausbreiten können, in denen die klimatischen Bedingungen für die entsprechenden Mückenarten günstig sind.5
Das Virus gehört zur Gattung der Alphaviren aus der Familie der Togaviridae.3 Es gibt mehrere Erkrankungen, die durch verwandte Viren verursacht werden und einen ähnlichen Krankheitsverlauf haben.
Karelisches Fieber (Ockelbo-Krankheit), das in den nordischen Ländern vorkommt.
Sindbis-Fieber in Afrika, Asien, Australien und Europa
Ross-River-Fieber in Australien
O'Nyong-nyong-Fieber in Afrika
Die pathophysiologischen Mechanismen der Erkrankung sind noch nicht vollständig erforscht.1
Prädisponierende Faktoren
Mückenstiche
Aufenthalt in endemischen Gebieten
ICPC-2
A78 Infektiöse Erkrankung NNB, andere
ICD-10
A92.0 Chikungunya-Viruskrankheit
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
Virusinfektion mit Fieber und Gelenkschmerzen, evtl. auch Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Hautausschlag
Die Inkubationszeit beträgt 3–12 Tage, in der Regel 7–9 Tage.3
Die häufigsten Symptome sind plötzlich ansteigendes Fieber und Gelenkschmerzen. Kopfschmerzen und Muskelschmerzen sind ebenfalls häufig. Es können Gelenkschwellungen auftreten.
Bisweilen tritt ein makulopapulöses Exanthem oder eine generalisierte Hautrötung auf. Dieses kann nach dem Abklingen bräunliche Hautflecken hinterlassen. Der Ausschlag entsteht in der Regel 3 oder mehr Tage nach Beginn der Erkrankung und dauert 3–7 Tage lang an.
Fuß- und Handgelenke sind die Gelenke, die am häufigsten betroffen sind. Meist bilateraler Befall, vorgeschädigte Gelenke erweisen sich als besonders anfällig.3
Bei gesunden Menschen geht die Erkrankung in der Regel von selbst vorüber. Bei Schwangeren, bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem und bei Patienten mit schweren chronischen Erkrankungen können ernste Komplikationen wie Lungen- und Herzversagen oder Infektion des zentralen Nervensystems auftreten.
Ein biphasischer Fieberverlauf ist möglich.
5–10 % der Infizierten haben einen eher chronischen Verlauf mit langwierigen Gelenkschmerzen, die über Monate oder Jahre andauern.3
Milde Blutuungszeichen wie Blutungen aus der Nase und am Zahnfleisch berichtet.
Klinische Untersuchung
Fieber und beeinträchtigter Allgemeinzustand, evtl. Ausschlag
Evtl. Arthritis
Evtl. Blutungszeichen aufgrund von Thrombozytopenie
Evtl. neurologische Auffälligkeiten
Ergänzende Untersuchungen
Virusnachweis aus dem Blut während der ersten 3–5 Krankheitstage mittels PCR oder Virusanzucht3
Normalerweise werden nur die Symptome durch entzündungshemmende und schmerzstillende Medikamente behandelt.
Es gibt keine spezifische Therapie.
Ergebnisse präklinischer Studien deuten darauf hin, dass Sofobusvir, das gegen Hepatitis C verwendet wird, gegen das Chikungunya-Virus wirksam sein kann, aber klinische Studien fehlen. 7
Schwangerschaft
Schwangere Patientinnen sind anfälliger für einen schweren Krankheitsverlauf mit Komplikationen an Lunge, Herz und Gehirn.8
Die Gefahr, dass das Virus auf das Kind übertragen wird, ist gering.
Schwangere Frauen sollten sich wie alle anderen auch vor Mückenstichen schützen.
DEET-haltige Repellentien können von schwangeren Frauen verwendet werden.
Prävention
Es gibt keinen Impfstoff.
Schutzmaßnahmen gegen Stechmücken
Tragen Sie Kleidung, die den ganzen Körper bedeckt (vor allem am frühen Morgen und am späten Nachmittag, wenn die Mücken am aktivsten sind) und verwenden Sie Mückenschutzmittel (20 % DEET).
Schlafen Sie unter einem Moskitonetz, das mit Permethrin imprägniert ist.
In Endemiegebieten ist die Beseitigung von Mückenbrutstätten im Umfeld von Wohnstätten wichtig; Vektorkontrolle.3
Ärztliches Personal und Reisende sollten sich über das Risiko einer Chikungunya-Viruskrankheit im Klaren sein. Es wird empfohlen, dass schwangere Frauen, Menschen mit geschwächtem Immunsystem und Menschen mit schweren chronischen Erkrankungen vor evtl. Reisen in epidemische Gebiete ihren Arzt zur persönlichen Beratung aufsuchen.
Laborpersonal, das mit Blutproben von Verdachtsfällen arbeitet, muss die standardisierten Vorsichtsmaßnahmen zur Vermeidung einer Übertragung befolgen, da von solchen Übertragungsfällen berichtet worden ist.
Meldepflicht
Meldepflicht bei Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod bei hämorrhagischem Verlauf gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1g IfSG (virusbedingtes hämorrhagisches Fieber) und bei direktem oder indirektem Erregernachweis in Verbindung mit einer akuten Infektion gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 47 IfSG unabhängig vom klinischen Bild (andere Erreger hämorrhagischer Fieber).3
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Normalerweise milder Verlauf und selbstlimitierende Erkrankung
Die Dauer der akuten Erkrankung beträgt 3–7 Tage.
Anhaltende Gelenkschmerzen nach der akuten Phase der Erkrankung sind nicht ungewöhnlich.
Es können Polyarthralgie, Morgensteifigkeit, Tenosynovitis und das Raynaud-Syndrom auftreten.
Ein Teil der Patienten erlebt einen längeren Krankheitsverlauf mit Müdigkeit und allgemeinen Symptomen.
Bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem kann es zu einem schwereren Verlauf kommen.
Komplikationen
Lungen- und Herzversagen
Eine Enzephalitis wurde während der Epidemie auf La Réunion bei 8,5 von 100.000 Erkrankten festgestellt, mit der höchsten Inzidenz in den Altersgruppen unter 1 Jahr (187 pro 100.000) und über 65 Jahren (37 pro 100.000).2
In der Gruppe mit Enzephalitis lag die Sterblichkeit bei 16,6 %.
In der Gruppe der Kinder unter 1 Jahr mit Enzephalitis hatten 30–45 % Folgeerkrankungen des ZNS bei Entlassung.
Es wurden über 200 Todesfälle als direkte oder indirekte Folge des Chikungunya-Fiebers auf La Réunion gemeldet, vor allem unter älteren Menschen mit einer Grunderkrankung.
Weitere mögliche, aber seltene Komplikationen sind Uveitis und andere Augenbeteiligungen, Hörverlust, Hepatitis1
Prognose
Für ansonsten gesunde Menschen ist die Prognose gut.
Das Risiko einer hämorrhagischen Verlaufsform ist geringer als bei Dengue-Fieber.1
Gerardin P, Couderc T, Bintner M, et al. Chikungunya virus - associated encephalitis. A cohort study on La Réunion Island, 2005-2009. Neurology, 2016 Jan 5;86(1):94-102. www.ncbi.nlm.nih.gov
Robert-Koch-Institut. Chikungunya-Fieber. In: Steckbriefe seltener und importierter Infektionskrankheiten. RKI, Stand 2011. www.rki.de
Robert-Koch-Institut. Infektionsepidemiologisches Jahrbuch für 2014. RKI, 2014. www.rki.de
Parola P, de Lamballerie X, Jourdan J, et al. Novel Chikungunya virus variant in travelers returning from Indian Ocean islands. Emerg Infect Dis 2006; 12: 1493-9. PubMed
Simon F, Savini H, Parola P. Chikungunya: a paradigm of emergence and globalization of vector-borne diseases. Med Clin North Am 2008; 92:1323. PubMed
Ferreira AC, Reis PA, de Freitas CS, et al. Beyond members of the Flaviviridae family, sofosbuvir also inhibits chikungunya virus replication. Antimicrob Agents Chemother. 2018. pmid:30455237 www.ncbi.nlm.nih.gov
Centers for Disease Control and Prevention. Chikungunya Virus. 2015. www.cdc.gov
Autoren
Birgit Wengenmayer, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Freiburg
Ingard Løge, spesialist allmennmedisin, universitetslektor, institutt for sammfunsmedisinske fag, NTNU, redaktør NEL
Zusammenfassung
Definition: Durch Stechmücken übertragene Viruserkrankung mit Fieber und Gelenkschmerzen. Die Erkrankung ist fast immer selbstlimitierend.
Häufigkeit: Die Erkrankung tritt vor allem in Regionen Afrikas, in Indien, Südostasien, in der Karibik und in Südamerika auf. Zunehmende Häufigkeit importierter Fälle bei Reisenden.
Symptome: Die wichtigsten Symptome sind Fieber und Gelenkschmerzen. In einigen Fällen können die Gelenkschmerzen über Monate oder Jahre andauern.
Befunde: Klinische Befunde sind plötzlich einsetzendes Fieber und ein mäßig beeinträchtigter Allgemeinzustand.
Diagnostik: Nachweis von Antikörpern im Serum oder PCR.
Definition: Durch Stechmücken übertragene Viruserkrankung mit Fieber und Gelenkschmerzen. Die Erkrankung ist fast immer selbstlimitierend. Häufigkeit: Die Erkrankung tritt vor allem in Regionen Afrikas, in Indien, Südostasien, in der Karibik und in Südamerika auf. Zunehmende Häufigkeit importierter Fälle bei Reisenden.