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Abruptio placentae

Zusammenfassung

  • Definition:Vorzeitige Ablösung einer normalsitzenden Plazenta von der Gebärmutterwand vor der Geburt.
  • Häufigkeit:Man schätzt, dass 1–4 % der Schwangerschaften durch vorzeitige Plazentalösung in größerem oder geringerem Ausmaß kompliziert werden.
  • Symptome:Charakteristisch ist eine schmerzhafte Vaginalblutung in Verbindung mit Druckschmerzhaftigkeit des Uterus, Krämpfe und Rückenschmerzen.
  • Befunde:Klinisch fällt ein harter Uterus und druckschmerzhafter Fundus bei der Palpation auf. Eine äußerliche Blutung kann fehlen.
  • Diagnostik:Die Diagnose wird klinisch gestellt. Die Ultraschalluntersuchung dient u. a. dem Ausschluss einer Placenta praevia.
  • Therapie:Die Therapie richtet sich nach dem Ausmaß der Ablösung. Bei umfangreicher Ablösung wird unverzüglich eine Sectio durchgeführt.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Plazentalösung
  • Vorzeitige Ablösung einer normalsitzenden Plazenta von der Gebärmutterwand vor der Geburt1
  • Die Diagnose bei Plazentalösung wird klinisch und nicht anhand der Ultraschalluntersuchung gestellt.
  • Eine Ablösung von mehr als 30–40 % der Plazenta vom darunter liegenden Myometrium wird mit einer fetalen Wachstumshemmung und Fruchttod assoziiert.

Häufigkeit

  • Inzidenz
    • Man schätzt, dass 1–4 % aller Schwangerschaften in größerem oder geringerem Ausmaß durch eine Ablösung der Plazenta kompliziert werden.
    • Abruptio placentae stellt die häufigste Ursache schwerer Vaginalblutungen dar und wird bei etwa 1 % aller Schwangerschaften beobachtet.
    • Bei 1 von 500 Geburten nimmt die Ablösung ein so umfassendes Ausmaß an, dass Gefahr für den Fetus besteht.
    • Der Anteil der Schwangerschaften mit Abruptio placentae (vorzeitige Plazentalösung) wird mit 0,4–1 % der schwangeren Frauen angegeben, einigen Untersuchungen zufolge sind die Zahlen jedoch geringer. Möglicherweise hängt dies damit zusammen, dass weniger schwangere Frauen rauchen. Rauchen stellt ein Risikofaktor für Abruptio placentae dar. Möglich ist aber auch, dass manche Fälle von Abruptio placentae als „Blutung in der Schwangerschaft“ gemeldet werden.
  • Zeitpunkt
    • Nahezu die Hälfte der Ablösungen ereignet sich unter der Geburt.
    • Etwa 50 % der Geburten aufgrund von vorzeitiger Plazentalösung treten vor der 36. Schwangerschaftswoche ein, d. h. per definitionem handelt es sich in diesen Fällen um eine Frühgeburt.
  • 10–30 % dieser Fälle enden für das Neugeborene tödlich.2

Ätiologie und Pathogenese

  • Die Plazentalösung beginnt mit einer Blutung in der Decidua basalis (Teil der Gebärmutterschleimhaut, der sich unmittelbar unter dem zottentragenden Teil der Fruchthülle befindet) und der Bildung eines dezidualen Hämatoms. Dieses begünstigt darüber hinaus eine weitere Ablösung und Blutung sowie Kompression und Destruktion von Plazentagewebe.
  • Die Ursache für das Einsetzen einer Plazentalösung ist nicht bekannt. Man vermutet, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ruptur eines geschwächten Blutgefäßes verantwortlich ist.

Prädisponierende Faktoren

  • Sehr häufig Hypertonie der Mutter2-3
  • Schwerwiegende Präeklampsie
    • Das Risiko für eine Abruptio ist nach durchgemachter Präeklampsie während der ersten Schwangerschaft in einer zweiten Schwangerschaft doppelt so hoch (Odds Ratio 1,9).
  • Abruptio placentae in früheren Schwangerschaften
    • 10 % Risiko nach 1 Abruptio
    • 25 % nach 2 Abruptiones
  • Wachstumshemmung beim Fetus
  • Z. n. Sectio caesarea4
  • Rauchen
  • Gravierendes Bauch-Trauma
  • Polyhydramnion mit rascher Dekompression
  • Kurze Nabelschnur
  • Äußere Wendung
  • Vorzeitiger Fruchtwasserabgang
  • Die plötzliche Dekompression nach Ruptur der Fruchtblase oder Geburt des ersten Zwillings kann eine Plazentalösung bewirken.

ICPC-2

  • W03 Blutung in der Schwangerschaft

ICD-10

  • O45 Vorzeitige Plazentalösung
  • O45.0 Vorzeitige Plazentalösung bei Gerinnungsstörung
  • O45.8 Sonstige vorzeitige Plazentalösung
  • O45.9 Vorzeitige Plazentalösung, nicht näher bezeichnet

ICD-10-GM

  • O45- Vorzeitige Plazentalösung

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Die Diagnose Abruptio placentae wird in erster Linie klinisch gestellt.
  • Das klinische Bild äußert sich klassisch mit einer schmerzhaften Vaginalblutung und erhöhtem Uterustonus.

Differenzialdiagnose

Anamnese

  • Schmerzhafte Vaginalblutung in Verbindung mit druckschmerzhaftem und hartem Uterus, Rückenschmerzen
  • Wenn der Geburtsvorgang bereits begonnen hat, treten meist auch zwischen den Wehen Schmerzen auf.
  • Nicht immer macht sich die Frühphase durch eine Vaginalblutung bemerkbar.
  • Gelegentlich besteht eine Hyperaktivität des Fetus.
  • Blutung
    • Kann ganz oder teilweise versteckt sein; sie kann hell- oder dunkelrot oder mit Fruchtwasser vermischt sein.
    • Ein Schock kann sich schneller entwickeln als das entsprechende Volumen der äußeren Blutung vermuten lässt.
  • Disseminierte intravasale Gerinnung (DIG)
    • Das klinische Bild ist allmählich von dieser Komplikation geprägt; sie tritt bei ca. 10 % der Betroffenen auf.
  • Übrige Verlaufsformen
    • Eine vorzeitige Plazentalösung kann auch in Form einer Frühgeburt, Wachstumshemmung und intrauterinem Fruchttod einsetzen.5
    • Eine chronische Form der Plazentalösung zeigt sich durch wiederholte Vaginalblutungen mit episodisch auftretenden Schmerzen und Kontraktionen.6

Klinische Untersuchung

  • Harter Uterus und druckschmerzhafter Fundus bei Palpation
  • Die Blutungen sind gelegentlich nicht äußerlich sichtbar. Blutungen werden bei 80 % der Betroffenen beobachtet, die gewöhnlich dunkelrot erscheinen.
  • Bei einer versteckten inneren Blutung kann gelegentlich eine zunehmende Fundushöhe (steigender Fundus) den Verdacht hierauf lenken.
  • Allmähliche Entwicklung von Anzeichen für Präschock und Kreislaufkollaps

Diagnostik im Krankenhaus

  • Im Krankenhaus erfolgt eine Ultraschalluntersuchung zum Ausschluss einer Placenta praevia sowie ggf. zum Nachweis eines Hämatoms.
  • Bei der Untersuchung von Placenta praevia um die 24. Schwangerschaftswoche im Rahmen einer Studie zeigte sich, dass zu diesem Zeitpunkt eine Ultraschalluntersuchung zur Aufdeckung von Abruptio placentae nicht aussagekräftig ist.7
    • Sowohl akut auftretende Thromben als auch die Plazenta sind im Ultraschall durch ein deutliches Echo erkennbar und lassen sich nur schwer gegeneinander abgrenzen.
  • Eine frische Blutung zeigt sich durch hyperechogene Bereiche, die mit zunehmender Gerinnselbildung echoärmer werden. Bei Auflösung der Koagel wird das Echobild häufig heterogen.

Indikationen zur Krankenhauseinweisung

  • Bei Blutungen im letzten Teil der Schwangerschaft sollte immer eine Einweisung in eine Klinik erfolgen.

Therapie

Therapieziel

  • Lebensbedrohliche Komplikationen für Mutter und Kind vermeiden.

Allgemeines zur Therapie

  • Umfangreiche Ablösung
    • Ist nahezu immer eine Indikation für einen Kaiserschnitt, wenn der Fetus am Leben ist. Die Indikationsstellung wird jedoch bei bestehendem DIG-Syndrom erschwert.
    • Im Fall von Fruchttod wird durch Amniotomie und Oxytocininfusion die vaginale Geburt eingeleitet.8
  • Bei geringgradiger Ablösung
    • Maßnahmen können unter engmaschiger Beobachtung eine Weile abgewartet werden, jedoch wird meist eine operative Geburt vorgenommen, wenn die 34. Schwangerschaftswoche erreicht wurde.
  • Chronische Ablösung
    • Wiederholte Ultraschalluntersuchungen und eine sorgfältige Schwangerschaftsvorsorge im dritten Trimester sind aufgrund des Risikos von uteroplazentarer Insuffizienz und einer weiteren Ablösung, die jederzeit eintreten kann, unerlässlich.5
  • Dokumentation
    • Empirisch, da keine experimentellen Studien oder Erkenntnisse für das Management vorliegen.9

Frühzeitige Therapie

  • Rasche Stabilisierung des kardiopulmonalen Zustands der Mutter und Beurteilung des Gesundheitszustandes des Ungeborenen
  • Intravenöse Flüssigkeitstherapie bei langer Transportzeit
  • Eine verzögerte Behandlung kann für den Fetus tödlich ausgehen, 30 % der perinatalen Todesfälle ereigneten sich laut Auswertung umfangreicher Patientendaten während der ersten 2 Stunden nach Einweisung.
  • Die entscheidende Therapie darf nicht verzögert werden, um eine Ultraschalluntersuchung abzuwarten, da die Untersuchung bei Abruptio placentae nicht geeignet ist, eine zuverlässige Diagnose zu stellen.7

Weitere Therapien

  • Stabilisierung der Mutter
    • wiederholte Messungen von Hämatokrit und dem Koagulationsstatus zur Erkennung einer möglichen DIG2
  • Tokolyse?
    • Ist im Allgemeinen kontraindiziert.
    • Ausnahme ist eine partielle Lösung vor der 34. Schwangerschaftswoche. Tokolytika können in diesem Fall eingesetzt werden, um die Zeit der Lungenreifung des Fötus durch Kortikosteroidgabe zu überbrücken.10
  • Kaiserschnitt
    • Bei instabiler Herzaktivität des Fetus muss die Geburt rasch erfolgen, meist durch Kaiserschnitt.6,11
    • In einer Studie zeigte sich ein günstigerer neonataler Ausgang, wenn bei schwerwiegender Ablösung von der Entscheidung bis zur Geburt des Kindes nicht mehr als 20 Minuten vergingen.

Prävention

  • Die Häufigkeit von Abruptio placentae lässt sich durch Verzicht auf Tabak, Kokain oder Amphetamine und eine sorgfältige Überwachung von Schwangeren mit Hypertonie reduzieren.
  • In einer Studie konnte eine Verminderung der Inzidenz von Abruptio placentae durch eine Therapie von Präeklampsie intra partum mit Magnesiumsulfat gezeigt werden.12

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Kann plötzlich auftreten.
  • Kann Kontraktionen und die Geburt induzieren.

Komplikationen

Bei der Schwangeren

  • Abruptio placentae ist die häufigste Ursache für DIG während der Schwangerschaft.
    • Dies ist auf die Freisetzung von Thromboplastin in der Plazenta zurückzuführen.6
    • Die klinisch signifikante DIG tritt als Komplikation in 10 % der Fälle auf und ist häufig mit Fruchttod verbunden.6
  • Hypovolämischer Schock und akutes Nierenversagen sind nicht auszuschließen. Akute tubuläre Nekrose und Sheehan-Syndrom (postpartale Hypophysennekrose) sind nicht auszuschließen.

Beim Fetus

  • Signifikantes Risiko von Hypoxie, Hirnschädigung und Tod
  • 15 % der Lebendgeborenen können schwerwiegende neurologische Schäden erleiden.

Prognose

Für den Fetus

  • Die perinatale Sterblichkeit infolge einer vorzeitigen Plazentalösung ist hoch.
  • 15 % der Totgeburten im dritten Trimester werden duch die vorzeitige Plazentalösung verursacht. 

Verlaufskontrolle

  • Im Krankenhaus
    • hämodynamische Überwachung der Mutter
    • Überwachung des Fetus
    • wiederholte Kontrollen von Hkt und Koagulationsprofil
    • DIG-„Bereitschaft“

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Marginal vorne liegender Mutterkuchen
Placenta praevia (vorgelagerte Plazenta): Die Plazenta reicht fast bis zum Rand des Gebärmuttermunds.

Quellen

Literatur

  1. Sakornbut E, Leeman L, Fontaine P. Late pregnancy bleeding. Am Fam Physician 2007; 75: 1199-206. American Family Physician
  2. Hladky K, Yankowitz J, Hansen WF. Placental abruption. Obstet Gynecol Surv 2002; 57: 299-305. PubMed
  3. Ananth CV, Oyelese Y, Yeo L, Pradhan A, Vintzileos AM. Placental abruption in the United States, 1979 through 2001: temporal trends and potential determinants. Am J Obstet Gynecol 2005; 192: 191-8. PubMed
  4. Getahun D, Oyelese Y, Salihu HM, Ananth CV. Previous cesarean delivery and risks of placenta previa and placental abruption. Obstet Gynecol 2006; 107: 771-8. PubMed
  5. Ananth CV, Berkowitz GS, Savitz DA, Lapinski RH. Placental abruption and adverse perinatal outcomes. JAMA 1999; 282: 1646-51. Journal of the American Medical Association
  6. Witlin AG, Sibai BM. Perinatal and maternal outcome following abruptio placentae. Hypertens Pregnancy 2001; 20: 195-203. PubMed
  7. Glantz C, Purnell L. Clinical utility of sonography in the diagnosis and treatment of placental abruption. J Ultrasound Med 2002; 21: 837-40. PubMed
  8. Burton R, Belfort MA. Etiology and management of hemorrhage. In: Dildy GA, Belfort MA, Saade GR, Phelan JP, Hankins GD, Clark SL, eds. Critical Care Obstetrics. 4th ed. Malden, Mass.: Blackwell Science, 2004: 298-311.
  9. Neilson JP. Interventions for treating placental abruption. Cochrane Database of Systematic Reviews 2003, Issue 1. Art. No.: CD003247. DOI: 10.1002/14651858.CD003247. DOI
  10. Towers CV, Pircon RA, Heppard M. Is tocolysis safe in the management of third-trimester bleeding? Am J Obstet Gynecol 1999; 180: 1572-8. PubMed
  11. Kayani SI, Walkinshaw SA, Preston C. Pregnancy outcome in severe placental abruption. BJOG 2003; 110: 679-83. PubMed
  12. Altman D, Carroli G, Duley L, Farrell B, Moodley J, Neilson J, et al., for the Magpie Trial Collaborative Group. Do women with pre-eclampsia, and their babies, benefit from magnesium sulphate? The Magpie Trial: a randomised placebo-controlled trial. Lancet 2002; 359: 1877-90. PubMed

Autoren

  • Julia Trifyllis, Dr. med., Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Münster/W.
  • Maria Sennström, leitende klinische Fachärztin, Frauenklinik, Karolinska Universitätskrankenhaus
  • Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
  • Per Bergsjø, Emeritus, Dr. med., Universität Bergen. Spezialist für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Forscher am Nationalen Institut für Volksgesundheit, Oslo
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morkakeløsning; løsning av morkake; blødning i svangerskap; tidlig løsning av morkake; Abruptio placentaeW03
Platzentaablösung vor der GEburt; Ablösung der Plazenta; Vorzeitige Plazentalösung; Vaginalblutung; Druckschmerzhaftigkeit des Uterus; Harter Uterus; Fetale Wachstumshemmung; Fruchttod; Disseminierte intravasale Gerinnung; DIG; Kaiserschnitt
Abruptio placentae
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Definition:Vorzeitige Ablösung einer normalsitzenden Plazenta von der Gebärmutterwand vor der Geburt. Häufigkeit:Man schätzt, dass 1–4 % der Schwangerschaften durch vorzeitige Plazentalösung in größerem oder geringerem Ausmaß kompliziert werden.
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