Bei der asymptomatischen Bakteriurie handelt es sich um den Befund von ≥ 105 Bakterien/ml in der Urinkultur bei Symptomfreiheit bezüglich der Harnwege.1-2
häufiger Befund durch systematisch eingesetzte Testverfahren (Urin-Teststreifen oder Urinkultur)
Es handelt sich somit um eine Keimbesiedlung ohne klinische Symptome; beim Auftreten von Beschwerden (z. B. Dysurie) handelt es sich um eine Infektion.1-2
Eine antibiotische Behandlung der asymptomatischen Bakteriurie ist nur in Ausnahmefällen (z. B. bei Schwangeren mit Risikofaktoren wie Z. n. Frühgeburt) notwendig.1
Häufigkeit
Zunahme der Prävalenz mit dem Alter und Zusammenhang mit sexueller Aktivität1
Bei Mädchen im Vorschulalter ist die Prävalenz 1–2 %.
5–6 % bei sexuell aktiven Frauen zwischen 20–40 Jahren
Eine asymptomatische Bakteriurie wird durch eine Urinkultur von symptomfreien Patient*innen entdeckt.
Diagnostische Kriterien einer asymptomatischen Bakteriurie1-2
bei Frauen: Nachweis von > 105 Bakterien/ml in 2 konsekutiven Mittelstrahlurin-Kulturen
bei Männern: Nachweis von > 105 Bakterien/ml in 1 Mittelstrahlurin-Kultur
bei Urin aus dem Katheter: einzelne Bakterienspezies > 102 Bakterien/ml
Keine Belege für Vorteile der Erkennung und Behandlung von asymptomatischer Bakteriurie bei:1-4
ansonsten gesunden Kindern, unabhängig vom Alter
nicht schwangeren erwachsenen Patientinnen, unabhängig von Grunderkrankungen oder evtl. liegendem Katheter.3
Übersichtsstudie zum Vergleich Antibiotika oder Placebo bei Erwachsenen mit asymptomatischer Bakteriurie5
kein klinischer Nutzen einer antibiotischen Therapie
Patient*innen vor invasiven urologischen Eingriffen sollten mittels Kultur auf asymptomatische Bakteriurie (ab 100.000 Bakterien/ml im Mittelstrahlurin) untersucht und bei positivem Ergebnis mit Antibiotika behandelt werden.6
Kinder unter 4 Jahren mit wiederholten Harnwegsinfektionen und bekanntem vesikoureteralem Reflux benötigen häufig eine Behandlung.
Bei geriatrischen Patient*innen ist die Prävalenz der asymptomatischen Bakteriurie sehr hoch.
Allein das Ergebnis eines Urin-Teststreifens oder einer Urinkultur ohne Klinik rechtfertigt die Diagnose Harnwegsinfekt nicht.
Insbesondere bei liegenden Dauerkathetern sollte eine asymptomatische Bakteriurie nicht behandelt werden.
Sind bei einem Urin-Teststreifen Nitrit und Leukozyten negativ, so kann mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Bakteriurie ausgeschlossen werden (negativer prädiktiver Wert 88 %).7
Asymptomatische Bakteriurie bei Schwangeren
Kein Hinweis für eine Schädigung des Kindes durch eine asymptomatische Bakteriurie der Schwangeren oder den Vorteil einer antibiotischen Therapie1-2,4
Aus diesem Grund soll die asymptomatische Bakteriurie im Rahmen einer Niedrigrisikoschwangerschaft nicht behandelt werden.2
Vorschriften der Mutterschaftsrichtlinien in Deutschland8
keine Empfehlung einer regelhaften Untersuchung auf asymptomatische Bakteriurie bei allen Schwangeren
Untersuchung des Mittelstrahlurins alle 4 Wochen auf Eiweiß und Zucker
Bakteriologische Untersuchung nur bei besonderer Befundlage (z. B. bei auffälligen Symptomen, rezidivierenden Harnwegsinfektionen in der Anamnese, Z. n. Frühgeburt, erhöhtem Risiko für Infektionen der ableitenden Harnwege)
Es liegen keine Hinweise auf eine Schädigung des Kindes durch asymptomatische Bakteriurie vor.2,4
Die Leitlinien der DEGAM und DGU empfehlen aus diesen Gründen kein generelles Screening von Schwangeren mehr.2
Eine Urinuntersuchung (v. a. Urinkultur) kann bei Risikopatientinnen sinnvoll sein.1-2
Ältere Personen, die in Pflegeeinrichtungen leben.
Patient*innen nach Rückenmarksverletzungen
Patient*innen mit Dauerkatheter
Patient*innen vor orthopädischen Eingriffen.
Auch die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) rät im Rahmen ihrer Initiative Klug Entscheiden von einer Antibiotikagabe bei asymptomatischer Bakteriurie ab.
Verlaufskontrolle
Kontrolle des Therapieerfolgs mittels Urinkultur nach einer antibiotischen Behandlung bei einer schwangeren Frau2
Gemeinsamer Bundesausschuss. Richtlinien über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung. Mutterschafts-Richtlinien, Stand 2022. www.g-ba.de
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Brennen beim Wasserlassen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-001. S3, Stand 2018. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU). Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. AWMF-Leitlinie Nr. 043-044. S3, Stand 2017 (abgelaufen). www.awmf.org
Literatur
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Brennen beim Wasserlassen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-001. S3, Stand 2018. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU) Harnwegsinfektionen. Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. AWMF-Leitlinie Nr. 043-044, Stand 2017. (abgelaufen) www.awmf.org
Dull RB, Friedman SK, Risoldi ZM, et al. Antimicrobial Treatment of Asymptomatic Bacteriuria in Noncatheterized Adults: A Systematic Review. Pharmacotherapy. 2014. PMID: 24807583 PubMed
Institut für Qualität und Wirtschatlichkeit in der Medizin (IQWIG): [S13-02] Screening auf asymptomatische Bakteriurie im Rahmen der Mutterschaftsrichtlinien unter besonderer Berücksichtigung der Testmethoden, Stand 2015. www.iqwig.de
Zalmanovici Trestioreanu A, Lador A, Sauerbrun-Cutler MT, et al. Antibiotics for asymptomatic bacteriuria. Cochrane Database Syst Rev. 2015 Apr 8;4:CD009534. PMID: 25851268. PubMed
Bublak R. Antibiotika-Therapie auch bei Patienten ohne Symptome? Ärzte Zeitung, 10.12.2014 www.aerztezeitung.de
Sundvall et al.. Evaluation of dipstick analysis among elderly residents to detect bacteriuria: a cross-sectional study in 32 nursing homes. BMC Geriatrics 2009; 9: 32. doi:10.1186/1471-2318-9-32 DOI
Gemeinsamer Bundesausschuss. Richtlinien über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung. Mutterschafts-Richtlinien, Stand 2022. www.g-ba.de
Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Allgemeinmedizin, Frankfurt
Jonas Klaus, Arzt, Freiburg im Breisgau
Klaus Gebhardt, Arzt für Allgemeinmedizin, Bremen (Review)
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Bei der asymptomatischen Bakteriurie handelt es sich um den Befund von ≥ 105 Bakterien/ml in der Urinkultur bei Symptomfreiheit bezüglich der Harnwege.1-2
häufigerBefund durch systematisch eingesetzte Testverfahren (Urin-Teststreifen oder Urinkultur)