Definition:Eine sexuell übertragbare Erkrankung, verursacht durch das Bakterium Chlamydia trachomatis, Serotyp L1, L2 oder L3.
Häufigkeit:Kommt endemisch in einigen Ländern in Afrika, Asien, Südamerika und in der Karibik vor. C. trachomatis gehört weltweit zu den häufigsten Erregern sexuell übertragbarer Infektionen.
Symptome:Inkubationszeit meist 1–3 Wochen. Anfangs eine schmerzlose Wunde oder Bläschen am äußeren Genitale, zuweilen im Afterbereich. VerheiltDiese Primärläsion verheilt im Allgemeinen nach ungefähr einer1 Woche. Nach wenigen Wochen entstehen eine lokale Lymphadenopathie (Bubobildung) und evtl. anorektale Beschwerden.
Befunde:Klinische Befunde sind schmerzlose Wunden oder Bläschen am äußeren Genitale oder im Afterbereich, eventuellevtl. Proktitis.
DiagnoseDiagnostik:Erregernachweis (v. a. mittels NAT), Antikörper-Tests, evtl. Proktoskopie.
BehandlungTherapie:Doxycyclin oder alternativ Erythromycin bzw. Azithromycin.
Allgemeine Informationen
Definition
Synonyme
Lymphogranuloma venereum oder inguinale
Nicht zu verwechseln mit dem durch Klebsiella granulomatis verursachten Granuloma inguinale (Donovanosis).
Klimatischeklimatische oder tropische BubosBuboes
Morbus Durand-Nicolas-Favre
Eine sexuell übertragbare Erkrankung, verursacht durch das Bakterium Chlamydia trachomatis Serotyp L1, L2 oder L31
Das venerische Lymphogranulom führt zu einer Urethritis, evtl. auch zu einer Proktitis (mit Tenesmen, Ausflüssen und Blutungen), Allgemeinsymptome und Spätkomplikationen sind möglich.
EpidemiologieHäufigkeit
Die Erkrankung tritt endemisch in einigen Ländern in Afrika, Asien, Südamerika und der Karibik auf. Sie ist vor allem eine tropische Erkrankung.
Aber auch in Europa kommt es immer wieder zu Erkrankungsfällen.1
Im Jahr 20012016 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geschätzt, dass weltweit jährlich 89127 MillionenMio. Neuinfektionen mit genitalen Chlamydien erfolgen.2
C. trachomatis (Serotypen D–L) gehört weltweit zu den häufigsten Erregern sexuell übertragbarer Infektionen (STI = sexuallySexually transmittedTransmitted infectionsInfections).2
In den Jahren 2004 und 2005 stieg die Häufigkeit bei immungeschwächten homosexuellen Männern in Europa und in den USA.3
Deutschland:
Bei epidemiologischen Untersuchungen mit Hilfe molekularbiologischer Verfahren wurden in Deutschland insbesondere unter den sexuell aktiven jugendlichen Frauen bis zu 13% als infiziert ermittelt. Diese Infektionsrate variiert regional und geht mit steigendem Alter und Eintritt in eine stabile partnerschaftliche Bindung stark zurück.2
In Deutschland wurden bei Lymphogranuloma venerum bisher meist Fälle mit Serotyp L2 gefunden, vorwiegend bei Männern, die (auch) Sex mit Männern haben (MSM). Insgesamt wurden zwischen August 2002 und Januar 2009 164 Fälle mit gesichertem Genotyp L1–L3 freiwillig an das RKI gemeldet.24
Zwischen 2012 und 2021 wurden insgesamt 120 Fälle in deutschen Krankenhäusern behandelt.5
Alter:
am häufigsten imzwischen dem 2. und 34. Lebensjahrzehnt6
Die Serotypen A–C verursachen das Trachom, eine in den Tropen verbreitete chronisch rezidivierende Erkrankung der Bindehäute und Hornhäute des Auges.24
Chlamydien sind unbewegliche und gramnegative Bakterien, deren Zellwand charakteristischerweise keine Peptidoglykanschicht, aber Lipopolysaccharide enthält und die obligat intrazellulär leben.2
Eine gemeinsame Eigenschaft aller Chlamydien ist ihr komplexer Reproduktionszyklus.
Bei diesem Zyklus kommen extrazelluläre, infektiöse Elementarkörperchen und intrazelluläre, nichtinfektiöse Retikularkörperchen vor.
Die infektiösen Elementarkörperchen erreichen eine Größe von etwa 0,3 Mikrometern und dienen der Übertragung der Infektion.
Die in ihren Wirtszellen lebenden Retikularkörperchen sind stoffwechselaktiv und haben eine Größe von etwa einem Mikrometer.2
Elementarkörperchen heften sich mit speziellen Molekülen an Rezeptoren empfänglicher Zielzellen (normalerweise Epithelzellen des Urogenitaltraktes oder des Respirationstraktes) an und werden von den Zellen durch Endozytose aufgenommen. Innerhalb von 8 Stunden wandeln sich die Elementarkörperchen in stoffwechselaktive Retikularkörperchen um, die sich anschließend durch Teilung vermehren. Dabei entstehen ein oder mehrere von der Endosomenmembran umgebene Einschlusskörperchen.2
Ansteckungsweg
Direktedirekte Ansteckung bei sexuellen Kontakten
perinatal
Inkubationszeit
Unterschiedlichunterschiedlich, im Durchschnitt 3–30 Tage
Tritt 3–30 Tage nach Infektion mit der Entwicklung einer kleinen, schmerzlosen, jedoch schnell ulzerierenden Papel auf (Primärläsion).
Zweites Stadium
Nach 10 bis –30 Tagen kommt es zu schmerzhaften, teils ulzerierenden Schwellungen der regionären Lymphknoten (Bubo), die aufbrechen können.
Gekennzeichnet auch durch systemische Symptome und evtl. eine akute hämorrhagische Proktitis im unteren Teil des Rektums und des Analkanals.
Bei oraler Erregeraufnahme ist auch eine Racheninfektion mit Beteiligung der zervikalen Lymphknoten möglich.6
Drittes Stadium
Entwicklung von chronisch entzündlichen Veränderungen, Bildung von Narbengewebe und Fibrose sowie Entwicklung einer lymphatischen Obstruktion, StrikturbildungStrikturen und Fisteln.6
Prädisponierende Faktoren
Geschlechtsverkehr zwischen Männern
Ungeschützter Geschlechtsverkehr in Gegenden mit endemischem VorkommenEndemiegebieten
ICPC-2
Y99 Genitale Erkrankung Mann, andere
ICD-10
A55 Lymphogranuloma inguinale (venereum) durch Chlamydien
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
Im Allgemeinen eine klinische Diagnose
Schmerzloseschmerzlose Wunden an den äußeren Genitalen oder im Rektum, Primärläsion auch ohne Behandlung selbstlimitierend.
Einein paar Wochen später eine lokale Lymphknotenschwellung oder anorektale Beschwerden
AnfangsGgf. wird eineder typische Verlauf geschildert (s. o.)
Ggf. schmerzlose Wundegenitale oder Bläschenanale am äußeren Genitale oder im Analbereich bemerkt.Ulzeration
Die Wunde verheilt in der Regel nach etwa einer Woche.Lymphknotenschwellungen
NachEine einsensible paarSexualanamnese Wochenist entstehen eine lokale Lymphknotenschwellung (Bubobildung) und/oder anorektale Beschwerden in Form von rektalen Schmerzen, Juckreiz und blutigem Ausfluss aus dem Afterangezeigt. Die Erkrankung kann sehr schmerzhaft werden.
Männer, die Sex mit anderen Männern haben, kommenstellen insich derggf. Regeleher mit einem anorektalen SyndromBeschwerden oderim mitSinne einer Proktitis oder Proktokolitis zum Arzt, nicht mit einer genitalen Ulzeration mit „Bubos“ in der Leistevor.47
Die Erkrankung kann in seltenen Fällen eine hämatogene Ausbreitung mit Fieber, Arthritis, Hepatitis und Meningoenzephalitis verursachen.
Unbehandelt kann das venerische Lymphogranulom zu Fistelbildung, Abszessen und chronischer Lymphobstruktion führen.
Klinische Untersuchung
Schmerzlose Wunden oder VesikelBläschen an den äußeren Genitalen oder im Analbereich.
Lymphknotenschwellung in der Leiste ein paar Wochen nach der Wundheilung
Bei einem anorektalen Syndrom:
Die Haut im Analbereich blutet leicht, ist ulzeriert und wird überzogen mit einem mukopurulenten Exsudat belegt.58
Diagnostik bei Spezialist*innen
Mikrobiologie/Erregernachweis
Die Diagnose wird – zusammen mit Symptomatik und Anamnese – durch den Nachweis von C. trachomatis erstellt.
Standard ist hierbei der Nachweis erregerspezifischer DNA durch NAAT–Tests9
Mit Abstrichen aus den Wunden lässt sich das Bakterium nachweisen. Abstrich in Transportmedium oder eingetrocknet ohne Medium verschicken.610
Mittels Echtzeit-PCR kann der Serotyp ermittelt werden (venerisches Lymphogranulom oder „normale“ genitale Chlamydien-Infektion?).711
Eine Probennahme von einem asymptomatischen PatientenPatient*innen ist nicht erforderlich.
Die Anzucht ist in der Zellkultur auf unterschiedlichen permanenten epithelialen Zellen aus zellreichen Zervix-, Urethra-, Rektum- oder Konjunktivalabstrichen möglich, aber schwierig. Dabei ist die Verwendung von Spezialtupfern und Transportmedien Voraussetzung.24
Der Antigen-Nachweis durch ELISA oder durch die direkte Immunfluoreszenz hat eine niedrige Sensitivität und eine geringe Spezifität.24
Serologie
Ist nützlich, besonders wenn dabei ein Titeranstieg nachgewiesen wird, der bei einer normalenüblichen Chlamydien-Infektion nicht vorkommt.812 Dabei sind Tests auf der Basis der Mikro-Immunfluoreszenz anzuwenden.913
Antikörper werden nach Infektion mit C. trachomatis erst nach 6 bis –8 Wochen messbar, sind also bei einer akuten Infektion nicht unbedingt zu erwarten.24
Die Antikörper können monate- oder sogar jahrelang persistieren.24
Proktoskopie
Kann multiple Ulzerationen in der Schleimhaut zeigen.
Zu erwägenEmpfehlenswert ist ein serologisches Screening auf andere sexuell übertragbare Krankheiten wie HIV, Syphilis und Hepatitis-C.
Eine Biopsie ist zuweilen für eine differenzialdiagnostische Untersuchung geeignet, ergibt jedoch bei einem venerischen Lymphogranulom nur unspezifische Befunde.
Die Überweisung an eineneine SpezialistenPraxis für Venerologie, Chirurgie oder Proktologie kann indiziert sein. zur Diagnosesicherung, bei massiv ausgeprägten Symptomen wie einer Proktokolitis, chirurgischem Interventionsbedarf (Narbe, Strikturen, Fisteln) oder therapierefraktärem Verlauf
Therapie
TherapiezielTherapieziele
SanierungInfektion der Infektionsanieren.
Ausbreitung der Infektion verhindern.
Medikamentöse Therapie
Zum Einsatz kommen Tetrazykline (Doxycyclin), und Makrolide (Erythromycin und insbesondere neuere Substanzen, wie Clarithromycin oder Azithromycin) sowie Chinolone (z.B. Levofloxacin).24
Dosierempfehlung Doxycyclin: 2 x 100 mg über 3 Wochen14
Als Alternative (z. B. in der Schwangerschaft) Erythromycin 4 x 500 mg oral oder Azithromycin 1 g wöchentlich über 3 Wochen6
Präventive Maßnahmen
Eine Untersuchung und Mitbehandlung von allen SexualpartnernSexualpartner*innen der letzten 60 Tage sollte veranlasst werden, um Reinfektionen zu verhindern.24,14
allgemeineAllgemeine Grundsätze der Verhütung sexuell übertragbarer Infektionen (Information, Aufklärung, Expositionsprophylaxe)
Chlamydien-Screening bei Frauen bis 25 Jahre
Seit dem 1.1.2008 wird in Deutschland sexuell aktiven Frauen unter 25 Jahren ein Chlamydien-Screening angeboten und unter bestimmten Voraussetzungen von den Krankenkassen erstattet (Urinprobe + NAT)2
Screening von schwangeren Frauen und Frauen vor Schwangerschaftsabbruch
bei Schwangeren seit dem Jahr 1995 Bestandteil der Mutterschaftsvorsorge2
Sexuelle Kontakte dürfen erst nach Abschluss der Behandlung und nach dem völligen Abheilen der Läsionen erfolgen.24
Im § 19 des Infektionsschutzgesetzes ist festgelegt, dass das Gesundheitsamt im Rahmen des Schutzes vor sexuell übertragbaren Infektionen Beratung und Untersuchung anbietet oder diese in Zusammenarbeit mit anderen medizinischen Einrichtungen sicherstellt.24
Meldepflicht
In Deutschland besteht keine krankheits- oder erregerspezifische Meldepflicht gemäß IfSG.24
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Komplikationen
Unbehandelt kann die Erkrankung zu Fistelbildung, Abszessen und chronischer Lymphabflussstörung führen.6
Möglich ist eine hämatogene Ausbreitung mit Fieber, Arthritis, Hepatitis und Meningoenzephalitis.
reaktive Arthritis
Unbehandelt können Chlamydien bei Frauen eine Unterleibsentzündung (engl. pelvic inflammatory disease, PID) verursachen, die zu chronischen Schmerzen, Perihepatitis, ektopischen Schwangerschaften und einer Verklebung der Eileiter führt und des Weiteren eine Ursache für weibliche Infertilität sein kann.
Bei Männern kann eine Chlamydien-Infektion zu Entzündungen des Nebenhodens (Epididymitis) und evtl. auch zur Unfruchtbarkeit führen.2
Prognose
Bei einer frühzeitigen Diagnosestellung und einer sofortigen Behandlung ist die Prognose als ausgezeichnet zu betrachten.
Komplikationen verschlechtern die Prognose. Erhöhtes Risiko einer Infizierung mit HIV oder Hepatitis C über die verletzte Schleimhaut.
PatienteninformationPatienteninformationen
Worüber sollten Sie die PatientenPatient*innen informieren?
Deutsche STI-Gesellschaft e. V. (DSTIG) -– Ges. z. Förderung der Sexuellen Gesundheit. S2k-Leitlinie Infektionen mit Chlamydia Trachomatis. AWMF-Leitlinie Nr. 059-005., Stand 2016. www.awmf.org
Deutsche STI-Gesellschaft e. V. (DSTIG) -– Ges. z. Förderung der Sexuellen Gesundheit. S2k-Leitlinie Sexuell übertragbare Infektionen (STI/STD) – Beratung, Diagnostik, Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 059-006., Stand 20152018. www.awmf.org
Literatur
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AutorenAutor*innen
BirgitBonnie WengenmayerStahn, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, FreiburgHamburg
Definition:Eine sexuell übertragbare Erkrankung, verursacht durch das Bakterium Chlamydia trachomatis, Serotyp L1, L2 oder L3. Häufigkeit:Kommt endemisch in einigen Ländern in Afrika, Asien, Südamerika und in der Karibik vor. C. trachomatis gehört weltweit zu den häufigsten Erregern sexuell übertragbarer Infektionen.