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Gastrointestinale Stromatumoren (GIST)

Zusammenfassung

  • Definition:Seltene Tumoren mesenchymalen Ursprungs, die in der Submukosa des Verdauungstraktes entstehen.
  • Häufigkeit:Geschätzte Inzidenz in Deutschland: 1.500 Neuerkrankungen pro Jahr.
  • Symptome:Je nach Lokalisation und Größe des Tumors variierende Symptome.
  • Befunde:Ebenso je nach Lokalisation und Größe des Tumors unterschiedlich.
  • Diagnostik:Vor allem Endoskopie, Endosonografie, CT. Diagnosesicherung mittels Biopsie und Immunhistochemie.
  • Therapie:Chirurgische Entfernung, medikamentöse Behandlung mit Tyrosinkinaseinhibitoren.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Seltene mesenchymale Tumoren, die von der Submukosa des Gastrointestinaltrakts ausgehen.
  • Mutationen des KIT- oder PDGFRA-Gens führen zu einer Aktivierung von Rezeptor-Tyrosinkinasen und folglich zu erhöhter Zellproliferation.
  • Je nach Tumoreigenschaften reicht das Spektrum von Tumoren ohne maligne Eigenschaften bis zu fortgeschrittenen fernmetastasierten Verläufen. Grundsätzlich wird bei allen GIST eine potenzielle Malignität vermutet.1

Häufigkeit

  • Geschätzte Inzidenz in Deutschland: 1.500 Neuerkrankungen pro Jahr2
  • Weltweit wird die Inzidenz auf 10–15 pro 1 Mio. Einw. geschätzt.3
  • In der Regel treten GIST im Alter von 55–65 Jahren auf. Neuerkrankungen im Alter unter 40 Jahren sind selten.3
  • Lokalisation: am häufigsten im Magen (60 %) und Dünndarm (30 %), seltener im Dick- und Mastdarm, sehr selten in der Speiseröhre4

Ätiologie und Pathogenese

  • GIST stellen eine eigene Gruppe von Tumoren mit spezifischen histologischen, immunphänotypischen und molekulargenetischen Eigenschaften dar, die sie von leiomyomatösen Tumoren unterscheiden.
  • Makroskopie
    • typischerweise nodulärer Tumor in der Wand eines gastrointestinalen Hohlorgans
    • Der Tumor kann sehr groß werden (bis zu 10 cm und mehr).
  • Mikroskopie
    • hinsichtlich der Zellmorphologie Klassifizierung in Spindelzelltyp (70 %), Epitheloidzelltyp (20 %) oder gemischtzelliger Typ (10 %); heterogene Morphologie, Abgrenzung zu leiomyomatösen Tumoren erschwert5
  • Malignitätsgrad
    • Das Rezidiv- bzw. Progressionsrisiko hängt von Mitoserate, Tumorgröße und Lokalisation sowie Tumorruptur ab.6
    • Von diesen Parametern leitet sich auch die UICC Klassifikation ab.7

 

Immunhistochemie und Genotypisierung

  • Ist für die Diagnose von GIST von entscheidender Bedeutung.
  • Die Zellen eines GIST weisen in der Regel einen Epidermiswachstumsfaktor-Rezeptor mit Tyrosinkinaseaktivität auf (auch als c-Kit bezeichnet), der durch immunhistochemische Färbung auf CD117 nachweisbar ist.8
  • Alternativ können die Marker CD34 oder DOG1 positiv sein (Immunihistochemie).9
  • In der Mehrzahl der Fälle liegt eine Mutation des KIT oder PDGFRA Gens zugrunde.
  • Bei leiomyomatösen Tumoren ist die immunhistochemische Untersuchung auf c-Kit negativ und auf Aktin und/oder Desmin stark positiv; bei GIST werden Letztere dagegen negativ getestet.
  • Des Weiteren spielt die Mutationsanalyse des KIT und PDGFRA Gens eine Rolle zur Beurteilung der Sensibilität des Tumors auf Imatinib sowie zur Prognoseabschätzung.9

ICPC-2

  • D77 Bösartige Neubild. Verdauungstrakt
  • D78 Neubildung Verdauungsorgan NNB

ICD-10

  • C16 Bösartige Neubildung des Magens
  • C17 Bösartige Neubildung des Dünndarmes
  • C18 Bösartige Neubildung des Kolons

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Der Verdacht ergibt sich bei einem endoskopischen oder bildgebenden Befund eines submukösen, runden, scharf begrenzten Tumors des Gastrointestinaltraktes.
  • Die Diagnosestellung erfolgt mittels histologischer, immunhistochemischer und molekularbiologischer Untersuchung einer Gewebeprobe aus dem Tumor.
  • Die Diagnose GIST wird gestellt, wenn das histologische Bild für einen GIST spricht und
    • das KIT Protein (CD117), CD34 oder DOG1 positiv sind oder
    • bei negativen Markern die Mutationsanalyse des KIT oder PDGFRA-Gens positiv ist.9

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Je nach Lokalisation und Größe des Tumors unterschiedliche klinische Zeichen
  • Laut einer Studie zur Erfassung von Patient*innen mit GIST wurden folgende Symptome festgestellt:
    • Bauchschmerzen 36 %
    • Blutung 28 % 
    • palpabler Tumor 11%
    • akutes Abdomen 5 %
    • asymptomatisch 19 %.4
  • Je nach Lokalisation Hämatemesis (Magen, Dünndarm) oder Hämatochezie/Stuhlveränderungen (Dick- oder Mastdarm)
  • Immer häufiger asymptomatische Patient*innen/Zufallsbefunde
  • Selten: Obstruktion, Ileus, Perforation

Klinische Untersuchung

  • Je nach Lokalisation und Größe des Tumors unterschiedlich

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Keine bestimmten

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Ziel der Untersuchung: Lokalisierung vorliegender GIST, Beurteilung der lokalen Ausbreitung/Invasion und Feststellung evtl. Fernmetastasen
  • Methoden
    • Gastroskopie: submuköser Knoten, bei fortgeschrittenen Tumoren ggf. mit Ulzeration
    • Endosonografie: bestes Mittel zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung und im Falle sehr kleiner Tumoren Beobachtung5
    • Bildgebung: CT mit Kontrastmittel oder MRT
    • radiologische Charakteristik
      • Kleine GIST zeigen sich als kleine, scharf begrenzte, intramurale Verdichtungen, manchmal mit darüber liegender Ulzeration.
      • Größere, maligne GIST zeigen sich als komplexe Verdichtungen mit nekrotischen Zonen, da der Tumor schneller als seine Blutversorgung wächst.

Diagnostisches Vorgehen

  • Bei knotigen submukösen Tumoren kleiner 2 cm: Endosonografie
  • Bei v. a. GIST histologische Sicherung anbieten oder wegen geringem Progressionsrisiko Beobachtung.
    • dazu Kontrollen zunächst nach 3 Monaten, dann alle 6 Monate, bei Wachstum: Feinnadelpunktion/Exzision
  • Bei Tumoren größer 2 cm: Feinnadelpunktion und/oder Exzision10

Indikationen zur Krankenhauseinweisung

  • Bei Verdacht auf den beschriebenen Tumor
  • Seltene Erkrankung: Einweisung in eine Klinik mit entsprechender Expertise und interdisziplinärer Tumorbehandlung

Therapie

Therapieziele

  • Je nach Tumorstadium Genesung, Verlangsamung des Krankheitsverlaufs oder Palliation

Allgemeines zur Therapie

  • Resektable Tumoren können einer operativen Therapie zugeführt werden.
  • Verzögerung der Progression durch medikamentöse Behandlung mit Tyrosinkinaseinhibitoren
  • Malignitätsgrad
    • Häufig schwer zu bestimmen.
    • Für die Prognose sind vor allem die Größe und mitotische Aktivität sowie die Lokalisation des Tumors entscheidend.6
    • Da kein bestimmtes Wachstumsmuster prognostizierbar und das maligne Potenzial erheblich ist, lautet die internationale Empfehlung auf Resektion aller GIST.

Operative Therapie

  • Kurativer Therapieansatz
  • Ziel ist komplette Resektion des Tumors im Gesunden (R0).
  • Eine Resektion des zugehörigen Lymphabflussgebietes ist wegen der geringen Gefahr der lymphatischen Metastasierung nicht erforderlich.
  • Eine intraoperative Tumorruptur ist unbedingt zu vermeiden, da sie mit praktisch 100-prozentiger Rezidivrate einhergeht und so die Prognose erheblich verschlechtert.
  • Bei Tumoren kleiner als 5 cm kann eine laparoskopische Resektion erfolgen, bei Tumoren größer als 5 cm offen-chirurgisch, da erhöhte Rupturgefahr.9-11 

Medikamentöse Therapie

Tyrosinkinaseinhibitoren

  • Standardpräparat: Imatinib
  • Blockiert die Tyrosinkinase KIT (c-Kit).
  • Indiziert bei: 
    • neoadjuvanter Therapie zum Erreichen einer Resektabilität für 6–12 Monate
    • adjuvanter Therapie bei resezierten Tumoren mit hohem Rezidivrisiko
    • Rezidiv eines GIST
    • palliativer Therapie.
  • Die empfohlene Initialdosis beträgt je nach Mutationsstatus 400–800 mg pro Tag.
  • Voraussetzung: Imatinib-sensible Mutation
  • Ein Teil der Patient*innen entwickelt im Laufe der Therapie eine Resistenz gegen Imatinib.
  • Bei Resistenz gegen Imatinib: Sunitinib oder Regorafenib
  • In fortgeschrittener Situation: lebenslange Einnahme
  • Wichtig für die Betroffenen!
    • Notwendigkeit guter Compliance: bei Unterbrechung und niedrigen Plasmaspiegeln deutliche Verschlechterung der Prognose
    • Interaktion mit vielen Medikamenten und Nahrungsmitteln10
    • häufigste NW: Myelosuppression, Erhöhung der Leberenzyme, periphere Ödeme

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Prognose

  • Abhängig von Tumorgröße, Mitoseindex, Lokalisation, Molekulargenetik und stattgehabter Ruptur
  • 5 Jahre nach chirurgischer Therapie waren 59,9 % der Patient*innen ohne nachweisbaren Tumor
  • Nach 10 Jahren immer noch wenige Rezidive; insofern sollte die Nachsorge länger als 10 Jahre fortgeführt werden.12-13

Patienteninformationen

Illustrationen

GIST im Corpus ventriculi.jpg
GIST im Corpus ventriculi (mit freundlicher Genehmigung von endoskopiebilder.de, Immanuel Albertinen Diakonie gGmbH, Hamburg)
Sonongraphie: GIST im Dünndarm (Mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e.V., Hamburg)
Sonongrafie: GIST im Dünndarm (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e.V., Hamburg)

Quellen

Literatur

  1. Huang HY, Li CF, Huang WW, et al. A modification of NIH consensus criteria to better distinguish the highly lethal subset of primary localized gastrointestinal stromal tumors: a subdivision of the original high-risk group on the basis of outcome. Surgery 2007; 141: 748. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  2. Deutsche Krebsgesellschaft. GIST (Gastrointestinale Stromatumoren). Berlin. Zugriff 10.8.2021. www.krebsgesellschaft.de
  3. Søreide K, Sandvik OM, Søreide JA, Giljaca V, Jureckova A, Bulusu VR . Global epidemiology of gastrointestinal stromal tumours (GIST): A systematic review of population-based cohort studies.. Cancer Epidemiol 2016; 40: 39-46. pmid:26618334 www.sciencedirect.com
  4. Caterino S, LLorenzon L, Petrucciani N ,Iannicelli E, Pilozzi E, Romiti A, Cavallini M, Ziparo V. Gastrointestinal stromal tumors: correlation between symptoms at presentation, tumor location and prognostic factors in 47 consecutive patients. World J Surg Oncol. 2011; 9: 13. pmid: 21284869 PubMed
  5. Akahoshi K, Oya M, Koga T, Shiratsuchi Y. Current clinical management of gastrointestinal stromal tumor. World J Gastroenterol. 2018; 24(26): 2806-2817. pmid:30018476 PubMed
  6. Miettinen M, Lasota J. Gastrointestinal stromal tumors: pathology and prognosis at different sites. Semin Diagn Pathol . 2006; 23(2): 70-83. pmid:17193820 PubMed
  7. Wittekind C. TNM Klassifikation maligner Tumoren. Weinheim: Wiley-VCH, 2020. www.wiley-vch.de
  8. Becker H, Ghadimi BM. Allgemein- und Viszeralchirurgie II, spezielle operative Techniken. München: Elsevier GmbH, 2015.
  9. Nishida T, Blay JY, Hirota S, Kitagawa Y, Kang YK. The standard diagnosis, treatment, and follow-up of gastrointestinal stromal tumors based on guidelines. Gastric Cancer. 2016;19:3-14. PubMed
  10. Casali PG, Abecassis N, et al. Gastrointestinal Stromal Tumours: ESMO-EURACAN Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2018; 29 (Suppl 4): 68-78. www.esmo.org
  11. von Mehren M et al. NCCN Guidelines Insights: Soft Tissue Sarcoma, Version 1.2021. J Natl Compr Canc Netw . 2020; 12(18): 1604-1612. pmid:33285515 PubMed
  12. Joensuu H. Risk stratification of patients diagnosed with gastrointestinal stromal tumor. Hum Pathol 2008; 39(10): 1411-9. pmid:18774375 PubMed
  13. Joensuu H, Martin-Broto J, Nishida T, Reichardt P, Schöffski P, Maki RG.. Follow-up strategies for patients with gastrointestinal stromal tumour treated with or without adjuvant imatinib after surgery. . Eur J Cancer. 2015; 51: 1611–1617. pmid:26022432 PubMed

Autor*innen

  • Franziska Jorda, Dr. med., Viszeralchirurgin, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
C16; C17; C18
GIST; d77 annan malign tumör i matsmältningsorgan
D77; D78
Bindegewebstumore des Verdauungstrakts; Bindegewebstumor; Subepitheliale mesenchymale Tumore; Nodulärer Magentumor; Nodulärer Dünndarmtumor; Hämatemesis; Imatinib
Gastrointestinale Stromatumoren (GIST)
BBB 11.08.2021 umfassend revidiert, aktuelle LL, großteils umgeschrieben. chck go 21.2.
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Definition:Seltene Tumoren mesenchymalen Ursprungs, die in der Submukosa des Verdauungstraktes entstehen. Häufigkeit:Geschätzte Inzidenz in Deutschland: 1.500 Neuerkrankungen pro Jahr.
Magen-Darm-Trakt
Gastrointestinale Stromatumoren (GIST)
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