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Hautabszess

Zusammenfassung

  • Definition:Mit Eiter gefüllter Hohlraum in der Haut mit angrenzender Hyperämie.
  • Häufigkeit:Recht häufig.
  • Symptome:Der betroffene Bereich ist rot, empfindlich und schmerzt.
  • Befunde:Klinisch fallen eine Schwellung, Rötung, Überwärmung und Schmerzen auf.
  • Diagnostik:In der Regel  ist keine spezielle Untersuchung erforderlich, ggf. bakteriologische Diagnostik bei V. a. multiresistente Erreger.
  • Therapie:Inzision und Drainage. Antibiotika in Risikokonstellationen.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Ein Hautabszess ist ein mit Eiter gefüllter Hohlraum in der Dermis oder Subkutis.
    • Die Abszesswand ist vermehrt durchblutet, während die Abszesshöhle nicht durchblutet ist.

Häufigkeit

  • Häufig.
  • In der Hausarztpraxis anzutreffen:
    • Hautabszesse
    • Brustabszesse
    • infizierte Sakralzysten/Sinus pilonidalis
    • Perianalabszesse. Diagnostik und Therapie des Perianalabszesses s. Link.
  • Besondere Bedeutung haben Infektionen mit multiresistenten Erregern. Eine Hauptursache ist der unkritische Einsatz von Antibiotika.

Ätiologie und Pathogenese

  • Gehäuftes Auftreten nach kleinen Verletzungen, Fremdkörpereintritten, durch Spritzen oder nach Operationen, aber auch ohne offenkundige Ursache.
  • Nicht selten nach intramuskulären Injektionen1
    • Die intramuskuläre Gabe von Depot-Glukokortikoiden sollte vermieden werden.
  • Häufigster Erreger: Staphylococcus aureus.2 
  • Der Anteil dervon MRSA (Methicillin resistantResistant Staphylokokkus aureusAureus) unter den S.-aureus-Infektionen aureus Infektionenist in Deutschland seit Jahren rückläufig.3
  • In der ambulanten Versorgung kommen in Hautabszessen a. e. CA-MRSA (Community-assoziierte MRSA) vor, in Deutschland jedoch seltener als in anderen Ländern (v. a. USA).3
  • Unbehandelt können Abszesse die Hautoberfläche oder in Hohlräume, die der Drainage dienen, durchbrechen.

Prädisponierende Faktoren

  • Infektionen
  • Fremdkörper
  • Unsachgemäße i. m. Injektionen 
  • Immunsupression, z. B. Diabetes mellitus, HIV.

 DifferentialdiagnosenDifferenzialdiagnosen

ICPC-2

  • S10 Furunkel/Karbunkel/Abszess

ICD-10

  • K61 Abszess in der Anal- und Rektalregion
    • K61.0 Analabszess
    • K61.1 Rektalabszess
    • K61.2 Anorektalabszess
    • K61.3 Ischiorektalabszess
    • K61.4 Intrasphinktärer Abszess
  • L02 Hautabszess, Furunkel und Karbunkel
    • L02.0 Hautabszess, Furunkel und Karbunkel im Gesicht
    • L02.1 Hautabszess, Furunkel und Karbunkel am Hals
    • L02.2 Hautabszess, Furunkel und Karbunkel am Rumpf
    • L02.3 Hautabszess, Furunkel und Karbunkel am Gesäß
    • L02.4 Hautabszess, Furunkel und Karbunkel an Extremitäten
    • L02.8 Hautabszess, Furunkel und Karbunkel an sonstigen Lokalisationen
    • L02.9 Hautabszess, Furunkel und Karbunkel, nicht näher bezeichnet
  • L04 Akute Lymphadenitis
  • N61 Entzündliche Krankheiten der Mamma (Brustdrüse)
  • N75 Krankheiten der Bartholin-Drüsen
    • N75.1 Bartholin-Abszess
  • T81 Komplikationen bei Eingriffen, anderenorts nicht klassifiziert
    • T81.4 Infektion nach einem Eingriff, anderenorts nicht klassifiziert

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Klinische Befunde wie Rötung, Überwärmung, Schmerzen, fluktuierende Schwellung und beeinträchtigte Funktion (Rubor, Calor, Dolor, Tumor, Functio laesa).
  • Eiter ist meist nicht oberflächlich sichtbar.
  • Bei schwieriger Abgrenzung zur Phlegmone kann der Flüssigkeitsverhalt per Ultraschall nachgewiesen werden.4

Anamnese

  • Schmerzen und Funktionseinschränkung.
  • Recht kurze Anamnese (wenige Tage).

Klinische Untersuchung

  • Fluktuierende Schwellung, Rötung, Druckschmerz, manchmal Überwärmung
  • ggfGgf. begleitende Lymphadenitis oder phlegmonöse Umgebungsreaktion.

Indikationen zur Überweisung/EinweisungKlinikeinweisung

  • Bei fehlender chirurgischer Ausbildung zur Ausräumung und Drainage Überweisung an chirurgische Praxis.
  • Bei Notwendigkeit einer Analgosedierung oder Allgemeinnarkose Einweisung in die Chirurgie:
    • Grgrößere Abszesse
    • Kinder.
  • Lokalisation:
    • Gesicht, Nähe zu wichtigen Strukturen (Nerven, Blutgefäße): Chirurgie.
  • Abszess der Mamma: Überweisung an Gynäkolog*in.
  • Perianalabszesse: Einweisung in die Chirurgie/Proktologie.
  • Spritzenabszesse bei i. v. Drogenabusus: Verbindung des Abszesses zur Vene möglich, Einweisung in die Chirurgie.
  • Multiple Abszesse: Chirurgie, ggf. Dermatologie bei v. a.  Acne inversa.Inversa

Therapie

TherapiezielTherapieziele

  • Drainage des Abszesses
  • Sanierung der Infektion.

Allgemeines zur Therapie

  • Inzision und Drainage eines oberflächlichen Hautabszesses ist die Therapie der Wahl.2
  • Weiterbehandlung mittels Spülung und Verbandswechsel.
  • Antibiose begleitend in bestimmten Fällen.

Empfehlungen für PatientenPatient*innen

  • Einige PatientenPatient*innen versorgen die Wunde selbst, wobei z. B. 1 x pro Woche eine ärztliche Kontrolle erfolgen sollte.

Medikamentöse Therapie

  • Da die Abszesshöhle nicht durchblutet ist, sind systemische Antibiotika in der Regel nicht indiziert.2
  • Antibiotika in Sondersituationen2
    • Immunkompromittierteimmunkompromittierte PatientenPatient*innen (inkl. Diabetes mellitus)
    • Fieber, systemische Symptome
    • lokale Ausbreitung (Lymphangitis, phlegmonöse Umgebung)
  • Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2019 kommt zu dem Schluss, dass die Verwendung systemischer Antibiotika nach Inzision oder Drainage das klinische Resultat verbesserte und zu weniger Rezidiven führte.5
    • Dem leichten Vorteil der begleitenden Antibiose steht das Risiko von Nebenwirkungen und Resistenzbildung gegenüber, weshalb die Indikation zur begleitenden Antibiose kritisch gestellt werden sollte.6-8
  • Als Antibiotika werden Trimethoprim/Sulfamethoxazol oder Clindamycin empfohlen, wobei Clindamycin ein höheres Risiko schwerer DiarrhoenDiarrhöen aufweist.8
    • Clindamycin 600-1800–1.800 mg/Tagd, auf 3-4 Einzeldosen verteilt lt. Fachinfo.
    • Trimethoprim/Sulfamethoxazol 960 mg 2x2 x tgl. lt. Fachinfo.
  • Bei wiederkehrenden oder persistierenden Abszessen oder bestimmten RisikopatientenRisikopatient*innen, z. B. nach längerem Krankenhausaufenthalt, sind möglicherweise Erreger vom Typ Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA) beteiligt, dann antibiogrammgerechte Antibiose.
  • Eine Metaanalyse zeigte, dass Trimethoprim-Sulfamethoxazol bei MRSA ebenso effektiv ist wie Clindamycin (IA).9-10

Operative Therapie

Inzision und Drainage, ggf. in chirurgischer Praxis

  • Einspritzen eines Lokalanästhetikums, z. B. Xylocain 1 %, 5-10 ml, 10 min einwirken lassen.
    • Auaußerhalb des entzündeten Gewebes
      • daDa es im azidotischen Gewebe nicht wirkt und
      • da eine Streuung des Infektes vermieden werden soll.4
  • Eröffnung des Abszesses
    • mittels Stichskalpell entlang der Hautspaltlinien.
    • aufAuf ausreichende Länge des Schnittes über die gesamte Abszessausdehnung achten, um ein zu frühes Verkleben der Wundränder zu verhindern.2
    • ggf. Entnahme bakteriologischer Proben.
    • Auskratzen der Abszesswand mit scharfem Löffel.
    • Spülung mit Kochsalzlösung oder antiseptischer Lösung, z. B. Polihexanid und ggf. PVP-Jod.11
      • sorgfSorgfältige Indikationsstellung, da antiseptische Lösungen die Gefahr der Zytotxizität bergen.11
      • Octenidin: relevante Gefahr von Gewebsreaktionen, nicht empfohlen.12
    • Ein Cochrane -Review von 2016 kommt zu dem SchlußSchluss, dass es bei sekundär heilenden chirurgischen Wunden derzeit keine überzeugende Evidenz für ein bestimmtes Antiseptikum oder Antibiotikum gibt.13
    • lockeres Einbringen einer Drainage, z. B. einer getränkten Kompresse, eines Mullstreifens oder einer Silikondrainage.

Offenhalten des Abszesses

  • Tägliche oder zweitägige Spülung, bis die Wunde sauber granulierend ist.
    • Spüllösungen sollen steril sein, daher wird der Einsatz von Leitungswasser (z. B. ausduschenAusduschen) vom RKI und der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) nicht empfohlen.14
  • Die Wunde wird mit einem trockenen Verband bedeckt.
  • In einer Studie zum Vergleich des primären und sekundären Wundverschlusses nach Inzision und Drainage zeigte sich kein Unterschied zwischen den beiden Verfahren im Hinblick auf ein Therapieversagen (lb).15

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Komplikationen

  • Systemische Infektion.
  • Abszesse im Gesicht mit Nähe zum inneren Augenwinkel: Gefahr der septischen Phlebitis mit intrakranieller Ausdehnung.
  • Besiedlung und/oder Infektion mit multiresistenten Erregern.

Illustrationen

Hautabszess
Hautabszess
Abszess am Auge
Abszess am Auge

Quellen

Literatur

  1. Holland Ch, Jaeger L, Smentkowski U, Weber B, Otto Ch: Septic and aseptic complications of corticosteroid injections: an assessment of 278 cases reviewed by expert commissions and mediation boards from 2005 to 2009.Dtsch Arztebl Int 2012; 109(24): 425–30. DOI: 10.3238/arztebl.2012.0425 DOI
  2. Röhrborn A, Gross-Wege W: Chirurgische Infektionen, Prophylaxe und Therapie. In Becker H, Markus PM (Hrsg.): Allgemein- und Viszeralchirurgie I, Allgemeinchirurgie, Common Trunk. München, Elsevier Urban & Fischer, 2015, S. 93
  3. Layer F, Strommenger B, Cuny C, Werner G: Eigenschaften, Häufigkeit und Verbreitung von MRSA in Deutschland – Zur Situation 2019/2020 Epid Bull 2021;40:3 -12. www.rki.de
  4. Eichenberger S. Treatment of Skin Abscesses in the Emergency Department. Ther Umsch. 2020 Jun;77(5):207-212. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Gottlieb M, DeMott JM, Hallock M, Peksa GD. Systemic Antibiotics for the Treatment of Skin and Soft Tissue Abscesses: A Systematic Review and Meta-Analysis. Ann Emerg Med. 2019;73(1):8-16. doi:10.1016/j.annemergmed.2018.02.011 www.annemergmed.com
  6. Lake JG, Miller LG, Fritz SA. Antibiotic Duration, but Not Abscess Size, Impacts Clinical Cure of Limited Skin and Soft Tissue Infection After Incision and Drainage.Clin Infect Dis. 2020 Jul 27;71(3):661-663. www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Daum RS Miller LG Immergluck L, et al. . A placebo-controlled trial of antibiotics for smaller skin abscesses. N Engl J Med 2017; 376:2545–55. www.ncbi.nlm.nih.gov
  8. Vermandere M, Aertgeerts B, Agoritsas T, Liu C, Burgers J, Merglen A, Okwen PM, Lytvyn L, Chua S, Vandvik PO, Guyatt GH, Beltran-Arroyave C, Lavergne V, Speeckaert R, Steen FE, Arteaga V, Sender R, McLeod S, Sun X, Wang W, Siemieniuk RAC. Antibiotics after incision and drainage for uncomplicated skin abscesses: a clinical practice guideline. BMJ 2018 Feb 6;360:k243. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  9. Miller LG, Daum RS, Creech CB, et al. Clindamycin versus trimethoprim-sulfamethoxazole for uncomplicated skin infections. N Engl J Med. 2015 Mar 19;372(12):1093-103. PubMed
  10. Schmitz GR, Bruner D, Pitotti R, et al. Randomized controlled trial of trimethoprim-sulfamethoxazole for uncomplicated skin abscesses in patients at risk for community-associated methicillin-resistant Staphylococcus aureus infection. Ann Emerg Med 2010; 56: 283-7. PubMed
  11. Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie. Analabszess. AWMF-Leitlinie Nr. 088-005. S3. Stand 2016. www.awmf.org
  12. Schwere Gewebeschädigungen nach Spülung tiefer Wunden mit Octenisept®. Dtsch Arztebl 2017; 114(4): www.aerzteblatt.de
  13. Norman G, Dumville JC, Mohapatra DP, Owens GL, Crosbie EJ. Antibiotics and antiseptics for surgical wounds healing by secondary intention. Cochrane Database Syst Rev. 2016 Mar 29;3(3). pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  14. Robert-Koch-Institut (RKI). Wundreinigung/Trinkwasser. Können Wunden mittels Trinkwasser gereinigt werden? Stand: 29.06.2012. www.rki.de
  15. Singer AJ, Taira BR, Chale S, et al. Primary versus secondary closure of cutaneous abscesses in the emergency department: a randomized controlled trial. Acad Emerg Med 2013 Jan; 20(1): 27-32. pmid:23570475 PubMed

AutorenAutor*innen

  • Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Assistenzärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
  • ToreDie Sursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärnhultrztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, överläkare, Hudmottagningen, Kungsbacka https://legehandboka.no/).
K61; K610; K611; K612; K613; K614; L02; L020; L021; L022; L023; L024; L028; L029; L04; N61; N75; N751; T81; T814
l02.9 kutan abscess, furunkel och karbunkel, ospecificerad.
S10
Hautabszess; Furunkel; Karbunkel; Spüllösungen; Inzision
Hautabszess
U-MK 13.07.2020 DDD MK 27.02.2018, LL Analabszess eingebaut
BBB MK 03.11.2021 umfassend revidiert und umgeschrieben, Therapie aktualisiert. chck go 17.3., MK 11.05.17, LL in Text
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Definition:Mit Eiter gefüllter Hohlraum in der Haut mit angrenzender Hyperämie. Häufigkeit:Recht häufig. Symptome:Der betroffene Bereich ist rot, empfindlich und schmerzt.
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