Bis in die späten 1970er-Jahre konnte eine Revaskularisation bei stenosierender KHK oder nach akutem Myokardinfarkt nur mittels Bypass-Chirurgie erfolgen.1
Die Ära der perkutanen Koronarinterventionen begann mit der ersten Ballonangioplastie (Gefäßaufdehnung mittels Ballonkatheter) 1977.2
Ende der 1980er-Jahre Implantation der ersten Stents3
In den 1990er-Jahren konnte gezeigt werden, dass die Ergebnisse nach Implantation eines Stents hinsichtlich Gefäßverschluss und Restenose im Vergleich zu reiner Ballonangioplastie signifikant besser sind.4
Die Einführung von medikamentenbeschichteten Stents (DES = Drug Eluting Stents) 2002 führte zu einer weiteren Reduktion der Restenoserate im Vergleich zu den herkömmlichen Metallstents (BMS = Bare Metal Stent).5
Seither weitere Verbesserung von Stenttechnologie und Implantationstechnik mit höherer Effektivität und Sicherheit6
Ballonangioplastie und Stenting
Klassische Ballonangioplastie
Die klassische, reine Ballonangioplastie (POBA = Plain Old Balloon Angioplasty) führte zur Reduktion pektanginöser Beschwerden im Vergleich zur medikamentösen Behandlung.7
Allerdings war die Rate früher und später Komplikationen hoch.
akute Gefäßverschlüsse bis zu 6 % mit häufig Notwendigkeit zur notfallmäßigen Bypass-OP6,8
Restenose bei bis zu 40 % der Patient*innen in den ersten Monaten9-10
Eine Restenose wird vor allem durch lokale Proliferation von glatten Muskelzellen hervorgerufen.11
Stenting
Ziel der Entwicklung von Stents war die Vermeidung von Komplikationen nach reiner Ballonangioplastie.
Erste Stents waren selbstexpandierend, später wurden überwiegend ballonexpandierende Stents verwendet.
Der primär noch nicht entfaltete Stent wird dabei durch Expansion des Ballons in die Gefäßwand gepresst.
Bis 2002 wurden nur reine Metallstents (BMS = Bare Metal Stent) verwendet.
zunächst Stahl als Stentmaterial, später Metalllegierungen wie Kobalt-Chrom und Platin-Chrom
Effektive Verhinderung eines durch Gefäßdissektion nach reiner Ballonangioplastie verursachten akuten Gefäßverschlusses durch BMS3
Reduzierung der Restenoserate durch Stenting, die aber bei BMS immer noch 20–30 % betrug.12
Erste Erfolge zur weiteren Verminderung der Restenoserate konnten durch verbesserte Stentplattformen mit dünneren Metallstreben und neuen Metalllegierungen erzielt werden.14
Zeitweise Behandlung von In-Stent-Stenosen mit Brachytherapie15, spielt heute keine wesentliche Rolle mehr.
Die Entwicklung von medikamentenfreisetzenden Stents (DES = Drug Eluting Stents) ist ein entscheidender Fortschritt bei der Verminderung der Restenoserate.16
Aufbau von DES aus 3 Hauptkomponenten:
Stentgerüst aus Metall
Polymerbeschichtung der Stentstreben als Träger für das freizusetzende Medikament
Medikament mit antiproliferativen Eigenschaften, das nach Implantation im Verlauf der ersten Wochen in die Gefäßwand abgegeben wird.
Rückgang der Restenoserate mit DES auf ca. 5–10 %17-18
Risikofaktoren für das Auftreten einer Restenose sind u. a:18
dadurch seltener Notwendigkeit zur erneuten Revaskularisation19
Im Vergleich zu den DES der 1. Generation gibt es weitere Verbesserungen hinsichtlich Effektivität und Sicherheit bei DES der 2. und 3. Generation.6,20
Stentimplantation ist der Ballonangioplastie sowohl kurz- als auch langfristig überlegen.26-27
Geringeres Risiko für Restenose und Stentthrombose bei DES der neueren Generation im Vergleich zu DES der 1. Generation oder BMS20
Verwendung von DES bei Patient*innen mit STEMI vermindert die Häufigkeit von kardiovaskulären Ereignissen und Reinterventionen im Vergleich zu BMS.28-30
Möglicherweise sind DES im Langzeitverlauf auch günstiger hinsichtlich Mortalität.31
DES der neueren Generation werden gegenüber BMS sowohl bei Patient*innen mit NSTEMI32 als auch mit STEMI33 empfohlen.
Stentimplantation bei chronischem Koronarsyndrom
Bei chronischem Koronarsyndrom ist die Entscheidungsfindung schwieriger als bei ACS, da der Nutzen der PCI vorwiegend symptomatisch ist (weniger AP, bessere Belastbarkeit).
In der überwiegenden Zahl der Studien konnte kein prognostischer Vorteil der Stentimplantation im Vergleich zur medikamentösen Therapie gezeigt werden.34-37
Die Ergebnisse im Vergleich zur Bypass-OP sind vor allem davon abhängig,38-40
ob eine Mehrgefäßerkrankung vorliegt.
wie komplex die Läsionen sind (erfasst z. B. mit dem Syntax Score).
Bei komplexen Mehrgefäßerkrankungen (insbesondere bei Menschen, die an Diabetes leiden) sind die Ergebnisse der Bypass-OP etwas günstiger als die der Stentimplantation.
Abzuwägen ist bei der Entscheidung:
Die Stentimplantation ist mit einem höheren Risiko für Reinfarkte verbunden.
Eine Bypass-OP ist mit einem höheren Schlaganfall-Risiko verbunden.
Bei Patient*innen mit vermuteter oder nachgewiesener KHK sollten daher nicht automatisch bestimmte Behandlungskonsequenzen gezogen werden.41
Für jede Patientin/jeden Patienten sind individuell abzuwägen:41
Aufwand
Ausmaß des Eingriffs
Risiko von Nebenwirkungen
von den Patient*innen erfahrbarer Nutzen.
Die Patient*innen sollen zur Formulierung individueller Therapieziele angeregt werden, und diese Therapieziele sollen dokumentiert werden.41
Art und Dauer der Gerinnungshemmung (erhöhtes Risiko bei vorzeitigem Absetzen der Plättchenhemmung)
Art des verwendeten Stents.
Unerwünschter Nebeneffekt der antiproliferativen Wirkung eines DES ist die verzögerte Endothelialisierung des Stents.46
Während BMS nach wenigen Wochen komplett endothelialisiert sind, erfolgt dies bei DES (v. a. der 1. Generation) auch nach 3–6 Monaten unvollständig mit subklinischem Nachweis von Thromben.47
Bei DES der 1. Generation bestand daher die Sorge einer auch klinisch erhöhten Rate an Stentthrombosen mit erhöhter Mortalität.48
Weitere Analysen ergaben kein erhöhtes Risiko für Tod oder Herzinfarkt bei DES.49-50
Bei Stents der neueren Generation (mit dünneren Stentstreben und biokompatiblen oder biodegradierbaren Polymeren) weiterer Rückgang des Risikos für Stentthrombosen20,51-52
Duale Plättchenhemmung nach Stentimplantation
Allgemeines
Nach Stentimplantation ist eine duale Plättchenhemmung (DAPT = Dual Antiplatelet Therapy) zur Vermeidung einer Stentthrombose erforderlich.41,53
Verfügbare Substanzen sind Clopidogrel, Ticagrelor oder Prasugrel.
Welcher ADP-Rezeptorblocker verwendet wird, hängt von der klinischen Situation (chronisches Koronarsyndrom, ACS) und weiteren Faktoren (Verträglichkeit, Blutungsrisiko) ab.
Neben der Suche nach den effektivsten/sichersten Medikamentenkombinationen hat sich die Forschung der letzten Jahre vor allem auch mit der Therapiedauer befasst.23
Sorge vor später und sehr später Stentthrombose führte zur Evaluation längerer Therapieregime.
Mit den DES der neueren Generation ist dieser Aspekt in den Hintergrund getreten.
Längere DAPT könnte zu einem besseren Schutz vor nicht-stentassoziierten Myokardinfarkten sowie Schlaganfällen beitragen.
Eine Alternative zu einer verlängerten DAPT ist die Kombination aus ASS und niedrigdosiertem Rivaroxaban 2 x 2,5 mg/d (nach Myokardinfarkt > 1 Jahr oder bei Mehrgefäßerkrankung)54-55
Andererseits nimmt das Blutungsrisiko parallel zur Länge der Therapiedauer zu.
Mit Stents der neueren Generation sind auch Therapieregime mit kürzerer DAPT möglich.
Die optimale Therapiedauer ist daher zurzeit ein Gegenstand steter Diskussion und Forschung, für die Zukunft ist mit weiteren Anpassungen der Leitlinien zu rechnen.
Im Folgenden wird primär auf die DEGAM-Leitlinien56 Bezug genommen, ggf. ergänzt um Angaben aus den Nationalen VersorgungsLeitlinien41 und den ESC-Guidelines.23
Die Dauer der DAPT ist unabhängig vom verwendeten Stent (BMS oder DES).
Im Einzelfall kann eine längere oder kürzere (6 Monate) DAPT-Dauer erwogen werden abhängig vom ischämischen bzw. Blutungsrisiko.23
Das gleiche Schema gilt auch bei konservativer Behandlung eines ACS oder reiner Ballonangioplastie.
Während die DEGAM zunächst von Prasugrel als Alternative zu Ticagrelor generell abriet (Blutungsrisiko), wird es aufgrund günstiger Ergebnisse einer neueren Studie inzwischen bei Ticagrelor-Unverträglichkeit empfohlen.56-57
OAK + DES (chronisches Koronarsyndrom): Triple 1–3 Monate (Limus-Stent) bzw. 6 Monate (Paclitaxel-Stent), dann Phenprocoumon + Clopidogrel bis Monat 12, dann nur Phenprocoumon
Bei erhöhtem Blutungsrisiko kann bei antikoagulierten Patient*innen mit stabiler KHK die Clopidogrel-Gabe auf 6, bei sehr hohem Blutungsrisiko auf 1–3 Monate verkürzt werden.
OAK + DES (ACS): Triple 6 Monate, dann Phenprocoumon + Clopidogrel bis Monat 12, dann nur Phenprocoumon
Bei deutlich erhöhtem Blutungsrisiko kann die Gabe von ASS auf 4 Wochen und die von Clopidogrel auf 6 Monate beschränkt werden.
Es soll bei Triple-Therapie nur Clopidogrel als ADP-Rezeptor-Blocker verwendet werden (höheres Blutungsrisiko mit Ticagrelor).
reduziertes INR-Ziel 2,0–2,5 für die Dauer der Triple-Therapie
Die Patient*innen sollen sorgfältig überwacht werden, z. B. durch monatliche Blutbildkontrollen.
In den neuen ESC-Guidelines wird eine weitere Verkürzung der Phase mit Triple-Therapie nach PCI empfohlen, dies gilt sowohl für Patient*innen mit chronischem Koronarsyndrom als auch nach ACS:32,58
Bei einer Mehrgefäßerkrankung oder Hauptstammstenose sollen die Patient*innen mit der Entscheidungshilfe Verengte Herzkranzgefäße: Stent oder Bypass? beraten werden. Diese Beratung soll dokumentiert werden (starke Empfehlung).
Bei einer konservativ nicht ausreichend behandelbaren Symptomatik (Angina pectoris oder Äquivalente) soll bei geeigneter Morphologie (nach invasiver Diagnostik) eine Revaskularisation angeboten werden (starke Empfehlung).
Art der Revaskularisation
Bei komplexen Koronarbefunden (Syntax Score) soll über den Therapievorschlag im Herzteam entschieden werden (starke Empfehlung).
1- oder 2-GE ohne proximale RIVA-Stenose: PCI bevorzugt
Unabhängig von Stentimplantation (ja/nein), unabhängig von Art des verwendeten Stents (DES/BMS)
ASS 100 mg/d dauerhaft
Ticagrelor 2 x 90 mg/d für 12 Monate
Wenn Ticagrelor nicht vertragen wird, sollten 12 Monate lang 10 mg, bei über 75 Jahre alten und/oder unter 60 kg wiegenden Patient*innen 5 mg Prasugrel angeboten werden.
Triple-Therapie (Phenprocoumon + ASS + Clopidogrel) nach Stentimplantation bei Patient*innen mit Indikation zur Antikoagulation
OAK + DES (stabile KHK): Triple 1–3 Monate (Limus-Stent) bzw. 6 Monate (Paclitaxel-Stent), dann Phenprocoumon + Clopidogrel bis Monat 12, dann nur Phenprocoumon
Bei erhöhtem Blutungsrisiko kann bei antikoagulierten Patient*innen mit stabiler KHK die Clopidogrel-Gabe auf 6, bei sehr hohem Blutungsrisiko auf 1–3 Monate verkürzt werden.
OAK + DES (akutes Koronarsyndrom): Triple 6 Monate, dann Phenprocoumon + Clopidogrel bis Monat 12, dann nur Phenprocoumon
Bei deutlich erhöhtem Blutungsrisiko kann die Gabe von ASS auf 4 Wochen und die von Clopidogrel auf 6 Monate beschränkt werden.
Wechsel zwischen Thrombozytenaggregationshemmern
Umstellung von Clopidogrel auf Ticagrelor
1–3 Tage Clopidogrel pausieren, dann Wechsel auf Ticagrelor.
Umstellung von Prasugrel auf Clopidogrel
Es kann ohne Therapiepause auf die übliche Erhaltungsdosis von Clopidogrel gewechselt werden.
Umstellung von Prasugrel auf Ticagrelor
Es kann ohne Therapiepause auf die übliche Erhaltungsdosis von Ticagrelor gewechselt werden.
Umstellung von Ticagrelor auf Clopidogrel
Loading-Dose von 300 mg Clopidogrel, dann übliche Erhaltungsdosis von 75 mg Clopidogrel/d
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Autor*innen
Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Bis in die späten 1970er-Jahre konnte eine Revaskularisation bei stenosierender KHK oder nach akutem Myokardinfarkt nur mittels Bypass-Chirurgie erfolgen.1