Definition: Toxische Dermatitis nach Kontakt mit den Nesselhaaren der Raupe des Eichenprozessionsspinners oder anderer Raupenarten.
Häufigkeit: In bestimmen Gebieten in Deutschland ist der Eichenprozessionsspinner endemisch, vor allem in der warmen Jahreszeit. Zum Vorkommen der Dermatitis gibt es keine genauen Daten.
Symptome: Stark juckender Hautausschlag. Evtl. Atembeschwerden, Halsschmerzen oder Bindehautreizungen. Auch allergische Reaktionen mit Urtikaria und Angioödem sind möglich.
Befunde: Stark juckende Erytheme, urtikarielle Papeln, teilweise mit Bläschen. Evtl. bronchiale Spastik, Konjunktivitis/Keratitis. Selten anaphylaktische Reaktion bis zum Schock.
Diagnostik: Anamnese und Befund oft nicht eindeutig. Nachweis von Eichenprozessionsspinnern in der Umgebung.
Therapie: Lokal Anästhetika und/oder Kortikosteroide, evtl. Antihistaminika oral; bei Atemsymptomen Betamimetika und Kortikosteroide inhalativ. Bei schwerem Augenbefall evtl. operative Entfernung der Brennhaare erforderlich.
Allgemeine Informationen
Definition
Kontakturtikaria und/oder toxisch-irritative Dermatitis nach Hautkontakt mit den Raupenhaaren des Eichenprozessionsspinners (EPS, Thaumetopoea processionae)1-2
Lepidopterismus (Schmetterlingsdermatitis durch erwachsene Schmetterlinge).
Weitere in Europa vorkommende Raupenarten mit Nesselhaaren:1
Goldafterrraupe
andere Prozessionsspinner-Raupen: Pinienprozessionsspinner (in Mittelmeerländern), Kieferprozessionsspinner (südliche europäische Länder, Naher Osten, Nordafrika, vereinzelt in Deutschland)5
Bärenspinner und Fleckenfalter.
Häufigkeit
Der Eichenprozessionsspinner ist eine in Deutschland heimische Nachtfalterart.3,5
Zunahme der Population des Eichenprozessionsspinners in den letzten Jahren in Europa als Ausdruck einer natürlichen Populationsdynamik2-3
in den wärmeren Gegenden im Nordosten und Südwesten Deutschlands, v. a. Brandenburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Franken
verbreitet auch in Österreich, der Schweiz, Nordfrankreich, Belgien, den Niederlanden und Großbritannien, Polen, Ungarn und in verschiedenen Balkanländern2,5
Auftreten in den warmen Monaten, v. a. von Mai bis August/Anfang September1,5
Genaue Zahlen sind für Deutschland nicht verfügbar, da Erkrankungsfälle bisher nicht systematisch erfasst werden und es keine Meldepflicht gibt.2
Auch eine nachträgliche Auswertung von Versichertendaten ist nicht möglich, da es keinen spezifischen ICD-10-Code gibt.
Daten aus Brandenburg aus den Jahren 2011 und 2012 ergaben, dass in diesem Zeitraum mehr als 5.700 Patienten wegen Eichenprozessionssspinner-assoziierten Symptomen eine Praxis aufsuchten, 1/4 der Patienten waren Kinder oder Jugendliche.2
98 % dieser Patienten klagten über Juckreiz, 15–20 % über Konjunktivitis und 10–12 % über Entzündungen der oberen Atemwege.
1/3 der Patienten benötigten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und 0,2–0,7 % eine stationäre Behandlung.
Da oft kein Zusammenhang zwischen Beschwerden und Raupenkontakt hergestellt wird, kann eine große Dunkelziffer vorliegen.2
Ätiologie und Pathogenese
Kontakt mit den Nesselhaaren der Raupen (direkt, aber auch areogen) und dem darin enthaltenen Protein Thaumetopoein und weiteren Kininen.1,5
Thaumetopoein ist ein Histaminliberator und wirkt selbst histaminartig.
Thaumetopoein und weitere Kininen verursachen eine mechanische und pseudoallergische Hautreizung und eine toxisch-irritative Dermatitis.2,5
Die Raupen des Eichenprozessionsspinners tragen ab dem 3. Larvenstadium auf dem Rücken feine Härchen mit Widerhaken (Brennhaare, Setae, 0,2 mm), die bereits bei leichter Berührung abfallen und mit dem Wind über weite Strecken transportiert werden können.2-3
Besondere Gefährdung durch ältere Raupen, die bis zu 0,5 Mio. Brennhaare tragen können.
Thaumetopoea processionea
Brennhaare können auf die Wäsche gelangen, die im Freien getrocknet wird, aber auch auf Zelte und über aufgewirbelten Staub auf Waldwegen verbreitet werden.4
Brennhaare können noch nach Jahren Reaktionen auslösen.2
Auch Allergien vom Soforttyp (Typ-1-Reaktion) sind möglich.2
Disponierende Faktoren
Früherer Kontakt mit Brennhaaren führt zu stärkerer Reaktion bei erneutem Kontakt.4
Bei starkem Juckreiz: Lotio alba, ggf. mit Zusatz von Polidocanol 2–5 %
alternativ kühlende Menthollösung
ggf. orale Antihistaminika
Bei starker Entzündungsreaktion: Glukokortikoide lokal, z. B. Triamcinolon-Creme 0,1 % oder Mometason-Creme 0,1 %
Bei respiratorischen Symptomen/Dyspnoe: ggf. Betasympathomimetika und/oder Kortikosteroide inhalativ, siehe auch Asthma.
Bei schweren Verläufen systemische Kortikosteroide
Weitere Behandlungsformen
Bei tiefem Eindringen von Brennhaaren in die vorderen Augenabschnitte ist eine operative Entfernung erforderlich.4
Prävention
Bei schwachem Befall und/oder wenn Gebiete von Menschen kaum genutzt werden, sollen keine Insektizide zur Bekämpfung eingesetzt werden.3
vorübergehende Absperrung von Waldgebieten, Aufstellen von Warnschildern
Eine Bekämpfung ist notwendig, wenn befallene Bäume in der Nähe von Kindergärten, Schulen oder Erholungsgebieten stehen.2
Bekämpfung mithilfe von mechanischem Absaugen durch professionelle Schädlingsbekämpfer2-3
Biologische (Bacillus thuringiensis subsp. kurstaki) oder chemische Bekämpfungsmaßnahmen (z. B. Mangosa-Extrakt/Azadirachthin) sollen nur in Erwägung gezogen werden, wenn o. g. Maßnahmen nicht ausreichend oder nicht durchführbar sind.3
Um Risiko für Mensch und Umwelt gering zu halten, ist der Einsatz eines Bakterienpräparats (Bacillus thuringiensis subsp. kurstaki) vorzuziehen.3,6
12 Stunden nach Ausbringung ist das Betreten der Waldwege verboten.
3 Wochen lang dürfen keine Beeren oder Pilze in den betroffenen Gebieten gesammelt werden.
Das Laub befallener Bäume muss gesondert entsorgt werden.
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Unter externer Therapie Abheilung der Effloreszenzen meist innerhalb 1 Woche1
Symptome können aber auch 1 Monat oder länger andauern.2
Rahlenbeck S, Utikal J. Medizinreport: Eichenprozessionsspinner-Allergie: Raupen mit reizenden Brennhaaren. Dtsch Arztebl 2017; 114: A-896. www.aerzteblatt.de
Umweltbundesamt: FAQ Eichenprozessionsspinner. Hintergrund Mai 2019. www.umweltbundesamt.de
Niederländische Behörde für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: Leitfaden zur Eindämmung des Eichenprozessionsspinners (Eine Übersetzung aus dem Niederländischen). Aktualisierung 2013. www.umweltbundesamt.de
Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit: Eichenprozessionsspinner. Letzter Zugriff am 18.07.2019. www.lgl.bayern.de
Kampf gegen Eichenprozessionsspinner geht weiter. aerzteblatt.de. 28. April 2017. www.aerzteblatt.de
Autoren
Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
Definition: Toxische Dermatitis nach Kontakt mit den Nesselhaaren der Raupe des Eichenprozessionsspinners oder anderer Raupenarten. Häufigkeit: In bestimmen Gebieten in Deutschland ist der Eichenprozessionsspinner endemisch, vor allem in der warmen Jahreszeit. Zum Vorkommen der Dermatitis gibt es keine genauen Daten.
Haut
Eichenprozessionsspinner-Dermatitis
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