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Influenza A/H1N1 (Schweinegrippe)

Zusammenfassung

  • Definition:Pandemische Influenza im Jahr 2009/2010, die von Schweinen auf die Menschen übersprang.
  • Häufigkeit:In Deutschland über 200.000 Fälle.
  • Symptome:Grippeähnliche Symptome, häufig milder Verlauf.
  • Befunde:Fieber, Muskelschmerzen und reduzierter Allgemeinzustand, bei schweren Verläufen auch Pneumonie oder Sepsis möglich.
  • Diagnostik:Nachweis des Virus mittels PCR.
  • Therapie:Symptomatisch, bei schweren Verläufen oder Risikopatient*innen antivirale Therapie innerhalb von 48 h mittels Oseltamivir.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Pandemische Influenza im Jahr 2009/20101
  • Am 28.03.2009 erstes Auftreten eines unbekannten Influenzatyps bei einem 9-jährigen Kind in Kalifornien2
  • Erreger war eine Reassortante aus 4 verschiedenen Viren vom Typ Influenza A (nordamerikanische Schweineinfluenza, eurasische Schweineinfluenza, aviäre Influenza, humane Influenza).3
  • Das Krankheitsbild ähnelte dem der gewöhnlichen Grippe.2
  • Die Pandemie wurde am 10.08.2010 von der WHO für beendet erklärt.4

Häufigkeit

  • Vom 29.04.2009 bis 31.03.2010 über 200.000 Fälle in Deutschland5
    • dabei 252 Todesfälle5
  • Weltweit gab es bis August 2010 18.500 bestätigte Todesfälle.6
    • Die Dunkelziffer wird auf 284.500 Todesfälle geschätzt.6

Ätiologie und Pathogenese

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
    • Virusentstehung wahrscheinlich durch Reassortment
      • Influenzaviren verschiedener Subtypen infizieren gleichzeitig eine Zelle.
      • Die daraus hervorgehenden Viren können Bestandteile beider Ursprungsviren enthalten.
    • Schweine als Reservoir, in denen das Reassortment stattfand.
      • von dort Überspringen auf den Menschen
    • Der Ursprung war wahrscheinlich ein Schweinemarkt in Zentralmexiko.7

    Infektionsweg8

    • Vor allem durch direkten Kontakt zu Schweinen
    • Mensch-zu-Mensch-Übertragung erfolgt vorwiegend durch Tröpfcheninfektion.

    Risikofaktoren für schweren Verlauf9

    • Alter 55–64 Jahre
    • Chronische Lungenerkrankung
    • Neurologische Vorerkrankung
    • Adipositas
    • Verzögerte Aufnahme ins Krankenhaus (≥ 5 Tage nach Symptombeginn)
    • Pneumonie
    • CRP ≥ 100 mg/l
    • Sauerstoff- oder i. v. Flüssigkeitsbedarf bei Aufnahme ins Krankenhaus
    • Schwangere10

    ICD-10

    • J09 Grippe durch bestimmte nachgewiesene Influenza-Viren

    Diagnostik

    Diagnostische Kriterien

    • Referenzdefinition des RKI11
      • klinische Erkrankung
        • akute respiratorische Erkrankung mit Fieber über 38 °C
      • mit labordiagnostischem Nachweis
    • Mindestens 1 positiver Befund in einer der 3 folgenden Methoden:8
      • Nukleinsäurenachweis (z. B. spezifische PCR)
      • Virusisolierung und spezifischer Nachweis von A/H1N1-Reassortante
      • 4-facher Titeranstieg A/H1N1-Reassortante-spezifischer Antikörper

    Anamnese

    Klinische Untersuchung

    • Untersuchung auf mögliche Risikofaktoren und schwere Verlaufsformen
    • Goldstandard hinsichtlich Spezifität und Sensitivität ist die PCR-Diagnostik.12
      • Rachenabstrich, Nasenabstrich oder ggf. bronchoalveoläre Lavage

    Meldepflicht

    • Keine Meldepflicht für Verdachts- oder Erkrankungsfälle, nur für Todesfälle13

    Indikationen zur Krankenhauseinweisung

    • Bei Hinweisen auf einen schweren Verlauf, z. B. Pneumonie

    Therapie

    Allgemeines zur Therapie

    • Bei den meisten Patient*innen ist eine supportive Therapie ausreichend.14
      • Bettruhe
      • erhöhte Flüssigkeitszufuhr
      • ggf. Analgesie und Antipyretika
      • häusliche Isolation für 7 Tage oder 24 h nach Verschwinden aller Symptome (längere Option wählen)
    • Bei schweren Verläufen oder Risikopatient*innen antivirale Therapie innerhalb von 48 h beginnen.15

    Leitlinie: Antivirale Therapie15

    • Bei schwerem Verlauf oder deutlicher klinischer Verschlechterung sollte die Therapie mit Oseltamivir so schnell wie möglich begonnen werden.
      • Betrifft alle Patientengruppe inkl. Schwangere und Stillende sowie Kinder.
      • Patient*innen > 12 Jahre: oral 75 mg 1–0–1 für 5 Tage
        • Bei Immunsuppression ggf. 150 mg 1–0–1 und längere Therapiedauer in Erwägung ziehen.
      • Säuglinge zwischen 14 Tagen und 1 Jahr: oral 3 mg/kg KG 2 x/d
      • Neugeborene < 14 Tage: oral 3 mg/kg KG 1 x/d
    • Eine Chemoprophylaxe mit Oseltamivir bei Risikopatient*innen mit Kontakt zu Erkrankten sollte in Erwägung gezogen werden.
    • Therapie der 2. Wahl ist Zanamivir, z. B. bei Unverträglichkeit oder fehlender Verfügbarkeit von Oseltamivir.
    • Auf den Einsatz von systemischen Steroiden sollte möglichst verzichtet werden.
    • Hospitalisierte Patient*innen mit Lungeninfiltrationen im Röntgen Thorax sollten frühzeitig und aggressiv mit Antibiotika und antiviraler Therapie behandelt werden.16
    • Gabe von Oseltamivir innerhalb von 48 h nach Symptombeginn17
      • geringeres Risiko einer Pneumonie
      • Verringerung der Dauer der Virusausscheidung
    • Eine prompte antivirale Therapie mit z. B. Oseltamivir wird ebenfalls bei Schwangeren empfohlen.10
      • Es wurde kein Zusammenhang zwischen Therapie und negativen Auswirkungen auf Mutter oder Kind festgestellt.18

    Prävention

    • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
      • Allgemeine Hygieneregeln
        • Vermeiden von Händegeben, Anhusten, Anniesen
        • Vermeiden von Berührungen der Augen, Nase oder Mund
        • Nutzung und sichere Entsorgung von Einmaltaschentüchern
        • Empfehlungen zu einer intensiven Raumbelüftung
        • Gründliches Händewaschen nach Personenkontakten, der Benutzung von Sanitäreinrichtungen und vor der Nahrungsaufnahme sowie bei Kontakt mit Gegenständen oder Materialien, die mit respiratorischen Sekreten von Erkrankten kontaminiert sein können (z. B. bei der Pflege von Angehörigen – Bett- oder Leibwäsche, Essgeschirr, patientennahe Flächen).
        • Getrennte Behandlung von an Influenza erkrankten Personen, insbesondere von Patient*innen, die zu einer der besonders gefährdeten Risikogruppen gehören (Schwangere, chronische Grundkrankheiten).
        • Empfehlung für fieberhaft Erkrankte, im eigenen Interesse zu Hause zu bleiben, um weitere Ansteckungen zu verhindern.
        • Vermeidung von direkten Kontakten zu möglicherweise erkrankten Personen

      Impfung

      • Im Oktober 2019 waren 4 verschiedene Impfstoffe verfügbar.19
      • Die quadrivalenten und trivalenten Impfstoffe in der Saison 2019/20 enthielten nach Empfehlung der WHO Antigene der H1N1-Influenzaviren:
        • A/Brisbane/02/2018 (H1N1) pdm09-ähnlicher Stamm.12
      • Nach 1 Impfung zeigte sich eine gute Antikörperreaktion, bei Kindern unter 9 Jahren waren 2 Impfungen notwendig.20

      Prognose und Verlauf

      • Die meisten Verläufe waren mild und grippeähnlich.14
      • In Deutschland vom 29.04.2009 bis 31.03.2010 Mortalität von 3,1 auf 1.000.000 Einwohner (absolut 252 Verstorbene)5
        • 3/4 der Verstorbenen < 60 Jahre5

      Quellen

      Leitlinie

      • WHO guidelines for pharmacological management of pandemic (H1N1) 2009 influenza and other influenza viruses. Stand 2010. www.who.int

      Literatur

      1. Robert-Koch-Institut. Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Influenzapandemie 2009. Stand 01/2017. Letzter Zugriff 07.06.2020. www.rki.de
      2. Novel Swine-Origin Influenza A (H1N1) Virus Investigation Team, Dawood FS, Jain S, et al. Emergence of a novel swine-origin influenza A (H1N1) virus in humans. N Engl J Med 2009; 360: 2605-15. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
      3. Robert-Koch-Institut. Epidemiologisches Bulletin 21/2010. S.191-204. www.rki.de
      4. WHO. Regionalbüro für Europa. Presseerklärung 10.08.2010. Letzter Zugriff 07.06.2020. www.euro.who.int
      5. Wilking H, Buda S, von der Lippe E, et al. Mortality of 2009 pandemic influenza A(H1N1) in Germany . Eurosurveillance 2010. www.eurosurveillance.org
      6. Dawood FS, Iuliano AD, Reed C, et al. Estimated Global Mortality Associated With the First 12 Months of 2009 Pandemic Influenza A H1N1 Virus Circulation: A Modelling Study. Lancet Infect Dis 2012; 12(9): 687-95. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
      7. Mena I, Nelson MI, Quezada-Monroy F, et al. Origins of the 2009 H1N1 influenza pandemic in swine in Mexico. eLife 2016; 5: e16777. www.ncbi.nlm.nih.gov
      8. Zylka-Menhorn V. Schweinegrippe: Neuer Erreger hat das Potenzial zu einer Pandemie. Dtsch Arztebl 2009. www.aerzteblatt.de
      9. Myles PR, Semple MG, Lim WS, et al. Predictors of clinical outcome in a national hospitalised cohort across both waves of the influenza A/H1N1 pandemic 2009-2010 in the UK. Thorax 2012; 67(8): 709-17. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
      10. Jamieson DJ, Honein MA, Rasmussen SA, et al. H1N1 2009 influenza virus infection during pregnancy in the USA. Lancet 2009; 374(9688): 451-8. www.thelancet.com
      11. Buda S, Schweiger B, Buchholz U, et al. Robert-Koch-Institut. Influenza-Wochenbericht, Kalenderwoche 46. influenza.rki.de
      12. Robert-Koch-Institut. RKI-Ratgeber. Influenza (Teil 1): Erkrankungen durch saisonale Influenzaviren. Letzter Zugriff 07.06.2020. www.rki.de
      13. Ärztezeitung. Meldepflicht bei Verdacht auf Schweinegrippe ist aufgehoben. 16.11.2009. Letzter Zugriff 07.06.2020. www.aerztezeitung.de
      14. Bronze MS. H1N1 Influenza (Swine Flu). Medscape, last updated May 18, 2020. emedicine.medscape.com
      15. WHO. WHO guidelines for pharmacological management of pandemic (H1N1) 2009 influenza and other influenza viruses. Stand 2010. www.who.int
      16. Jain S, Benoit SR, Skarbinski J, et al. Influenza-associated pneumonia among hospitalized patients with 2009 pandemic influenza A (H1N1) virus--United States, 2009. Clin Infect Dis 2012; 54(9): 1221-9. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
      17. Yu H, Liao Q, Yuan Y, et al. Effectiveness of oseltamivir on disease progression and viral RNA shedding in patients with mild pandemic 2009 influenza A H1N1: opportunistic retrospective study of medical charts in China. BMJ 2010; 341: c4779 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
      18. Greer LG, Sheffield JS, Rogers VL, et al. Maternal and neonatal outcomes after antepartum treatment of influenza with antiviral medications. Obstet Gynecol 2010; 115: 711-6. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
      19. Johansen K, Nicoll A, Ciancio BC, et al. Pandemic influenza A(H1N1) 2009 vaccines in the European Union. 14(41). 2009. www.eurosurveillance.org
      20. Plennevaux E, Sheldon E, Blatter M, et al. Immune respons after a single vaccination against 2009 influenza A H1N1 in USA: a preliminary report of two randomised controlled phase 2 trials. Lancet 2010; 375: 41-8 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov.

      Autor*innen

      • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt

      Frühere Autor*innen

      • Ingard Løge, spesialist i allmennmedisin, redaktør NEL
J09
H1N1; Neue Grippe; Schweinegrippe
Influenza A/H1N1 (Schweinegrippe)
BBB MK 16.06.2020, umfassend umgeschrieben und gekürzt, RKI und WHO berücksichtigt.
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Definition:Pandemische Influenza im Jahr 2009/2010, die von Schweinen auf die Menschen übersprang. Häufigkeit:In Deutschland über 200.000 Fälle. Symptome:Grippeähnliche Symptome, häufig milder Verlauf.
Infektionen
Influenza A/H1N1 (Schweinegrippe)
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