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Syndrom der verzögerten Schlafphase

Allgemeine Informationen

Definition

  • Oft abgekürzt als DSPS (Delayed Sleep Phase Syndrome) oder auch als DSWPD (Delayed Sleep-Wake Phase Disorder) bezeichnet das verzögerte Schlafphasensyndrom eine mangelnde Synchronisation des inneren Schlaf-wach-Rhythmus mit dem äußeren Hell-Dunkel-Zyklus.
  • Charakteristisch sind:1
    • Schwierigkeiten, zur gewünschten Zeit einzuschlafen; der Schlaf tritt erst spät in der Nacht ein.
    • Ist die betroffene Person dann eingeschlafen, schläft sie gut und ohne Unterbrechungen; auch ist die Schlafdauer normal, sofern die Person nicht vorher geweckt wird.
    • Bei den meisten Betroffenen tritt der Schlaf zwischen 1 Uhr nachts und 6 Uhr morgens ein.
    • Es fällt ihnen äußerst schwer, morgens (z. B. um 7 Uhr) aufzustehen.
    • Wenn sie ausreichend lange Zeit schlafen können, meist bis mindestens 10 Uhr, sind sie ausgeschlafen und uneingeschränkt leistungsfähig.

Häufigkeit

  • Häufigste Störung des zirkadianen Schlaf-wach-Rhythmus2
  • 10 % der Patient*innen, bei denen die Diagnose Insomnie gestellt wird, haben wahrscheinlich ein DSPS.
  • Prävalenz3-4
    • in Industrienationen 0,07–0,13 % 
    • Die Störung ist weitaus häufiger bei Jugendlichen anzutreffen, wo die Prävalenz Berichten zufolge bei 5–16 % liegt.5-7
  • Alter bei Beginn
    • Das DSPS beginnt meist während der Pubertät, kann aber auch schon im Kleinkindalter einsetzen.
  • Mittlere Dauer
    • 19,2 Jahre8

Ätiologie und Pathogenese

  • Die Ursache der Störung ist unklar.
  • Der innere Zeitgeber läuft nicht mit den Anforderungen der Umgebung synchron, sodass es zu einer um mehrere Stunden nach hinten verschobenen Einschlafzeit kommt.
  • Der Lebensstil scheint stärker für die Aufrechterhaltung der Störung verantwortlich zu sein als für ihre Entstehung.
  • Die Betroffenen wählen häufig Berufe, die mit abweichenden Tagesrhythmen vereinbar sind.

Prädisponierende und auslösende Faktoren

  • Bei etwa 45 % der Betroffenen tritt DSPS familiär gehäuft auf.2
    • Genetische Screenings bei diesen Personen weisen auf eine mögliche autosomal-dominant vererbte Komponente hin.
  • Hinweise darauf, dass Schädel-Hirn-Traumata und andere Erkrankungen über eine Störung des zerebralen Zeitgebers zu einer höheren Inzidenz von DSPS führen, sind vorläufig und bedürfen der Überprüfung.
  • Mutmaßliche DSPS-Auslöser
    • abendliches grelles Licht
    • fehlendes Tageslicht am Morgen
    • Schichtwechsel
    • Jetlag
    • unregelmäßiges Schlafverhalten
      • z. B. ausgiebiges Nachholen von Schlaf am Wochenende

ICPC-2

  • P06 Schlafstörung

ICD-109

  • G47.2 Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus9
    • Syndrom der verzögerten Schlafphasen
    • Unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.10
    • Es gibt bislang keinen diagnostischen Test für DSPS.
    • Die Diagnosestellung erfolgt aufgrund den von der betroffenen Person geschilderten Schwierigkeiten, zu den gewünschten Zeitpunkten einzuschlafen und aufzuwachen.
      • Ein Schlaftagebuch ist ein gut geeignetes Mittel, um die Beschwerden im zirkadianen Verlauf und über mehrere Wochen nachzuvollziehen.
    • Solange das Einschlafen nur wenige Male pro Woche verzögert erfolgt, ist noch nicht von einem DSPS auszugehen.

    Diagnostische Kriterien der International Classification of Sleep Disorders (ICSD-2, 2005)11

    1. Die Betroffenen beklagen, dass es ihnen nicht gelingt, zur gewünschten Zeit einzuschlafen, spontan zur gewünschten Zeit aufzuwachen, oder sie klagen über exzessive Schläfrigkeit.
    2. Die gesamte Schlafepisode ist im Verhältnis zur gewünschten Schlafzeit verspätet.
    3. Die Symptome bestehen seit mindestens 1 Monat.
    4. Wenn es nicht erforderlich ist, einem strengen Zeitplan zu folgen, z. B. in den Ferien, stellt sich ein Schlafmuster ein, auf das alle folgenden Merkmale zutreffen:
      • feste, regelmäßige Schlafperiode von normaler Qualität und Dauer
      • Betroffene wachen von selbst auf.
      • Ein verspäteter, aber stabiler 24-Stunden-Schlaf-wach-Rhythmus stellt sich ein und wird aufrechterhalten.
    5. Regelmäßige Aufzeichnungen im Schlaftagebuch über mindestens 2 Wochen beweisen die dauerhafte Verspätung der Schlafperiode.
    6. Eine der folgenden Untersuchungen zeigt eine Verspätung der gewohnten Schlafperiode:
      • Polysomnografie
        • über 24-Stunden
        • oder über 2 Nächte mit zwischengeschaltetem multiplem Schlaflatenztest
      • kontinuierliche Messung der Körpertemperatur
        • Der tiefste Talpunkt (absoluter Nadir) der Temperatur tritt verzögert auf, in der zweiten Hälfte der gewohnten, verspäteten Schlafepisode.
    7. Die Symptomatik erfüllt nicht die Kriterien für eine andere Schlafstörung, die Einschlafstörungen oder exzessive Schläfrigkeit verursachen könnte.

    Differenzialdiagnosen

    • Insomnie12
      • Die Patient*innen schildern ihre Beschwerden oft zunächst als Schlaflosigkeit. Im Unterschied zur Insomnie ist die Schlafqualität bei DSPS jedoch gut, und auch die Schlafdauer ist normal, wenn die Betroffenen Gelegenheit zum Ausschlafen haben.
    • Störungen im zirkadianen Rhythmus durch Schichtarbeit, Reisen und dergleichen
    • Ungünstige Schlafgewohnheiten
    • Soziale oder psychische Faktoren, die den Schlaf beeinträchtigen.
    • Hypersomnie
    • Depression
    • Hyperthyreose
    • Schlafapnoe und Restless-Legs-Syndrom
      • Können ebenfalls zu verlängerter Schlaflatenz und Tagesmüdigkeit führen, und ähneln insofern in gewisser Weise DSPS.

    Anamnese

    • Das verzögerte Schlafphasensyndrom ist gekennzeichnet durch Schwierigkeiten, zeitig am Abend oder in der Nacht einzuschlafen, in Verbindung mit der sich daran anschließenden Schwierigkeit, zeitig aufzustehen, was oftmals zu sozialen Konfliktlagen führt.1,13
    • Im Unterschied zur Insomnie hindert DSPS nicht an einem guten Schlaf, sondern verschiebt lediglich den Zeitpunkt des Einschlafens nach hinten.
    • Von DSPS Betroffene haben im Unterschied zu Insomnie-Patient*innen keine Probleme damit, einzuschlafen, wenn ihnen ihr Körper Schlafbereitschaft signalisiert.
    • Viele Menschen mit DSPS haben mit depressiven Symptomen und mit einer ausgeprägten, leistungsmindernden Tagesmüdigkeit zu kämpfen, wahrscheinlich infolge des Schlafmangels.
    • Tagesschläfrigkeit tritt auf, wenn die Betroffenen morgens aufstehen, ohne ausgeschlafen zu haben. Empfehlenswert ist die Verwendung einer Schläfrigkeitsskala, um den Grad der Schläfrigkeit genauer einzuschätzen.

    Verzögerte Schlafphasen bei Kindern

    • Kinder mit einer verzögerten Schlafphase zeigen keine Müdigkeit am Abend und lassen sich daher nur besonders schwer ins Bett bringen.
    • Sie schlafen jeden Tag zur etwa gleichen Zeit ein und schlafen morgens relativ lange; unter der Woche sind sie schwer zum Aufstehen zu bewegen.

    Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

    • Ein Schlaftagebuch dient oft zur Bestätigung der Diagnose. Es sollte über mindestens 2 Wochen geführt werden und sollte mindestens folgende Punkte umfassen:
      • Zeitpunkt des Zubettgehens
      • Latenzzeit vor dem Einschlafen
      • Häufigkeit des nächtlichen Aufwachens
      • Anzahl, wie oft man in der Nacht aufsteht.
      • Zeitpunkt des endgültigen Aufstehens am Morgen bzw. Tag
      • das eigene Befinden beim morgendlichen Aufstehen
      • Anzahl und Zeit/Qualität der Schlafepisoden („Nickerchen“) tagsüber.

    Diagnostik bei Spezialist*innen für Schlafmedizin

    Aktigrafie

    • Ein Aktigraf, oder auch Aktometer, ist ein Messinstrument, das einer Armbanduhr ähnelt.
    • Es registriert Bewegungen, die auf Schlaf oder Wachheit schließen lassen.
    • Anschließend werden die Informationen aus dem Gerät ausgelesen und analysiert.

    Optional zur Diagnosesicherung

    • Polysomnografie
    • Multipler Schlaflatenztest
    • Kontinuierliche Messung der Körpertemperatur

    Indikationen zur Überweisung

    • Bei Unsicherheit in Hinblick auf die Diagnose
    • Bei ausgeprägter Tagesschläfrigkeit
    • Bei ungenügendem Therapieerfolg

    Therapie

    • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.10

    Therapieziel

    • Wiederherstellung des normalen zirkadianen Rhythmus, sodass die Betroffenen ausgeschlafen zu einer normalen Zeit erwachen können.

    Allgemeines zur Therapie

    • Chronotherapie14
    • Lichttherapie1,15-16
    • Behandlung der Komorbidität
    • Evtl. Pharmakotherapie mit Melatonin14,16-17
    • Keine Benzodiazepine: Hinweise auf deren Wirksamkeit bei DSPS stammen aus Einzelfallberichten und wurden nicht in kontrollierten Studien überprüft.
      • Sie scheinen überwiegend symptomatisch zu wirken und kaum dazu geeignet zu sein, den zirkadianen Rhythmus zu ändern.
      • Dazu kommt ein erhebliches Nebenwirkungs- und Abhängigkeitspotenzial.
    • Zu Vitamin-B12-Präparaten gibt es keine verlässlichen Wirksamkeitsnachweise beim DSPS.

    Bei Kindern und Jugendlichen – Schlafhygiene

    • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.18
      • Regelmäßige Bettgehzeiten als Bestandteil eines geregelten Tagesablaufs
        • Evtl. erst, wenn das Kind müde ist.
      • Ausreichende körperliche Aktivität tagsüber
      • Keine aufregenden oder anstrengenden Aktivitäten vor dem Einschlafen
      • Schlafumgebung
        • ruhig
        • abgedunkelt
        • angenehm temperiert
      • Bequemer Schlafplatz, der nicht mit anderen Dingen oder Situationen assoziiert ist, wie:
        • Spielen
        • Handy
        • Fernsehen
        • Hausaufgaben
        • Konflikten.
      • Einschlafrituale
        • zwischen 15 und 30 Minuten
      • Bereits in der frühen Kindheit an festen Tagesrhythmus gewöhnen.
        • Tagsüber gefüttert werden.
        • Nachts schlafen.
      • Zur Einschlafzeit vermeiden:
        • Hunger und Durst
        • größere Mahlzeiten oder massive Flüssigkeitszufuhr
        • Eingehen auf Trink- oder Essenswünsche des Kindes, wenn diese nur der Verzögerung des Schlafens dienen.
      • Nicht zu große Mengen anregender Getränke über den Tag und keine derartigen Getränke einige Stunden vor dem Schlafen
      • Bei kleineren Kindern nicht zu viele/zu wenige oder zu frühe/zu späte zusätzliche Schlafphasen am Tag
      • Bei Jugendlichen zusätzliche Schlafphasen am Tage eher kurz (max. 20 min) und nicht zu nahe an der Nachtschlafphase.
      • Falls notwendig, spezifische Therapie des DSPS
        • Chronotherapie, z. B. nach folgendem Schema:
          • Schlafenszeit jeden Tag um 15 Minuten früher, bis die gewünschte Schlafenszeit erreicht ist.
          • Parallel dazu wird das Kind jeden Morgen 15 Minuten früher geweckt.
          • Als Ausgangspunkt sollte der Zeitpunkt genommen werden, zu dem das Kind von sich aus einschläft bzw. aufwacht.
        • Lichttherapie
      • Weitere Empfehlungen
        • Um den neu gewonnenen Schlaf-wach-Rhythmus zu erhalten, sollte auch die Weckzeit am Wochenende die gleiche sein wie unter der Woche.
        • Das Kinderzimmer gleich mit dem Wecken hell erleuchten.

      Empfehlungen für Patient*innen – Schlafhygiene

      • Unabhängig von der gewählten Therapieform ist eine gute Schlafhygiene erforderlich, um die Störung abzumildern oder zu vermeiden.
      • Zu den wichtigsten Elementen zählt:
        • Sportliche Aktivitäten sollten zeitig am Tag und nicht am späten Abend ausgeübt werden.
        • Starke Schwankungen bei den Zeiten des Aufstehens und Zubettgehens sollten vermieden werden.
        • Vermeiden, tagsüber zu schlafen.
        • Stimulierende Aktivitäten in den letzten beiden Stunden vor dem Schlafengehen vermeiden.
        • Techniken zum Stressabbau können hilfreich sein.
        • Übermäßigen Genuss von Koffein, Alkohol und Tabak in den Abendstunden vermeiden.
        • Siehe Patienteninformation Gute Tipps für einen besseren Schlaf.

      Chronotherapie

      • Therapieziel: Normalisierung des Schlaf-wach-Rhythmus
      • Ein mögliches Behandlungsschema sieht wie folgt aus:
        1. Nacht: Zubettgehen um 4.00 Uhr; Aufstehen um 12.00 Uhr
        2. Nacht: Zubettgehen um 7.00 Uhr, Aufstehen um 15.00 Uhr
        3. Nacht: Zubettgehen um 10.00 Uhr, Aufstehen um 18.00 Uhr
        4. Nacht: Zubettgehen um 13.00 Uhr, Aufstehen um 21.00 Uhr
        5. Nacht: Zubettgehen um 16.00 Uhr, Aufstehen um 0.00 Uhr
        6. Nacht: Zubettgehen um 19.00 Uhr, Aufstehen um 3.00 Uhr
        7. Nacht: Zubettgehen um 22.00 Uhr, Aufstehen um 6.00 Uhr.
      • Anschließend wird darauf abgezielt, den neu gewonnenen Tagesrhythmus beizubehalten.
      • Menschen mit DSPS reagieren oft empfindlich auf Veränderungen des Einschlafzeitpunkts und sollten eine strenge Regelung in Bezug auf den Zeitpunkt des Zubettgehens einhalten, um eine erneute Verschlechterung zu vermeiden.
      • Eine Chronotherapie kann die Therapie anderer Krankheiten beeinflussen und kann zu Komplikationen führen bei Patient*innen, die auf Insulin angewiesen sind oder Erkrankungen des Immunsystems haben.
      • In einem publizierten Fall ging das DSPS unter der Chronotherapie in eine andere Form eines gestörten zirkadianen Schlaf-wach-Rhythmus (freilaufender Schlafrhythmus) über.19
      • Als alleinige Behandlung kann die Chronotherapie mangels Wirksamkeitsbelegen nicht empfohlen werden.8

      Lichttherapie

      • Die Exposition gegenüber einer starken Lichtquelle nach dem Aufwachen führt zu einem früheren Aufwachen am nächsten Tag und infolgedessen zu einer früher einsetzenden Müdigkeit am Abend.1,15
      • Zur Anwendung kommt eine Lichtquelle mit bis zu 10.000 Lux.
        • Eine Exposition von 30 bis ggf. 60 Minuten ist in der Regel ausreichend.
        • Die Lichttherapie kommt unmittelbar nach dem Erwachen zur Anwendung.
        • Sie wird danach jeden Morgen um 1 Stunde vorverlegt – bis der gewünschte Rhythmus eingestellt ist. Dies dauert in der Regel 3–7 Tage.
      • Wenn die Lichttherapie zur falschen Zeit (bezogen auf den zirkadianen Rhythmus) eingesetzt wird, kann sich die Störung noch verschlimmern: Eine Lichttherapie am Abend wird normalerweise den Zeitpunkt des Einschlafens, und damit den gesamten Tagesrhythmus, nach hinten verschieben.16
      • Es existieren keine Kontraindikationen für Lichttherapie oder Hinweise darauf, dass sie mit Augen- oder Retinaschäden assoziiert wäre. Jedoch sollten Patient*innen mit Risikofaktoren für die Augen sich vor der Behandlung opthalmologisch untersuchen lassen.
      • Nebenwirkungen treten meist nur vorübergehend auf und sind in der Regel mild ausgeprägt; sie nehmen mit der Zeit ganz ab oder verringern sich mit der Abnahme der Lichtdosis.
      • Eine Lichttherapie wirkt u. U. auch antidepressiv. Näheres dazu in den Artikeln zur unipolaren Depression und zu bipolaren affektiven Störungen.
        • Die Wirksamkeit der Lichttherapie in der Behandlung des DSPS ist weniger gut belegt als in der Therapie von Depressionen und kann daher nicht ohne Einschränkung empfohlen werden.8

      Medikamentöse Therapie – Melatonin

      • Melatonin wird in der Epiphyse produziert und sezerniert.
      • Welche Funktionen Melatonin im Organismus erfüllt, ist bislang nur teilweise aufgeklärt.
        • Melatonin gehört zu den Faktoren, die den zirkadianen Rhythmus steuern.
          • Gelangt Licht auf die Netzhaut, dann steigert das den Abbau von Melatonin.
          • Bei Dunkelheit steigt der Melatoninspiegel an.
          • In der dunklen Jahreszeit ist der Melatoninspiegel höher als im Sommer.
        • Ernährung und Stoffwechsel
          • Melatonin spielt eine Rolle bei der Glukoseregulation.20
          • Melatonin hat antioxydative Effekte.21
          • Melatonin kommt in vielen Nahrungsmitteln vor, z. B. in Kirschen, Olivenöl, Tomaten und Milch.22-23
          • Da Melatonin aus Serotonin synthetisiert wird, ist ein Einfluss tryptophan- oder serotoninhaltiger Nahrungsmittel auf die Melatoninbildung denkbar.24
        • Psyche
          • Bei Menschen mit Depression oder Alkoholerkrankung ist die Melatoninspiegel niedriger als in der Allgemeinbevölkerung.25
          • Möglicherweise ist Melatonin ein wichtiger Mediator bei saisonal bedingten Depressionen (Winterdepression).
          • Agomelatin, ein Melatonin-Rezeptor-Agonist, wird zur Therapie der Depression eingesetzt. Es ist allerdings unklar, ob die antidepressive Wirkung der Substanz überhaupt auf deren melatonergem Mechanismus beruht. Näheres dazu im Artikel Depression.
      • Melatonin hat in wenigen Studien mit DSPS-Patient*innen Hinweise auf eine begrenzte Wirksamkeit gezeigt.17,26
        • Diese Ergebnisse bedürfen der Überprüfung in weiteren Studien mit größeren Patientenzahlen und höherer methodischer Qualität.
        • In Deutschland ist Melatonin bislang nur zur Behandlung von Schlafstörungen bei Kindern mit Autismus-Spektrum-Störung oder Smith-Magenis-Syndrom zugelassen.
          • Die Behandlung des DSPS mit Melatonin ist daher nur im Rahmen des Off-Label-Use möglich.
          • Den bisherigen Studien zufolge scheint sich dazu am ehesten eine Dosis von 5 mg Melatonin zu eignen, die täglich zwischen 19.00 und 21.00 eingenommen wird.8
          • Bei Kindern mit DSPS konnte in placebokontrollierten Studien eine signifikante Verkürzung der Einschlaflatenz unter Melatonin gezeigt werden18 (Off-Label-Use).
      • Verträglichkeit und Sicherheit17,26
        • Die häufigsten unter Melatonin beobachteten Nebenwirkungen waren:
        • Wegen des komplexen Metabolismus über verschiedene CYP-Isoenzyme sind verschiedene pharmakokinetische Wechselwirkungen möglich, z. B. mit:
          • Hormonpräparaten einschl. oraler Kontrazeptiva
          • Fluvoxamin
          • Tabakgenuss.
        • mögliche pharmakodynamische Wechselwirkungen, u. a. mit:
          • Alkohol
          • Hypnotika.
        • Zur Langzeit-Sicherheit einer Behandlung mit Melatonin gibt es bislang keine verlässlichen Daten.

      Verlauf, Komplikationen und Prognose 

      Verlauf

      • Das DSPS beginnt meist während der Pubertät.
        • Es ist von der vorübergehenden Rückverlagerung des Schlaf-wach-Rhythmus abzugrenzen, die nicht über das frühe Erwachsenenalter hinaus anhält.
      • Ohne Behandlung bleibt das DSPS in der Regel bis ins höhere Lebensalter bestehen.
        • Erst dann ist – durch die im Alter eintretende Vorverlagerung der Schlafphasen – mit einer spontanen Remission zu rechnen.

      Komorbidität

      • Häufig psychische Störungen
      • Welchen Einfluss die adäquate Behandlung der Begleiterkrankungen auf das DSPS hat, wurde bislang nicht systematisch untersucht.

      Komplikationen

      • Das Hauptproblem der Betroffenen liegt in der Regel darin, die gesellschaftlichen Anforderungen, z. B. in der Schule und bei der Arbeit, zu erfüllen.
        • Die Störung geht zumeist einher mit schwächeren schulischen Leistungen, was vermutlich auf die Tagesschläfrigkeit wie überhaupt den Schlafmangel und häufigere Fehlzeiten zurückzuführen ist.27
      • Bei Nichtbeachtung der intrinsischen Schlafzeiten können morgendliche Schlaftrunkenheit und orthostatische Dysregulation auftreten.
      • Erhöhtes Unfallrisiko 

      Prognose

      • Auch unter einer Behandlung bleibt die Vorliebe für einen verzögerten Schlafrhythmus in der Regel bestehen.
        • Durch psychische oder körperliche Überlastung kann das DSPS wieder in seine ursprüngliche Ausprägung zurückfallen.

      Verlaufskontrolle

      • Schlaftagebuch
      • Evtl. Wiederholung schlafmedizinischer Untersuchungen

      Patienteninformationen

      Patienteninformationen in Deximed

      Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM)

      Leitlinien

      • Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin. S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen. Somnologie 2009; 13: 4-160. www.dgsm.de
      • American Academy of Sleep Medicine. Clinical Practice Guideline for the Treatment of Intrinsic Circadian Rhythm Sleep-Wake Disorders: Advanced SleepWake Phase Disorder (ASWPD), Delayed Sleep-Wake Phase Disorder (DSWPD), Non-24-Hour Sleep-Wake Rhythm Disorder (N24SWD), and Irregular Sleep-Wake Rhythm Disorder (ISWRD). An Update for 2015. www.aasmnet.org
      • Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen – Insomnie bei Erwachsenen. AWMF-Leitlinie Nr. 063-003. S3, Stand 2017. www.awmf.org
      • Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP). Nichtorganische Schlafstörungen (F51). AWMF-Leitlinie Nr. 028-012. S1, Stand 2018. www.awmf.org

      Literatur

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      18. Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP). S1-Leitlinie Nichtorganische Schlafstörungen (F51). AWMF-Leitlinie Nr. 028-012, Stand 2018. www.awmf.org
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      26. Buscemi N, Vandermeer B, Hooton N, et al. The efficacy and safety of exogenous melatonin for primary sleep disorders. J Gen Intern Med 2005; 20: 1151-8. PubMed
      27. Sivertsen B, Glozier N, Harvey AG, Hysing M. Academic performance in adolescents with delayed sleep phase. Sleep Medicine 2015. www.sciencedirect.com

      Autor*innen

      • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg

      Frühere Autor*innen

      • Bjørn Bjorvatn, professor dr. med., Institutt for samfunnsmedisinske fag, Universitetet i Bergen, og leder av Nasjonal Kompetansetjeneste for søvnsykdommer, Haukeland Universitetssykehus
      • Tor André Johannessen, allmennlege, redaksjonsmedarbeider NEL
G472 Störungen
Forsinket søvnfase-syndrom; forsinket søvnfase syndrom; dsps
P06
DSPS; DSWPD; Schlaftagebuch; verzögertes Schlafphasensyndrom; Schlafmangel; Schläfrigkeitsskala; Schlafhygiene; Lichttherapie; Melatonin; Delayed Sleep Phase Syndrome; Delayed Sleep-Wake Phase Disorder; Schlafstörung; Sleep Disorder
Syndrom der verzögerten Schlafphase
CCC MK 18.03.2021 Zulassungsänderung bei Melatonin.
CCC MK 01.07.2020, kleinere Änderungen, aktuelle LL. 22.01.2016: Små endringer basert på UpToDate. Revision at 06.12.2012 14:46:51: Gjennomgått og oppdatert av Bjørn Bjorvatn MK 20.12.16
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Oft abgekürzt als DSPS (Delayed Sleep Phase Syndrome) oder auch als DSWPD (Delayed Sleep-Wake Phase Disorder) bezeichnet das verzögerte Schlafphasensyndrom eine mangelnde Synchronisation des inneren Schlaf-wach-Rhythmus mit dem äußeren Hell-Dunkel-Zyklus.
Psychische Störungen
Syndrom der verzögerten Schlafphase
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Syndrom der verzögerten Schlafphase
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