Diagnostik:: Als ergänzende Untersuchungen kommen ggf. CT oder MRT infrage, meist bleibt dafür nicht genug Zeit.
Therapie:Die primäre Therapie ist rasche Druckentlastung durch laterale Kanthotomie oder Kantholyse zum Erhalt der Sehkraft.
Allgemeine Informationen
Definition
Das orbitale Kompartmentsyndrom ist eine Notfallsituation, bei der es zu einem unphysiologisch hohen Druckanstieg innerhalb der Orbita mit KompromierungKomprimierung der neurovaskulären Versorgung des Auges und Verlust der Sehfähigkeit kommen kann.1-2
Ätiologisch sind intraorbitale Einblutungen nach Traumata, besonders bei antikoagulativer Medikation, iatrogenen Manipulationen (Lokalanästhesie, Lidchirurgie, Fremdmaterial) sowie entzündlichen Prozessen der Orbita relevant.3
Die Diagnose mit dem Leitsymptom „Visusminderung" nach periorbitalem Trauma oder periorbitaler Infektion sollte klinisch ggf. auch ohne vorangehende Bildgebung erfolgen, um eine rasche Intervention zu ermöglichen und so einem irreversiblen Visusverlust vorzubeugen.1,3
Zur Notfallintervention kommen in erster Linie die laterale Kanthotomie bzw. die laterale Kantholyse sowie transseptale Drainagen der Orbita infrage.3
Bei rascher Diagnose und frühzeitiger Therapie kann eine Erblindung verhindert werden.
Häufigkeit
EsEin handeltorbitales sichKompartmentsyndrom um einenist sehr seltenenselten, aber überausaufgrund ernstenseiner Zustandschwerwiegenden Folgen als absoluter Notfall zu betrachten!
Nach einer US-amerikanischen Studie kommt es in 2–5 % aller orbitalen Traumata zur Entwicklung eines orbitalen Kompartmentsyndroms.3
Ätiologie und Pathogenese
EinDer orbitaleshäufigste KompartmentsyndromAuslöser kanneines auftretenorbitalen Kompartments stellt eine akute intraorbitale Blutung dar, wennmeist esnach direktem Trauma, seltener nach iatrogener Manipulation (z. B. Operation, Lokalanästhesie).4-5
Ebenso können entzündliche Prozesse und Tumoren zu einem stumpfenintraorbitalen oderDruckanstieg penetrierenden Trauma gekommen ist oder sich infolge einer retrobulbären Anästhesie ein Bluterguss hinter dem Auge gebildet hatführen.6
EinDurch solchesdie retrobulbäresengen HämatomLagebeziehungen erhöhtsteigt in der Folge der Druck auf den intraokulärenNervus Druck,opticus unterbrichtsowie die BlutversorgungGefäßversorgung durchdes dieAuges, Arteriawas ophthalmicazu undFunktionseinschränkungen löstbis sohin einzur KompartmentsyndromErblindung ausführen kann.5
Außerdem kann es zu einer Proptosis, also zum Vorfall des Augapfels führen.
Das mediale und das laterale Lidbändchen sowie das Orbitalseptum fixieren den Augapfel am Orbitarand, begrenzen die Vorwärtsbewegung des Auges und verhindern dadurch, dass der erhöhte Druck sinken kann.
Der erhöhte intraokuläre Druck komprimiert den Sehnerv und führt dazu, dass die Netzhaut von ihrer Zentralarterie nicht mehr ausreichend durchblutet wird. Die Folge ist ein Verlust der Sehkraft am betroffenen Auge, sofern der erhöhte Druck nicht rasch gesenkt wird.
Bleibende ischämische Komplikationen sind ab einer Dauer des erhöhten Drucks von 2 Stunden zu erwarten.
Auch enzündliche Prozesse an der Orbita können zu diesem Notfall führen.35
Prädisponierende Faktoren
VerletzungStumpfes desoder Augespenetrierendes Trauma der (Peri-)Orbitalregion
S05.1 Prellung des Augapfels und des Orbitagewebes
S05.2 Rissverletzung und Ruptur des Auges mit Prolaps oder Verlust intraokularen Gewebes
S05.3 Rissverletzung des Auges ohne Prolaps oder Verlust intraokularen Gewebes
S05.4 Penetrierende Wunde der Orbita mit oder ohne Fremdkörper
S05.5 Penetrierende Wunde des Augapfels mit Fremdkörper
S05.6 Penetrierende Wunde des Augapfels ohne Fremdkörper
S05.8 Sonstige Verletzungen des Auges und der Orbita
S05.9 Verletzung des Auges und der Orbita, nicht näher bezeichnet
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
Die Diagnose wirdmit anhanddem derLeitsymptom typischen„Visusminderung“ Anamnesenach periorbitalem Trauma oder periorbitaler Infektion sollte klinisch ggf. auch ohne vorangehende Bildgebung erfolgen, um eine rasche Intervention zu ermöglichen und klinischenso Untersuchungeinem gestelltirreversiblen Visusverlust vorzubeugen.1,6
Zur Diagnosesicherung kann bei Bedarf eine MRT- oder CT-Untersuchung durchgeführt werden, dafür ist aber meist nicht genügend Zeit vorhanden.
Afferente Pupillenstörung, es zeigt sich ipsi- und kontralateral keine Pupillenreaktion auf Lichteinfall.4
Stauungspapille, später ggf. blasse Papille
Pulsieren in der Zentralarterie der Netzhaut
Apparative Diagnostik
Untersuchungen mit spezifischer Aussagekraft für die Diagnose stehen nicht zur Verfügung.
Ergänzende Untersuchungen
Eine CT- oder MRT-Untersuchung kann Hinweise auf die Ursache der Druckerhöhung liefern oder die Diagnose bestätigen, ist aber aufgrund des Zeitdrucks im Notfall meist nicht durchführbar.
Indikationen zur ÜberweisungKlinikeinweisung
EsBei istVerdacht schnellstmöglichauf ein orbitales Kompartmentsyndrom sollte eine augenärztlichesofortige Untersuchung zu veranlassen.
Patienten ohne Sehstörungen oder deutlich erhöhten intraokulären Druck sind engmaschig zu überwachen, bis eine augenärztliche BeurteilungEinweisung erfolgen kann.
Therapie
TherapiezielTherapieziele
Druckentlastung und Begrenzung des Sehkraftverlusts
Allgemeines zur Therapie
DieMeist Therapie des orbitalen Kompartmentsyndroms besteht in der raschen Druckentlastung durchist eine lateraleumgehende Kanthotomiechirurgische oderIntervention Kantholyse, also ein Einschneiden des Lidwinkelsnotwendig.
Bei rascher und richtiger Durchführung des Eingriffs kann die Sehkraft erhalten werden.3-4
Häufig sind allerdings Patienten mit einem Polytrauma betroffen, bei denen die Versorgung lebensbedrohlicher Verletzungen Vorrang hat.
Medikamentöse Therapie
Rascher Behandlungsbeginn!
Bei milderen Fälle mit nur geringer intraorbitaler Druckerhöhung und erhaltener Sehkraft oder unterstützend vor geplanter OP kann eine medikamentöse Therapie erwogen werden.4,7
Antiglaukomatosa wie Betablocker oder auch Carboanhydrasehemmer (z. B. Azetazolamid)
systemische Glukokortikoidgabe (z. B. 250 mg Prednisolon als Kurzinfusion) zur Ödemreduktion
Um durch Osmose die Flüssigkeitsmenge im Auge zu reduzieren und damit den intraokulären Druck zu senken, empfiehlt sich die intravenöse Gabe von Mannitol.
Um die Flüssigkeitsproduktion zu senken, empfiehlt sich die Gabe von Azetazolamid und lokal angewendeten Betablockern.
Zur Entzündungshemmung empfiehlt sich die Gabe von Methylprednisolon.
Bei Verdachtbakteriell-entzündlichen aufGeschehen erfolgt eine Infektionantibiotische und erhöhtem CRP-Wert sollte eine Antibiotikatherapie in Betracht gezogen werdenTherapie.
Operative Therapie
Kanthotomie
DurchBei dieseneiner EingriffKanthotomie sollwird der laterale Lidwinkel eingeschnitten, um den intraorbitalen Druck imentlasten Augapfelzu gesenktkönnen.4
Anschließend kann zudem eine Kantholyse notwendig werden, damit die Zentralarteriebei der Netzhautdas durchblutet werden kannuntere und dadurchggf. dieauch Blutversorgungdas desobere SehnervsLidbändchen sichergestelltgelöst istwerden, was weitere Druckentlastung ermöglicht.
Indikationen für denDieser Eingriff:Rwird meist unter Lokalanästhesie durchgefückganghrt.
Bei der Sehkraft, Proptosis, blasse Papille in der Ophthalmoskopie, afferente Pupillenstörung oder intraokulärer Druck über 40 mmHg bei gleichzeitig deutlichweiterhin erhöhtem retrobulbäremDruck Druck.
Kontraindikation:stehen Bulbusrupturweitere mitVerfahren Entrundungwie eine knöcherne Dekompression der PupilleOrbita undzur vermindertem FlVerfüssigkeitsvolumen im Augapfel oder mit Austritt von Kammerwasser durch die verletzte Stelle, sichtbar gemacht durch Anfärbung mit Fluorescein (Seidel-Test positiv)gung.
Verfahren der lateralen Kanthotomie und Kantholyse
Patienten bei Bewusstsein wird als Lokalanästhetikum Lidocain 1–2 % mit Epinephrin in den äußeren Lidwinkel verabreicht.
Eine schmale Klemme wird in den äußeren Lidwinkel eingeführt und das Gewebe mindestens eine Minute lang komprimiert. Neben der Markierung des Bereichs vor dem Einschnitt fördert dies die Hämostase.
Mit einer Schere wird der äußere Lidwinkel seitlich bis zum Orbitarand eingeschnitten (ca. 1–2 cm tief).
Durch diesen Eingriff wird zum einen der intraokuläre Druck gesenkt, zum anderen ein Zugang zum oberen und unteren Schenkel des lateralen Lidbändchens eröffnet.
Der untere Schenkel des lateralen Lidbändchens wird vorsichtig abgesetzt – darauf achten, dass der Augapfel nicht geschädigt wird.
Wenn der Druck unter 30 mmHg fällt, wird der Eingriff abgeschlossen.
Wenn der Druck weiterhin über 40 mmHg liegt, wird auch der obere Schenkel des lateralen Lidbändchens vom Orbitarand abgesetzt.
Danach sollte der intraokuläre Druck unter 30 mmHg fallen.
Wenn die operierte Person bei Bewusstsein ist, kann sie sich nach dem Eingriff dazu äußern, ob sich das Sehvermögen verbessert hat. 5
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
BleibendeJe Schädennach kUrsache kann die intraorbitale Druckerhönnenhung innerhalbschnell vonoder 2langsam Stundenauftreten, eintreteneine zügige Diagnosestellung und Therapieeinleitung ist aber in jedem Fall essenziell.
Komplikationen
Blutungen, mechanische Schädigung des Augapfels, intraokuläre Infektion
Prognose
Das orbitale Kompartmentsyndrom mit beeinträchtigtem Sehvermögen geht mit einer schlechten Prognose einher.
Wenn nicht unverzüglich die richtigen Maßnahmen eingeleitet werden, kommt es zur dauerhaften Erblindung.
Schon nach 2 Stunden steigt das Risiko für einen dauerhaften Sehverlust deutlich.5
Quellen
Literatur
Voss JOJ, Hartwig S, Doll C, Hoffmeisteret B, Raguse JD, AdolphNal. The “tight orbit”: Incidence and management of the orbital compartment syndrome, Journal of Cranio-Maxillo-Facial Surgery (2016). www.ncbi.nlm.nih.gov
Peak DA. Acute orbital compartment syndrome. eMedicine, 2015; www.emedicine.com. emedicine.medscape.com
Magarakis M, Mundinger GS, Kelamis JA, et al. Ocular injury, visual impairment, and blindness associated with facial fractures: a systematic literature review. Plast Reconstr Surg 2012; 129 (01) 227-233. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
McCallum E, Keren S, Lapira M, et al. Orbital Compartment Syndrome: An Update With Review Of The Literature. Clin Ophthalmol. 2019 Nov 7;13:2189-2194. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Zogheib S, Sukkarieh G, Mjaess G, et al. Displaced Orbital Fractures with Concurrent Orbital Compartment Syndrome: A Case-Based Systematic Review. Facial Plast Surg. 2022 Jun;38(3):274-278. eref.thieme.de
Adolphs N, Raguse J, Menneking H. Das orbitale Kompartment-Syndrom – ein seltener MKG-Chirurgischer Notfall mit zweifelhafter Prognose. Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. 130. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. München, 30.04.-03.05.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. www.egms.de
MonikaBonnie LenzStahn, Dr. med., Fachärztin für AllgemeinmeidzinAllgemeinmedizin, Neustadt am RübenbergeHamburg
AndersDie Behndigursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, professor och överläkare, Ögonkliniken, Norrlands universitetssjukhus, Umeå
Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheimhttps://legehandboka.no/).
Definition:Druckanstieg intraorbital mit Komprimierung der Nerven und Gefäße. Häufigkeit:Sehr Seltenselten. Symptome:Leitsymptom ist Visusverlust, Schmerzen, Schwellungen.Befunde:Schwellungen, Exophthalmus, zentrales Pulsieren.Diagnostik: Als ergänzende Untersuchungen kommen ggf. CT oder MRT infrage, meist bleibt dafür nicht genug Zeit.Therapie: Die primäre Therapie ist rasche Druckentlastung durch laterale Kanthotomie oder Kantholyse zum Erhalt der Sehkraft.
Augen
Kompartmentsyndrom, orbitales
/link/28202ae95cbd480bb4343d7322c090ae.aspx
/link/28202ae95cbd480bb4343d7322c090ae.aspx
kompartmentsyndrom-orbitales
SiteDisease
Kompartmentsyndrom, orbitales
anders.skjeggestad@nhi.no
kK.reinhardt@gesinformReinhardt@gesinform.de (patched by system)