kombinierte Fraktur von Sinus maxillaris, Orbitaboden oder -wand und Jochbogen
Oft begleitende Frakturen von Mittelgesichtsknochen
Häufigkeit
Frakturen der Orbita kommen in der Hausarztpraxis selten vor.
Bei 10 – 25 % aller schweren Gesichtsverletzungen ist die Orbita beteiligt.4
Anatomie
Die Orbita ist die knöcherne Höhle des Augapfels und wird von 7 Knochen gebildet:
Maxilla, Os ethmoidale, Os palatinum, Os sphenoidale, Os lacrimale, Os frontale und Os zygomaticum.
Die 4 Begrenzungen werden bezeichnet als:
Orbitadach (kraniale Begrenzung)
Orbitaboden (kaudale Begrenzung)
mediale Orbitawand
laterale Orbitawand.
Ätiologie und Pathogenese
Während in den Alpenregionen Sportunfälle überwiegen, sind in Deutschland meist Stürze und Rohheitsdelikte ursächlich.1
Da die Orbita zum „Leichtbausystem" des Viszerokraniums mit stabilen Stützpfeilern und dünnen Seitenwänden gehört, kommt es auch bei den meisten Mittelgesichtsfrakturen zur Fraktur der Orbitawände.1
Blow-out-Fraktur
Direktes Trauma auf den Bulbus führt zu kurzzeitig massiver Druckerhöhung in der Orbita mit Bruch der fragilsten Stelle, dem Orbitaboden.1
klassisch: Faustschlag oder (Tennis-/Hockey-)Ball auf das Auge
Blow-in-Fraktur
Direkte Krafteinwirkung auf die Kieferhöhlenvorderwand1
ICPC-2
F79 Augenverletzung, andere
ICD-10
S02.1 Schädelbasisfraktur inkl. Orbitadach
S02.3 Fraktur des Orbitabodens
S02.8 Frakturen sonstiger Schädel- und Gesichtsschädelknochen
Augenärztliche Untersuchung zum Ausschluss okulärer Begleitverletzungen5
Bildgebung
CT der Nasennebenhöhlen ist das diagnostische Mittel der Wahl.1
Bei Vorliegen von Kontraindikationen für Strahlenbelastung (Kinder, Schwangere) kann die Sonografie Informationen über Fraktur liefern.1
Indikationen zur Klinikeinweisung
Bei Verdacht auf Orbitafraktur stationäre Einweisung
Therapie
Therapieziele
Therapieziele gemäß der Leitlinie Laterale Mittelgesichtsfrakturen7
Erhalt der Augenfunktion in Bezug auf Sehschärfe und Motilität
Symmetrische Rekonstruktion der anatomischen Form des Gesichtes
Erhalt des angrenzenden sensiblen NervenNervs (N. infraorbitalis)
Allgemeines zur Therapie
Die Therapie der Orbitafrakturen ists abhängig von Begleitfrakturen, Dislokation der Frakturelemente, Symptomatik und Begleiterkrankungen der Patient*innen.
insbesondere bei älteren Patient*innen mit erhöhtem Narkoserisiko individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung1
Konservative Therapie in der Regel bei nicht-dislozierten Frakturen und Symptomfreiheit1
Operatives Vorgehen bei allen dislozierten Frakturen sowie bei Patient*innen mit Beschwerden1
Konservative Therapie
Indikationen
kleinflächige Orbitadefekte ohne Symptomatik und Dislokation8
Strenge Einhaltung von Verhaltensregeln wie konsequentes SchnäuzverbotSchneuzverbot, weiche Kost und Sportverbot für mindestens 6 Wochen1
Regelmäßige fachärztliche Kontrolle, um das Auftreten von Komplikationen (Pseudarthrosen, verspätet auftretende Doppelbilder) frühzeitig zu erkennen und Patient*in ggf. doch noch zu operieren.1
Ansonsten sollte die Primärrekonstruktion nach einem Schwellungsrückgang innerhalb von spätestens 5–15 Tagen nach Trauma erfolgen.6,8
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Bei Inkarzeration von Augenmuskeln kann innerhalb von 24 Stunden eine irreversible Fibrosierung des Muskels auftreten.1
Bei Retrobulbärhämatom kann ein orbitales Kompartmentsyndrom entstehen, das innerhalb kürzester Zeit zum Visusverlust durch Kompression des N. opticus führen kann.5
Deswegen sollten Visuskontrollen direkt nach dem Trauma und nach operativer Versorgung zunächst über mehrere Stunden alle 30 min, dann stündlich risikoadaptiert (Hypertonie, Einnahme von Blutverdünnern) durch geschultes Pflegepersonal erfolgen.6
Komplikationen
Retrobulbäres Hämatom, das zu Visusverlust führen kann.6
Persistierende Hyposensibilität im Versorgungsgebiet des N. infraorbitalis7
Die Prognose ist abhängig vom Grad der Dislokation, den Begleitverletzungen und dem Patientenalter.
Bei inadäquater Therapie kann durch die Einklemmung und damit Schädigung feiner Strukturen (N. infraorbitalis, N. opticus, Augenmuskeln) ein hoher Verlust an Lebensqualität auftreten.6
Daher sollten Orbitafrakturen zeitnah von Mittelgesichtschirurg*innen gesehen, bewertet und ggf. operativ versorgt werden.1
Postoperative Sensibilitätsstörungen vom N. infraorbitalis bilden sich in der Regel innerhalb weniger Monate zurück.1
Illustrationen
CT der Nasennebenhöhlen mit Orbitabodenfraktur links (Quelle: Wikipedia)
Gaab MR. Pschyrembel online. Blow-in-Fraktur. Stand 2016. Letzter Zugriff 22.02.22. www.pschyrembel.de
Gaab MR. Pschyrembel online. Schädelfraktur. Stand 2016. Letzter Zugriff 22.02.22. www.pschyrembel.de
Zorn M, Liekfeld A, Bode-Hofmann M, et al. Trauma der Orbita. Augenheilkunde up2date 2021; 11(4): 307-22. www.thieme-connect.com
Ott M, Zinkernagel M. Erstversorgung von Patienten mit Augenverletzungen. Notfall Rettungsmed 2020; 23: 143-53. link.springer.com
Birkenfeld F, Naujokat H, Sengebusch A et al. Primärversorgungen orbitaler Verletzungen. MKG-Chirurg 2020; 13: 158-64. link.springer.com
Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie e.V.. Laterale Mittelgesichtsfrakturen. S2k, AWMF-Leitlinie Nr. 007-016. Stand 2014 (abgelaufen). www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Orbitadefekte, Rekonstruktion. AWMF-Leitlinie Nr. 007-099, Stand 2013 (abgelaufen). www.awmf.org
Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Allgemeinmedizin, Frankfurt
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Definition:Fraktur der knöchernen Augenhöhle. Häufigkeit:Bei schweren Gesichtsverletzungen häufigste Fraktur, insgesamt aber selten. Symptome:Schmerzen, Schwellung, abhängig von affektierten Strukturen ggf. auch Doppelbilder und Hypästhesien.