Ophthalmologischer Notfall mit plötzlicher Erhöhung des Augeninnendrucks und blockiertem Kammerwinkel1
Durch Druckerhöhung kann es zu irreversibler Schädigung des Sehnervs und der retinalen Ganglienzellen innerhalb weniger Stunden kommen.2
Häufigkeit
Etwa ein Viertel1/4 der betroffenen Patient*innen stellt sich initial bei einem nicht-ophthalmologischemophthalmologischen Fachbereich, u. a. in Hausarztpraxis, vor.1
Inzidenz
2,2–4,1 Fällen pro 100.000 Einwohner*innenEinw. jährlich in Europa1
In Asien ist hingegen das Winkelblockglaukom dominierend.
Ätiologie und Pathogenese
Die Angaben beziehen sich auf die nachfolgende Referenz.1
Exzessive Augeninnendrucksteigerung aufgrund einer Verlegung des Trabekelmaschenwerks, das für den primären Abfluss des Kammerwassers zuständig ist, durch die periphere Iris.
Verschiedene Mechanismen können zur Verlegung des Trabekelmaschenwerks führen.
Beim Pupillarblock, dem häufigsten Mechanismus, entsteht durch Annäherung der zentralen Irisrückfläche an die Linsenvorderfläche eine Widerstandserhöhung des Kammerwasserflusses von der Hinter- in die Vorderkammer.
Dies erzeugt einen Druckgradienten, der zu einer Vorwölbung der peripheren Regenbogenhaut und dadurch Verlegung des Trabekelmaschenwerks im iridokornealen Kammerwinkel führt.
Leitsymptomatik: akuter einseitiger Kopf- bzw. Augenschmerz bei gerötetem Auge und Übelkeit bis hin zu Erbrechen4
Oft starke Sehverschlechterung auf betroffenem Auge durch Hornhautödem5
Cave: Fehldeutung als internistische oder neurologische Erkrankung möglich, wenn unspezifische Symptome wie Kopfschmerzen, Pupillenstarre oder Übelkeit im Vordergrund stehen.1
Okuläre Vorerkrankungen, insbesondere retinale Erkrankungen?
Komplettekomplette Medikamentenanamnese topisch und oral
Klinische Untersuchung
Methode der Wahl zur Diagnosestellung: Bulbuspalpation5
Schrittweises Vorgehen der Bulbuspalpation zur Augeninnendruckabschätzung. 1
Abwärtsblick bei geöffneten Augen.
Abstützen beider Hände von Untersucher*in auf Stirn und Schläfe.
Auflegen beider Zeigefingerkuppen auf das Oberlid.
Palpation durch abwechselnden sanften Druck.
Leichtleicht eindrückbarer Bulbus mit Fluktuation bei normalem Augeninnendruck, schlecht eindrückbarer („steinharter"“) Bulbus ohne Fluktuation bei hohem Augeninnendruck.
Spaltlampenuntersuchung des vorderen Augenabschnitts4
gemischte/episklerale, limbal betonte Injektion
Hornhautödem
flache bzw. aufgehobene Vorderkammer
meist mittelweite, entrundete und nicht lichtreagible Pupille.
Gonioskopische Beurteilung des Kammerwinkels (offen vs. blockiert)
Indikationen zur EinweisungKlinikeinweisung
Bei Verdacht auf akutes Glaukom sofortige Einweisung in eine Augenklinik
Therapie
TherapiezielTherapieziele
Normalisierung des Augeninnendrucks
Aufhebung der Winkelblockierung
Verhindern von irreversiblen Schädigungen des Sehnervs/retinaler Zellen
Rezidivprophylaxe
Allgemeines zur Therapie
Das Behandlungsprinzip des akuten Winkelblocks zielt darauf ab, zunächst medikamentös schnellstmöglich den Augeninnendruck zu senken gefolgt von der mechanischen Lösung des Winkelblocks.1
Cave: Eine Blutdrucksenkung sollte vermieden werden, da sonst auch Durchblutung des SehnervensSehnervs abnimmt.
Medikamentöse Therapie
Augentropfen
Therapieeinleitung nach Druckmessung und ophthalmologischer Untersuchung z. B. mit Betablocker und selektivem αAlpha-Sympathomimetikum Brimonidin4
Beispiel für Betablocker: Timolol 0,1 %
Dosierung: 1 Tropfen in Bindehautsack der betroffenen Seite6
Brimonidin 0,2 %
Dosierung: 1 Tropfen in Bindehautsack der betroffenen Seite7
Etwa 1 Stunde nach Therapieeinleitung erfolgt eine erneute Druckmessung mit stündlichen Kontrollen bis zur Normalisierung des Augeninnendrucks.
WeitereEine weitere Therapie erfolgt in der Regel mit Pilocarpin 1 % Augentropfen in kurzen Abständen (alle 10 min).4
Intravenöse Therapie
Bei initialen Augendruckwerten > 40 mmHg intravenöse Gabe von 500 mg Acetazolamid indiziert. 4
Falls intravenöse Gabe nicht möglich, sollte die Verabreichung oral erfolgen.
Die Gabe erfolgt stationär, da regelmäßige Blutentnahmen zur Bestimmung der Elektrolyte (insbesondere Kalium sowie Bikarbonat können unter der Therapie erheblich sinken) und Nierenfunktionsparameter (Kreatinin und GFR) notwendig sind.
Reservemedikament, das bei unzureichender Drucksenkung unter den obeno. genannteng. Medikamenten zum Einsatz kommt.
Es wird intravenös (1–2 g/kg Körpergewicht Gesamtdosis) verabreicht.
Die Infusion muss langsam – am besten in 2 Einzeldosen – jeweils über 30–45 Minutenmin gegeben werden.
Weitere Maßnahmen
Abhängig von der Symptomatik analgetische und antiemetische Therapie.
zumz. BeispielB. MCP 10 mg p. o. als Antiemetikum8
zumz. BeispielB. Metamizol 1 g i. v. als Analgetikum9
caveCave: langsameLangsame Gabe, um Hypotension zu vermeiden!
Operative Therapie
Die chirurgische Iridektomie und die Iridotomie durch Laser stellen die beiden Therapiemöglichkeiten der Wahl zur Beseitigung der Blockade dar, indem eine Öffnung in der Iris zur zusätzlichen Kammerwasserzirkulation erzeugt wird.1
Die Laser-Iridotomie ist in der Regel das Vorgehen der Wahl; chirurgische Iridektomie bei Notfällen mit fehlendem Ansprechen auf medikamentöse Maßnahmen.4
Liegt am betroffenen Auge ein akuter Engwinkelblock vor, besteht auch am Partnerauge ein erhöhtes Risiko (40–60 %), in den nächsten 5–10 Jahren einen EngwinkelglaukomanfallEngwinkelglaukom-Anfall zu erleiden. Daher ist eine prophylaktische Iridotomie auch kontralateral empfohlen.4
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Meist abrupter Beginn mit akuten, starken Augenschmerzen und Visuseinschränkung.
Bei fehlender Augeninnendrucksenkung rasche, irreversible Schädigung des Sehnervens und retinaler Zellen mit Gefahr der Erblindung.
Komplikationen
Visusverlust bis Erblindung
Prognose
Bei einem mittleren Follow-up von 27 ± 14 Monaten hatten in einer Studie nach akutem Winkelblock:10
10 % der Patient*innen eine Visuseinschränkung und
6 % eine vollständige Erblindung auf dem betroffenen Auge.
Das Partnerauge ist in etwa Hälfte der Fälle in nächsten 5–10 Jahren ebenfalls von akutemeinem Glaukomanfallakuten Glaukom-Anfall betroffen, sofern keine prophylaktische Therapie erfolgt.4
Verlaufskontrolle
Erfolgt durch Ophthalmolog*in:
Engmaschigeengmaschige Follow-up-Kontrollen mit Augeninnendruckmessung, Gesichtsfelduntersuchung und Bestimmung der retinalen Nervenfaserschicht als Basisdiagnostik. 4
Patienteninformationen
Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?
Wenn Patient*innen für eine Augenuntersuchung diagnostisch dilatiert werden oder Medikamente mit parasympatholytischer Wirkung erhalten, sollten ihnen die Symptome eines akuten Glaukoms genau erklärt werden.
Ratiopharm. Fachinformation Brimonidin. Stand 2015. Letzter Zugriff 20.03.22 www.ratiopharm.de
Stadapharm. Fachinformation MCP. Stand 2020. Letzter Zugriff 20.03.22. fachinformation.srz.de
Ratiopharm. Fachinformation Novaminulfon. Stand 2021. Letzter Zugriff 20.03.22. www.ratiopharm.de
Andreatta W, Elaroud I, Nightingale P, et al. Long-term outcomes after acute primary angle closure in a White Caucasian population. BMC Ophthalmol 2015; 15: 108. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.
JohanDie H.ursprüngliche EivindVersion Seland,dieses ProfessorArtikels Emeritus,basiert Universitauf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausätrztlichen Bergen
Knut A. Holtedahl, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Universitetet i Tromsø
Zusammenfassung
Definition:Anfall mit intraokulärer Drucksteigerung bei PatientenPatient*innen mit engem Kammerwinkel. Notfall, der innnerhalbinnerhalb von wenigen Tagen zur Erblindung führen kann.
Häufigkeit:Inzidenz von 2,2–4,1 Fällen pro 100.000 Einwohner*innenEinw. jährlich in Europa. Gehäuft bei älteren, weitsichtigen Patient*innen.
Symptome:Akuter einseitiger Kopf- bzw. Augenschmerz bei gerötetem Auge und Übelkeit bis hin zu Erbrechen.
Befunde:Steinharter Bulbus und gerötetes Auge. Patient*in oft sehr schmerzgeplagt. Typischerweise ältere*r Patient*ininnen mit bekannter Weitsichtigkeit.
Diagnostik:Palpation des Bulbus.
Therapie:Medikamentöse Drucksenkung und mechanische Lösung des Winkelblocks (in der Regel per Laser-IdIridotomie).
H402
trangvinkelglaukom; Glaukom, akutt
F93
Intraokuläre Drucksteigerung; Enger Kammerwinkel; Engwinkelglaukom; Winkelblockglaukom; Abflussblockade des Kammerwassers; Winkelblock mit Pupillarblock; Erblindung; Grüner Star; Glaukomanfall
Glaukom, akutes
BBB MK 21.03.2022 revidiert, umgeschrieben und gekürzt.
Rev. 11.03.2016: Basert på Kvalitetshåndboken i Øye. Revision at 23.05.2013 09:10:43:
Revidert i henhold til Medibas, Lægehåndbogen, Legemiddelhåndboken og BMJ Best Practice. Kun tillegg om alfa2-agonist. chck go 8.8.
MK 01.12.2017, sprachlich überarbeitet, an D angepasst, derzeit keine LL
Definition:Anfall mit intraokulärer Drucksteigerung bei PatientenPatient*innen mit engem Kammerwinkel. Notfall, der innnerhalbinnerhalb von wenigen Tagen zur Erblindung führen kann.