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Fraktur der Handwurzel

Zusammenfassung

  • Definition:Die Handwurzel (Carpus) besteht aus 8 Karpalknochen, die eng miteinander verbunden sind und eine Einheit bilden, sodass bereits kleine traumatische Veränderungen zu Funktionseinbußen der Hand führen können.
  • Häufigkeit:Frakturen der Handwurzel machen 17 % aller Handfrakturen aus. Etwa 60–85 % davon betreffen das Os scaphoideum.
  • Symptome:In der Regel Sturz auf extendiertes Handgelenk mit anschließenden Schmerzen und ggf. Schwellung und Funktionseinschränkung der Hand.
  • Befunde:Meist lokaler Druckschmerz über Fraktur. Oft liegt keine klinische Fehlstellung vor, eine lokale Schwellung ist jedoch möglich.
  • Diagnostik:Klinische Verdachtsdiagnose, die durch Röntgen bestätigt wird. Bei klinischem Verdacht und unauffälligem Röntgen großzügige Indikationsstellung einer CT.
  • Therapie:Schwierig zu behandelnde Frakturen. Isolierte, nichtdislozierte Frakturen können oft konservativ unter engmaschigen Verlaufskontrollen therapiert werden (Cave: sekundäre Dislokation und Pseudarthrose!). Bei traumatisch bedingter Inkongruenz oder Instabilität im Carpus ist operative Rekonstruktion notwendig.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Die Handwurzel (Carpus) besteht aus 8 Karpalknochen, die in zwei Reihen angeordnet sind und durch ihre Form und die engen ligamentären Verbindungen eine kompakte und flexible Einheit bilden.1
    • Kleine posttraumatische Veränderungen des fein abgestimmten karpalen Gefüges können bereits chronische Beschwerden und Funktionseinbußen bewirken.2
  • Siehe auch den Artikel Skaphoidfraktur

Häufigkeit

  • Handwurzelfrakturen machen 18 % der Handfrakturen aus.1
  • Die weitaus häufigsten Frakturen im Handwurzelbereich sind Skaphoidfrakturen mit ca. 60–85  % aller Handwurzelfrakturen und ca. 30–40 Frakturen/100.000 Einw. und Jahr.2
    • An 2. Stelle folgen Frakturen des Os triquetrum mit 13–15 %.
    • An 3. Stelle liegen Frakturen des Os trapezium mit 1–5 %.
    • Frakturen der übrigen Handwurzelknochen sind dementsprechend sehr selten und werden in konventionellen Röntgenaufnahmen oft übersehen.
  • Meist sind junge, sportlich aktive Menschen betroffen.2

Klinische Anatomie

  • Beschreibung der Anatomie entsprechend dieser Referenz2
  • Der Carpus liegt zwischen dem distalen Radius und dem Discus ulnocarpalis, der dem Ellenkopf aufliegt, und den Basen der 5 Mittelhandknochen.
  • Die 8 Handwurzelknochen, bestehend aus einer proximalen Reihe (Os scaphoideum, Os lunatum, Os triquetrum), einer distalen Reihe (Os trapezium, Os trapezoideum, Os capitatum, Os hamatum) und einem Sesambein (Os pisiforme), formen über das Radio- und Ulnokarpalgelenk sowie das Mediokarpal- und die Interkarpalgelenke eine kinetische Kette, die durch den intrinsischen und extrinsischen Bandapparat (insgesamt ca. 33 Bänder) stabilisiert wird.
  • Dies ermöglicht zum einen eine stabile Kraftübertragung zwischen Mittelhand und Unterarm und erlaubt zum anderen die hohe Beweglichkeit des Handgelenks.

Ätiologie und Pathogenese

  • Es erfolgt die Beschreibung der 3 häufigsten Handwurzelknochenfrakturen. Die Frakturen der restlichen 3 Handwurzelknochen sind sehr selten.
  • Der häufigste Unfallmechanismus für Handwurzelverletzungen ist der Sturz auf die extendierte Hand.2
    • Seltener sind direkte Gewalteinwirkungen, Quetschverletzungen, axiale Krafteinwirkungen oder Stürze auf die flektierte Hand.

Fraktur des Os scaphoideum (Kahnbeinfraktur)

  • Das Os scaphoideum befindet sich in der proximalen Reihe der Karpalknochen, reicht jedoch bis in die distale Reihe hinein, weshalb es verletzungsanfälliger ist als die anderen Karpalknochen.
  • Eine Fraktur entsteht typischerweise durch einen Sturz auf das überstreckte Handgelenk oder einen direkten Schlag gegen die Handfläche.

Fraktur des Os triquetrum

  • Der Verletzungsmechanismus besteht meist in einem Sturz bei Hyperextension des Handgelenks und einer gleichzeitigen ulnaren Deviation.

Fraktur des Os trapezium

  • Häufigster Unfallmechanismus ist der Sturz auf den abgespreizten Daumen mit axialer Stauchung des Os trapezium durch das Metakarpale I.2

Prädisponierende Faktoren

  • Sportliche Aktivitäten
  • Erhöhte Sturzneigung, insbesondere bei älteren, kognitiv eingeschränkten Patient*innen

ICPC-2

  • L74 Fraktur Handknochen

ICD-10

  • S62.0 Fraktur des Os scaphoideum der Hand
  • S62.1 Fraktur eines oder mehrerer sonstiger Handwurzelknochen
    • S62.11 Os lunatum
    • S62.12 Os triquetrum
    • S62.13 Os pisiforme
    • S62.14 Os trapezium
    • S62.15 Os trapezoideum
    • S62.16 Os capitatum
    • S62.17 Os hamatum
    • S62.19 Fraktur sonstiger oder mehrerer Handwurzelknochen

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Klinischer Verdacht durch Anamnese und körperlichen Befund
  • Bestätigung der Diagnose durch Röntgenuntersuchung, bei Unsicherheit ggf. auch Schnittbildgebung
  • Achtung: Handwurzelfrakturen werden leicht übersehen und oft erst spät diagnostiziert.

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Traumaanamnese
    • Zeitpunkt
    • Beschreibung des Unfallhergangs
  • Symptomatik
    • Schmerzen und ggf. auch Schwellung der Hand
    • teilweise eingeschränkte Beweglichkeit der Hand

Klinische Untersuchung

  • Häufig ist über dem betroffenen Knochen ein lokaler Druckschmerz auslösbar.
    • teilweise auch Knacken oder Krepitation
  • In der Regel liegt keine klinische Fehlstellung vor, eine lokale Schwellung ist jedoch möglich.
  • Überprüfung der peripheren Durchblutung, Motorik und Sensibilität der Hand
    • aufgrund der anatomischen Nähe der Handwurzel zu den Fingersehnen und zu neurovaskulären Strukturen, insbesondere dem ulnaren Gefäß-Nerven-Bündel in der Loge de Guyon, dem N. medianus im Karpaltunnel und der A. radialis2

Diagnostik bei Spezialist*innen

Bildgebende Diagnostik

  • Röntgen in 2 Ebenen
    • Grundlage der Diagnostik
    • Spezialaufnahmen für einzelne Handwurzelknochen möglich
  • CT
    • Indikation zur CT-Untersuchung ist bei klinischem Verdacht auf eine Handwurzelfraktur, zum Ausschluss von Begleitverletzungen und zur Frakturklassifikation großzügig zu stellen.2
  • MRT
    • bei weiterhin bestehendem Frakturverdacht und nicht richtungweisendem CT-Befund, bei der Diagnose einer okkulten Fraktur, einer Knochenkontusion („Bone Bruise“) oder einer ligamentären Verletzung hilfreich2

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Verdacht auf Handwurzelfraktur Überweisung an Handchirurg*in

Therapie

Therapieziele

  • Wiederherstellung der karpalen Anatomie, um Fehlstellungen der Handwurzel und sekundäre Arthrosen zu vermeiden.2
  • Eine gute Funktion der Hand langfristig erhalten.

Allgemeines zur Therapie

  • Frakturen der Handwurzel zählen zu den am schwierigsten zu behandelnden Frakturen, da es kein einheitliches Operationsverfahren gibt. Je nach Art der Fraktur und Patient*in ist ein individuelles therapeutisches Vorgehen notwendig.
  • Häufig lassen sich isolierte, nichtdislozierte Handwurzelfrakturen konservativ behandeln, unter der Voraussetzung von regelmäßigen Verlaufskontrollen, da sekundäre Dislokationen und symptomatische Pseudarthrosen häufig sind.2
  • Operative Eingriffe sind für die Wiederherstellung der korrekten karpalen Höhe, die möglichst stufenlose Reposition der Gelenkflächen und die Rekonstruktion der physiologischen ligamentären Stabilität notwendig.2

Prävention

  • Bei Risikosportarten mit erhöhtem Sturzrisiko sollten Handprotektoren getragen werden.3 

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Handwurzelfrakturen neigen zu sekundärer Dislokation und Ausbildung von Pseudarthrosen, sodass bei konservativem Vorgehen engmaschige Verlaufskontrollen notwendig sind.

Komplikationen

  • Sekundäre Arthrosen bei posttraumatisch inkongruenten Gelenkflächen
  • Begleitverletzungen von neurovaskulären und tendinösen Strukturen
  • Avaskuläre Nekrosen durch posttraumatische Durchblutungsstörung der Frakturfragmente
  • Chronisches regionales Schmerzsyndrom (CRPS)
  • Im schlimmsten Fall Verlust der Handfunktion durch schwere Arthrose und Instabilität der Handwurzel

Prognose

  • Bei isolierten Handwurzelfrakturen kann durch eine frühe Diagnose und adäquate Therapie in der Regel ein sehr gutes Ergebnis erzielt werden.
  • Je komplexer die Fraktur, ausgeprägter die Begleitverletzungen und später die Diagnosestellung, desto schwieriger ist der Erhalt einer guten Handfunktion.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Unauffälliges Röntgen der rechten Handwurzel von palmar: 1. Os trapezium, 2. Os hamatum, 3. Os capitatum, 4. Os scaphoideum, 5. Os triquetrum, 6. Os lunatum, 7. Radius, 8. Ulna
Unauffälliges Röntgen der rechten Handwurzel von palmar: 1. Os trapezium, 2. Os hamatum, 3. Os capitatum, 4. Os scaphoideum, 5. Os triquetrum, 6. Os lunatum, 7. Radius, 8. Ulna
Querfraktur durch das Os scaphoideum (Pfeil)
Querfraktur durch das Os scaphoideum (Pfeil)

Quellen

Literatur

  1. Haddad SF. Carpal fractures. Medscape, last updated Oct 06, 2021. emedicine.medscape.com
  2. Ayache A, Schmitt R, Unglaub F, et al. Frakturen der Handwurzel ohne Os scaphoideum. Der Unfallchirurg 2020; 124: 59-73. link.springer.com
  3. Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie, Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie. Skaphoidfraktur. AWMF-Leitlinie Nr. 012-016, Stand 2015 (abgelaufen). www.leitliniensekretariat.de

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
S620; S621; S6211; S6212; S6213; S6214; S6215; S6216; S6217; S6219
snusboksen; vristen; håndrots brudd; brudd håndroten; fraktur håndroten; skafoideum; scaphoideum; carpus; karpalbeina; brudd i håndroten; Håndrotsbrudd
L74
Fraktur des Os scaphoideum; Kahnbeinfraktur; Fraktur des Os triquertum; Fraktur des Os lunatum; Fraktur des Os capitatum; Fraktur des Os hamatum; Fraktur des Os trapezium; Fraktur des Os trapezoideum; Fraktur des Os pisiforme; Fraktur des Os lunatum
Fraktur der Handwurzel
BBB MK 23.02.2022 revidiert, stark gekürzt und umgeschrieben. Revision at 17.03.2013 09:54:05: Revidert i henhold til Lægehåndbogen. chck go 9.8. 10.8.16 ML
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Definition:Die Handwurzel (Carpus) besteht aus 8 Karpalknochen, die eng miteinander verbunden sind und eine Einheit bilden, sodass bereits kleine traumatische Veränderungen zu Funktionseinbußen der Hand führen können.
Orthopädie/Unfallchirurgie
Handwurzelfraktur
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