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Unterarmfraktur

Zusammenfassung

  • Definition:Fraktur von Ulna und/oder Radius.
  • Häufigkeit:Sehr häufige Fraktur, sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen.
  • Symptome:Schmerzen, Schwellung und Funktionseinschränkung des Unterarms nach Trauma, meistens nach Sturz auf den Arm.
  • Befunde:Druckschmerz und Schwellung über Fraktur. Teilweise sichtbare Fehlstellung.
  • Diagnostik:Röntgen, Überprüfung von pDMS.
  • Therapie:Konservative Therapie bei stabilen, nichtdislozierten Frakturen. Bei instabilen und nichtreponierbaren, dislozierten Frakturen offene Reposition und osteosynthetische Fixierung.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Fraktur von Ulna und/oder Radius
  • Bei Kindern Unterscheidung nach Vollständigkeit der Fraktur1
    • unvollständig: Wulst- oder Grünholzfraktur; Corticalis nur auf einer Seite unterbrochen
    • vollständig: Bruch der Corticalis auf beiden Seiten
  • Monteggia-Fraktur
    • Ulnafraktur bei gleichzeitiger Luxation des Radiusköpfchens
  • Galeazzi-Fraktur
    • Radiusfraktur mit Riss der Membrana interossea und Luxation des distalen Radioulnargelenkes
  • Frakturen von Ulna und Radius, die im Bereich von Handgelenk und Ellenbogen liegen, werden gesondert dargestellt.

Häufigkeit

  • Unterarmfrakturen sind relativ häufig.
  • Distale Radiusfrakturen bei Erwachsenen (> 35 Jahre)2
    • Frauen: 37 Fälle pro 10.000 Personenjahre
    • Männer: 9 Fälle pro 10.000 Personenjahre
    • Inzidenz mit Alter deutlich zunehmend
  • Distale Unterarmfrakturen bei Kindern (0–15 Jahre)3
    • 56,8 Fälle pro 10.000 Personenjahre in Deutschland
      • 64,5 bei Jungen; 48,7 bei Mädchen 
    • Die Mehrzahl der Fälle ereignet sich im Frühjahr und Sommer.

Ätiologie und Pathogenese

  • Stürze auf den ausgestreckten Arm verursachen meist Frakturen in der Nähe des Handgelenkes und des Ellenbogengelenkes.
    • Übertragung der Kräfte des Aufpralls über Hand auf Handgelenk und Ellenbogengelenk
  • Schaftfrakturen resultieren häufig aus direkten Traumata, z. B. Parierfraktur der Ulna bei Schlag mit einmeinem Stock auf den Unterarm.

Prädisponierende Faktoren

  • Bei Kindern männliches Geschlecht, bei Erwachsenen weibliches Geschlecht2-3
  • Vermehrte Sturzneigung in Vorgeschichte2
  • Osteoporose2
  • Dauerhafte Einnahme von Glukokortikoiden und selektiven Serotonin-Rezeptor-Inhibitoren2

ICPC-2

  • L72 Fraktur Unterarm

ICD-10

  • S52.- Fraktur des Unterarmes
    • S52.0 Fraktur des proximalen Endes der Ulna
    • S52.1 Fraktur des proximalen Ende des Radius
    • S52.2 Fraktur des Ulnaschaftes
    • S52.3 Fraktur des Radiusschaftes
    • S52.4 Fraktur des Ulna- und Radiusschaftes, kombiniert
    • S52.5 Distale Fraktur des Radius
    • S52.6 Distale Fraktur der Ulna und des Radius, kombiniert
    • S52.7 Multiple Frakturen des Unterarmes

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Typische Anamnese, klinische und radiologische Untersuchung zur Abklärung

Differenzialdiagnostik

  • Prellung des Unterarms
  • Luxation des Ellenbogens
  • Luxation der Hand
  • Luxation des Handgelenkes
  • Frakturen des Ellenbogens
  • Frakturen der Hand

Anamnese

  • Analyse des Unfallhergangs
    • Zeitpunkt des Traumas
    • Ort des Traumas
      • Wege-/Arbeitsunfall?
    • Art des Traumas
    • Stellung von Arm und Handgelenk beim Sturz
  • Vorherige Verletzungen im betroffenen Bereich
  • Dominante Seite (Rechts- oder Links-Händer*in?)
  • Berufliche Tätigkeit
  • Relevante Vorerkrankungen
  • Klassische Symptomatik2
    • Schmerzen, besonders bei Unterarmdrehung
    • Kraftverlust und Funktionsstörung
    • Schwellung
    • teilweise sichtbare Fehlstellung

Klinische Untersuchung

S2e-Leitlinie: Distale Radiusfraktur 2

Inspektion

  • Weichteilschaden
  • Prellmarken
  • Schürfung
  • Hämatom
  • Wunden im Frakturbereich (offene Fraktur)
  • Fehlstellung
  • Vorschäden, Narben

Palpation

  • Druckschmerz
    • auch der angrenzenden Gelenkpartner, u. a. Tabatière für Os scaphoideum
  • Gefäßstatus

Funktionsprüfung

  • Aktive/passive Funktion der angrenzenden Gelenke
  • Neurologischer Status
  • Anhalt für Kompartmentsyndrom?

Untersuchung auf Begleitverletzungen

  • Suche nach typischen Begleitverletzungen des Handskeletts und der Bänder an Mittelhand und Fingern
    • Zudem ipsilateral Ellenbogen, Oberarm und Schulter untersuchen.

Weitere Untersuchungen in Hausarztpraxis

  • Nicht notwendig

Diagnostik bei Spezialist*innen

Bildgebung

  • Röntgen obligat1-2
  • Bei Verdacht auf distale Unterarmfraktur2
    • Röntgenaufnahmen des Handgelenks in 2 Ebenen
      • Schulterabduktion von 90 Grad, Ellenbogen in Mittelstellung gebeugt
    • Anhebung des Handgelenks bei der a. p. Aufnahme um 10 Grad und in der seitlichen Aufnahme um 20–25 Grad
  • Bei Verdacht auf Schaftfraktur1
    • Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen unter Einschluss der angrenzenden Gelenke
  • Weitere Bildgebung (CT, MRT, Sonografie) nur bei speziellen Fragestellungen

Labor

  • Nur vor geplanter Operation unter Berücksichtigung von Alter und Begleiterkrankungen2

Indikationen zur Überweisung

  • Bei Verdacht auf eine Fraktur Überweisung an eine unfallchirurgische Praxis
  • Bei Arbeits-/Wegeunfall Überweisung an D-Ärzt*in
  • Bei offenen Frakturen, neurologischen oder vaskulären Defiziten Einweisung in ein Krankenhaus

Therapie

Therapieziele

  • Reposition und Stabilisierung der Fraktur
  • Wiederherstellung der normalen Funktion des Arms

Allgemeines zur Therapie

  • Bei Erwachsenen2
    • Die Wahl des Behandlungsverfahrens wird beeinflusst durch:
      • Frakturtyp
      • Begleiterkrankungen
      • biologisches Alter
      • Allgemeinzustand der Patient*innen (körperlich und mental)
      • Funktionsanspruch der Patient*innen und ihre Bedürfnisse.
  • Bei Kindern1

Empfehlungen für Patient*innen

S2e-Leitlinie: Distale Radiusfraktur2

  • Alles vermeiden, was die Schwellung verstärkt.
  • Keine Schulterimmobilisation durch Armtragetuch
  • Frühzeitige selbständige Bewegungsübungen (der angrenzenden Gelenke) hat einen präventiven Einfluss auf die Ausbildung eines CRPS.
  • Benutzung der Hand bei allen leichten täglichen Aktivitäten
  • Bewegungsübungen von Daumen und Langfingern
  • Arm nicht herunter hängen lassen.
  • Nachts Lagerung auf Kissen
  • Bei anhaltenden oder zunehmenden Schmerzen oder Gefühlsstörungen sofortige
    Vorstellung bei Ärzt*in (z. B. Verband zu eng, Kompressionssyndrom?)

Konservative Therapie

Indikationen für konservative Therapie (Auswahl)

  • Bei Erwachsenen2
    • stabile extraartikuläre Frakturen
    • nicht oder gering dislozierte, intraartikuläre Frakturen
    • lokale oder allgemeine Kontraindikationen gegen Operation
    • fortgeschrittenes Patientenalter und geringer Funktionsanspruch
  • Bei Kindern1
    • unvollständige (damit stabile) achsengerecht stehende, undislozierte Frakturen
    • vollständige (damit instabile), aber achsengerecht stehende, undislozierte isolierte Radius- oder Ulnafrakturen
    • Konservative Behandlung der Grünholzfraktur mit Achsenfehler (> 15 Grad) verlangt das Brechen der Gegencorticalis, um die Fraktur in einen spannungsfreien Zustand zu überführen.
      • Cave: dabei Entstehung einer vollständigen Fraktur!

Versorgung

  • Bei dislozierten Frakturen Repositionsversuch unter Analgesie2
  • Bei reponierten und/oder vollständigen Frakturen Ruhigstellung in Gips
  • Bei stabilen, nichtdislozierten Frakturen ist ggf. auch eine Schiene ausreichend.

Nachbehandlung

  • Bei Erwachsenen Röntgenkontrolle nach Reposition erneut innerhalb der ersten Woche mit individuellen Verlaufskontrollen2
    • Ruhigstellung für mindestens 4–5 Wochen
  • Vollständige, konservativ behandelte Frakturen bei Kindern bedürfen engmaschiger Kontrollen (etwa 1 x wöchentlich), da das sekundäre Dislokationsrisiko hoch ist.1
  • Nachbehandlung konservativ versorgter Frakturen im Kindesalter1
    • Röntgen Tag 1 (Dokumentation nach Reposition)
    • Tag 7–10 (Stellungskontrolle)
    • Tag 28 (gipsfrei, Konsolidierungskontrolle)
    • bei noch unzureichender Konsolidierung nach Bedarf, z. B. Tag 42
    • Freigabe zur spontanen Mobilisation
    • keine routinemäßige Physiotherapie
    • Sportbefreiung für ca. 2–4 Wochen nach Freigabe der Fraktur
    • abschließende Funktionskontrolle zum Zeitpunkt der Sportfreigabe

Operative Therapie

Indikationen für operative Therapie (Auswahl)

  • Bei Erwachsenen2
    • instabile Frakturen
    • dislozierte intraartikuläre Frakturen
    • begleitende Gefäß- und/oder Nervenverletzungen
    • erfolglose konservative Repositions- und Retentionsversuche
  • Bei Kindern2
    • vollständige Frakturen von Radius und Ulna auf gleicher Höhe, mit schrägen Frakturflächen, konvergierenden Knochenachsen und Frakturen im proximalen Schaftdrittel
    • Kombination einer vollständigen Schaftfraktur mit einer Grünholzfraktur
    • Grünholzfrakturen beider Knochen mit unzureichender Reposition oder Retention
    • vollständige isolierte Radius- oder Ulnafrakturen mit erheblicher Fehlstellung und Problemen der Reposition oder Retention
    • Monteggiafrakturen, wenn konservativ die Radiusluxation nicht mit absoluter Sicherheit reponiert und retiniert werden kann.

Versorgung

  • Die Wahl des Operationsverfahrens ist abhängig von dem Allgemeinzustand der Patient*innen, der Knochenqualität, geschlossenen oder offenen Weichteilläsionen, Begleitverletzungen, der Motivation/Compliance der Betroffenen und der erwarteten funktionellen Belastung.2
    • in der Regel offene, exakte Reposition und Fixierung mit Bohrdrähten, Marknägeln, Plattenosteosynthesen oder Fixateur externe

Nachbehandlung  

  • In der Regel keine zusätzliche Retention im Gipsverband notwendig, ggf. Schlinge oder Schiene zur Analgesie für wenige Tage1
  • Spontanmobilisation bei Schmerzfreiheit1
    • möglichst frühzeitige Einbeziehung der Hand der verletzten Seite in die Verrichtungen des täglichen Lebens2
  • Es gibt keine Evidenz, ob Physiotherapie und/oder Ergotherapie zu besserem Ergebnis führt als instruiertes Selbsttraining.2
    • Bei Kindern sollte generell keine Physiotherapie erfolgen.1
  • Röntgen Tag 1 (Dokumentation des OP-Resultats), Tag 28 (Konsolidierung, Sportfreigabe), Tag 90 plus X (vor Metallentfernung)1
  • Bei Kindern wird die Materialentfernung nach radiologisch dokumentierter vollständiger Durchbauung und abgeschlossenem Remodelling (≥ 3 Monate) empfohlen.1
    • Frühere Metallentfernungen scheinen das Risiko von Refrakturen zu erhöhen.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Die Heilungsdauer einer konservativ behandelten Fraktur beträgt etwa 6 Wochen.
  • Bei operativer Reposition und Stabilisierung ist meist direkt postoperativ eine frühfunktionelle Beübung möglich.

Komplikationen

Prognose

  • Die Prognose ist bei den meisten, insbesondere den stabilen Frakturen, günstig.2
    • Nach 8–10 Wochen konservativer Therapie ist in der Regel eine Rückkehr zum Sport möglich (2–4 Wochen nach radiologisch nachgewiesener knöcherner Konsolidierung).1
  • Je präziser die Reposition der Fraktur, desto besser das funktionelle Ergebnis2

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Trümmerbruch der Elle
Trümmerbruch der Elle
Prä- und postoperatives Röntgen einer osteosynthetisch versorgten Unterarmfraktur
Prä- und postoperatives Röntgen einer osteosynthetisch versorgten Unterarmfraktur

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU). Distale Radiusfraktur. AWMF-Leitlinie Nr. 012-015. S2e, Stand 2021. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH). Unterarmschaftfrakturen im Kindesalter. AWMF-Leitlinie Nr. 006-062. S1, Stand 2016 (abgelaufen). www.awmf.org

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH). Unterarmschaftfrakturen im Kindesalter. AWMF Leitlinie Nr. 006-062. S1. Stand 2016. www.awmf.org
  2. Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU). Distale Radiusfraktur. AWMF Leitlinie Nr. 012-015. S2e. Stand 2021. www.awmf.org
  3. Höfer J, Hoffmann F, Glaeske G, et al. Distale Unterarmfrakturen im Kindes- und Jugendalter: Häufigkeit und Versorgungsgeschehen in Deutschland. Gesundheitswesen 2019; 81(1): 1-9. www.thieme-connect.com

Autor*innen

  • Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Frankfurt a. M.
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
S52-; S520; S521; S522; S523; S524; S525; S526; S527
brudd underarm; monteggia fraktur; fraktur underarm; galeazzi fraktur; ulna; Underarmsbrudd; nightstick fracture
L72
Unterarmfraktur; Fraktur des Unterarmes; Fraktur am proximalen Schaft; Fraktur am medialen Schaft; Fraktur am distalen Schaft; Fraktur des Ulnaschafts; Fraktur des Radiusschafts; Fraktur des proximalen Endes der Ulna; Fraktur des proximalen Ende des Radius; Parierfraktur; Elle; Speiche; Isolierte Ulnafraktur; Monteggia-Fraktur; Galeazzi-Fraktur; Distale Radiusfraktur; Grünholzfraktur
Unterarmfraktur
BBB MK 14.02.2022 umfassend revidiert, umgeschrieben und gekürzt; neue LL. Revision at 13.03.2013 11:08:17: Revidert i henhold til Medibas. MK 23.09.16 16:00
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Definition:Fraktur von Ulna und/oder Radius. Häufigkeit:Sehr häufige Fraktur, sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen. Symptome:Schmerzen, Schwellung und Funktionseinschränkung des Unterarms nach Trauma, meistens nach Sturz auf den Arm.
Orthopädie/Unfallchirurgie
Unterarmfraktur
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