Compare with  
Legend:
inserted text deleted text

Akutmedizinische Behandlung eines Lungenödems

  • Die folgenden Angaben beziehen sich auf die häufigste Form des Lungenödems, das kardiale Lungenödem.
  • Weitere Informationen zu Ätiologie, Pathogenese, Diagnostik und Therapie von kardialen und nichtkardialen Lungenödemen finden Sie im Artikel Lungenödem.

Therapieziele

  • Die Therapieziele der Nationalen Versorgungsleitlinie1 wurden für die akute Dekompensation bei bekannter Herzinsuffizienz erstellt, sind aber allgemein für die Therapie des kardialen Lungenödems zutreffend.
  • Folgende Ziele sind vorrangig:1
    • Stabilisierung der Patientin/des Patienten mit rascher Besserung der Symptomatik
      • Beseitigung der Stauung
      • Wiederherstellung der hämodynamischen Stabilität bei kardialem Low-Output-Syndrom
    • Stabilisierung der Erkrankung
      • Identifikation und spezifische Behandlung auslösender Faktoren
      • Prüfung der Indikation für mechanische Unterstützungssysteme
      • Start bzw. Anpassung der medikamentösen Langzeittherapie

Basisdiagnostik in der Hausarztpraxis

Erstmaßnahmen in der Hausarztpraxis

Basismaßnahmen

  • Hochlagerung des Oberkörpers
  • Sauerstoffgabe über Nasensonde oder besser Maske
    • O2 initial mit maximalem Flow (12–15 l/min) per Maske, Ziel SpO2 ≥ 95 %2
  • Venöser Zugang
  • Diuretikum
    • Furosemid 20–40(–80) mg i. v.2-3
  • Nitrate 
    • Nitroglyzerin 0,4–0,8 mg s. l. alle 5 min, wenn RR > 90 mmHg2

Weitere mögliche Maßnahmen in Abhängigkeit von der individuellen Situation

  • Urapidil bei erhöhtem Blutdruck
    • Alpha-1-Antagonist mit vasodilatierender und sympatholytischer Wirkung
    • bei Hypertension Nachlastsenkung mit Urapidil titriert (5 mg Boli i. v.) bis normotone Blutdruckwerte2
  • Betablocker bei Hypertonie/Tachykardie und Hinweisen für kardiale Ischämie
    • z. B. Metoprolol 5 mg fraktioniert i. v. unter Kontrolle von Blutdruck/Puls
  • ASS bei akutem Koronarsyndrom
    • 250 mg i. v. oder 150–300 mg p. o.4-5
  • Morphin
    • Besserung von Dyspnoe und Angst3
    • zudem Vasodilatation mit Vorlastsenkung6
    • Bolus 2,5–5 mg i. v. in fraktionierter Gabe
    • In aktuellen AWMF- und ESC-Guidelines Routinegebrauch nicht empfohlen, kann aber bei Lungenödem erwogen werden.1,3
  • Antiemetika
    • evtl. gleichzeitige Gabe zu Morphin
    • z. B. Metoclopramid 10 mg i. v.
  • Anxiolytika
    • Ein vorsichtiger Gebrauch von Benzodiazepinen (Diazepam, Lorazepam) ist wahrscheinlich die sicherste Variante.3
  • Amiodaron bei tachykarden Herzrhythmusstörungen wie tachykardem Vorhofflimmern, ventrikulärer Tachykardie
    • 150 mg fraktioniert i. v., ggf. nochmalige Gabe bis insgesamt 300 mg
  • Atropin bei bradykarden Rhythmusstörungen
    • Bolus 0,5–1 mg, ggf. wiederholte Gabe bis max. 3 mg
    • Cave: Beim AV‐Block III. Grades kann es zu einer paradoxen Reaktion mit Verlangsamung des Ersatzrhythmus kommen, Atropin ist daher in diesem Fall kontraindiziert!2
  • Bei Hypotension und Zeichen eines kardiogenen Schocks AdrenalinboliAdrenalin-Boli 10 μg (1 mg Adrenalin ad 100 ml NaCl 0,9 % ergibt 1 ml = 10 μg)2

Leitlinie: Therapiemaßnahmen noch im hausärztlichen Versorgungsbereich1

  • Patienten mit akut dekompensierter Herzinsuffizienz und Zeichen der Volumenbelastung sollen initial Schleifendiuretika erhalten (starke Positivempfehlung).
  • Bei Patienten mit akut dekompensierter Herzinsuffizienz und Ruhedyspnoe sowie erhöhtem Blutdruck können zu den Diuretika Vasodilatatoren gegeben werden (z. B. Nitroglyzerin) (offene Empfehlung).
  • Bei Patienten mit akut dekompensierter Herzinsuffizienz, bei denen schwere Dyspnoe mit Angst im Vordergrund steht, können niedrig dosierte Opiate eingesetzt werden (offene Empfehlung).
  • Patienten mit akuter Dekompensation und Hypoxämie (Sauerstoffsättigung < 90 %) und/oder mit Ruhedyspnoe und/oder klinischen Zeichen einer Hypoxie sollen Sauerstoff erhalten (starke Positivempfehlung).

Maßnahmen im prästationären und stationären Bereich

Oxygenierung

  • Initial Sauerstoffgabe über Maske/Nasensonde
  • Nichtinvasive Beatmung (NIV)
    • Umfasst CPAP-Beatmung (Continuous Positive Airway Pressure) und BiPAP-Beatmung (Biphasic Positive Airway Pressure).
    • Bei Patienten mit akutem kardialem Lungenödem reduzieren CPAP und BiPAP die Intubationsraten und die Mortalität.7
    • Nichtinvasive Beatmung soll frühzeitig eingesetzt werden.8
    • Anteil an Sauerstoff (FiO2) kann in Abhängigkeit von der Blutoxygenierung bis 100 % gesteigert werden.3
      • Überoxygenierung sollte aber vermieden werden.3
  • Invasive Beatmung
    • Bei unzureichender Effektivität der NIV wird Intubation und invasive Beatmung erforderlich.

Leitlinie: Maßnahmen zur Oxygenierung, die bereits im prästationären Bereich möglich sind1

  • Wenn bei respiratorischer Insuffizienz durch Sauerstoffgabe keine Sauerstoffsättigung > 90 % erzielt werden kann und/oder bei fortbestehender Tachypnoe sollte nichtinvasiv druckgesteuert beatmet werden (abgeschwächte Positivempfehlung).
  • Wenn bei respiratorischer Insuffizienz eine nichtinvasive Beatmung nicht ausreicht oder kontraindiziert ist (z. B. komatöse Patienten), soll invasiv beatmet werden (starke Positivempfehlung).

Kausale Therapie

  • Häufigste Ursache eines Lungenödems ist die akute Linksherzinsuffizienz.
  • Oft sind die Ursachen der akuten Linksherzinsuffizienz behandelbar.
    • akutes Koronarsyndrom: Behandlung entsprechend der Guidelines für STEMI5 und NSTEMI4
    • hypertensive Entgleisung: zügige Blutdrucksenkung empfohlen (25 % in den ersten Stunden)3

Leitlinie: Behandlung spezifischer Ursachen1

  • Wurde bei Patienten mit akut dekompensierter Herzinsuffizienz eine spezifische Ursache der Dekompensation festgestellt, soll diese umgehend behandelt werden (starke Positivempfehlung).

Pharmakotherapie

  • Pathophysiologische Grundlage der Pharmakotherapie
    • erhöhter linksventrikulärer enddiastolischer Druck (LVEDP) bei Patienten mit akuter Herzinsuffizienz
  • Medikamentöse Behandlung zielt vor allem auf Vorlastsenkung ab, hierdurch letztlich auch Senkung des LVEDP.
    • bei gleichzeitig Hypotonie/kardiogenem Schock Indikation für Behandlung mit inotropen Medikamenten (Dobutamin, Dopamin, Phosphodiesterase-III-Hemmer, Levosimendan) und/oder Vasopressoren (Noradrenalin)
  • Schleifendiuretika
    • Boli oder Dauerinfusion
    • sowohl diuretische als auch initial venendilatierende Wirkung
  • Vasodilatoren
    • Nitrate
      • i. v. als Dauerinfusion (sofern Patient nicht hypoton)
      • vorwiegend Vorlastsenkung durch Dilatation der Venen
      • in geringerem Maße auch Nachlastsenkung (v. a. bei hohen Dosen)
    • Nitroprussid
      • starke Nachlastsenkung
      • nur als Dauerinfusion
      • indiziert bei kardiogenem Schock mit hohem peripheren Widerstand
      • Sollte unter invasiver Blutdrucküberwachung bei langsamer Titration eingesetzt werden.6
      • Nebenwirkung Zyanidintoxikation bei längerer Gabe
  • Inotropika
    • Dobutamin
    • Dopamin
    • Phosphodiesterase-III-Hemmer
    • Levosimendan (Kalzium-Sensitizer)
  • Vasopressoren
    • Noradrenalin

Leitlinie: Gabe von positiv inotropen Substanzen und Vasopressoren1

  • Bei Patienten mit akut dekompensierter Herzinsuffizienz und kardiogenem Schock können als Kurzzeittherapie bis zur Stabilisierung positiv inotrope Substanzen (bei Normotension) bzw. Vasopressoren (bei symptomatischer Hypotonie) erwogen werden (offene Empfehlung).

Mechanische Kreislaufunterstützung

  • Mechanische Unterstützung (z. B. durch IABP, Ventricular Assist Device) kann indiziert sein bei Patienten im kardiogenen Schock.3

Leitlinie: Mechanische Kreislaufunterstützung1

  • Die Indikation für Kurzzeitunterstützungssysteme sollte multidisziplinär gestellt werden. Die Fortführung sollte in Kooperation mit einem spezialisierten überregionalen Herzinsuffizienzzentrum erfolgen (abgeschwächte Positiv-Empfehlung).

Nierenersatzverfahren

  • Hämofiltration kann erwogen werden bei Patienten ohne ausreichendes Ansprechen auf Diuretika.3
  • Kein Hinweis auf Überlegenheit von Hämofiltration gegenüber Schleifendiuretika als Erstlinientherapie.3

Leitlinie: Nierenersatzverfahren3

  • Eine Nierenersatztherapie sollte bei Patienten mit refraktärer Volumenüberladung und akutem Nierenschaden erwogen werden (IIa/C).
  • Ultrafiltration kann bei Patienten mit fehlendem Ansprechen auf Diuretikatherapie erwogen werden (IIb/B).

Quellen

Leitlinien

  • NVL-Programm von BÄK, KBV, AWMF. VersorgungsLeitlinie Chronische Herzinsuffizienz. AWMF-Leitlinie nvl-006. S3, Stand 2019. www.awmf.org
  • European Society of Cardiology. Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure, Stand 2016. www.escardio.org
  • European Society of Cardiology. Guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation, Stand 2015. www.escardio.org
  • European Society of Cardiology. Guidelines for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation, Stand 2017. www.escardio.org
  • Arbeitsgemeinschaft in Norddeutschland tätiger Notärzte (AGNN): Therapieempfehlungen für die Notfallmedizin, Stand 2017. www.agnn.de

Literatur

  1. Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische Herzinsuffizienz – Langfassung, 3. Auflage. 2019 [zitiert: 2019-12-20]. DOI: 10.6101/AZQ/00046. www.awmf.org
  2. Arbeitsgemeinschaft in Norddeutschland tätiger Notärzte. Therapieempfehlungen für die Notfallmedizin. Stand 2017. www.agnn.de
  3. Ponikowski P, Voors A, Anker S, et al. 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J 2016; 37: 2129-2200. doi:10.1093/eurheartj/ehw128 DOI
  4. Roffi M, Patrono C, Collet J, et al. 2015 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation. Eur Heart J 2016; 37: 267-315. doi:10.1093/eurheartj/ehv320 DOI
  5. Ibanez B, James S, Agewall S, et al. 2017 ESC Guidelines for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation. Eur Heart J 2017; 00: 1-66. doi:10.1093/eurheartj/ehx393 DOI
  6. Hummel A, Empen K, Dörr M, et al. De novo acute heart failure and acute decompensated chronic heart failure. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 298–310. doi:10.3238/arztebl.2015.0298 DOI
  7. Peter J, Moran J, Phillips-Hughes J, et al. Effect of non-invasive positive pressure ventilation (NIPPV) on mortality in patients with acute cardiogenic pulmonary oedema: a meta-analysis. Lancet 2006; 367: 1155–1163. doi:10.1016/S0140-6736(06)68506-1 DOI
  8. Riessen R, Möckel M, et al. Klug entscheiden: . . . in der Internistischen Intensivmedizin. Dtsch Arztebl 2016; 113: A1493-A1495. www.aerzteblatt.de

Autoren

  • Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
Lungeødem; akutmedizinische behandlung eines lungenödems; Lungenödem, Akutbehandlung
Lungeødem; akutmedizinische behandlung eines lungenödems; Lungenödem, Akutbehandlung
Lungeødem; akutmedizinische behandlung eines lungenödems; Lungenödem, Akutbehandlung
Lungenödem; Lungenstauung; Pulmonale Stauung; Herzinsuffizienz; Akute Herzinsuffizienz; Herzinfarkt; Akutes Koronarsyndrom; ACS; STEMI; NSTEMI; Kardiogener Schock; BiPAP; CPAP; Oxygenierung; Nichtinvasive Beatmung; NIV; IABP; Nitrate; Vasopressoren; Diuretika; Positiv inotrope Substanzen; Mechanische Kreislaufunterstützung
Akutmedizinische Behandlung eines Lungenödems
CCC MK 07.01.2020, aktuelle NVL berücksichtigt CCC MK 01.12.2017, komplett neu bearbeitet
document-disease document-nav document-tools document-theme
Die folgenden Angaben beziehen sich auf die häufigste Form des Lungenödems, das kardiale Lungenödem. Weitere Informationen zu Ätiologie, Pathogenese, Diagnostik und Therapie von kardialen und nichtkardialen Lungenödemen finden Sie im Artikel Lungenödem.
Erste Hilfe/Notfallmedizin
Lungenödem, Akutbehandlung
/link/253aca12eeb7429fb5115ae2fc3a05ca.aspx
/link/253aca12eeb7429fb5115ae2fc3a05ca.aspx
lungenoedemlungenodem-akutbehandlung
SiteDisease
Lungenödem, Akutbehandlung
anders.skjeggestad@nhi.no
uanders@nhi.boos@gesinform.deno
de
de
de