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Genitale Läsionen

Allgemeine Informationen

Definition

  • Wunden im Genitalbereich können infektiöse oder nichtinfektiöse Ursachen haben.1
  • Die Diagnose stützt sich auf den Nachweis einer oder mehrerer mukokutaner Läsionen an Genitalien, Perineum oder Anus.

Häufigkeit

  • Die deutlich häufigste Ursache ist eine Herpes-Infektion.
  • In den USA sind die zweithäufigsten Ursachen Syphilis und Ulcus molle (weicher Schanker, Schankroid).1

Diagnostische Überlegungen

  • Sexuell übertragene Infektionen mit Läsionen im Genitalbereich:2
    • genitale Herpes-Simplex-Virus-Infektion (HSV-Infektion)
    • Syphilis (Treponema pallidum)
    • weicher Schanker/Ulcus molle/ Schankroid (Haemophilus ducreyi) – selten
    • Granuloma inguinale (Donovanosis, Klebsiella granulomatis) – sehr selten
    • Lymphogranuloma venereum (Chlamydia trachomatis Serotypen L1, L2 und L3) – selten; primär bei Männern, die Sex mit Männern haben.1
  • Sekundäre bakterielle Infektionen oder Mykosen
  • Nichtinfektiöse Ursachen:
    • Psoriasis
    • sexuelle Traumata
    • Morbus Behçet – am häufigsten bei jungen Erwachsenen in Ländern des östlichen Mittelmeerraums
    • Morbus Wegener
    • Medikamentenreaktion.
  • Risikofaktoren sind multiple Sexualpartner, ungeschützter Geschlechtsverkehr, nicht erkannte Läsionen in der Prodromalphase.

ICPC-2

  • Y04 Penissymptome /-beschwerden, and.
  • Y29 Genitalbeschwerden Mann, andere
  • X01 Genitalschmerz bei der Frau
  • X15 Vaginale Symptome / Beschwerden
  • X16 Vulvasymptome /-beschwerden
  • X17 Unterbauch / Unterleibsymptomatik
  • X29 Genitalsymptome /-beschw. Andere

ICD-10

  • R21 Hautausschlag und sonstige unspezifische Hauteruptionen
  • R23 Sonstige Hautveränderungen

Differenzialdiagnosen

Granuloma inguinale

  • Verursacht durch Klebsiella granulomatis (früher: Calymmatobacterium granulomatis), auch als Donovanosis bezeichnet.
  • Inkubationszeit acht bis zwölf Wochen3
  • Sehr selten
  • Persistierende, schmerzlose, stark rote Papeln und Ulzera. Kann hypertrophisch, nekrotisch oder sklerotisch sein.
  • Keine Lymphadenopathie, aber subkutane Granulome können vorkommen.
  • Diagnose durch Mikroskopie einer Gewebsprobe, in der dunkle sog. Donovan-Körper zu sehen sind.
  • Erstlinientherapie mit Azithromycin 1 g wöchentlich oder 500 mg täglich. Alternativ kommmen Cotrimoxazol, Doxycyclin, bei schlechtem Ansprechen Gentamicin (1 mg/kg alle 8 Stunden) oder in der Schwangerschaft Erythromycin 500 mg 4 x tgl. (derzeit außer Handel, Stand 03.02.2020) zur Anwendung. Die Behandlung wird so lange fortgesetzt, bis eine komplette Heilung erzielt ist.4

Ulcus vulvae acutum Lipschütz

  • Seltene, nicht sexuell übertragbare Krankheit bei sexuell nicht aktiven Mädchen oder Frauen (Virgines)
  • Gekennzeichnet durch rasch einsetzende, schmerzhafte nekrotische Wunden der Vulva oder unteren Vagina mit intensiven Schmerzen, Dysurie und rascher Einschmelzung des Gewebes. Oft gehen ihr influenza- oder mononukleoseähnliche Symptome voraus.
  • Die Läsionen sind groß (> 1 cm) und tief, mit rot-violettem Rand und nekrotischer Basis, bedeckt von grauem Exsudat oder grauschwarzen Abschuppungen.
  • Meist an den Labia minora, kann sich aber auch auf Labia majora, Perineum und untere Vagina ausbreiten. Symmetrische Läsionen („Kissing Lesions“) sind typisch.
  • Labiales Ödem und inguinale Lymphknotenschwellung
  • Verheilt innerhalb von sechs Wochen.
  • Klinische Ausschlussdiagnose mit genauer Anamnese. Cave: systemische Erkrankung.
  • Mikroskopisch: plumpe, grampositiver Stäbchen (von Herrn Lipschütz als Bacillus crassus bezeichnet)
  • Die Behandlung erfolgt symptomatisch. Wundbehandlung zur Verhinderung einer Superinfektion. Lokal anästhesierende Cremes, ausreichende Schmerztherapie und lokale antiseptische Maßnahmen kommen zur Anwendung.5
  • Ist mit einer EBV-Infektion oder anderen viralen oder bakteriellen Infektionen sowie aphtösen Läsionen assoziiert, in vielen Fällen ist jedoch keine auslösende Ursache feststellbar.
  • Rezidiviert bei rund einem Drittel.

Medikamentenreaktion

  • Verschiedene Arten von Ulzerationen verschwinden, wenn die Behandlung mit dem betreffenden Medikament eingestellt wird.

Andere ungewöhnliche Ursachen

  • Psoriasis – das Risiko steigt nach Traumata oder Exposition gegenüber verschiedenen Medikamenten.
  • Sexuelle Traumata
  • Morbus Wegener

Anamnese

Besonders zu beachten

  • Sexuelle Kontakte?
  • Frühere Ulzerationen?
  • Andere mögliche Erklärungen für die Ulzera?

Klinische Untersuchung

Allgemein

  • Lokale Veränderungen an den Genitalien
  • Lokale Lymphknoten

Ergänzende Untersuchungen

In der allgemeinmedizinischen Praxis

Andere Untersuchungen

  • Mikroskopie
    • Insbesondere für den Nachweis von Syphilis.6 Bestätigung durch positiven serologischen Test erforderlich.
    • Evtl. für den Nachweis von C. trachomatis
  • Kultur
    • Evtl. auf H. ducreyi (erfordert ein spezielles Kulturmedium) bei Verdacht auf Ulcus molle
    • Evtl. für den Nachweis von C. trachomatis
  • Selbst bei optimalen Labortests lässt sich in 25 % der Fälle genitaler Ulzera keine Pathogenese nachweisen.2

Maßnahmen und Empfehlungen

Indikationen zur Überweisung

  • Bei unklarer Diagnose

Empfehlungen

  • Für Fluorchinolone wurden von der Europäischen Arzneimittel-Agentur Anwendungsbeschränkungen empfohlen: Besondere Vorsicht bei Älteren und bei Patienten mit Nierenfunktionseinschränkung. Keine Kombination mit Kortikosteroiden. Nicht empfohlen als Mittel der 1. Wahl zur Behandlung leichter und mittelschwerer Infektionen.7
  • Übliche Wundbehandlung mit evtl. lokalen oder peroralen schmerzstillenden Mitteln1
  • HSV-Infektion
    • Bei starkem klinischen Verdacht auf Primärinfektion sollten Sie die Behandlung beginnen, bevor die Testergebnisse vorliegen.
    • Der Patient sollte keinen Sexualkontakt in der Prodromal- sowie in der Behandlungsphase haben.
  • Syphilis
    • Behandlung mit Penicillin G intramuskulär
  • Weicher Schanker
    • Behandlung mit intramuskulärer Einzelinjektion Ceftriaxon 250 mg; alternativ perorale Behandlung mit Azithromycin, Ciprofloxacin oder Erythromycin (derzeit außer Handel, Stand 03.02.2020)
  • Lymphogranuloma venereum
    • Behandlung mit Doxycyclin peroral 100 mg täglich x 21 Tage, evtl. verlängerte Kur. Erythromycin (derzeit außer Handel, Stand 03.02.2020) und Azithromycin sind Alternativen.
  • Morbus Behçet
    • Die Ulzera bilden sich in der Regel spontan zurück. Evtl. Kortikosteroide oder immunmodulierende Behandlung.
  • Eine frühe Behandlung ist bei HIV-Patienten besonders wichtig, da genitale Ulzera die HIV-Menge im Sperma erhöhen und damit das Ansteckungsrisiko steigt.6,8
  • Vorbeugende Maßnahmen
    • Empfehlen Sie Maßnahmen zur Vermeidung sexuell übertragbarer Ansteckungen.
    • Testen Sie auf HIV.

Illustrationen

Herpes genitalis, Mann
Herpes genitalis, Mann

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche STI-Gesellschaft e. V. (DSTIG) - Ges. z. Förderung der Sexuellen Gesundheit. STI/STD–Beratung. AWMF-Leitlinie 059-006, Stand 2015. www.awmf.org

Literatur

  1. Roett MA, Mayor MT, Uduhiri KA. Diangosis and management of genital ulcers. Am Fam Physician 2012; 85: 254-62. American Family Physician
  2. Low N, Broutet N, Adu-Sarkodie Y, Barton P, Hossain M, Hawkes S. Global control of sexually transmitted infections. Lancet 2006; 368: 2001-16. PubMed
  3. Velho PE, Souza EM, Belda Junior W. Donovanosis. Braz J Infect Dis 2008; 12: 521-5. PubMed
  4. O’Farrell N. European guideline on donovanosis. IUSTI/WHO European STD guidelines Editorial Board. 2010
  5. Radl A,  Pümpel R,  Kofler H. Ein seltenes genitales Ulkus. Gynäkologe  2011 ; 44: 405–408 . doi: 10.1007/s00129-011-2788-5 DOI
  6. Bruisten SM, Cairo I, Fennema H, et al. Diagnosing genital ulcer disease in a clinic for sexually transmitted diseases in Amsterdam, The Netherlands. J Clin Microbiol 2001; 39: 601-5. PubMed
  7. BfArM: Fluorchinolone: Einschränkungen in der Anwendung aufgrund von möglicherweise dauerhaften und die Lebensqualität beeinträchtigenden Nebenwirkungen 16.11.18. www.bfarm.de
  8. Powers KA, Poole C, Pettifor AE, Cohen MS. Rethinking the heterosexual infectivity of HIV-1: a systematic review and meta-analysis. Lancet Infect Dis 2008; 8: 553-63. PubMed
  9. Mat MC, Goksugur N, Engin B, Yurdakul S, Yazici H. The frequency of scarring after genital ulcers in Behçet's syndrome: a prospective study. Int J Dermatol 2006; 45: 554-6. PubMed

Autoren

  • Julia Trifyllis, Dr. med., Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Münster/W
  • Günter Ollenschläger, Prof. Dr. Dr. med., Internist, Uniklinikum Köln
  • Trine Hessevik Paulsen, allmennlege og redaksjonsmedarbeider i NEL
r21 utslett og annet uspesifikt hudutbrudd; r23 andre hudforandringer; r21 hautausschlag und sonstige unspezifische hauteruptionen; r23 sonstige hautveränderungen
y29 kjønnsorgan symptomer/plager ika mann; x16 vulva symptomer/plager; y04 penis symptomer/plager ika; x01 smerte kjønnsorgan; x15 skjede symptomer/plager ika; x17 underliv symptomer/plager; x29 kjønnsorgan symptomer/plager; x01 genitalschmerz bei der frau; y04 penissymptome /-beschwerden, and.; y29 genitalbeschwerden mann, andere; x15 vaginale symptome / beschwerden; x16 vulvasymptome /-beschwerden; x17 unterbauch / unterleibsymptomatik; x29 genitalsymptome /-beschw. andere
Wunden im Genitalbereich; Läsionen im Genitalbereich; Genitalschmerzen; Herpes-Infektion; Herpes-Simplex-Virus; HSV-Infektion; Syphilis-Infektion; Treponema palladium; Ulcus molle; Weicher Schanker; Schankroid; Haemophilus ducreyi; Granuloma inguinale; Klebsiella granulomatis; Donovanosis; Ulcus vulvae acutum Lipschütz
Genitale Läsionen
DDD MK 30.07.2020 Erythromycin verfügbar CCC MK 03.02.2020 Erythromycin (derzeit außer Handel, Stand 03.02.2020) Anwendungsbeschränkungen für Chinolone 9.4.19 UB
Revision at 21.10.2015 19:09:01: German Version
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Wunden im Genitalbereich können infektiöse oder nichtinfektiöse Ursachen haben.1 Die Diagnose stützt sich auf den Nachweis einer oder mehrerer mukokutaner Läsionen an Genitalien, Perineum oder Anus.
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