Definition:Nekrotisierende Vaskulitis mit granulomatöser Entzündung (früher Wegener-Granulomatose).
Häufigkeit:Seltene Erkrankung, die jährliche Inzidenz beträgt etwa 10 pro 1 Mio. Einwohner.
Symptome:Typisch im lokalisierten Frühstadium sind Symptome wie blutiger Schnupfen und Ohrenschmerzen. Häufig Generalisierung mit weiteren Symptomen wie Husten, Hämoptysen, Hämaturie, Arthralgien, gerötete Augen, Purpura, Symptome einer Polyneuropathie. Allgemeinsymptome wie Abgeschlagenheit, Fieber, Gewichtsverlust.
Befunde:Wegweisend sind meist die Befunde im Bereich der oberen und unteren Atemwege sowie der Nieren. Da es sich um eine Systemerkrankung handelt, können evtl. aber auch an weiteren Organsystemen (vor allem Augen, Haut, Gelenke, Nervensystem) Befunde erhoben werden.
Diagnostik:Neben den klinischen Veränderungen beruht die Diagnose auf dem laborchemischen Nachweis von c-ANCA und dem histologischen Nachweis einer granulomatösen Entzündung.
Therapie:Die Behandlung gliedert sich in Remissionsinduktion und Remissionserhaltung. Medikamentös beruht sie vor allem auf Immunsuppressiva einschließlich Glukokortikoiden.
Allgemeine Informationen
Definition
Die granulomatöse Polyangiitis (GPA) gehört zu den ANCA-assozierten Vaskulitiden.
Weitere ANCA-assoziierte Vaskulitiden sind die mikroskopische Polyangiitis und die eosinophile Granolumatose mit Polyangiitis (ehemaliges Churg-Strauss-Syndrom).1
Die GPA ist histomorphologisch gekennzeichnet durch:7
granulomatöse Entzündung
Vaskulitis.
Eine wichtige Rolle bei der Krankheitsentstehung spielen Autoantikörper gegen Granula von neutrophilen Granulozyten und Monozyten (antineutrophile zytoplasmatische Antikörper = ANCA).6
Durch die Wechselwirkung von ANCA mit neutrophilen Granulozyten kommt es zu einer Aktivierung und konsekutiver Endothelzellschädigung im Bereich kleiner Gefäße.8
Krankheitsstadien
Die GPA ist durch einen stadienhaften Verlauf gekennzeichnet.
Stadieneinteilung gemäß European League Against Rheumatism (EULAR)10-11
lokalisiert
lokaler Befall der oberen/unteren Atemwege ohne systemische Beteiligung
früh systemisch
systemischer Befall ohne organ- oder lebensbedrohlichen Befall
Sichere prädisponierende Faktoren für die Erkrankung sind nicht bekannt.
ICPC-2
K99 Andere Herz-Gefäßerkrankung
L99 Andere Muskeloskelet. Erkrankung
R99 Andere Atemwegserkrankung
ICD-10
M31.1 Wegener-Granulomatose
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
Bislang keine Diagnosekriterien vorhanden
Zur Abgrenzung von anderen Vaskulitiden können die an klinischen Symptomen orientierten Klassifikationskriterien des American College of Rheumatology verwendet werden:13
nasale oder orale Entzündung (schmerzhafte oder schmerzfreie Ulzerationen, eitrige/blutige Sekretion)
Lungenveränderungen im Röntgenthoraxntgen-Thorax (Knötchen, Infiltrationen, Kavernome)
pathologisches Urinsediment mit Mikrohämaturie oder Erythrozytenzylindern
Vaskulitisähnliche Hautveränderungen werden auch bei einer Cholesterinembolie, subakuten bakteriellen Endokarditis, Sepsis und bei Myxomen im linken Vorhof beobachtet.
langdauernde Sinusitis/Otitis, chronische Rhinitis mit Polypenbildung
Stenose tracheal/subglottisch
retroorbitaler Tumor
Mononeuritis
Als Suchtest kann zunächst ein indirekter Immunfluoreszenztest durchgeführt werden.8
Bei GPA vorwiegend zytoplasmatische Fluoreszenz (c-ANCA), in Einzelfällen kann auch p-ANCA positiv sein.
Ein negativer Test schließt eine Vaskulitis nicht sicher aus.
Bei ANCA-Nachweis weitergehende Testung mittels ELISA auf PR3-ANCA und MPO-ANCA8
Zielantigen c-ANCA-positiver Seren ist meist Proteinase 3 (PR3-ANCA).15
bei GPA in über 80 % der Fälle PR3-ANCA nachweisbar16
Gemäß revidierter Empfehlungen neuerdings auch primäre Untersuchung auf PR3-ANCA und MPO-ANCA möglich ohne vorherigen Screening-Test17-18
Biopsie
Gemäß der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie soll eine histologische Sicherung der Diagnose durch eine Biopsie klinisch betroffener Organe angestrebt werden.1
HNO-Trakt gut zugänglich, jedoch häufig unspezifische entzündliche Veränderungen
Kranielle MRT inkl. Abbildung von Nasennebenhöhlen und Orbitae
Therapie
Therapieziele
Der gesamte Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1,22
Mortalität verringern.
Langzeitschäden vermeiden.
Lebensqualität steigern bzw. erhalten.
Allgemeines zur Therapie
Rascher Beginn einer immunsuppressiven Therapie notwendig zur Verhinderung organ- und potentiell lebensbedrohender akuter und chronischer Organschäden1
Die Therapie erfolgt in Abhängigkeit von Stadium und Aktivität.8
Dabei gliedert sich die Behandlung in 2 Phasen:
Remissionsinduktion
in der Regel über 3–4 Monate
remissionserhaltene Therapie
Fortführung (bei fehlenden Kontraindikationen) über einen Zeitraum von mindestens 24 Monaten empfohlen1,23
Bei einem Rezidiv im weiteren Krankheitsverlauf wird erneut eine Remissionsinduktionstherapie vorgenommen.19
Therapeutische Entscheidungen sollten unter Einbeziehung der PatientenPatient*innen getroffen werden.1
Von nationalen und internationalen Fachgesellschaften wird empfohlen, die Behandlung durch Spezialisten und in einem interdisziplinären Team durchzuführen.24
Therapieprinzipien von Remissionsinduktion und Remissionserhaltung
Remissionsinduktion in den verschiedenen Krankheitsstadien8
Lokalisiert
Keine klaren Empfehlungen, remissionsinduzierende Therapie mit Methotrexat in Kombination mit Glukokortikoiden; in leichten Fällen kann Cotrimoxazol versucht werden.
Frühsystemisch
Methotrexat parenteral + Glukokortikoide unter Folsäuresubstitution
Generalisiert
Cyclophosphamid i. v. alle 2–3 Wochen oder oral für 3–4 Monate + Glukokortikoide – oder –
Rituximab i. v. 4 × im wöchentlichen Abstand oder 2 × im Abstand von 14 Tagen + Glukokortikoide
Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie. Diagnostik und Therapie der ANCA-assoziierten Vaskulitiden. S1, Stand 2017. link.springer.com
Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Zerebrale Vaskulitis und zerebrale Beteiligung bei systemischen Vaskulitiden und rheumatischen Grunderkrankungen. AWMF-Leitlinie 030-085. S1, Stand 2018. www.awmf.org
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AutorenAutor*innen
Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensimedizin, Freiburg i. Br.
KnutDie Aasarødursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, Drhttps://legehandboka. medno/)., Oberarzt, Nierenabteilung, St. Olavs-Hospital, Trondheim
vaskulitt; glomerulonefritt; wegeners granulomatose; bindevevssykdom; l99 annan muskuloskeletal sjukdomM311
vaskulitt; glomerulonefritt; wegeners granulomatose; bindevevssykdom; l99 annan muskuloskeletal sjukdom
vaskulittK99; glomerulonefrittL99; wegeners granulomatose; bindevevssykdom; l99 annan muskuloskeletal sjukdomR99
Definition:Nekrotisierende Vaskulitis mit granulomatöser Entzündung (früher Wegener-Granulomatose). Häufigkeit:Seltene Erkrankung, die jährliche Inzidenz beträgt etwa 10 pro 1 Mio. Einwohner.