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Karies bei Kindern

Zusammenfassung

  • Definition:Bei Karies kommt es durch Bakterien im Biofilm (Plaque) auf den Zahnoberflächen zu einer Demineralisation der Zähne.
  • Häufigkeit:Karies gehört zu den häufigsten chronischen Erkrankungen von Kindern im Vorschulalter.
  • Symptome:Auf den Zahnoberflächen entstehen unebene Stellen, die sich mit der Zeit verfärben. Evtl. treten Zahnschmerzen auf.
  • Befunde:Zähne mit dunkel verfärbten Stellen.
  • Diagnostik:Evtl. Röntgen.
  • Therapie:Gute Zahnhygiene. Bei Bedarf Füllung bereits entstandener Löcher.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Zahnkaries wird auch als Zahnfäule bzw. umgangssprachlich als Loch im Zahn bezeichnet.
  • Bei Karies kommt es zu einer Demineralisation der Zähne, die im Wesentlichen durch Streptococcus mutans verursacht wird.

Häufigkeit

  • Bei Kindern unter 6 Jahren ist Karies die häufigste chronische Erkrankung. Im ungünstigsten Fall kann eine Initialkaries bereits unmittelbar nach dem Durchbruch des Zahns entstehen. Die ersten Milchzähne brechen nach 6–12 Monaten durch.1

Ätiologie und Pathogenese

  • Bakterielle Infektion
    • Insbesondere das Bakterium Streptococcus mutans wandelt einfache Zuckermoleküle (Mono- und Disaccharide) in Säuren um, die der Zahnsubstanz Mineralien entziehen und dadurch Hohlräume verursachen.2
    • Sobald die Bakterien den Zucker in Säure umgewandelt haben, dauert es 20–40 Minuten, bis der Speichel das saure Milieu neutralisiert hat.
    • Die Bakterien setzen zwar auch viele andere Kohlenhydrate um, bewirken aber bei der Umwandlung von Zucker und insbesondere Saccharose den höchsten Säuregrad.2
    • Streptococcus mutans besiedelt die Mundhöhle erst, wenn bereits Zähne durchgebrochen sind: Je früher dies geschieht, desto höher ist das Kariesrisiko.
    • Die Bakterien stammen in erster Linie aus dem Speichel der Mutter. Je schlechter die Zähne und je höher der Zuckerkonsum der Mutter desto höher das Risiko einer Bakterienübertragung.
  • Zucker
    • Laktose bewirkt eine leichte Senkung des pH-Werts und gehört zu den am wenigsten kariogenen Zuckerarten. Studien zufolge kann das Trinken von Kuhmilch die Zähne gegen Karies schützen.3
    • Zuckerarten, die natürlicher Bestandteil von Lebensmitteln sind, wie z. B. die in Obst enthaltene Fruktose, erzeugen weniger Karies als künstlich zugesetzter Zucker.4
    • Da die Demineralisation der Zahnsubstanz in einem sauren Milieu stattfindet, spielt die pro Tag konsumierte Zuckermenge für die Entstehung von Karies eine entscheidende Rolle.
  • Weitere Risikofaktoren
    • Erfrischungsgetränke – einschließlich kalorienreduzierter Varianten ohne Zucker – scheinen durch den niedrigen pH-Wert der enthaltenen Phosphorsäure zum Kalkverlust beizutragen. Dabei spielt die Häufigkeit des Kohlenhydratkonsums für die Entwicklung von Karies eine größere Rolle als die jeweils konsumierte Menge.5
    • Ein Kleinkind insbesondere nachts zuckerhaltige Getränke aus dem Fläschchen trinken zu lassen, kann sehr schnell zur Bildung von Karies führen. Besonders kariogen sind gesüßte Getränke, Süßigkeiten, Kekse und häufige Zwischenmahlzeiten.2

Prädisponierende Faktoren

  • Unzureichende Mundhygiene
  • Unzureichende Mundhygiene und schlechter Zustand der Zähne bei der Mutter oder bei Geschwistern
  • Viele Zwischenmahlzeiten sowie hoher und häufiger Zuckerkonsum
  • Bei Frühgeborenen und Kindern mit niedrigem Geburtsgewicht liegt ggf. eine gestörte Zahnschmelzbildung vor.
  • Ein niedriger sozialer Status birgt ein erhöhtes Risiko von Zahnschmelzdefekten.
  • Medikamente, die eine Herabsetzung der Speichelproduktion bewirken.
  • Bestrahlung im Bereich von Kopf und Hals.

ICPC-2

  • D82 Zahn-/Zahnfleischerkrankung

ICD-10

  • K02 Zahnkaries
    • K02.0 Karies, auf den Zahnschmelz begrenzt
    • K02.1 Karies des Dentins
    • K02.2 Karies des Zements
    • K02.3 Kariesmarke
    • K02.4 Odontoklasie
    • K02.8 Sonstige Zahnkaries
    • K02.9 Zahnkaries, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Diagnosekriterien

  • Karies wird klinisch oder mittels Röntgen diagnostiziert.
  • Evtl. klinisch oder in der Röntgenaufnahme erkennbare Zeichen von Komplikationen der Karies

Differenzialdiagnosen

  • Gingivitis und andere Erkrankungen des Zahnfleischs
  • Zahnerosion
  • Erkrankungen der Nase
  • Erkrankungen der Ohren

Anamnese

  • Allgemeinmedizinische Faktoren einschließlich der Einnahme von Medikamenten
  • Demografische, sozioökonomische und psychosoziale Verhältnisse
  • Mundhygiene und Ernährungsgewohnheiten
  • Zahngesundheit und Zuckerkonsum bei der Mutter und ggf. den Geschwistern
  • Anomalien während der Schwangerschaft, bei der Entbindung oder im Säuglingsalter: Kam das Kind als Frühgeborenes oder mit niedrigem Geburtsgewicht zur Welt?
  • Unfälle, bei denen Verletzungen am Kiefer aufgetreten sind.

Klinische Untersuchung

  • Zahnschmelzdefekte sind in der Regel daran zu erkennen, dass die äußere Zahnschicht eine abweichende Färbung und eine weniger glatte Oberfläche aufweist.
  • Karies kann sich bereits kurz nach dem Durchbruch der Zähne bilden.
  • Im Kleinkindalter tritt Karies zuerst an den oberen Schneidezähnen auf.
  • Karies manifestiert sich anfangs als weißer Fleck oder Streifen mit rauer Oberfläche, der häufig von einer Plaqueschicht bedeckt ist. Bei einem weiteren Fortschreiten der Karies bildet sich eine Vertiefung, deren Wände gelblich bis bräunlich verfärbt sind. Bei älteren Kindern tritt Karies meist in den Vertiefungen und Fissuren der Backenzähne auf.

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

  • Sind bei gesunden Kindern in der Regel nicht erforderlich.

Diagnostik beim Spezialisten

  • Sind nur bei schweren Komplikationen erforderlich.

Indikationen zur Überweisung

  • Schwangere mit einem schlechten Zustand der Zähne, entzündetem Zahnfleisch, unzureichender Mundhygiene, lockeren Zähnen und/oder hohem Zuckerkonsum sind an eine Praxis für Zahnmedizin zu überweisen.
  • Bei allen Kindern mit erhöhtem Kariesrisiko sollte eine Aufklärung über die Wichtigkeit einer gründlichen Zahnpflege von Anfang an erfolgen.2
  • Wenn das Erscheinungsbild der Zähne vom normalen Befund abweicht, viel Plaque vorhanden ist oder sonstige Auffälligkeiten vorliegen, sollte das Kind an eine Praxis für Zahnmedizin überwiesen werden.6

Therapie

Therapieziele

  • Karies und ihre Folgeerscheinungen verhindern.
  • Bereits geschädigte Zähne instand setzen.
  • Wirksame Individualprophylaxe

Allgemeines zur Therapie

  • Das Kariesrisiko von Kleinkindern sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt vom behandelnden Kinderarzt oder Zahnarzt beurteilt werden.
  • Obwohl die Ursachen der Karies nicht abschließend geklärt sind, kann ihr gut vorgebeugt werden: Eine effektive Prävention ist daher von größter Bedeutung.7

Empfehlungen für Patienten

  • Sobald der erste Zahn durchgebrochen ist, empfiehlt sich das Zähneputzen mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta.
  • Bis Kinder ein Alter von etwa 12 Jahren erreicht haben, sind sie zunächst auf Hilfe und später auf Kontrollen beim bzw. nach dem Zähneputzen angewiesen.
  • Bei Patienten mit aktiver Karies oder erhöhtem Kariesrisiko empfiehlt sich die Anwendung fluoridhaltiger Mundspüllösungen oder anderer Präparate.8

Medikamentöse Therapie

  • Kariesprophylaxe mit Fluoriden
    • Die Wirksamkeit der Wasserfluoridierung ist lediglich auf niedrigem Evidenzlevel belegt.
    • Die Wirksamkeit der täglichen Anwendung fluoridhaltiger Zahnpasta ist auf hohem Evidenzlevel belegt.
    • Die Wirksamkeit einer zusätzlichen Fluoridbehandlung bei Karies, die noch nicht zur Bildung von Löchern geführt hat, ist unzureichend belegt.
    • Die Wirksamkeit von Triclosan-Präparaten bei Parodontitis ist nicht sicher belegt.

Prävention

  • Kinderarzt
    • Bevor das Kind 6 Monate alt oder der erste Zahn durchgebrochen ist, sollte der behandelnde Kinderarzt die Eltern über die richtige Mundhygiene und Anzeichen beginnender Zahnprobleme informieren.9
  • Fluorid
    • Die wichtigste Fluoridprophylaxe besteht in der Anwendung einer fluoridhaltigen Zahnpasta.10
    • Wenn im Einzelfall Fluoridtabletten verordnet werden, empfehlen sich Lutsch- oder Kautabletten.8
    • Diese erhöhen die Fluoridkonzentration im Speichel und sorgen so für den optimalen Schutz der noch jungen Zähne.
    • Da Kalzium mit dem Fluorid eine schwer lösliche Verbindung eingeht und dadurch dessen Aufnahme hemmt, sollten Fluoride nicht zeitgleich mit Milch oder Säuglingsnahrung eingenommen werden.
  • Zucker
    • Begrenzen Sie Umfang und Häufigkeit des Zuckerkonsums und beschränken Sie den Verzehr zuckerhaltiger Lebensmittel auf die Mahlzeiten.

Tipps und Maßnahmen für eine gute Mundhygiene

  • Zahnpflege
    • 2-mal täglich die Zähne mit fluorhaltiger Zahnpasta putzen und 1-mal täglich Zahnseide benutzen.
    • Bei Kindern mit aktiver Karies kann die Benutzung einer fluoridhaltigen Mundspüllösung empfohlen werden.11
  • In der Schwangerschaft
    • Eine Fluoridtabletteneinnahme in der Schwangerschaft kann nicht empfohlen werden, da keine überzeugenden Belege für einen kariespräventiven Effekt auf das Milchgebiss des Kindes gefunden wurden.8
  • Babyflasche
    • Kinder sollten nur Wasser, Muttermilch oder Säuglingsnahrung aus einer Babyflasche trinken.
    • Säfte und auch manche Getränke auf Sojabasis können in dieser Form Karies und teilweise Wachtumshemmungen auslösen.12
    • Frisches Obst ist besser als Saft.
  • Zähneputzen
    • Sobald der erste Zahn durchgebrochen ist, soll dem Kind 2-mal täglich die Zähne geputzt werden.
    • Da im Mund verbleibende Zahnpastareste die Zähne zusätzlich gegen Karies schützen, wird überschüssige Zahnpasta ausgespuckt, der Mund aber am besten nicht ausgespült.13
    • Zuckerhaltige Speisen und Getränke nach dem abendlichen Zähneputzen sollten tabu sein.9
  • Fluorid bei Kleinkindern
    • Bis zum Alter von 3 Jahren wird empfohlen, die Zähne mit einer sehr kleinen Menge fluoridhaltiger Zahnpasta zu putzen. Danach lautet die Empfehlung auf eine etwa erbsengroße Portion Zahnpasta.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf – Entwicklung von Karies

  • In der Mundhöhle befindliche Bakterien zersetzen an den Zähnen Kohlenhydrate aus der Nahrung und produzieren dabei Säure.
  • Diese Säure greift den Zahnschmelz an, indem sie ihm Mineralien entzieht.
  • Wenn keine Behandlung erfolgt, schreitet dieser Prozess fort, und es entsteht ein Hohlraum.

Komplikationen

  • Pulpitis
    • Aus einer Pulpitis kann sich ein periapikaler Abszess entwickeln.
  • Überdosierung von Fluoriden
    • Eine übermäßige Aufnahme von Fluoriden kann Zahnverfärbungen bzw. bei sehr starker Überdosierung Vergiftungen verursachen.
  • Akute Fluoridvergiftung
    • Eine akute Fluoridvergiftung kann eintreten, wenn ein Kind 5 mg Fluorid pro Kilogramm Körpergewicht aufgenommen hat. Es liegen Fallbeschreibungen vor, laut denen die Einnahme von 15 mg Fluorid pro kg Körpergewicht lebensbedrohlich sein kann. Für ein 5-jähriges Kind könnte somit z. B. eine halbe Tube Zahnpasta eine Lebensgefahr darstellen.
    • Eine lebensbedrohliche Fluoridvergiftung verursacht Hypokalzämie und die damit verbundenen Krämpfe, Tetanie und eine Herabsetzung der Kontraktilität des Herzens, die wiederum zu Kammerflimmern oder Herzstillstand führen kann. Die ersten Symptome sind Übelkeit, Schwitzen, Unwohlsein, Erbrechen, Bauchschmerzen, Durst und Müdigkeit.
    • Bei einer akuten Fluoridvergiftung sind die orale Zufuhr von Kalzium, z. B. in Form von Milch, forciertes Erbrechen und die Überwachung der Herztätigkeit indiziert.

Prognose

  • Durch effektive Vorbeugung und gezielte frühzeitige Maßnahmen bei Kindern mit erhöhtem Kariesrisiko lässt sich die Prognose deutlich verbessern.

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Fluoridierungsmaßnahmen zur Kariesprophylaxe. AWMF-Leitlinie Nr. 083-001, Stand 2014. www.awmf.org

Literatur

  1. United States Public Health Service, Office of the Surgeon General. Oral health in America: a report of the Surgeon General. Rockville, Md.: Dept. of Health and Human Services, U.S. Public Health Service, 2000.
  2. Douglass JA, Douglass AB, Silk HJ. A practical guide to infant oral health. Am Fam Physician 2004; 70: 2113-22. PubMed
  3. Seow WK. Biological mechanisms of early childhood caries. Community Dent Oral Epidemiol 1998; 26(1 suppl):8-27.
  4. Moynihan PJ. Update on the nomenclature of carbohydrates and their dental effects. J Dent 1998; 26:209-18. PubMed
  5. Nguyen DH, Martin JT. Common dental infections in the primary care setting. Am Fam Physician 2008; 77: 797-802. PubMed
  6. Hale KJ, American Academy of Pediatrics Section on Pediatric Dentistry. Oral health risk assessment timing and establishment of the dental home. Pediatrics 2003; 111(5 pt 1):1113-6.
  7. Infant oral health care. American Academy of Pediatric Dentistry oral health policies. Pediatr Dent 1998; 20:23. PubMed
  8. Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Fluoridierungsmaßnahmen zur Kariesprophylaxe. AWMF-Leitlinie Nr. 083-001, Stand 2014. www.awmf.org
  9. Sanches OM, Childers, NK. Anticipatory guidance in infant oral health: rationale and recommandations. Am Fam Physician 2000; 61: 115-24. PubMed
  10. Tinanoff N, Douglass JM. Clinical decision-making for caries management in primary teeth. J Dent Educ 2001; 65:1133-42. PubMed
  11. Recommendations for using fluoride to prevent and control dental caries in the United States. Centers for Disease Control and Prevention. MMWR Recomm Rep 2001; 50(RR-14):1-42.
  12. Erickson PR, McClintock KL, Green N, LaFleur J. Estimation of the caries-related risk associated with infant formulas. Pediatr Dent 1998; 20:395-403. PubMed
  13. Chestnutt IG, Schafer F, Jacobson AP, Stephen KW. The influence of toothbrushing frequency and post-brushing rinsing on caries experience in a caries clinical trial. Community Dent Oral Epidemiol 1998; 26:406-11. PubMed

Autoren

  • Günter Ollenschläger, Prof. Dr. Dr. med., Professor für Innere Medizin, Uniklinikum Köln
  • Ylva-Britt Wahlin, universitetslektor odontologi, Umeå universitet
  • Tor André Johannessen, allmänläkare, Hallset legesenter, Trondheim
KariesK02; tannskadeK020; K021; K022; K023; K024; K028; K029
Karies; tannskade
Karies; tannskadeD82
Zahnkaries; Zahnfäule; Demineralisation der Zähne; Streptococcus mutans; Mundhygiene; Fluorid; Zahnpflege; Loch im Zahn; Löcher in den Zähnen
Karies bei Kindern
chck go 18.3. MK 15.11.2017
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Definition:Bei Karies kommt es durch Bakterien im Biofilm (Plaque) auf den Zahnoberflächen zu einer Demineralisation der Zähne. Häufigkeit:Karies gehört zu den häufigsten chronischen Erkrankungen von Kindern im Vorschulalter.
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