Definition:Vaskulitis der kleinen Gefäße, die Haut, Darm, Niere und Gelenke betrifft. Keine klare Ätiologie, aber Infektionen, Medikamente oder andere Umweltfaktoren können auslösende Faktoren sein.
Häufigkeit:Häufigste Vaskulitis im Kindesalter. Erkrankungsgipfel: 4–6 Jahre. Jungen scheinen etwas häufiger betroffen zu sein.
Symptome:Meist geht ein Atemwegsinfekt voraus. Neben einem Hautausschlag sind Bauch- und Gelenkschmerzen typische Symptome. Diese können schleichend oder plötzlich auftreten.
Befunde:Typische tastbare, leicht erhabene, nicht wegdrückbare Purpura/Petechien beginnend an der unteren Extremität mit Ausbreitung bis zum Gesäß und perigenital.
Diagnostik:Meist klinisch. Es gibt keinen sicheren serologischen Test zum Nachweis der Krankheit, aber Serum-IgA und -IgM sind bei 50 % der Betroffenen erhöht. Etwa die Hälfte der Patienten entwickelt eine Hämaturie und/oder Proteinurie. Bei unklarer Konstellation ggf. Hautbiopsie.
Therapie:Symptomatisch, da meist selbstlimitierend mit folgenloser Ausheilung; die Erkrankung klingt in der Regel innerhalb von 4 Wochen ab.
Allgemeine Informationen
Definition
Purpura Schönlein-Henoch ist die häufigste Vaskulitis des Klein- und Schulkindes.Sie betrifft immer die Haut mit einem typischen Bild. Darm, Niere und Gelenke können ebenso betroffen sein.
Die Erkrankung beginnt zumeist mit dem Hautausschlag. Dieser ist feinfleckig und leicht erhaben tastbar. Typischerweise beginnend an den Unterschenkeln mit Ausbreitung bis zum Gesäß. Arme und andere Körperregionen sind seltener betroffen.
Zudem kann es zu einer Nierenbeteiligung häufig mit Hämaturie; Bauchschmerzen gelegentlich mit Blutungen im Magen-Darmtrakt oder Darminvagination und nicht-gelenkzerstörenden Athralgien/Arthitiden kommen.1-2
Die Erkrankung wird auch Purpura anaphylactoides genannt.
Häufigkeit
Die Krankheit tritt hauptsächlich in der Kindheit auf und betrifft Jungen etwas häufiger als Mädchen.3
Inzidenz
10–22 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr3
Kinder unter 10 Jahren machen mehr als 90 % der Fälle aus. Die Inzidenz ist bei Kindern zwischen 5 und 15 Jahren am häufigsten.3-5
Bei Säuglingen und Kindern unter 2 Jahren verläuft die Erkrankung meist leichter.6
Das Vorkommen ist im Winterhalbjahr häufiger und tritt meist nach einer Atemwegsinfektion auf.3,7
Ätiologie und Pathogenese
Die Erkrankung hat keine klare Ätiologie, wird aber nach bakteriellen und viralen Infektionen (beta-hämolysierende Streptokokken, Mykoplasmen, Epstein-Barr-Virus, Adenovirus und Parvovirus B193), nach Insektenstichen, Allergien und Kälteexposition sowie nach Medikamenteneinnahme, inklusive Antibiotika, beobachtet.8
Bei Erkrankung führt die Exposition gegenüber dem Antigen zur Bildung von sich in Organen ablagernden Immunkomplexen, was durch abnorme Synthese, Sekretion und das Fortbestehen von IgA1 sowie eine abnorme Glykolysierung des IgA1 geschieht.
Diese Immunkomplexablagerung bewirkt eine erhöhte vaskuläre Permeabilität, Exsudation und Blutungen, was in den verschiedenen Organsystemen entsprechende Symptome auslöst.3
Von allen Pathogenen sind beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A am besten untersucht. Positive Kulturen aus oropharyngealen Abstrichen liegen bei 10–30 % der Patienten vor. Außerdem ist der Titer für Antistreptolysin O bei 20–50 % erhöht.9-10
Disponierende Faktoren
Vorausgehende Infektionen
Männliches Geschlecht
ICPC-2
B83 Purpura/Gerinnungsstörung
ICD-10
D69.0 Purpura anaphylactoides
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
Die Diagnose wird aufgrund des typischen klinischen Bildes gestellt: typische Purpura, ggf. Bauchschmerzen, Arthritis sowie Befunde einer Nierenerkrankung bei gleichzeitigem Fehlen einer Thrombozytopenie.11
Internationale Konsenskriterien
Obligat palpable Purpura und eine oder mehrere der folgenden Beschwerden:12-14
Die Erkrankung kann akut mit mehreren Manifestationen gleichzeitig oder schleichend über Wochen und Monate beginnen.5
Eine Beteiligung der Haut liegt immer vor.
Sie beginnt häufig mit hellroten makulopapulösen Läsionen.
Der Hautausschlag entwickelt sich dann oft zu Petechien oder Purpura, er ist symmetrisch lokalisiert.8,16
Er beginnt meist an den Füßen und breitet sich zentral aus.
Er verläuft an den Streckseiten der Extremitäten.
Das Gesäß und perigenitale Hautareale können ebenfalls betroffen sein.
Blutungen können zu großen Arealen zusammenfließen und zu Hautnekrosen führen.
Bei 10–25 % können Gelenkschmerzen und gastrointestinale Beschwerden bereits bis zu 2 Wochen vor Beginn des Hautausschlags auftreten.15
Weitere häufige Organmanifestationen
Gelenkschmerzen und Gelenkschwellung (bei 75 %, Schönleins Purpura rheumatica), meist Sprung- und Kniegelenke15; niemals liegt ein Hämathros vor.
Kann bei 15–25 % der Fälle dem Hautausschlag vorausgehen.9
Die Symptome sind vorübergehend und hinterlassen keine Gelenkverformung.
Bauchschmerzen (oft postprandial) mit oder ohne Meläna (50–75 %); intestinale Komplikationen (Blutung, Obstruktion, Perforation, Invagination (1,5 %) können lebensbedrohlich sein. Die Blutungen können okkult sein oder mit blutigen oder pechschwarzen bis teerartigen Stuhl (30%) einhergehen.17 Auch die Entwicklung einer Pankreatitis ist möglich.3
Bei rund 40–50 % der Kinder mit Henoch-Schönlein kommt es zur Nierenbeteiligung mit Hämaturie (25 %) und/oder Proteinurie.18
Sie tritt fast nie vor dem Hautausschlag auf und kann um Wochen oder Monate verspätet sein. So kann der Nierenbefall zwischen dem 3. Tag und 1 Jahr nach Diagnosestellung auftreten.3
Häufig besteht nur eine geringe Symptomatik mit Hämaturie oder geringer Proteinurie (ca. 80 %).3
Eine schwere Nierenbeteiligung kann zum nephritisch-nephrotischen Syndrom und akuter Niereninsuffizienz führen. Von diesen Patienten entwickeln ca. 15–50 % innerhalb von 5–10 Jahren eine terminale Niereninsuffizienz.7
Das histologische Bild kann je nach Schweregrad von minimalen Läsionen bis hin zum Bild einer membranoproliferativen Glomerulonephritis reichen.3
Das Risiko einer Nierenerkrankung ist bei Personen mit einem Alter über 10 Jahren mit fortdauernder Purpura, starken Bauchschmerzen am höchsten.19-20
Seltenere Oragnmanifestationen
Auch Schmerzen und Schwellungen im Skrotum (Orchitis, Hodentorsion) können in 2–40 % der Fälle auftreten.19
Sehr selten sind Gehirn (Hirnblutungen, Krämpfe) und Lunge (Pneumonie, alveoläre Blutung) betroffen.3
Klinische Untersuchung
Hämorrhagisch makulopapulöser, palpabler Hautausschlag an Extremitäten, Gesäß und perigenital
Bei Gelenkbeteiligung: Schwellungen und Schmerzen in den Gelenken
Bei Beteiligung des Gastrointestinaltrakts: akute Bauchschmerzen ggf. mit Meläna; bei intestinalen Komplikationen wie Darminvagination, Perforation, Obstruktion; Bild eines akuten Abdomens
Bei Beteiligung des Urogenitaltrakts: ggf. Hodenschwellung und -schmerz
Bei Nierenbeteiligung: ggf. Bild eines nephrotischen (Proteinurie > 3,5 g/d, Hypoproteinämie < 60 g/l, Hyperlipoproteinämie, periphere Ödeme) oder nephritischen Syndroms (Ödeme, Hypertonus, Hämaturie).
ggf. Gerinnungsfaktoren (Prothrombin, partielle Thromboplastinzeit, Fibrinogen) sowie Serum-IgA und -IgM (bei ca. 50 % der Patienten im akuten Stadium erhöht1,21) und ANA, Komplement sowie ANCA zur differenzialdiagnostischen Abwägung
Eine spezifische serologische Testung auf Purpura Schönlein-Henoch ist nicht möglich.6
Sonografie des Abdomens bei unklaren abdominellen Beschwerden oder Verdacht auf Invagination22
(Kinder-)urologische Vorstellung bei Hodenschwellung zum Ausschluss einer Hodentorsion und zur weiteren differenzialdiagnostischen Abklärung
Eine stationäre Einweisung ist bei unzureichender Verlaufskontrolle, moderater bis schwerer Dehydrierung, Blutungen, akutem Abdomen zum Ausschluss einer Invagination, Darmperforation und schwerer Nierenbeteiligung sinnvoll.25
Therapie
Therapieziele
Symptomlinderung, bis die Erkrankung spontan abklingt.
Bei Nierenbeteiligung stadiengerechte Therapieeinleitung, um eine Niereninsuffizienz zu verhindern.
Allgemeines zur Therapie
Die Erkrankung ist in den meisten Fällen (90 %) selbstlimitierend, dauert durchschnittlich 4 Wochen und erfordert keine Behandlung außer einer körperlichen Schonung.5,25
Empfehlungen für Patienten
Während der akuten Krankheitsphase ist es ratsam, körperliche Anstrengungen zu vermeiden und möglicherweise Bettruhe einzuhalten.
Laut PRES (Paediatric Rheumatology European Society) können erkrankte Kinder nach Genesung wieder zur Schule gehen und an sportlichen Aktivitäten wie Schulsport teilnehmen. Die PRES empfiehlt, darauf zu vertrauen, dass Kinder bei auftretenden Gelenkschmerzen von selbst mit der sportlichen Aktivität aufhören. Eine mechanische Belastung sei bei einer Athritis zwar schädlich, jedoch nehme man an, dass der dadurch entstehende Schaden weitaus geringer ist als die psychische Belastung, die sich daraus ergibt, von sportlicher Aktivitäten mit Freunden ausgeschlossen zu sein.
Medikamentöse Therapie
In der Hausarztpraxis
Schmerzstillende Medikamente bei Bedarf, z. B. Paracetamol oder NSAR (nicht bei Nierenbeteiligung)6
Beim Spezialisten
Kortikosteroide werden bei schwereren Fällen eingesetzt und haben Wirkung auf Nieren-, Abdominal-, Gelenk- und Hautsymptome.
Hinsichtlich der Therapie einer Nierenbeteiligung fehlen bislang evidenzbasierte Therapieempfehlungen. Angewandte Medikamente kommen so meist off label zum Einsatz.26
Aktuell wird ein Therapieschema nach dem Schweregrad der Nierenbeteiligung verfolgt.
Eine leichte Nephropathie (Mikrohämaturie und/oder leichte Begleitproteinurie) wird lediglich überwacht (siehe auch Verlaufskontrollen).
Bei mäßiger Nephropathie (nicht nephrotische, andauernde mäßige Proteinurie ohne Nierenfunktionsstörung) wird meist eine Therapie mit einem ACE-Hemmer aufgenommen.
Bei einer schweren Nephropathie (nephrotische Proteinurie oder nephritisches Syndrom mit Störung der Nierenfunktion oder rasch progrediente Glomerulonephritis) kommen nach einer Nierenbiopsie Kortikosteroide evtl. in Kombination mit Immunsuppressoren (wie Azathioprin, Cyklophosphamid oder Cyklosporin) zum Einsatz.2-3
Eine prophylaktische Gabe von Kortikosteroiden zur Verhinderung einer Nierenbeiligung wird bei nachweislicher Wirkungslosigkeit nicht empfohlen.3
Sekundärbehandlung
Plasmapherese bei rasch fortschreitender Nierenbeteiligung.3
Prävention
Es gibt derzeit keine Interventionen, die eine Nierenerkrankung bei Kindern mit Purpura Schönlein-Henoch verhindern können (Ia).27
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
Bei den meisten Patienten ist der Krankheitsverlauf gutartig und dauert nur kurz an. Innerhalb von einigen Wochen meist vollständige Ausheilung.
Ein Rezidiv ist allerdings möglich und kam in einer großen Kohorte bei 1/3 vor.28
Eine Nierenbeteiligung kann langwierig mit einer leichten Proteinurie und Hämaturie über mehrere Monate verlaufen oder sogar langsam progredient nach mehreren Jahren noch in eine Niereninsuffizienz münden.3
Komplikationen
Nierenbeteiligung
In 40–50 % der Fälle wird eine Nierenbeteiligung beobachtet, meist eine milde Form mit mikroskopischer Hämaturie und Proteinurie.28
Orchitis und skrotale Schwellungen können bei bis zu 35 % der Jungen mit Schönlein-Henoch vorkommen.5
Ebenso ist eine Hodentorsion aufgrund eines skrotalen Ödems möglich.
Selten treten andere lebensbedrohliche Zustände, wie Hirnblutungen oder alveoläre Blutungen bei Gehirn- oder Lungenbeteiligung auf.3
Prognose
Im Großen und Ganzen gut; die Krankheit klingt in der Regel spontan im Verlauf von 4 Wochen ab.15
Die Purpura Schönlein-Henoch hat eine ausgeprägte Tendenz zum Rezidiv. Dies gilt für etwa 1/3 der Erkrankten während der ersten 6 Monate nach der Akutphase und trifft normalerweise diejenigen mit einer Nierenbeteiligung.
Nach schwerer Nierenbeteiligung, langwieriger Krankheit und/oder mehreren Rezidiven kommt es in einigen Fällen (1–5 %) zu einer chronischen Nierenbeteiligung.31
30–50 % haben monate- und jahrelang pathologische Urinbefunde, aber nur 1–3 % entwickeln eine manifeste Nierenerkrankung.9,21
Patienten mit mikroskopischer Hämaturie und minimaler Proteinurie haben eine gute Prognose.
Da eine Nierenbeteiligung sich in 99 % der Fälle innerhalb 1 Jahres nach der Purpura entwickeln kann, werden regelmäßige Verlaufskontrollen des Urins und des Blutdrucks empfohlen.
Im 1. Monat nach Erkrankung sind Untersuchungen 2 x pro Woche ratsam.
In den Monaten 2 und 3 nach Erkrankung kann das Intervall auf 1 x wöchentlich erhöht werden.
4–6 Monate nach Erkrankung ist eine Kontrolle 2 x monatlich empfehlenswert.
In den Monaten 6–12 reicht eine monatliche Kontrolle aus.
Bei unauffälligen Befund nach 1 Jahr können die Kontrollen beendet werden.
Besteht nach 1 Jahr ein leichter Nierenbefall (Mikrohämaturie, evtl. mit diskreter Proteinurie), wird eine Urinkontrolle und Blutdruckmessung 1- bis 2-mal jährlich empfohlen.3
Welche Kontrollen werden empfohlen?
Urinuntersuchung auf Hämaturie und Proteinurie mittels Urinstix und Protein/Kreatinin im Urin oder 24-Stunden-Sammelurin
Bei in den Verlaufskontrollen auffälliger Hypertonie, Proteinurie oder Makrohämaturie ist eine nephrologische Vorstellung zur weiteren Diagnostik und Therapie anzuraten.3
Hellrote makulopapulöse Läsionen, die bei Druck blass werden.
Der Hautausschlag tritt meist an Extremitäten, Gesäß und perigenital auf. Die Gelenke können anschwellen.
Bei etwa der Hälfte der Kinder mit der Erkrankung kommt es zur Nierenbeteiligung (Hämaturie und/oder Proteinurie).
Klinische Diagnose Typisch sind Purpura, Bauchschmerzen, Arthritis und Befund einer Nierenerkrankung bei gleichzeitigem Fehlen einer Thrombozytopenie.
Quellen
Leitlinien
Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie.Invagination. AWMF-Leitlinie Nr. 006-027. S1, Stand August 2013. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie. Akutes Skrotum im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 006-023. S2k, Stand 2015. www.awmf.org
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Autoren
Kristine Scheibel, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Norderney
Ingard Løge, spesialist allmennmedisin, universitetslektor, institutt for sammfunsmedisinske fag, NTNU, redaktør NEL
Definition:Vaskulitis der kleinen Gefäße, die Haut, Darm, Niere und Gelenke betrifft. Keine klare Ätiologie, aber Infektionen, Medikamente oder andere Umweltfaktoren können auslösende Faktoren sein.
Pädiatrie
Purpura Schönlein-Henoch
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