Bei den meisten schwangeren Frauen mit Herzerkrankung liegt ein angeborener Herzfehler vor.
Ist eine Schwangerschaft möglich?
Die meisten Frauen können ohne erhöhtes Risiko schwanger werden und entbinden.
Von einer Schwangerschaft wird abgeraten bei schwerwiegender pulmonaler Hypertonie, Marfan-Syndrom oder Ehlers-Danlos-Syndrom mit dissezierendem Aortenaneurysma, schwerwiegender Aortenstenose und signifikant herabgesetzter Kammerfunktion.
Auswirkungen auf das Herz:
Während der Schwangerschaft steigt das Minutenvolumen des Herzens um 30–50 %, damit ist eine erhöhte kardiale Belastung verbunden.
Unter der Entbindung variiert die Vorlast des Herzens erheblich; eine Situation, die bei pulmonaler Hypertonie kritische Auswirkungen haben kann.
Kardiologische Beurteilung vor der Schwangerschaft:
Eine solche sollte nach Möglichkeit stattfinden, um das Risiko hämodynamischer Komplikationen einschätzen zu können.
Sie umfasst unter anderem eine klinische Untersuchung, EKG, Belastungs-EKG, Echokardiographie, MRT oder ggf. eine Herzkatheteruntersuchung
Risiko für einen Herzfehler beim Fötus:
Wenn die Mutter einen angeborenen Herzfehler hat, trägt das Kind ein Risiko von 3–12 %, ebenfalls mit einem Herzfehler geboren zu werden. Verglichen dazu beträgt das Risiko in der Allgemeinbevölkerung 0,8 %.1-2
Eine fetale Echokardiografie sollte um die 20. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden.
Häufigkeit
Herzerkrankungen (sowohl angeborene als auch erworbene) komplizieren ca. 0,2-4% aller Schwangerschaften in den westlichen Industriestaaten.
Der Anteil an Schwangeren mit einer Koronarerkrankung wächst aufgrund des zunehmenden Alters bei Erstgebärenden und des gehäuften Vorkommen von Risikofaktoren wie Diabetes, Hypertonie und Übergewicht.
Heutzutage gibt es mehr Menschen, die aufgrund der Behandlungsmöglichkeiten mit einem angeborenen Herzfehler aufwachsen.
Rheumatische Herzerkrankungen dominieren bei Patientinnen aus nichtindustrialisierten Ländern.
Risikobeurteilung
Das Risiko, dass eine Schwangere mit angeborenem Herzfehler ein kardiovaskuläres Ereignis erleidet (beispielsweise symptomatische Arrhythmie, Schlaganfall, Lungenödem, Herzinsuffizienz oder Tod) hängt davon ab, inwieweit ihr Herz-Kreislauf-System in der Lage ist, sich an die physiologischen Veränderungen während der Schwangerschaft anzupassen.3-4
Einfache Herzfehler:
Vorhofseptumdefekt, Kammerseptumdefekt und persistierender Ductus arteriosus, die frühzeitig operiert wurden, machen keine besondere Therapie erforderlich.
Ein asymptomatischer Links-Rechts-Shunt und mäßige pulmonale Stenose werden gewöhnlich während einer Schwangerschaft gut toleriert.
Vorhofseptumdefekt ohne pulmonale Hypertonie stellt nur ein geringfügig erhöhtes Risiko dar, jedoch besteht das Risiko für eine paradoxe Embolie bei Valsalva-ähnlichen Manövern.
Wenn eine Schwangerschaft ein hohes Risiko darstellt, sollte von einer Schwangerschaft abgeraten werden. Dies trifft bei folgenden Erkrankungen zu:
Eisenmenger-Syndrom, pulmonale Hypertonie nach anamnestischem Links-Rechts-Shunt, primäre pulmonale Hypertonie, schwere Aortenstenose, Marfan-Syndrom mit Aortenaneurysma, schwerwiegende ventrikuläre Dysfunktion der NYHA-Klasse III–IV.
Sonstige Schädigungen:
Systemischer rechter Ventrikel: begünstigt supraventrikuläre Arrhythmien und Herzinsuffizienz während einer Schwangerschaft.
Volumen- und Druckbelastung rechter Ventrikel: Schwangerschaft und Entbindung werden meist ohne nennenswerte Probleme verkraftet.
Zyanotische Patientin: die Möglichkeit einer Schwangerschaft sinkt mit dem Grad der Zyanose.
Mäßige Ventrikeldysfunktion: aufgrund einer herabgesetzten Kammerfunktion ist die sorgfältige Überwachung während der Schwangerschaft angezeigt.
Aortenisthmusstenose und mäßige Aortenstenose kann eine arterielle Hypertonie nach sich ziehen.
Eine Literaturrecherche zu den Schwangerschaftsausgängen von 2.491 schwangeren Frauen mit Herzfehler ergab:5
Schwerwiegende Herzkomplikationen bei 11 %.
Komplikationen im Zusammenhang mit der Entbindung waren nicht häufiger als sonst.
Bei komplexer Herzerkrankung war das Risiko für eine Frühgeburt hoch, außerdem waren einige Kinder im Verhältnis zur Schwangerschaftsdauer zu klein.
Die erhöhte Sterblichkeit beim Fötus/Kind war auf die hohe Zahl von Frühgeburten und das Wiederauftreten von Herzerkrankungen zurückzuführen.
Generische Risikofaktoren bei Frauen
Ungünstige Funktionsklasse vor der Schwangerschaft (NYHA > II) oder Zyanose.
Mitralklappenbereich < 2 cm2, Aortenklappenbereich < 1,5 cm2, maximaler Druckgradient für den Blutdurchfluss im linken Ventrikel, ermittelt mit Doppler > 30 mm Hg vor der Schwangerschaft.
Schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse vor der Schwangerschaft wie symptomatische Arrhythmie, Schlaganfall, transitorische ischämische Attacke oder Lungenödem.6
Risikoberechnung:
Das Risiko für zu erwartende kardiovaskuläre Ereignisse unter der Schwangerschaft mit 0, 1 oder > 1 der genannten Risikofaktoren beträgt 5 %, 27 % bzw. 75 %.3,6
Generische Risikofaktoren für den Fötus
Ungünstige Funktionsklasse der Mutter vor der Schwangerschaft (NYHA > II) oder Zyanose der Mutter.
Linksseitige Herzblockade:
Mitralklappenbereich < 2 cm2, Aortenklappenbereich < 1,5 cm2, maximaler Druckgradient für den Blutdurchfluss im linken Ventrikel, ermittelt mit Doppler > 30 mm Hg vor der Schwangerschaft.
Alter der Mutter < 20 oder > 35 Jahre.
Tabakkonsum der Mutter.
Therapie mit Antikoagulanzien.
Empfängnisverhütung
Die Wahl des Verhütungsmittels richtet sich nach der Ausprägung der Herzerkrankung und dem natürlichen Verlauf, anderen Arzneimitteln, extrakardialen Erkrankungen, Thromboseneigung und dem Wunsch der Patientin.
Hormonelle Verhütungsmittel sind zuverlässig und für die meisten Frauen ohne Risiko.
Minipille:
Kein Anstieg des Embolierisikos; jedoch kann es zu Flüssigkeitsretention kommen und bei ventrikulärer Dysfunktion sind Probleme nicht auszuschließen.
Antibabypille:Orale Kontrazeptiva
Ist bei Patientinnen mit erhöhtem Risiko für thromboembolische Episoden kontraindiziert:
Beispielsweise bei zyanotischem Herzfehler, pulmonaler Hypertonie, pulmonalen arteriovenösen Malformationen, herabgesetzter Kammerfunktion, dilatierter Herzkammer, arteriellen Arrhythmien, arterieller Hypertonie, Fontan-Operation, ischämischer Herzkrankheit, thromboembolischen Episoden in der Vorgeschichte oder Warfarin-Therapie.
Auch bei Vorhofseptumdefekt sollte sie aufgrund des Risikos für paradoxe Embolie nicht angewendet werden.
Intrauterine Verhütungsmittel:
Insbesondere im Zusammenhang mit dem Einsetzen besteht ein geringfügig erhöhtes Risiko für Endokarditis, daher sollte die Patientin eine Endokarditisprophylaxe erhalten.
Eventuell Blutungsrisiko bei Antikoagulationstherapie.
Sterilisierung:
In Fällen, in denen eine Schwangerschaft lebensbedrohlich sein kann, sollte eine Sterilisierung in Erwägung gezogen werden.
Anwendung von Arzneimitteln während der Schwangerschaft
Orale Antikoagulanzien vom Cumarintyp:
Das Risiko für thromboembolische Episoden ist um das 6-Fache während der Schwangerschaft und um das 11-Fache während der postnatalen Phase erhöht; aus diesem Grund ist eine angemessene Antikoagulation von größter Bedeutung.3
Neben dem Blutungsrisiko besteht bei einer Warfarin-Therapie während dem ersten Trimester die Gefahr von teratogenen Effekten.7-8
Dies gilt für alle oralen Antikoagulanzien vom Cumarintyp. Diese sind plazentagängig und mit dem Risiko für eine Embryopathie (Häufigkeit eird zwischen 0–28% angegeben). Die hierdurch bedingten Embryopathien wurden ursprünglich als Warfarinembryopathie beschrieben.9
Das Risiko für eine Fehlgeburt unter oraler Antikoagulation ist um bis das Dreifache erhöht9
Gegebenenfalls Verabreichung von Heparin oder niedermolekularem Heparin während dem ersten Trimester sowie niedermolekularem Heparin während der letzten Schwangerschaftswochen: Heparin passiert nicht die Plazentaschranke und stellt aus diesem Grund keine Gefahr für den Fötus dar. Der thromboseprophylaktische Effekt ist jedoch weniger ausgeprägt, insbesondere bei Frauen mit Metallprothesen.10-11
Im Hinblick auf eine Antikoagulationstherapie während der Schwangerschaft müssen im Vorfeld gemeinsam mit der Patientin Vorteile und Nachteile sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.
ACE-Hemmer:
Während der Schwangerschaft kontraindiziert.
Sie sind mit einem erhöhten Risiko für Oligohydramnion sowie fetalem und neonatalem Nierenversagen verknüpft.
Während der Stillzeit sollte Präparaten mit geringer Fettlöslichkeit der Vorzug gegeben werden, zum Beispiel Captopril.
Amiodaron:
Kann mit einer meist reversiblen, fetalen Hypothyreose einhergehen, jedoch kann das Präparat auch zu mentaler Retardierung beim Kind führen.
Betablocker:
Werden meist vertragen, können aber auch zu intrauteriner Wachstumshemmung führen.
Multivitaminsubstitution:
Bei Verabreichung ab drei Monaten vor der Schwangerschaft bis zum Ende des ersten Trimesters scheint die Häufigkeit von Herzfehlern in der Bevölkerung insgesamt zurückzugehen.12
Geburt
Zeitpunkt der Geburtseinleitung
Der Zeitpunkt für eine etwaige Einleitung der Geburt richtet sich nach verschiedenen Faktoren.
Bei erheblicher intrauteriner Wachstumshemmung oder Verschlechterungen des Gesundheitszustandes der Mutter, ist möglicherweise die vorzeitige Einleitung der Geburt zum Besten der Mutter.
Wird das Risiko für die Mutter bei der Entbindung als hoch eingestuft, wird die Geburt häufig in der 36. Woche eingeleitet.
Entbindungsmethode
Die meisten Frauen sind in der Lage, ohne geburtshilfliche Intervention vaginal zu entbinden. Damit sind im Übrigen weniger Komplikationen verbunden als mit einem Kaiserschnitt.
Für einen Kaiserschnitt muss eine solide geburtshilfliche Indikation vorliegen; Ziel ist die Vermeidung einer übermäßig lange dauernden Entbindung.13
Endokarditisprophylaxe?
In der Vergangenheit wurde bei den meisten geburtshilflichen Interventionen (vaginaloperative Entbindung oder Dektio caesarea) unabhängig von der Entbindungsart eine routinemäßige Endokarditisprophylaxe gegeben. Dies wird heute nicht mehr generell empfohlen.3
Wochenbett
Die erste Zeit nach der Geburt ist potenziell mit Risiken behaftet. Volumenbelastung ist nicht auszuschließen, gleichermaßen können massive Blutungen zu hypovolämischen Problemen führen und Oxytocin-enthaltende Arzneimittel können schwerwiegende Auswirkungen auf Herz und Kreislauf haben.14
Patienteninformationen
Eine präkonzeptionelle Beratung sollte allen Patientinnen mit Herzerkrankungen angeboten werden.
Eine präkonzeptinonelle Beratung sollte folgendes beinhalten:
Risikobeurteilung für die Mutter und das Kind
Medikamentendurchgang, Risikobeurteilung der potenziell schädigenden Medikamente in der geplanten Schwangerschaft
Beratung hinsichtlich Bewegung und Lebensstil
Echokardiographie, kardiale Funktionstests.
Quellen
Literatur
Burn J, Brennan P, Little J et al. Recurrence risks in offspring of adults with major heart defects: results from first cohort of British collaborative study. Lancet 1998; 351: 311-6. PubMed
Siu SC, Colman JM, Sorensen S, Smallhorn JF, Farine D, Amankwah KS, et al. Adverse neonatal and cardiac outcomes are more common in pregnant women with cardiac disease. Circulation 2002; 105: 2179-84. Circulation
Uebing A, Steer PJ, Yentis SM, Gatzoulis MA. Pregnancy and congenital heart disease. BMJ 2006; 332: 401-6. PubMed
Regitz-Zagrosek V, Blomstrom Lundqvist C, Borghi C, et al. ESC Guidelines on the management of cardiovascular diseases during pregnancy European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J 2011; 32: 3147–3197. doi:10.1093/eurheartj/ehr218 DOI
Drenthen W, Pieper PG, Roos-Hesselink JW, et al. Outcome of pregnancy in women with congenital heart disease: a literature review. J Am Coll Cardiol 2007; 49: 2303-11. PubMed
Siu SC, Sermer M, Colman JM, Alvarez AN, Mercier LA, Morton BC, et al. Prospective multicenter study of pregnancy outcomes in women with heart disease. Circulation 2001; 104: 515-21. Circulation
Chan WS, Anand S, Ginsberg JS. Anticoagulation of pregnant women with mechanical heart valves: a systematic review of the literature. Arch Intern Med 2000; 160: 191-6. PubMed
Vitale N, De Feo M, De Santo LS, Pollice A, Tedesco N, Cotrufo M. Dose-dependent fetal complications of warfarin in pregnant women with mechanical heart valves. J Am Coll Cardiol 1999; 33: 1637-41. PubMed
Regitz-Zagrosek V, Gohlke-Bärwolf C, Geibel-Zehender A, Haass M, Kaemmerer H, Kruck I, Nienaber C. Herzerkrankungen in der Schwangerschaft. Clin Res Cardiol 2008. doi:10.1007/s00392-008-0685-2 DOI
Roberts N, Ross D, Flint SK, Arya R, Blott M. Thromboembolism in pregnant women with mechanical prosthetic heart valves anticoagulated with low molecular weight heparin. BJOG 2001; 108: 327-9. PubMed
Ellison J, Thomson AJ, Walker ID, Greer IA. Use of enoxaparin in a pregnant woman with a mechanical heart valve prosthesis. BJOG 2001; 108: 757-9. PubMed
Botto LD, Mulinare J, Erickson JD. Occurence of congenital heart defects in relation to maternal multivitamin use. Am J Epidemiol 2000; 151: 878-84. PubMed
Suntharalingam G, Dob D, Yentis SM. Obstetric epidural analgesia in aortic stenosis: a low-dose technique for labour and instrumental delivery. Int J Obstet Anesth 2001; 10: 129-34. PubMed
Lupton M, Oteng-Ntim E, Ayida G, Steer PJ. Cardiac disease in pregnancy. Curr Opin Obstet Gynecol 2002; 14: 137-43. PubMed
Autoren
Julia Trifyllis, Dr. med, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Münster/W
Maria Sennström, leitende klinische Fachärztin, Frauenklinik, Karolinska Universitätskrankenhaus
Terje Johannessen, Professor für Allgemeinmedizin, Institut für Sozialmedizin, NTNU Trondheim (Norwegens technisch-naturwissenschaftliche Universität)
Per Bergsjø, Emeritus, Dr. med., Universität Bergen. Spezialist für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Forscher am Nationalen Institut für Volksgesundheit, Oslo
hjertefeil; Graviditet; medfødt hjertefeil; graviditet; hjärtfel; Medfött hjärtfel; graviditet och hjärtfel; Graviditet och hjärtsjukdom
hjertefeil; Graviditet; medfødt hjertefeil; graviditet; hjärtfel; Medfött hjärtfel; graviditet och hjärtfel; Graviditet och hjärtsjukdom
hjertefeil; Graviditet; medfødt hjertefeil; graviditet; hjärtfel; Medfött hjärtfel; graviditet och hjärtfel; Graviditet och hjärtsjukdom
Herzerkrankung in der Schwangerschaft; Angeboreren Herzfehler; Erhöhtes Herzminutenvolumen; Eisenmenger-Syndrom; Pulmonale Hypertonie; Schwere Aortenstenose; Marfan-Syndrom mit Aortenaneurysma; NYHA-Klasse IV; NYHA-Klasse III; Kardivaskuläres Ereignis; Thromboembolische Episode
Bei den meisten schwangeren Frauen mit Herzerkrankung liegt ein angeborener Herzfehler vor. Ist eine Schwangerschaft möglich?
Die meisten Frauen können ohne erhöhtes Risiko schwanger werden und entbinden.
Von einer Schwangerschaft wird abgeraten bei schwerwiegender pulmonaler Hypertonie, Marfan-Syndrom oder Ehlers-Danlos-Syndrom mit dissezierendem Aortenaneurysma, schwerwiegender Aortenstenose und signifikant herabgesetzter Kammerfunktion.