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Nephrogene systemische Fibrose (NSF)/Gadolinium-haltige Kontrastmittel (Gd-KM)

Zusammenfassung

  • Definition:Eine systemische Erkrankung, die nach dem Einsatz von gadoliniumhaltigen MRT-Kontrastmitteln auftritt, häufig bei Patienten mit Niereninsuffizienz im Stadium 4 oder 5.
  • Häufigkeit:Die Erkrankung ist selten und fast eliminiert (2018).
  • Symptome:Das erste Symptom nach einer Exposition mit Gadolinium ist meist ein intensiv brennender Schmerz in der Haut distal an den unteren Extremitäten, assoziiert mit Rötungen und Schwellungen.
  • Befunde:Im klinischen Befund zeigt sich eine verdickte und verhärtete Haut, häufig mit Pigmentveränderungen bei Patienten mit Niereninsuffizienz.
  • Diagnose:Die Diagnose kann durch eine Hautbiopsie bestätigt werden.
  • Behandlung:Es sind bislang noch keine effektiven Behandlungsmethoden entdeckt worden.

Allgemeine Informationen

Definition

  • NSF ist eine iatrogene, systemische Erkrankung, die nach dem Einsatz von gadoliniumhaltigen MRT-Kontrastmitteln auftritt, häufig bei Patienten mit Niereninsuffizienz im 4. oder 5. Stadium.
  • Führt zu Fibrose in der Haut und den inneren Organen. Die Krankheit weist eine relativ hohe Sterblichkeitsrate auf.
  • Sie wird beinahe ausschließlich festgestellt bei Patienten mit:
    1. Niereninsuffizienz mit einer eGFR < 30 ml/min/1,73m2
    2. Patienten in allen Stadien einer Niereninsuffizienz aufgrund eines hepatorenalen Syndroms
    3. Patienten in der perioperativen Phase rund um eine Lebertransplantation.
  • Gadolinium ist ein Element mit speziellen magnetischen Eigenschaften, wodurch es sich als Kontrastmittel im MRT eignet – die meisten MRT-Kontrastmittel enthalten Varianten dieses Elements.
  • Die meisten gadoliniumhaltigen Kontrastmittel werden über die Nieren ausgeschieden, einige teilweise über die Leber.

Häufigkeit

  • Erstmalig wurde die Erkrankung im Jahr 2000 bei Patienten mit Niereninsuffizienz beschrieben, aber erst 2006 erkannte man den Zusammenhang zwischen der Erkrankung und einer Exposition mit gadoliniumhaltigem Kontrastmittel.
  • Die Erkrankung ist selten und tritt wahrscheinlich noch seltener auf, wenn die Ursachen erkannt und notwendige Maßnahmen eingesetzt wurden. Nach 2008 bis 2009 wurden praktisch keine neuen Fälle registriert.
    • Die EMEA (European Medicine Agency) legte 2009 Richtlinien zur Reduzierung des Risikos für NSF bei Verwendung gadoliniumhaltiger Kontrastmittel fest. Die Kontrastmittel wurden in Kategorien mit hohem, mittlerem oder niedrigem Risiko eingeteilt. Mittel mit hohem Risiko (Gadodiamid, Gadopentetat-Dimeglumin und Gadoversetamid) sind bei schwerer Niereninsuffizienz, perioperativ bei Lebertransplantationen und bei Neugeborenen bis zur vierten Lebenswoche kontraindiziert.
  • Insgesamt wurden weltweit über 300 Fälle der Erkrankung dokumentiert.
  • Die Inzidenz der Krankheit ist heutzutage fast null (2018) nachdem zu Gadolinium-Präparate der "Gruppe 2" übergegangen wurde.1

 

Ätiologie und Pathogenese

  • Es scheint, als würde sich bei Patienten mit Niereninsuffizienz das Gadolinium aus dem MRT-Kontrastmittel in verschiedenen Geweben ablagern und einen entzündlichen Prozess mit einer erhöhten Fibroblastenaktivität und einer daraus entstehenden Fibrose aktivieren.
  • Dies wurde zunächst in der Haut beobachtet, aber es handelt sich um einen allgemeinen Prozess, der auch in der Muskulatur und den inneren Organen stattfindet.

Disponierende Faktoren

  • Gadoliniumhaltiges Kontrastmittel bei Patienten mit Niereninsuffizienz
  • Das Risiko für die Entwicklung der Erkrankung variiert je nach Kontrastmittel und verabreichter Menge.

ICPC-2

  • Unerwünschte Wirkung eines Medikaments
  • A87 Komplikation medizinischer Behandlung

ICD-10

  • M35.8 Sonstige näher bezeichnete Krankheiten mit Systembeteiligung des Bindegewebes
  • T78.9 Unerwünschte Nebenwirkung, nicht näher bezeichnet
  • N18 Chronische Nierenkrankheit

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Anamnese mit Exposition mit gadoliniumhaltigen Kontrastmitteln
  • Nachweis einer Fibrose mit Pigmentveränderungen und Verdickung der Haut bei Patienten mit Niereninsuffizienz
  • Eine Biopsie tief in der Haut zeigt den charakteristischen Befund, der die Erkrankung von einer systemischen Sklerose unterscheidet.

Differenzialdiagnosen

  • Systemische Sklerose
    • NSF befällt nicht das Gesicht, im Gegensatz zur systemischen Sklerose.
  • Eosinophile Faziitis

Anamnese

  • Die Erkrankung tritt typischerweise 2 bis 75 Tage nach einer Exposition mit Gadolinium auf, üblicherweise binnen zwei Monaten.
  • Das erste Symptom nach einer Exposition mit Gadolinium ist meist ein intensiv brennender Schmerz in der Haut distal an den unteren Extremitäten, assoziiert mit Rötungen und Schwellungen. Die zunehmende Induration mit Knoten und Papeln lässt die Haut holzartig erscheinen. Nach und nach können sich Kontrakturen an den Gelenken entwickeln sowie eine Ausbreitung auf die oberen Extremitäten und den Rumpf.
    • Ca. ein Drittel der Patienten zeigt einen milden Verlauf.
  • Nach und nach lässt sich die Fibrosierung auch in der Muskulatur, dem Ösophagus, der Pleura sowie in Lunge, Herz und anderen inneren Organen nachweisen.

Klinische Untersuchung

  • Verdickte und verhärtete Haut, häufig mit Pigmentveränderungen
  • Niereninsuffizienz Stadium 4 oder 5, d. h. GFR < 30 oder Dialysebehandlung

Diagnostik beim Spezialisten

  • Tiefe Hautbiopsie

Indikationen zur Überweisung

  • Behandlung beim Facharzt

Therapie

Therapieziel

  • Der Erkrankung vorbeugen, indem die Verwendung von gadoliniumhaltigen Kontrastmitteln bei Patienten mit Niereninsuffizienz vermieden wird.
  • Die Fibroseentwicklung aufhalten.

Allgemeines zur Therapie

  • Es sind bislang noch keine effektiven Behandlungsmethoden entdeckt worden.
  • Eine Normalisierung der Nierenfunktion bei einer akuten Niereninsuffizienz oder eine Transplantation können nachgewiesenermaßen die Krankheitsentwicklung stoppen.2
  • Es wurden viele verschiedene Medikamente vergeblich ausprobiert.

Prävention

  • Die Europäische Arzneimittelagentur hat 2010 Empfehlungen für die Verwendung gadoliniumhaltiger Kontrastmittel herausgegeben.3
  • Gadoliniumhaltige Kontrastmittel wurden in drei NSF-Risikogruppen eingeteilt:
    • Kontrastmittel mit hohem Risiko: Gadoversetamid, Gadodiamid und Gadopentetsäure
    • Kontrastmittel mit mittlerem Risiko: Gadofosveset, Gadoxetsäure und Gadobensäure
    • Kontrastmittel mit geringem Risiko: Gadotersäure, Gadoteridol und Gadobutrol.
  • Um das NSF-Risiko zu minimieren, wird empfohlen, dass alle Patienten vor Verabreichung dieser Kontrastmittel mithilfe von Labortests auf Nierenprobleme untersucht werden sollten und
    • für Kontrastmittel mit hohem Risiko, dass
      • diese nicht bei Patienten mit schweren Nierenproblemen, im zeitlichen Umfeld einer Lebertransplantation und bei Neugeborenen im Alter von unter vier Wochen, deren Nieren bekanntermaßen noch nicht ausgereift sind, angewendet werden dürfen.
      • ihre Dosis bei Patienten mit mittelschweren Nierenproblemen und bei Kleinkindern im Alter bis zu einem Jahr auf die empfohlene Mindestdosis beschränkt werden sollte, und dass zwischen den Untersuchungen ein Zeitraum von mindestens sieben Tagen liegen sollte.
      • das Stillen nach Erhalt eines Hochrisikomittels mindestens 24 Stunden lang unterbrochen werden sollte.
    • für Kontrastmittel mit mittlerem und geringem Risiko, dass
      • in die Verschreibungsinformation Warnhinweise im Hinblick auf die Anwendung der Mittel bei Patienten mit schweren Nierenproblemen und Patienten, die sich einer Lebertransplantation unterziehen, aufgenommen werden sollten.
      • ihre Dosis bei Patienten mit schweren Nierenproblemen, im zeitlichen Umfeld einer Lebertransplantation sowie bei Neugeborenen und Kleinkindern bis zu einem Jahr auf die empfohlene Mindestdosis beschränkt werden sollte, und dass zwischen den MRT-Aufnahmen ein Zeitraum von mindestens sieben Tagen liegen sollte.
      • die Entscheidung dahingehend, mit dem Stillen fortzufahren oder das Stillen mindestens 24 Stunden lang nach einer Untersuchung zu unterbrechen, vom Arzt/von der Ärztin und der Mutter getroffen werden sollte.
  • Eine Studie aus den USA (2011) ergab, dass durch Einführung von Richtlinien die Krankheit beinahe eliminiert wurde.4
  • Eine neuere Studie (2018) zeigt, dass die Krankheit nahezu eliminiert ist u.a. aufgrund des Übergangs zu Gadolinum-Präparaten der neueren Generation.1

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Die Erkrankung verläuft progressiv, und es wurde noch keine endgültige Therapie gefunden.

Komplikationen

  • Herz-Lungen-Insuffizienz
  • Strikturen im Ösophagus

Prognose

  • Erhöhte Sterblichkeitsrate
  • Von den bekannten Fällen sind 20 % gestorben, doch die wichtigste Ursache hierfür war meist nicht NSF.

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patienten informieren?

  • Bei Patienten mit bekannter oder angenommener eingeschränkter Nierenfunktion sollten vor einem MRT Nierenfunktionsuntersuchungen durchgeführt werden.
  • Ist die Nierenfunktion normal, besteht kein Risiko, diese Erkrankung zu entwickeln.

Quellen

Literatur

  1. Martin DR, Kalb B, Mittal A, et al. No Incidence of Nephrogenic Systemic Fibrosis after Gadobenate Dimeglumine Administration in Patients Undergoing Dialysis or Those with Severe Chronic Kidney Disease. Radiology 2018 Jan; 286(1): 113-119. pmid:28731375 PubMed
  2. Hellman R. Gadolinium-induced Nephrogenic Systemic Fibrosis. Seminars in Nephrology 2011; 3: 310-6. PubMed
  3. European Medicines Agency. Gadolinium-containing contrast agents. Fragen und Antworten zur Überprüfung gadoliniumhaltiger Kontrastmittel. Deutschsprachiges Informationsblatt. London, 2010 (http://www.ema.europa.eu/docs/de_DE/document_library/Referrals_document/gadolinium_31/WC500015635.pdf) www.ema.europa.eu
  4. Wang Y, Alkasab TK, Narin O, et al. Incidence of nephrogenic systemic fibrosis after adoption of restrictive gadolinium-based contrast agent guidelines. Radiology 2011; 260: 105-11. Radiology
  5. Hope TA, Herfkens RJ, Denianke KS, et al. Nephrogenic systemic fibrosis in patients with chronic kidney disease who received gadopentate dimeglumine. Invest Radiol 2009; 44: 135-9. PubMed

Autoren

  • Günter Ollenschläger, Prof. Dr. Dr. med., Professor für Innere Medizin, Uniklinikum Köln (Deximed)
  • Åse Kjellmo, overlege, Klinikk for Bildediagnostikk, St.Olavs Hospital, Trondheim
  • Ingard Løge, spesialist allmennmedisin, redaktør Norsk Elektronisk Legehåndbok
nyresviktM358; nsfN18; gadolinum; Nefrogen systemisk fibrose; nephrogene systemische fibrose (nsf); Nephrogene systemische FibroseT789
nyresvikt; nsf; gadolinum; Nefrogen systemisk fibrose; nephrogene systemische fibrose (nsf); Nephrogene systemische Fibrose
nyresvikt; nsf; gadolinum; Nefrogen systemisk fibrose; nephrogene systemische fibrose (nsf); Nephrogene systemische FibroseA87
Gadoliniumhaltiges MRT-Kontrastmittel; Gadoliniumhaltiges Kontrastmittel; Pigmentveränderungen bei Niereninsuffizienz; NSF; Fibrose der Haut; Hautfibrose; Gadolinium; Gadoliniumablagerungen im Gewebe; Medikamentennebenwirkung; Gd-KM; MRT
Nephrogene systemische Fibrose (NSF)/Gadolinium-haltige Kontrastmittel (Gd-KM)
U-NH 28.02.18
BBB MK 22.05.2023 revidiert und um ausführliche Informationen zu Gd ergänzt. Revision at 07.09.2015 15:12:30: German Version MK 06.02.2018 (Q) DDD MK 09.06.2018: Revision, keine Änderungen
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Definition:Eine systemische Erkrankung, die nach dem Einsatz von gadoliniumhaltigen MRT-Kontrastmitteln auftritt, häufig bei Patienten mit Niereninsuffizienz im Stadium 4 oder 5.
Niere/Harnwege
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