Definition:Maligner Tumor im Ösophagus. Bei den epithelialen Tumoren (95 %) sind ca. 40 % Plattenepithelkarzinome und 60 % Adenokarzinome.
Häufigkeit:Das Ösophaguskarzinom steht für 1 % aller Krebserkrankungen. Die altersbereinigte Inzidenz liegt in Deutschland bei 4–5/100.000. m:w = 5:1.
Symptome:Das häufigste Symptom ist Dysphagie, danach Gewichtsabnahme und Schmerzen.
Befunde:Es gibt keine spezifischen klinischen Befunde, aber aufgrund einer Metastasierung kommt es häufig zur deutlichen Gewichtsabnahme und einem reduzierten Allgemeinzustand.
Diagnostik:Die Diagnose wird durch die Histologie der endoskopisch gewonnenen Biopsien gestellt.
Therapie:Die Resektion des Primärtumors ist die einzige kurative Therapie. Ggf. neoadjuvante und/oder palliative Radiochemotherapie, zielgerichtete Therapie bei HER-2-positiven Tumoren, lokoregionäre Tumorablation, supportive und palliative Behandlung, z. B. Stentanlage, PEG, Schmerztherapie.
Allgemeine Informationen
Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Artikel auf diesen Referenzen.1-3
Definition
Maligner Tumor im Ösophagus
Epitheliale Tumoren machen mehr als 95 % aller Karzinome in der Speiseröhre aus, ca. 40 % sind Plattenepithelkarzinome und ca. 60 % sind Adenokarzinome (im distalen Teil).
Das häufigste Symptom ist Dysphagie, danach kommen Gewichtsabnahme und Schmerzen. Die Dysphagie tritt erst dann auf, wenn die Passage durch den Ösophagus um 50–75 % verringert ist.
Bei Stellung der Diagnose hat sich der Tumor in vielen Fällen bereits über den Ösophagus hinaus ausgebreitet.
Stadieneinteilung – TNM-Klassifikation
T – Primärtumor
TX – Primärtumor kann nicht beurteilt werden.
T0 – kein Anhalt für Primärtumor
T1 – Invasion der Lamina propria oder Submukosa
T2 – Invasion der Muscularis propria
T3 – Invasion der Adventitia
T4 – Invasion von Nachbarstrukturen
N – Regionäre Lymphknoten
NX – Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden.
N0 – keine regionären Lymphknotenmetastasen
N1 – Metastasen in 1–2 Lymphknoten
N2 – Metastasen in 3–6 Lymphknoten
N3 – Metastasen in ≥ 7 Lymphknoten
M – Fernmetastasen
M0 – keine Fernmetastasen
M1 – Fernmetastasen
pTNM: Pathologische Klassifikation (Die pT- und pN-Kategorien entsprechen den T- und N-Kategorien.)
pM1 – Fernmetastasen mikroskopisch bestätigt
pN0 – regionäre Lymphadenektomie und histologische Untersuchung üblicherweise von 7 oder mehr Lymphknoten
Häufigkeit
Das Ösophaguskarzinom steht für 1 % aller Krebserkrankungen.
Inzidenz
ca. 4–5/100.000
Adenokarzinome
Die Inzidenz von Adenokarzinomen (wahrscheinlich mit Ausgangspunkt beim Barrett-Ösophagus) nimmt in der gesamten westlichen Welt beträchtlich zu, und Adenokarzinome sind inzwischen die häufigste Tumorart in den Industrienationen.
Hohes Alter, beim Adenokarzinom häufig etwas niedrigeres Alter (ab 50 Jahren) als beim Plattenepithelkarzinom (ab 60 JahrenJahre). Das Durchschnittsalter bei der Diagnose liegt bei ca. 70 Jahren.
Neu aufgetretene Dysphagie! Anfangs treten allerdings keine Schmerzen beim Verzehr fester Speisen auf. Oft hatten die Patient*innen vor der Konsultation mehrere Monate lang diffuse Beschwerden.
Lang anhaltende Refluxsymptome sind bei Adenokarzinomen üblich.
Brustschmerzen und Heiserkeit (Rekurrensparese) als Hinweis auf einen infiltrierenden Prozess im Mediastinum
Brust- oder Rückenschmerzen beim Schlucken, schlechter Atem und Veränderungen an den Fingern (Trommelschlegelfinger)
Fistelbildung zwischen Ösophagus und Trachea oder Bronchialbaum mit der Folge von Husten nach dem Schlucken, Pneumonie und Pleuraerguss
Horner-Syndrom (Miosis, Ptosis, Ausbleiben von Schwitzen auf der gleichen Seite von Gesicht und Hals), supraklavikuläre Lymphadenopathie, anhaltende substernale Schmerzen im Brustraum unabhängig vom Schlucken, Schluckauf
Patient*innen über 40–50 JahrenJahre mit neu aufgetretener Dysphagie sollen zügig zur Gastroskopie überwiesen werden.
Bei anderen Warnsymptomen oder klinischem Verdacht sollen die Patient*innen ebenfalls zur Gastroskopie überwiesen werden.
Diagnostik bei Spezialist*innen
Endoskopie mit Biopsie
Es sind mehrere Biopsien nötig, weil viele Gewebeproben lediglich entzündliche Veränderungen zeigen.
Bei Barrett-Ösophagus/Dysplasie ist es wichtig, einem definierten Protokoll für die Biopsien zu folgen.
Thorax-CT und Oberbauch
gut geeignete Methode zur Bestimmung der Größe und Ausbreitung des Tumors (Staging)
Transösophagealer Ultraschall
Wird zur Stadieneinteilung angewendet, vor allem in einer frühen Tumorphase: T- und N-Klassifikation (lokale Lymphknoten).
schwierig bei stenosierenden und fortgeschrittenen Tumoren
Die Methode ist stark von den untersuchenden Ärzt*innen abhängig.
Bei erfahrenen Untersucher*innen ist es die beste Methode mit einer Treffsicherheit von rund 75–90 %.
Ergänzende Bilddiagnostik
MRT
Die MRT weist eine hohe Sensitivität zum Nachweis von Metastasen auf.
PET/CT
Kann ggf. ergänzend zum MRT zur Suche von Metastasen eingesetzt werden.
Ösophaguspassage
nicht zur Diagnose
aber zur Darstellung von Stenosen vor einer Stentbehandlung geeignet
Laparoskopie
Kann bei Adenokarzinomen des ösophagogastralen Überganges zum Ausschluss von Metastasen der Leber und/oder des Peritoneums in fortgeschrittenen Stadien durchgeführt werden.
Die Entscheidung für eine Therapie sollte in einer interdisziplinären Tumorkonferenz getroffen werden.
Die chirurgische oder endoskopische Resektion ist die einzige potenziell kurative Behandlung.
Ca. 1 von 4 Patient*innen kommt für eine Resektion infrage.
Je nach Tumorstadium und -biologie kommen infrage:
endoskopische Resektion
chirurgische Resektion
neoadjuvante Chemotherapie
neoadjuvante Radiochemotherapie
postoperative Chemotherapie.
Medikamentöse Therapie
Neoadjuvante präoperative Chemotherapie oder Radiochemotherapie können die Operabilität des Tumors verbessern.7
bei Resttumorbefund im Resektat: adjuvante Behandlung mit dem Immuncheckpoint-Inhibitor Nivolumab1
Infrage kommende Zytostatikakombinationen:
5-FU + Cisplatin
Carboplatin + Paclitaxel
Oxaliplatin + Folinsäure + 5-FU
Molekular zielgerichtete Therapie?
Bei fortgeschrittenen HER2-überexprimierenden Tumoren: Trastuzumab + Cisplatin + Fluoropyrimidin (5-FU oder Capecitabin)
Strahlentherapie
In fortgeschrittenen Stadien zusätzlich zur Chemotherapie
Neoadjuvant und/oder palliativ
Als externe Bestrahlung und/oder (palliativ) als Brachytherapie
Die Bestrahlung ist mit kurz- und langfristigen Nebenwirkungen verbunden, darunter Magenreizung, Strikturen oder Perforationen.
Trend zu einem größeren Überlebensvorteil der neoadjuvanten Radiochemotherapie im Vergleich zur Chemotherapie allein8
Davon scheinen besonders jüngere Erkrankte zu profitieren.
Operative Therapie
Allgemeines
Bei ungefähr 1/4 der Patient*innen ist eine Tumorresektion aussichtsreich. Bei den übrigen Betroffenen besteht die Behandlung hauptsächlich aus dem Einsetzen von Stents und/oder einer kombinierten Strahlen- und Chemotherapie.
Ergebnisse
Die Operation von Ösophaguskarzinomen erfordert umfangreiche Ressourcen und ist mit einem hohen Komplikationsrisiko verbunden.
Ein Langzeitüberleben mit kompletter Heilung wird nur bei wenigen Patient*innen erreicht.
Dennoch wird die Mortalität durch die Operation reduziert, und die 5-Jahres-Überlebensrate steigt von durchschnittlich 4 % auf 20 %.
Resektionstechnik
in frühen Stadien endoskopische Resektion
Operation: Je nach Lokalisation und Ausdehnung des Tumors kommen begrenzte oder ausgedehnte Resektionen infrage:
transhiatal erweiterte Gastrektomie mit distaler Ösophagusresektion
totale Ösophagogastrektomie.
Indikation für einen palliativen Eingriff
Eine palliative Tumorresektion ist mit einem hohen Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko verbunden und wird daher nur selten durchgeführt.
Für die meisten Patient*innen ist die Behandlung der Dysphagie zur Verbesserung der Lebensqualität das primäre Behandlungsziel.
endoskopische Implantation eines selbstexpandierenden Metallstents (Ia/B)
Das mittlere Überleben liegt bei 2–3 Monaten.
Postoperative Behandlung
Eine Magensonde (so dünn wie möglich) an der Anastomose vorbei wird so lange liegen gelassen, bis eine ausreichende Heilung der Anastomose erreicht ist (normalerweise 5 Tage nach der Operation).
Bei einer Thorakotomie wird eine Thoraxdrainage gelegt.
Postoperative enterale Ernährung über Jejunalsonde, ggf. mit parenteraler Supplementierung
Palliativbehandlung
Inoperable Erkrankung
Endoskopische Therapie (z. B. selbstexpandierender Stent)
Ggf. palliative Chemo- oder Radio(chemo)therapie
je nach Befund der molekularen Diagnostik (HER2, PD-L1 CPS) ergänzt durch palliative Immuntherapie mit Trastuzumab oder einem Immuncheckpointinhibitor
Ggf. intraluminale thermoablative Therapie, evtl. in Kombination mit Brachytherapie oder externer Bestrahlung
Die Ernährungssonde sollte vorzugsweise via PEG (perkutane endoskopische Gastrostomie) gelegt werden. Der Eingriff soll erfolgen, bevor die Anastomose zu eng für die Passage mit dem Gastroskop wird.
Plattenepithel-Ca des Ösophagus (mit freundlicher Genehmigung von endoskopiebilder.de, Immanuel Albertinen Diakonie gGmbH, Hamburg)
Stenosierendes Adenokarzinom des Ösophagus (mit freundlicher Genehmigung von endoskopiebilder.de, Immanuel Albertinen Diakonie gGmbH, Hamburg)
Quellen
Leitlinien
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Diagnostik und Therapie der Plattenepithelkarzinome und Adenokarzinome des Ösophagus. AWMF-Leitlinie Nr. 021–023OL. S3, Stand 20212022. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, Deutsche Krebsgesellschaft. Magenkarzinom – Diagnostik und Therapie der Adenokarzinome des Magens und ösophagogastralen Übergangs. AWMF-LeitlilnieLeitlinie Nr. 032–009OL. S3, Stand 2019. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin. Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung. AWMF-Leitlinie Nr. 128-001OL. S3, Stand 2019. www.awmf.org
Literatur
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Plattenepithelkarzinome und Adenokarzinome des Ösophagus. AWMF-Leitlinie Nr. 021–023OL, Stand 20212022. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, Deutsche Krebsgesellschaft. Magenkarzinom – Diagnostik und Therapie der Adenokarzinome des Magens und ösophagogastralen Übergangs. AWMF-Leitlilnie Nr. 032–009OL. S3, Stand 2019. www.awmf.org
Starling N, Fong C. Oesophageal cancer. BMJ Best Practice; last reviewed: 14 Jan 2022, last updated: 18 Jan 2022 bestpractice.bmj.com
Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2022. Stand 17.09.2021; letzter Zugriff 14.02.2022. www.dimdi.de
Deutsche Krebsgesellschaft. Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatienten. AWMF-Leitlinie Nr. 032-051OL, Stand 2014. www.awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin. Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung. AWMF-Leitlinie Nr. 128-001OL. S3, Stand 2019. www.awmf.org
Kidane B, Coughlin S, Vogt K, Malthaner R. Preoperative chemotherapy for resectable thoracic esophageal cancer. Cochrane Database of Systematic Reviews 2015, Issue 5. Art. No.: CD001556. DOI: 10.1002/14651858.CD001556.pub3. DOI
Ronellenfitsch U, Schwarzbach M, Hofheinz R et al. Perioperative chemo(radio)therapy versus primary surgery for resectable adenocarcinoma of the stomach, gastroesophageal junction, and lower esophagus. Cochrane Database Syst Rev 2013; 5:CD008107. PMID: 23728671 PubMed
Autor*innen
Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Definition:Maligner Tumor im Ösophagus. Bei den epithelialen Tumoren (95 %) sind ca. 40 % Plattenepithelkarzinome und 60 % Adenokarzinome. Häufigkeit:Das Ösophaguskarzinom steht für 1 % aller Krebserkrankungen. Die altersbereinigte Inzidenz liegt in Deutschland bei 4–5/100.000. m:w = 5:1.