Infektionskrankheiten, die vom Haustier auf den Menschen übertragen werden (Zoonose).
Diagnostische Überlegungen
Da theoretisch fast jedes Tier als Haustier gehalten werden kann, wären in diesem Artikel sämtliche Zoonosen zu erwähnen, einschließlich der von Vektoren (Mücken, Zecken, Fliegen) übertragenen Krankheiten.
Der Artikel beschränkt sich auf „übliche“ Haustiere und weicht nur bei einigen Infektionen, die im Ausland häufiger vorkommen, hiervon ab.
Grundsätzlich sollte bei jeder unklaren Infektion nach Kontakt zu Tieren gefragt werden.
ICPC-2
S13 Biss von Tier/Mensch
A78 Infektionskrankheiten
ICD-10
T14.1 Offene Wunde an einer nicht näher bezeichneten Körperregion (Tierbiss INA)
Tierbisse sind die häufigste Ursache (jährlich 30.000–50.000 Bissverletzungen in Deutschland1) für die Übertragung von Keimen von Tier zu Mensch; sie werden aber nicht zu den Zoonosen gezählt.
Insbesondere bei Katzenbissen besteht das Risiko einer schweren Infektion.
In seltenen Fällen kann auch der Kontakt mit Speichel (Ablecken durch die Tiere) zu einer schweren Infektionskrankheit beim Menschen führen.2
Infektion mit dem Parasiten Toxoplasma gondii.; Übertragung über Katzenkot, Fleisch, verunreinigtes Gemüse, Trinkwasser oder plazentar.3
Bei Erwachsenen verläuft die Infektion in der Regel asymptomatisch, jedoch ist gelegentlich eine zervikale Lymphadenopathie und ein mononukleoseähnliches, sich selbst begrenzendes Krankheitsbild zu beobachten.
Bei immunsupprimierten Personen kann die Toxoplasmose entweder akut oder durch Reaktivierung zu einem lebensbedrohlichen Krankheitsbild führen mit Enzephalitis, interstitieller Pneumonie, Leberbefall, okulärer Beteiligung (Chorioretinitis/Retinochoroiditis toxoplasmotica) oder im Rahmen einer disseminierten, generalisierten Form zu einem Multiorganbefall.
Bei einer Erstinfektion während einer Schwangerschaft kann es beim Fetus zu einer pränatalen Toxoplasma-Infektionkommen. Je nach Zeitpunkt der Infektion nach der Gestation, der Infektionsdosis, der Erregervirulenz und der immunologischen Kompetenz der Mutter kommt es zu folgenden Problemen:
Spätere Infektionen können zu neonataler Wachstumsretardierung, Hydrozephalus und intrazerebrale Verkalkungen führen.
Am häufigsten kommt es zu einer Retinochoroiditis, die zur Erblindung führen kann.
Die Inzidenz der transplazentaren Infektion ist im 3. TrimesterTrimenon am höchsten, allerdings sind dann die Symptome beim Kind perinatal am geringsten ausgeprägt, es kann jedoch auch noch später zu Lernstörungen und neurologischen Folgeschäden oder auch okulärer Beteiligung kommen.4
Die Diagnose wird durch Antikörper- oder direkten Erregernachweis gestellt.
Eine unkomplizierte Infektion bei Personen mit gesundem Immunsystem bedarf keiner Therapie.
Bei einer aktiven Toxoplasma-Infektion bei immunsupprimierten PatientenPatient*innen, einer okulären Toxoplasmose sowie prä- und postnatal sollte eine Therapie mit Antibiotika durchgeführt werden.
Medikamente der Wahl sind Spiramycin, Pyrimethamin, Sulfadiazin, Clindamycin und ggf. Atovaquone.3
Wurmerkrankungen
Verschiedenste Wurmerkrankungen können durch Aufnahme von Eiern und Larven aus Tierkot auf den Menschen übertragen werden.
Insbesondere Kinder sind häufig betroffen; bei Kindern mit Eosinophilie und Fieber sollte immer nach einem Wurmbefall gefahndet werden.5
Die Spulwurminfektion (Toxocariasis, Hundespulwurm: Toxocara canis, Katzenspulwurm: Toxocara cati) ist eine der häufigsten, weltweit verbreitete Parasitose.6
Durch Larvenwanderung kann es zu den unterschiedlichsten Organbefallen kommen.
Eine durch Hakenwürmer verursachte Erkrankung ist die kutane Larva migrans. Überträger sind tierpathogene (meist Hunde und Katzen) Nematodenlarven im Kot.
Nicht selten erfolgt die Infektion durch Barfußlaufen an kontaminierten Stränden in warmfeuchtem Klima.7
Obwohl die Larve nicht in der Lage ist, sich im menschlichen Wirt fortzupflanzen, kann sich dennoch eine juckende Papel an der EintrittstelleEintrittsstelle bilden. Außerdem hinterlässt sie eine rote Spur, dort, wo sie sich fortbewegt.
Der begleitend auftretende Juckreiz ist in der Nacht meist am schlimmsten.
Die Erkrankung ist selbstlimitierend, Probleme machen manchmal bakterielle Superinfektionen.
Ist eine Behandlung bei ausgeprägtem Befall notwendig, ist die einmalige systemische Gabe von Ivermectin 1 x 200 µg/kg KG, bei Bedarf Wiederholung nach 10 Tagen möglich (in Deutschland nicht zur Behandlung am Menschen zugelassen, Bezug ggf. über ausländische Apotheken).7
alternativ Albendazol 800 mg/Tag p. o. über 3 Tage, Dosisanpassung bei Kindern
Auch Lokalbehandlung mit Ivermectin oder Abendazol ist möglich sowie glukokortikoidhaltigen Cremes zur Linderung des Juckreizes.
Echinococcus granulosus wird meist von Hunden, seltener von Katzen auf den Menschen übertragen und kann langsam wachsende, meist solitäre Zysten insbesondere in der Leber, seltener in der Lunge bilden.
Häufig werden die Zysten im Ultraschall entdeckt.
Asymptomatische Zysten können beobachtet werden (Watch and Wait), ansonsten ist entweder eine operative Therapie oder eine medikamentöse Therapie mit Albendazol 10–15 mg/kg täglich verteilt auf 2–3 Dosen möglich.8
Hiervon unterschieden werden sollte der E. multilocularis, dessen Hauptwirt der Fuchs ist (Fuchsbandwurm), gelegentlich aber auch Hunde und Katzen befallen kann.
Hier breiten sich die Zysten unbehandelt immer weiter aus und die Erkrankung endet letal.8
Der Gurkenkernbandwurm (Dipylidium caninum) ist weltweit verbreitet.
Flöhe werden als Zwischenwirte benötigt, sodass eine Infektion mit dem Gurkenkernbandwurm häufig zeitgleich oder nach Flohbefall auftritt, v. a. bei Hunden und Katzen.
Bei Menschen führt der Befall zu unspezifischen Verdauungsbeschwerden.
Andere parasitäre Infektionskrankheiten
Katzen und Hunde, aber auch Marder, Nagetiere und andere Tiere, die als Haustiere gehalten werden, können die Darmparasiten Cryptosporidium spp. und Giardia lamblia übertragen.
Die Diagnose wird anhand einer Stuhluntersuchung gestellt.
Die Infektion mit Kryptosporidien ist medikamentös schwer zu behandeln, aber die Infektion heilt häufig von selbst aus. Giardiasis wird in der Regel mit Metronidazol oder Tinidazol behandelt.
Cheyletiellen (Schuppenmilben)
Sind u. a. bei Hunden, Katzen und Kaninchen zu finden.
Die Milben verursachen bei den Tieren kaum Symptome, manche Menschen reagieren allerdings auf die Ausscheidungen der Milben allergisch.
Durch engen Kontakt mit Tieren können Pilzerkrankungen auf den Menschen übertragen werden.
Folgende Dermatophyten werden häufig von Tieren auf den Menschen übertragen:
Trichophyton mentagrophytes (Meerschweinchen, Mäuse, Kaninchen, manchmal auch Katzen) führt zu Infektionen am Stamm, im Gesicht, an den Nägeln, Haaren und Bart.
Rinder als Hauptwirt, aber auch andere landwirtschaftliche Nutztiere
Lokalisation an exponierten Stellen: Arme, Hals und Gesicht
Microsporum canis kann von Hunden und Katzen übertragen werden und führt zu Infektionen der Haut, der Haare, des Bartbereichs (Ektothrix-Typ) und gelegentlich der Nägel.
Microsporum canis ist weltweit die häufigste Ursache für Tinea capitis.910
Die Therapie sollte mit einem oralen Antimykotikum abhängig vom Erreger erfolgen.1011
Diese Erkrankungen zählen zu den häufigsten bakteriellen Infektionen, die durch Haustiere übertragen werden.
Viele Tiere sind Träger von Campylobacter spp. und Salmonellen. Die Übertragung vom Tier auf den Menschen (wahrscheinlich fäkal-oraler Kontakt) liegt vermutlich zahlreichen Gastroenteritiden zugrunde.
Salmonellen findet man häufig bei Reptilien wie Schildkröten und Leguanen. Die Infektion kann besonders bei Kindern einen gravierenden/schwerwiegenden Verlauf nehmen.1112-1213
Symptomatisch treten (blutige) Diarrhö und Fieber auf.
In der Regel sind die Durchfallerkrankungen selbstlimitierend. Eine symptomatische Therapie mit Volumen- und Elektrolytsubstitution ist in fast allen Fällen ausreichend.1314
Bei schweren Erkrankungen und Risikofaktoren ist eine Antibiotikagabe möglichst nach Resistenzbestimmung möglich. Mittel der Wahl ist Azithromycin (500 mg/Tagd p. o. für 3 Tage oder 1.000 mg p. o. einmalig) oder bei Salmonellen Ceftriaxon (2 g/Tagd i. v.)1415
Für Fluorchinolone wurden von der Europäischen Arzneimittel-Agentur Anwendungsbeschränkungen empfohlen: Besondere Vorsicht bei Älteren und bei PatientenPatient*innen mit Nierenfunktionseinschränkung. Keine Kombination mit Kortikosteroiden. Nicht empfohlen als Mittel der 1. Wahl zur Behandlung leichter und mittelschwerer Infektionen.1516
Infektion mit dem Bakterium Bartonella henselae infolge einer Kratz- oder Bissverletzung durch eine Katze.
Klinisch äußert sich die Erkrankung durch Papeln oder Pusteln im Bereich der Verletzung und einer Entzündung der benachbarten Lymphknoten nach 1–3 Wochen.
Die Erkrankung ist selbstlimitierend. In schwerwiegenden Fällen mit Komplikationen wie Endokarditis nach hämatogener Ausbreitung, Enzephalitis, Leber-/Milzabszesse und Osteomyelitis kann eine Therapie mit Tetracyclin oder Azithromycin indiziert sein.
Ist eine der häufigsten zoonotischen Erkrankungen weltweit.
Als Reservoir für Leptospiren dienen in der Regel Nagetiere, aber auch andere Tiere können Reservoire für einige Serotypen darstellen. In Deutschland zählen dazu u. a. Hunde, Haus- und Wildschweine, Rinder und Pferde. Die Reservoir-Tiere erkranken dabei in der Regel nicht an einer Leptospirose, scheiden jedoch den Erreger zumz. TeilT. lebenslang im Urin aus.1617
Die Übertragung auf den Menschen geschieht durch den Kontakt mit Urin oder anderen Körperflüssigkeiten, Wasser und Kot.
Eine Einteilung der WHO gliedert die Erkrankung in 4 grobe klinische Kategorien (WHO 2003):1617
Auch die multiresistenten Erreger können bei Tieren auftreten, sodass gegenseitige Ansteckungen möglich sind.1819-1920
Pasteurellose
Bakterielle Infektionen mit Pasteurella spp. erfolgen meist durch Bissverletzungen, Kratzwunden, aber auch Schmierinfektion oder aerogene Übertragung sind möglich.
Die Wundinfektion kann sich bis zu systemischen Erkrankungen wie Lungenentzündung und Peritonitis ausbreiten, in Extremfällen ist Sepsis möglich.2021
Für die Diagnosestellung wird eine Kultur angelegt.
Die Therapie erfolgt mit Penicillin V 3 x/Tagd 1,5 Mio. IE p. o. oder Doxycyclin 2 x/Tagd 100 mg p. o. für 10–14 Tage.2122
Psittakose oder Ornithose (Papageienkrankheit)
Die Infektion wird durch Chlamydophila psittaci verursacht.2223
Menschen können sich durch den Kontakt mit Kot oder Nasensekret infizierter Vögel anstecken.
Keine Ansteckung von Mensch zu Mensch
Die Infektion äußert sich durch grippeähnliche Symptome, es kann sich eine atypische Pneumonie entwickeln, häufig kommt es zu einer Splenomegalie.2324
Die Diagnose wird anhand von PCR/Serologie gestellt.
Meist gutes Ansprechen auf Doxycyclin, Erythromycin2425
Brucellen sind Erreger, die auch für den Menschen pathogen sein können.2526-2627
Sie kommen bei vielen Haus- und Nutztieren vor, die Übertragung erfolgt durch Verzehr kontaminierter Lebensmittel (Fleisch oder Milch) oder direkten Kontakt zu infizierten Tieren.2728
Häufig undulierendes Fieber, Muskel- oder Gelenkschmerzen, chronische Verläufe mit persistierenden Infektionsfoki sind möglich.
Die Diagnose wird anhand einer Blutkultur oder mittels ELISA gestellt.
Die Therapie erfolgt durch eine Kombination aus Rifampicin und Doxycyclin über 6–12 Wochen.2728
Infektion mit Mycobacterium marinum
Die Ansteckung mit dem durch M. marinum verursachten „Aquariengranulom“ erfolgt in der Regel im Zusammenhang mit der Reinigung und dem Wassertausch von Aquarien für die Fischhaltung.
Die Infektion äußert sich zwar typischerweise durch ein an den oberen Extremitäten lokalisiertes Granulom, jedoch kann M. marinum bei Personen mit herabgesetzter Immunabwehr auch eine disseminierte Erkrankung nach sich ziehen.2829
Die Diagnose wird anhand einer Biopsie und Kultur bestätigt.
Die Therapie erfolgt mit Clarithromycin, Minocyclin, Doxycyclin und der chirurgischen Exzision.2930
Andere bakterielle Infektionen
Katzen, die mit Wildtieren in Kontakt kommen, können sich mit Pest oder Tularämie infizieren.
Eine Übertragung auf den Menschen ist sehr selten, jedoch nicht auszuschließen.3031-3132
Virusinfektionen
Lymphozytäre Choriomeningitis
Ein Virus, das Hamster, Meerschweinchen, Mäuse und andere Nager, die als Haustiere gehalten werden, befällt.
Die Infektion, nach Kontakt mit derart infizierten Nagern, verläuft beim Menschen asymptomatisch oder verursacht eine grippeähnliche Erkrankung mit Meningitis.
Bei Organempfängernnger*innen, die Nager als Haustiere halten, wurden tödlich verlaufende Infektionen berichtet.3233
Die Diagnose wird anhand einer serologischen Untersuchung gestellt.
Fast immer tödliche Viruserkrankung, die durch Tierbisse oder Kontakt von Wunden/Schleimhäuten mit infektiösem Material übertragen wird und das Zentralnervensystem angreift.
Weltweit häufig; in Deutschland sehr selten
Da die Inkubationszeit 3–8 Wochen, in Einzelfällen bis zu mehreren Jahren dauern kann, gibt es durchaus Fälle, in denen der Tierbiss im Ausland erfolgt sein kann.3334
Ist die Tollwut bereits ausgebrochen, gibt es keine Therapiemöglichkeit, es gibt aber Impfungen und die Möglichkeit der Postexpositonsprophylaxe.
Hunde und Katzen können auch Zecken mitbringen, die von Zecken übertragenen Krankheiten sollen hier der Vollständigkeit halber auch erwähnt werden, gehören aber eigentlich nicht zu den von Haustieren übertragenen Krankheiten.
Gleiches gilt für Krätzemilben (Sarcoptes scabiei canis), die von Haustieren auf Menschen übertragen werden und dort Krätze verursachen können.
Prophylaxe
Die Haustiere sollten regelmäßig tierärztlich behandelt werden und die erforderlichen Prophylaxen durchgeführt werden.3435
Nach jedem Kontakt mit dem Haustier die Hände waschen.
Direkten Kontakt mit dem Kot des Tieres vermeiden.
Besonders gefährdete Personen wie Neugeborene und Kleinkinder unter 5 Jahren, ältere Menschen, Menschen mit herabgesetzter Immunabwehr oder Schwangere sollten den Kontakt mit Reptilien, Kleingeflügel, jungen Enten, jungen Katzen und den Ausscheidungen von Haustieren vermeiden.
Nahrungsmittel wie Roheiprodukten oder nicht durchgegartes Fleisch oder nicht pasteurisierter Milch sind ebenfalls zu meiden.
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AutorenAutor*innen
Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
TerjeDie Johannessenursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheimhttps://legehandboka.no/).
CCC MK 29.06.2022 Kälberflechte ergänzt.
CCC MK 23.05.2022 zu Affenpocken verlinkt, eigenen Abschnitt dazu entfernt.
Anwendungsbeschränkungen für Chinolone 9.4.19 UB
BBB MK 30.01.2020. Überarbeitet und umformuliert. LL berücksichtigt.
Revision at 24.11.2015 11:07:09:
German Version
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