Eine nichtinvasive Messung des arteriellen Blutdrucks ist die wichtigste Methode für die Diagnose einer sehr häufigen und prognostisch bedeutsamen Erkrankung.
In der DEGAM-Leitlinie wird zum Screening im Regelfall alle 2 Jahre eine Blutdruckmessung im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung empfohlen.1
Fehlerhafte Messungen bergen die Gefahr der:
Übertherapie (Hypotonien und Nebenwirkungen verzichtbarer Medikation)
Untertherapie (vermeidbare Endorganschäden).
Die Standardmethode in der Blutdruckdiagnostik ist die Praxisblutdruckmessung.
geringer apparativer Aufwand
relativ geringer Zeitaufwand
kostengünstig
Für valide und reproduzierbare Messwerte sollte die Praxisblutdruckmessung standardisiert unter sorgfältiger Einhaltung der notwendigen Untersuchungsbedingungen erfolgen.2
Auch bei korrekter Durchführung der Praxisblutdruckmessung können die häufigen Phänomene der „Weißkittelhypertonie" und der „maskierten Hypertonie" aber zu einer Fehleinschätzung des Blutdrucks führen.
Weißkittelhypertonie: 30–40 % der Patient*innen mit erhöhtem Praxisblutdruck (am häufigsten bei Hypertonie Grad 1)3
maskierte Hypertonie: 15 % der Patient*innen mit normalem Praxisblutdruck3
Der Heimblutdruckmessung und der ambulanten 24-Stunden-Blutdruckmessung (ABPM = Ambulatory Blood Pressure Monitoring) wurden daher in den vergangenen Jahren ein zunehmender Stellenwert eingeräumt.
Gemäß den aktuellen ESC/ESH-Leitlinien erfolgt die Diagnose einer arteriellen Hypertonie entweder auf der Basis wiederholter Praxisblutdruckmessungen oder durch Heimmessung und/oder ABPM.3
Messgeräte
Manuelle Sphygmomanometer
Erfordern die Auskultation mit dem Stethoskop.
Aneroidmanometer (mechanisches Sphygmomanometer mit Messscheibe): War lange das am häufigsten eingesetzte Blutdruckmessgerät im medizinischen Alltag, wird mittlerweile aber zunehmend verdrängt durch oszillometrische Messgeräte.4
Quecksilbermanometer: früher Goldstandard, heutzutage nicht mehr gebräuchlich
Oszillometrische Messgeräte
Schwingungen des pulsierenden Blutes werden zur Blutdruckmessung erfasst.
Bei Vorhofflimmern eine auskultatorische Methode verwenden, da automatische Geräte für Messungen bei Vorhofflimmern nicht validiert sind.
Automatisierte Geräte zeichnen bei Vorhofflimmern eher die höchste individuelle systolische Druckwelle auf, dies führt zu einer Überschätzung des Blutdrucks.
Im Allgemeinen Anwendung einer Standardmanschette (12–13 cm breit und 35 cm lang)
Größere und kleinere Manschetten sollten verfügbar sein.
Manschette auf Herzhöhe während der Messung
Rücken und Arm sollten entlastet sein, um einen Blutdruckanstieg durch isometrische Belastung zu vermeiden.
Unterrand der Manschette 2–3 cm über der Ellenbeuge
Bei der auskultatorischen Methode Bestimmung anhand der Korotkow-Geräusche (Phase I und V)
Aufpumpen der Manschette bis 30 mmHg über den systolischen Druck (beim systolischen Druck verschwindet der Puls am Handgelenk)
Ablassrate des Manschettendruckes höchstens 2–3 mmHg/sec
Erfassen, bei welchem Druck der erste Ton bzw. erstes Blinkzeichen (= systolischer Druck) und bei welchem Druck der letzte Ton bzw. Blinkzeichen (= diastolischer Druck) hörbar ist, Werte auf 2 mmHg genau dokumentieren.
Puls tasten zum Ausschluss von Arrhythmien.
Zur Erkennung von orthostatischen Hypotensionen ergänzende Messung im Rahmen der Erstmessung nach 1 und 3 Minuten im Stehen, v. a. bei:
Mit Veröffentlichung der SPRINT-Studie begann eine Diskussion, ob eine unbeaufsichtigte Praxisblutdruckmessung (separater Raum, automatische Messung, kein Personal anwesend) zu besseren Ergebnissen mit insbesondere weniger Fällen von Weißkittelhypertonie führt.7
Neben der Frage der Praktikabilität in einer hausärztlichen Praxis ist die wissenschaftliche Diskussion über den Stellenwert noch im Gange, sodass es derzeit keine diesbezüglichen Empfehlungen gibt.8
Empfohlene Manschettengröße
In den DEGAM-Leitlinien werden folgende Manschettengrößen in Abhängigkeit vom Oberarmumfang empfohlen:1
Oberarmumfang < 24 cm: 10 cm
Oberarmumfang 24–32 cm: 12–13 cm
Oberarmumfang 33–41 cm: 15 cm
Oberarmunfang > 41 cm: 18 cm.
DEGAM-Empfehlungen zur Blutdruckmessung
Zur Diagnosesicherung einer arteriellen Hypertonie mittels konventioneller Blutdruckmessung sollten 3 Messungen an mindestens 2 verschiedenen Tagen durchgeführt werden, wobei die 3. Messung in zeitlichem Abstand z. B. zum Ende des 2. Termins erfolgen sollte (Empfehlungsgrad B).
Eine Blutdruckmessung sollte im Regelfall alle 2 Jahre im Rahmen der Gesundheitsuntersuchung erfolgen (Empfehlungsgrad B).
Heimblutdruckmessung
Die Heimblutdruckmessung als Ergänzung zur Praxisblutdruckmessung weist einige Vorteile auf:
repräsentativere Werte durch größere Stichproben
Identifizierung von Patient*innen mit „Weißkittelhypertonie" bzw. „maskierter Hypertonie"
bessere Abschätzung des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse3,9
Ob eine langfristige Selbstmessung zu einer besseren Blutdruckeinstellung und weniger Folgeerkrankungen führt, ist allerdings noch unklar.10
Wichtig ist eine Unterweisung der Patient*innen zum standardisierten Vorgehen, die allerdings wegen Zeitmangels und fehlender Vergütung manchmal zu kurz kommen kann.11
Messung mit halbautomatischem, validiertem Blutdruckmessgerät
mindestens für 3 Tage, besser über 6–7 Tage vor jedem Praxisbesuch
Messungen morgens und abends (immer zur gleichen Zeit)
morgendliche Messung vor der Einnahme blutdrucksenkender Medikamente (Erfassung auch des Blutdrucks in den frühen Morgenstunden)
Patient*in sitzend in ruhigem Raum, mit Rückenlehne und unterstütztem Arm (z. B. auf Tisch ablegen)
Bei Messung am Handgelenk ist besonders darauf zu achten, dass sich das Gerät in Herzhöhe befindet (z. B. Unterarm auf Tisch ggf. mit zusätzlichem Kissen oder Hand des Messarms auf gegenüberliegendem Schlüsselbein).
nach zunächst 5 min Ruhe 2 Messungen mit 1–2 min Abstand
Der Wert der 2. Messung (meistens der niedrigere Wert) sollte notiert werden.
Messung mit Datum und Uhrzeit dokumentieren.
Beim Messen nicht bewegen, nicht reden, keine Ablenkung durch z. B. Nachrichten/Musik etc.
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM). Hausärztliche Risikoberatung zur kardiovaskulären Prävention. Leitlinie Nr. 053-024. S3, Stand 2017. www.degam.de
European Society of Cardiology/European Society of Hypertension. Guidelines for the management of arterial hypertension. Stand 2018. www.escardio.org
Literatur
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM). Leitlinie: Hausärztliche Risikoberatung zur kardiovaskulären Prävention. S3. Stand 2017. www.degam.de
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The SPRINT Research Group. A Randomized Trial of Intensive versus Standard Blood-Pressure Control. N Engl J Med 2015; 373: 2103-2116. doi:10.1056/NEJMoa1511939 DOI
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Deutsche Gesellschaft für Kardiologie. Pocket-Leitlinie: Management der arteriellen Hypertonie. Version 2018. leitlinien.dgk.org
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O'Brien E, Parati G, Stergiou G, et al. European Society of Hypertension position paper on ambulatory blood pressure monitoring. J Hypertens 2013; 31:1731. PubMed
Autor*innen
Michael Handke, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin, Freiburg i. Br.
Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).
Eine nichtinvasive Messung des arteriellen Blutdrucks ist die wichtigste Methode für die Diagnose einer sehr häufigen und prognostisch bedeutsamen Erkrankung.
In der DEGAM-Leitlinie wird zum Screening im Regelfall alle 2 Jahre eine Blutdruckmessung im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung empfohlen.1