Bei sportmedizinischen Untersuchungen sollte man je nach dem Ziel differenzieren: Für Breiten- oder Gesundheitssport sollte die allgemeine Beratung zur Vermeidung von Fehlbelastungen im Vordergrund stehen. In aller Regel genügt hier eine gründliche Anamnese, Beratung und eine Gesundheitsuntersuchung, wie sie im Bereich der GKV vorgesehen ist. Lediglich bei hinweisenden Beschwerden oder gravierenden Vorerkrankungen sind weitere Untersuchungen indiziert. Eine Pathologisierung dieses Bereiches ist unbedingt zu vermeiden, allerdings sind individuelle Hinweise zur Vermeidung von sportbedingten Fehlbelastungen hifreich.
Für den Bereich des Leistungssports müssen sportartspezifische Risiken bedacht werden. Die Untersuchung dient hier insbesondere auch der Leistungsdiagnostik und Einschätzung der Eignung für spezifische Belastungen. Dies gilt auch für Risikosportarten wie Tauchsport oder geplante Extrembelastungen, die allerdings jenseits allgemeiner Gesundheitsförderung liegen.
Definition
Die sportärztliche Vorsorgeuntersuchung dient der Erkennung klinisch latenter oder vorhandener Krankheiten, die bei körperlicher Aktivität eine Gefährdung für die Gesundheit darstellen.1
In Deutschland sollte die Vorsorgeuntersuchung immer umfassen:2
eine allgemeine und sportbezogene Anamnese mit standardisiertem Fragebogen und ergänzender ärztlicher Befragung
die körperliche Untersuchung
eine qualifizierte Durchführung und Befundung des Ruhe-EKG.
Anmerkung der DEGAM: Die Evidenz für Fragebögen und Nutzen des EKG ist unzureichend. Daher kann auf EKG ohne Hinweis auf eine bereits bestehende kardiale Erkrankung sowie auf Fragebögen bei suffizienter Anamnese verzichtet werden.
Ab dem 35. Lebensjahr, wenn eine längere Inaktivitätsphase vorausging.
bei augenscheinlich gesunden Personen mit einem oder mehreren Risikofaktoren, z. B. starkem Nikotinabusus
nach überstandenen ernsthaften Erkrankungen
Viele der kardiovaskulären Anomalien, die zu nichttraumatischem plötzlichem Tod führen können, treten ohne Symptome und Anzeichen auf; dies erschwert ihre Entdeckung.4-7
Häufigkeit
Die jährliche Inzidenz des plötzlichen Herztods bei Sportler*innen liegt bei etwa 2:100.000.8-10
hauptsächlich Männer betroffen
Nur bei einem kleinen Bruchteil der Sportler*innen mit schweren Herzerkrankungen sind diese Anomalien vorab diagnostiziert worden.
Ätiologie und Pathogenese
Ursachen des plötzlichen Herztods bei jungen Sportler*innen
Auswertung von 1.866 Sportler*innen aus den USA mit einem Durchschnittsalter von 19 Jahren (+/– 6 Jahre)11
Weitere seltene Ursachen waren z. B. Störungen der elektrischen Erregungsleitung wie das Wolff-Parkinson-White-Syndrom, Commotio cordis (stumpfes Thoraxtrauma als Ursache für Kammerflimmern) oder ein Mitralklappenprolaps beim Marfan-Syndrom
Sportler*innen > 35 Jahren
KHK ist die häufigste Ursache für kardiale Zwischenfälle beim Sport.2
Apparative Untersuchungen: Die Indikation richtet sich nach dem Alter, dem Vorliegen kardiovaskulärer Risikofaktoren, anamnestischen und klinischen Hinweisen und der jeweiligen Fragestellung.
Belastungs-EKG empfohlen, aber meist ohne Nutzennachweis
allen Altersgruppen bei Symptomen
Personen über 65 Jahren (auch ohne Risikofaktoren)
Männern > 40 Jahre, Frauen > 50 Jahre, wenn ≥ 1 Risikofaktor
Männern > 40 Jahre, Frauen > 50 Jahre vor intensiven Belastungen.
Echokardiografie empfohlen bei:
Verdacht oder bei Vorliegen einer strukturellen Herzerkrankung, wie z. B. Kardiomyopathien oder Vitien
Familien mit HOCM jährlich.
Laborchemische Untersuchungen
bei Personen > 35 Jahren Bestimmung von Cholesterin mit Unterfraktionen sowie Blutzucker (analog zur Gesundheitsuntersuchung, kann damit kombiniert werden)
Abschließend Einteilung der Patient*innen in 1 von 3 Kategorien:
sportgesund ohne Einschränkung
sportgesund mit Einschränkung: weitere fachärztliche Abklärung mit Angabe des Gebietes bzw. sportgesund nur für bestimmte Sportarten
nicht sportgesund, weitere Abklärung erforderlich.
Intervall für Nachuntersuchung oder Wiederholungsuntersuchung (Anmerkung der DEGAM: Diese Empfehlung ist nicht evidenzbasiert.12)
Personen unter 35 Jahren: alle 2–3 Jahre
Personen über 35 Jahren sowie mit mehr als 1 Risikofaktor oder Auffälligkeiten bei der Untersuchung: jährlich bis alle 2 Jahre
Anamnese
Deckt mehr Anomalien ab als eine körperliche Untersuchung.13-15
Zu achten ist auf Fehlbildungen, Hautveränderungen (Akne bei Anabolikamissbrauch), Anomalien und Varianten wie beim Marfan-Syndrom. Letzteres tritt gehäuft bei großwüchsigen Sportler*innen auf (Basketball, Volleyball, Rudern).
Die sorgfältige Herzauskultation im Liegen und im Sitzen und mit Valsalva-Manöver ermöglicht es, lage- oder vorlastabhängige Geräusche bei Mitralklappenprolaps oder HCM zu erfassen.
Ein Pulsus bisferiens lenkt den Verdacht auf eine HOCM, eine fixierte Spaltung des zweiten Herztones auf einen Vorhofseptumdefekt (ASD).
Durch Belastung ausgelöste Synkopen oder Beinahe-Synkopen
Personen mit durch Belastung ausgelösten Synkopen oder Beinahe-Synkopen bedürfen einer gründlicheren Untersuchung, um strukturelle kardiovaskuläre Erkrankungen auszuschließen.16-17
Durch Belastung ausgelöstes Asthma ist eine häufige Ursache für durch Anstrengung hervorgerufene Schmerzen in der Brust, doch sollten immer auch strukturelle Herzerkrankungen ausgeschlossen werden, z. B. hypertrophe Kardiomyopathie oder angeborene koronare Anomalien.
Fragen Sie die Sportler*innen, ob die Palpitationen in Zusammenhang mit der Einnahme von Kaffee, Tabak, Alkohol, Medikamenten, Nahrungsergänzungsmitteln oder Dopingmitteln stehen können.
Ist die Ursache der Palpitationen nach der Überprüfung von Elektrolyten, der Schilddrüsenfunktion und nach einem EKG sowie Langzeit-EKG nicht geklärt, sollten die körperlichen Aktivitäten eingeschränkt werden bis zur weiteren Klärung.
Palpitationen gekoppelt an eine akute Infektion, sollten den Verdacht auf eine Myokarditis lenken. Wird eine solche festgestellt, wird zu einem Wettkampfverbot von einem halben Jahr geraten.18
Familiäre Vorbelastung durch frühzeitige plötzliche Todesfälle (< 50 Jahre) oder schwere Herzgefäßerkrankungen.
Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention e. V. Leitlinie Vorsorgeuntersuchung im Sport, Stand 2007. www.dgsp.de
European Society of Cardiology. Hypertrophic Cardiomyopathy, Diagnosis and management of, Stand 2014. www.escardio.org
Literatur
Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention e. V. Leitlinie Vorsorgeuntersuchung im Sport. Stand 2007. www.dgsp.de
Löllgen H, Leyk D, Hansel J. Sportärztliche Vorsorgeuntersuchung im Breiten- und Freizeitsport. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(42): 742-9. www.aerzteblatt.de
Dietger M. Fit und gesund von 1 bis Hundert. Berlin, Heidelberg: Springer, 2018. link.springer.com
Baggish AL, Wood MJ. Athlete’s heart and cardiovascular care of the athlete: scientific and clinical update. Circulation 2011; 123: 2723–2735. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Heidbuchel H, Papadakis M, Panhuyzen-Goedkoop N et al. Position paper: proposal for a core curriculum for a European Sports Cardiology qualification. Eur J Prev Cardiol 2013; 20: 889–903. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
European Society of Cardiology. Hypertrophic Cardiomyopathy, Diagnosis and management of, Stand 2014. scholar.google.de
Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie e.V. (DGPK). Primäre Kardiomyopathien im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 023–029, Stand 2013. www.kinderkardiologie.org
Harmon KG, Drezner JA, Wilson MG, Sharma S. Incidence of sudden cardiac death in athletes: a state-of-the-art review. Heart 2014; 100: 1227-34. doi:10.1136/heartjnl-2014-093872.rep DOI
Corrado D, Schmied C, Basso C, et al. Risk of sports:do we neeed a pre-participation screening for competetive and leisure time athletes? Eur Heart J 2011;32:934-44. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Bille K, Figueiras D, Schamasch P, et al. Sudden cardiac death in athletes: the Lausanne recommendations. Eur J Cardiovasc Prev Rehab 2006;13: 859-75. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Maron BJ. Sudden death in young competetive athletes. Analysis of 1866 deaths in the United States 1980-2006. Circulation 2009;119:1085-92. www.ahajournals.org
Maron BJ, Friedman RA, Kligfield P, Levine BD, Viskin S et al. Assessment of the 12-lead electrocardiogram as a screening test for detection of cardiovascular disease in healthy general populations of young people (12-25 years of age): A scientific statement from the American Heart Association and the American College of Cardiology. J Am Coll Cardiol. 2014; 64: 1479-1514. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Beckerman J, Wang P, Hlatky M. Cardiovascular screening of athletes. Clin J Sport Med 2004; 14: 127-33. PubMed
Chizner MA. The diagnosis of heart disease by clinical assessment alone. Dis Mon 2002; 48: 7-98. PubMed
Heidbuchel H. Screening for safe sports participation: do for yourself what you tell your patients. Eur J Cardiovasc Prev Rehabil 2009;16 (Suppl 2): S14-6. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Maron BJ, Zipes DP. Introduction: eligibility recommendations for competitive athletes with cardiovascular abnormalities - general considerations. J Am Coll Cardiol 2005; 45: 1318-21. PubMed
Pelliccia A, Corrado D, Bjornstad HH, et al. Recommendations for competitive sports participation in athletes with cardiovascular disease: a consensus document from the Study Group of Sports Cardiology of the Working Group of Cardiac Rehabilitation and Exercise Physiology and the Working Group of Myocardial and Pericardial Diseases of the European Society of Cardiology. Eur Heart J 2005; 26: 1422-45. PubMed
Maron BJ, Thompson PD, Puffer JC, McGrew CA, Strong WB, Douglas PS, et al. Cardiovascular preparticipation screening of competitive athletes. A statement for health professionals from the Sudden Death Committee (clinical cardiology) and Congenital Cardiac Defects Committee (cardiovascular disease in the young), American Heart Association. Circulation 1996; 94: 850-6. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Corrado D, Drezner J, Basso C, Pelliccia A, Thiene G. Strategies for the prevention of sudden cardiac death during sports. Eur J Cardiovasc Prev Rehabil 2011;18:197-208. PubMed
Autor*innen
Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
Erika Baum, Prof. Dr. med., Professorin für Allgemeinmedizin, Biebertal (Review)
Frühere Autor*innen
Hans Halvor Bjørnstad, Oberarzt Dr. med., Abteilung für Kardiologie, Haukeland Universitätskrankenhaus und Krankenhaus Telemark, Rjukan
Tor Halvor Bjørnstad, Arzt, Tynset legekontor
plutselig død; idrett; kardiovaskulær vurdering av idrettsutøvere; idrettsutøver; hjertesykdom og idrett; Kardiovaskulær vurdering, idrett
Bei sportmedizinischen Untersuchungen sollte man je nach dem Ziel differenzieren: Für Breiten- oder Gesundheitssport sollte die allgemeine Beratung zur Vermeidung von Fehlbelastungen im Vordergrund stehen. In aller Regel genügt hier eine gründliche Anamnese, Beratung und eine Gesundheitsuntersuchung, wie sie im Bereich der GKV vorgesehen ist. Lediglich bei hinweisenden Beschwerden oder gravierenden Vorerkrankungen sind weitere Untersuchungen indiziert. Eine Pathologisierung dieses Bereiches ist unbedingt zu vermeiden, allerdings sind individuelle Hinweise zur Vermeidung von sportbedingten Fehlbelastungen hifreich.