Berufsbedingtes Asthma ist die häufigste berufsbedingte Lungenkrankheit in der westlichen Welt, berufsbedingte Rhinopathie kommt allem Anschein nach noch häufiger vor. 4
Die Verschlechterung einer vorhandenen Asthma- oder Rhinopathie-Erkrankung aufgrund berufsbedingter Faktoren spielt dabei eine zunehmend wichtige Rolle.
Allergische Alveolitis ist eine seltene, aber schwere Krankheit, die häufig durch berufsbedingte Expositionen ausgelöst wird.
Häufigkeit
Asthma und andere allergische Beschwerden stellen ein zunehmendes Problem dar.1
Vorkommen in Deutschland:
In den Jahren 2011/2012/2013 wurden von der Deutschen Gesetzlíchen Unfallversicherung bei 345/406/398 Personen allergische Atemwegserkrankungen als Berufskrankheit (Nr. 4301) anerkannt.2
Ätiologie und Pathogenese
Um die Exposition mit Qualm, Staub, Gasen und Dämpfen in der Industrie zu reduzieren, wurden erhebliche Mittel aufgewendet; dennoch besteht immer noch eine erhebliche Exposition mit über die Luft übertragenen Berufsallergenen.
Neue Produktionsprozesse, Materialien und Produkte haben neue potenzielle Allergene zur Folge.
ICPC-2
R96 Asthma
R97 Allergische Rhinopathie
R99 Atemwegserkrankung, andere
ICD-10
J45 Asthma
J45.0 Vorwiegend allergisches Asthma bronchiale
J45.1 Nichtallergisches Asthma bronchiale
J45.8 Mischformen des Asthma bronchiale
J45.9 Asthma bronchiale, nicht näher bezeichnet
J30 Vasomotorische und allergische Rhinopathie
J30.1 Allergische Rhinopathie durch Pollen
J30.2 Sonstige saisonale allergische Rhinopathie
J30.3 Sonstige allergische Rhinopathie
J30.4 Sonstige allergische Rhinopathie, nicht näher bezeichnet
J67 Allergische Alveolitis durch organischen Staub
J67.7 Befeuchter- und Klimaanlagenlunge (allergische Alveolitis)
J67.9 Allergische Alveolitis durch nicht näher bezeichneten organischen Staub (exogene allergische Alveolitis)
Berufsbedingtes Asthma
Sobald ein begründeter Verdacht auf eine berufsbedingte obstruktive Atemwegserkrankung besteht (nicht nur Asthma, sondern ggfs. auch COPD), ist er verpflichtet, dem Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit zu erstatten (Formulare bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung). Nach der Berufskrankheitenliste (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung)2 kommt die folgende Definition in Betracht.
Definition
Berufskrankheit BK 4301: Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Pathogenese
Üblicherweise wird berufsbedingtes Asthma in Zustände eingeteilt, die mit oder ohne Latenzzeit ab Beginn der Exposition bis Krankheitsausbruch auftreten.
Berufsbedingte Asthma-Erkrankungen infolge immunologischer Mechanismen treten grundsätzlich mit Latenzzeit auf, und berufsbedingtes Asthma ist in der überwiegenden Zahl der Fälle immunologisch verursacht.
IgE-bedingt
IgE-vermitteltes berufsbedingtes Asthma tritt am häufigsten nach der Exposition mit makromolekularen Stoffen (> 1 kDA) auf.
Bei IgE-vermitteltem berufsbedingtem Asthma werden häufig sowohl Sofort- als auch Spätreaktionen festgestellt, hierunter vor allem Histaminfreisetzung bzw. eine eosinophilen Reaktion mit Leukotrienfreisetzung.3
Nicht-IgE-bedingt
Mikromolekulare Stoffe verursachen vor allem immunologisch berufsbedingtes Asthma, vermittelt durch andere Rezeptoren als IgE.
Eine große Anzahl an Verbindungen von Bakterien, Pilzen und Endotoxinen bis zu Isocyanaten und Metallen können über membrangebundene Rezeptoren NF-κB in der Zelle aktivieren und dadurch die inflammatorische Kaskade mit den proinflammatorischen und inflammatorischen Zytokinen starten.
Häufigkeit
Berufsbedingtes Asthma ist die am häufigsten auftretende berufsbedingte Lungenerkrankung in der westlichen Welt.4
Die Verschlechterung einer vorhandenen Asthma-Erkrankung aufgrund von Faktoren am Arbeitsplatz spielt allem Anschein nach eine wesentliche und zunehmend wichtige Rolle; gleichzeitig kommt Asthma immer häufiger vor.5
Für den Anteil berufsbedingter Asthma-Erkrankungen werden verschiedene Zahlen genannt, von 5 % bis 29 %.6-7
In Deutschland geht man davon aus, dass bei 10–15 % der erwachsenen Asthmapatienten berufliche Faktoren ursächlich sind.8
Diagnostik
Die Untersuchung besteht aus drei Teilen:
Die Diagnose Asthma verifizieren.
Einen relevanten zeitlichen Zusammenhang zwischen der Arbeit und den Symptomen bestätigen.
Wenn möglich, das auslösende Agens identifizieren.
PEF-Messungen
Werden zu festen über den Tag verteilten Zeitpunkten sowohl in der Freizeit als auch während der Arbeitszeit durchgeführt.
Identifikation von Allergenen?
Die Sensibilisierung auf allgemeine Atemwegsallergene sollte untersucht werden, und, wenn möglich, um eine Untersuchung der Sensibilisierung auf die im Verdacht stehenden Stoffe aus der Arbeitsumgebung ergänzt werden.
Provokation?
Ist der kausale Zusammenhang noch nicht sicher bestätigt, kann eine spezifische bronchiale Provokation gegenüber den in Verdacht stehenden Stoffen ergänzt werden.
Die Provokation kann ernste Reaktionen wie Anaphylaxie und schweres Asthma hervorrufen. Derartige Untersuchungen sollten daher in eigenen diagnostischen Einheiten ausgeführt werden.
Berufsbedingte Rhinopathie
Definition
Entzündliche Beschwerden, die in der Nase infolge einer Exposition mit über die Luft übertragenen Allergenen und Irritanzien auftreten, und nicht infolge einer Exposition mit Stimuli außerhalb des Arbeitsplatzes.
Die Mechanismen können allergen, nephrogen oder toxisch sein.
Es gibt keinen internationalen diagnostischen Konsens, aber es liegt eine Definition der EU vor, die jedoch in der Kritik steht, da sie mikromolekulare Stoffe als Ursache für berufsbedingte Rhinopathie ausschließt.9
Zur Definition als Berufskrankheit in Deutschland siehe oben unter Asthma (BK4301).
Pathogenese
Berufsbedingte Rhinopathie wird üblicherweise danach eingeteilt, ob es eine Latenzzeit zwischen dem Beginn der Exposition und dem Ausbruch der Krankheit gibt.
Häufigkeit
Berufsbedingte Rhinopathie und Asthma sind eng miteinander verknüpft und weisen gemeinsame allergene Ursachenfaktoren auf, doch die Prävalenz berufsbedingter Rhinopathie scheint dreimal höher zu sein als die Prävalenz von berufsbedingtem Asthma.10
Oftmals geht eine berufsbedingte Rhinopathie dem berufsbedingten Asthma voraus.
Das Risiko, berufsbedingtes Asthma zu bekommen, wenn man bereits an berufsbedingter Rhinopathie erkrankt ist, hat erheblich zugenommen (OR beträgt 4,8).
Diagnostik
Es gibt keinen Konsens darüber, welche Kriterien verwendet werden sollen.
Eine finnische Studie definiert allergische Rhinopathie auf der Grundlage berufsbezogener Symptome, einer spezifischen Sensibilisierung auf Arbeitsplatzallergene, einer positiven basalen Provokation und des Ausschlusses anderer Ursachen für die Rhinopathie.11
Der nasale Provokationstest ist jedoch zeitaufwändig und nicht standardisiert.
Berufsbedingte allergische Alveolitis
Definition
Ist eine Lungenkrankheit, die auf die Inhalation von Antigenen am Arbeitsplatz zurückgeführt wird.
Hauptsächlich handelt es sich um die Inhalation organischer Stäube, die thermophile Bakterien (häufig), Amöben, Pilze und Bakterien, tierische und pflanzliche Eiweiße (häufig) enthalten, aber die Krankheit kann auch nach der Inhalation von Chemikalien mit niedrigem Molekulargewicht (Isocyanate und Anhydride) und Metallen (Beryllium und Cobalt) auftreten.12
Allergische Alveolitis ist eine interstitielle und alveolare inflammatorische Erkrankung, die die peripheren Lungenabschnitte beeinträchtigt.
Häufigkeit
Die meisten Fälle sind auf eine Exposition bei der Arbeit zurückzuführen und kommen vor allem in der Landwirtschaft und bei Menschen, die mit Vögeln arbeiten, vor.
Nur wenige der der Exposition ausgesetzten Personen werden krank.
Die Prävalenz liegt bei Bauern zwischen weniger als 1 % und 6 %, und in Schweden hat man eine jährliche Inzidenz von 2 bis 3 unter 10.000 Bauern festgestellt.13
Tritt innerhalb von Stunden und Tagen nach häufiger, deutlicher Exposition mit Influenza-ähnlichen Symptomen auf wie Fieber, Schüttelfrost und Husten.
Im hochauflösenden CT sind Milchglasinfiltrate zu erkennen und bei einer histologischen Untersuchung eine Veränderung der Alveolen.
Subakut
Äußert sich durch Dyspnoe und Husten, häufig mit zeitweisen Exazerbationen, die mit der wiederholten Exposition über Wochen und Monate zusammenhängen.
Die Röntgenbilder zeigen mikronoduläre Infiltrate und Luftlöcher, und bei einer histologischen Untersuchung werden Granulombildung und Bronchiolitisveränderungen festgestellt.
Chronisch
Steht in Verbindung mit monate- bis jahrelanger geringfügiger Exposition und äußert sich häufig durch Dyspnoe, Husten, Müdigkeit und Gewichtsverlust.
Radiologische und histologische Untersuchung zeigen Fibrose mit Wabenzeichnung und Emphysem.
Die Diagnostik basiert auf dem klinischen Befund, einer restriktiven Lungenfunktionsbeeinträchtigung und einem niedrigen Diffusionskoeffizient, typischen radiologischen Veränderungen und immunologischen Charakteristika (normaler CD4/CD8-Quotient).
Die Untersuchung kann diagnostische Verfahren wie eine bronchioalveoläre Lavage, ein hochauflösendes CT, eine Lungenbiopsie und einen Provokationstest einschließen.
Expositionen am Arbeitsplatz
Es wurden mehr als 250 Stoffe identifiziert, die Asthma und Rhinopathie verursachen können.
Risikoberufe:
Bäcker
Bauern
Schweißer
Personen, die Enzymen, Isocyanaten, Säureanhydriden, Holzstäuben ausgesetzt sind und mit Versuchstieren arbeiten.
Mitarbeiter in der pharmazeutischen Industrie
Friseure.
Prävention
Primäre Vorbeugung
Eine Dosis-Wirkung-Beziehung ist eindeutig dokumentiert.15-19
Berufsbedingten allergischen Erkrankungen kann daher durch Minimierung oder Eliminierung einer allergenen Exposition am Arbeitsplatz vorgebeugt werden.
Atopiker sollten davor gewarnt werden, Berufe zu ergreifen, in denen sie makromolekularen Allergenen ausgesetzt sind20-21; dies ist aber umstritten, denn es ist z. B. möglich, die Exposition mit Allergenen einzuschränken.20-21
Sekundäre Vorbeugung
Eine frühzeitige Diagnose und darauf folgende Eliminierung von Allergenen verbessert die Prognose.22
Bei allergischer Alveolitis ist für die Prognose von entscheidender Bedeutung, dass die Exposition eingestellt wird.
Effekt der Vorbeugung
Es ist nicht dokumentiert, dass die Vorbeugung allergischer berufsbedingter Atemwegserkrankungen zu einem Rückgang der Krankheitsinzidenz geführt hat23, aber es liegen Beispiele vor, dass konkrete Maßnahmen wirksam waren.24-27
Quellen
Leitlinien
Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Asthma. 2. Auflage, 2009, zuletzt geändert: August 2013. AWMF S3 Leitlinie Nr. nvl-002
Literatur
Sly RM. Changing prevalence of allergic rhinitis and asthma. Ann Allergy Asthma Immunol 1999; 82: 233-48. PubMed
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung. Anerkannte Berufskrankheiten. Berlin Mai 2015. www.dguv.de
Mapp CE, Saetta M, Maestrelli P et al. Mechanisms and pathology of occupational asthma. Eur Respir J 1994; 7: 544-54. PubMed
Newman TA. Asthma and work: The Colt Lecture, delivered at the Ninth International Symposium on Inhaled Particles, Cambridge, September 2001. Ann Occup Hyg 2002; 46: 563-74. PubMed
Friedman-Jiménez G, Beckett WS, Szeinuk J et al. Clinical evaluation, management, and prevention of work-related asthma. Am J Int Med 2000; 37: 121-41. PubMed
Blanc P, Toren K. How much asthma can be attributed to occupational factors? Am J Med 1999; 107: 580-7. PubMed
Karjalainen A, Kurppa K, Martikainen R et al. Work is related to a substantial portion of adult-onset asthma incidence in the Finnish population. Am J Respir Crit Care Med 2001; 164: 565-8. PubMed
Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Asthma. 2. Auflage, 2009, zuletzt geändert: August 2013. AWMF-Leitlinie nvl-002 www.awmf.org
European Commission. Information notices on diagnosis of occupational diseases. Luxemburg: Office for official publications of the European Communities, 1997.
Malmberg P, Rask-Andersen A, Hoglund S et al. Incidence of organic dust toxic syndrome and allergic alveolitis in Swedish farmers. Int Arch Allergy Appl Immunol 1988; 87: 47-54. PubMed
Bourke SJ, Carter R, Anderson K et al. Obstructive airways disease in non-smoking subjects with pigeon fanciers' lung. Clin Exp Allergy 1989; 19: 629-32. PubMed
Baur X, Chen Z, Liebers V. Exposure-response relationships of occupational inhalative allergens. Clin Exp All 1998; 28: 537-44. PubMed
Houba R, Heederik D, Doekes G. Wheat sensitization and work-related symptoms in the baking industry are preventable. Am J Respir Crit Care Med 1998; 158: 1499-503. PubMed
Hollander A, Doekes G, Heederik D. Cat and dog allergy and total IgE as risk factors of laboratory animal allergy. J Allergy Clin Immunol 1996; 98: 545-54. PubMed
Hunt LW, Kelkar P, Reed CE et al. Management of occupational allergy to natural rubber latex in a medical center: the importance of quantitative latex allergen measurement and objective follow-up. J Allergy Clin Immunol 2002; 110: S96-106. PubMed
Malmberg P, Rask-Andersen A, Rosenhall L. Exposure to microorganisms associated with allergic alveolitis and febrile reactions to mould dust in farmers. Chest 1993; 103: 1202-9. PubMed
Houba R, Heederik D, Doekes G. Wheat sensitization and work-related symptoms in the baking industry are preventable. Am J Respir Crit Care Med 1998; 158: 1499-503. PubMed
Hollander A, Doekes G, Heederik D. Cat and dog allergy and total IgE as risk factors of laboratory animal allergy. J Allergy Clin Immunol 1996; 98: 545-54. PubMed
Vandenplas O, Toren K, Blanc PD. Health and socioeconomic impact of work-related asthma. Eur Respir J 2003; 22: 689-97. PubMed
Cullinan P, Tarlo S, Nemery B. The prevention of occupational asthma. Eur Respir J 2003; 22: 853-60. PubMed
Cathcart M, Nicholson P, Roberts D et al. Enzyme exposure, smoking and lung function in employees in the detergent industry over 20 years. Medical Subcommittee of the UK Soap and Detergent Industry Association. Occup Med 1997; 47: 473-8. PubMed
Allmers H, Schmengler J, Skudlik C. Primary prevention of natural rubber latex allergy in the German health care system through education and intervention. J Allergy Clin Immunol 2002; 110: 318-23. PubMed
Tarlo SM, Liss GM, Yeung KS. Changes in rates and severity of compensation claims for asthma due to diisocyanates: a possible effect of medical surveillance measures. Occup Environ Med 2002; 59: 58-62. PubMed
Gordon S, Preece R. Prevention of laboratory animal allergy. Occup Med 2003; 53: 371-7. PubMed
Autoren
Günter Ollenschläger, Prof. Dr. Dr. med., Professor für Innere Medizin, Uniklinikum Köln (Deximed)
Peter Lange, leitender Oberarzt, Dr. med., Herz- und Lungenmedizinische Abteilung, Hvidovre Hospital (Lægehåndboken)
Terje Johannessen, professor i allmennmedisin, Institutt for samfunnsmedisinske fag, Norges teknisk-naturvitenskapelige universitet, Trondheim
Berufsbedingtes Asthma; Berufsbedingte Rhinopathie; Allergische Alveolitis; Lungenerkrankung; Exposition am Arbeitsplatz
Berufsbedingte allergische Atemwegserkrankungen
Revision at 14.08.2015 14:56:35:
Final Version
Revision at 08.06.2015 12:31:10:
German Guideline included
Revision at 29.05.2015 16:59:34:
German Guidelines and Regulations included
MK 13.12.2017: Qualität kann man erst einmal so lassen
Berufsbedingtes Asthma ist die häufigste berufsbedingte Lungenkrankheit in der westlichen Welt, berufsbedingte Rhinopathie kommt allem Anschein nach noch häufiger vor. 4