Prader-Willi-Syndrom

Das Prader-Willi-Syndrom ist eine angeborene, erbliche Störung und die häufigste Form von Fettleibigkeit, die durch eine Schädigung des Erbguts verursacht wird.

Was ist das Prader-Willi-Syndrom?

Definition

Das Prader-Willi-Syndrom ist eine angeborene, erbliche Erkrankung, die durch eine Schädigung des Erbguts verursacht wird. Die Folgen sind sowohl körperliche als auch geistige Veränderungen bei den betroffenen Kindern.

Symptome

Im embryonalen Stadium bewegt sich der Fötus oft wenig. Im ersten Lebensjahr ist ein Kind mit Prader-Willi-Syndrom in der Regel auffällig ruhig, es schläft viel, die Muskulatur ist schlaff, die Saugkraft beim Stillen gering. Es ist schwierig, das Kind zum Essen zu bewegen. Die frühen Meilensteine ​​in der Entwicklung des Kindes (Sprachentwicklung, motorische Entwicklung) finden verspätet statt.

Nach dem ersten Lebensjahr kommt es im Laufe der Zeit zu einer erheblichen Zunahme des Appetits – oft tritt sogar massiv übermäßiges Essen auf. Dies führt dazu, dass die Kinder bis zum Schuleintritt ein ausgeprägtes Übergewicht entwickeln. Lernschwierigkeiten und Entwicklungsstörungen treten auf. Im schulpflichtigen Alter ist das Kind von auffällig kleiner Statur.

Die Pubertät findet in der Regel verspätet oder unvollständig statt. Bei Jungen wandert der Hoden oft nicht nach unten in den Hodensack. Bei den Mädchen kommt es durch den Mangel an Geschlechtshormonen u. a. zu einer Funktionsstörung der Eierstöcke.

Besondere Verhaltensweisen in der Kindheit und im Jugendalter sind Wutanfälle, nächtliches Einnässen (Enuresis), Schlafstörungen und Hautkratzen (Skin-Picking). Auch Verformungen der Wirbelsäule können bestehen (Skoliose).

In der Jugendzeit können sich psychiatrische Begleiterkrankungen und aufgrund des starken Übergewichts Diabetes mellitus sowie ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom entwickeln.

Optisch sehen sich Kinder mit Prader-Willi-Syndrom einander ähnlich. Das Gesicht ist schmal zwischen den Schläfen, die Augen sind mandelförmig, die Oberlippe dünn und der Kiefer verkleinert und nach hinten verlagert. Die Hände und Füße sind oft auffallend klein. Die Kinder sind oft kurzsichtig und schielen ein wenig.

Ursachen

Das Prader-Willi-Syndrom ist eine Schädigung des zentralen Nervensystems, die durch Veränderungen auf Chromosom 15 verursacht wird. Ein besonderer Bereich des Gehirns, der als Hypothalamus bezeichnet wird, ist in seiner Funktion beeinträchtigt. Der Hypothalamus ist ein wichtiges Zentrum für eine Vielzahl von Körperfunktionen, nicht zuletzt spielt er eine zentrale Rolle bei der Kontrolle der von der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) ausgeschütteten Hormone.

Eine der Folgen der Beeinträchtigung der Funktion des Hypothalamus ist die herabgesetzte Ausschüttung von Sexualhormonen, was zu einer verspäteten Pubertät und einer mangelnden Entwicklung der Genitalien, vermindertem sexuellem Verlangen und einer mangelnden Reifung der Hoden und Eierstöcke führt.

Die herabgesetzte Ausschüttung des Wachstumshormons aus dem Hypothalamus führt zu Kleinwuchs. Mangelnde Kontrolle über die Hunger- und Sättigungszentren im Hypothalamus verursacht ungewöhnlich starken Appetit.

Häufigkeit

Das Prader-Willi-Syndrom tritt bei etwa 1 von 15.000 bis 30.000 Neugeborenen auf. Das Syndrom betrifft beide Geschlechter gleichermaßen.

Untersuchungen

Die Schilderung von Ernährungsproblemen im Säuglingsalter, übermäßige Nahrungsaufnahme in der frühen Kindheit, zunehmende Fettleibigkeit, typische Gesichtszüge, Kleinwuchs und verspätete Pubertät deuten auf das Syndrom hin. Wenn die Diagnose vermutet wird, kann ein Bluttest mit genetischer Ausrichtung die Krankheit belegen.

Behandlung

Es gibt keine ursächlich heilende Therapie. Ziel der Behandlung ist es, die Entwicklung von Übergewicht und Folgeerkrankungen wie Diabetes mellitus zu vermeiden, sowie dem Kind die bestmögliche Entwicklung der körperlichen Fähigkeiten und psychosozialen Funktionen zu ermöglichen. Ein Team verschiedener Fachleute sollte an der Behandlung des Kindes beteiligt sein (Kinderärzt*innen, Fachärzt*innen für Endokrinologie, Psycholog*innen, Pädagog*innen und Ernährungsberater*innen). Die frühzeitige Intervention mit psychosozialen Maßnahmen und z. B. auch einer Verhaltenstherapie gewährleistet die bestmögliche Entwicklung der motorischen Fertigkeiten und von Sprache, Intellekt und Sozialverhalten.

Im Säuglingsalter kann es in einigen Fällen notwendig sein, zu prüfen, ob eine Magensonde gelegt werden sollte, um eine Unterernährung zu verhindern. Nach dem Säuglingsalter stehen hingegen die Kontrolle der Nahrungsaufnahme und die Vermeidung von Übergewicht im Vordergrund. Außerdem hat sich die frühzeitige Gabe von Wachstumshormonen (GH) als vorteilhaft erwiesen. Die Wachstumshormonbehandlung wirkt sich positiv auf die endgültige Körpergröße, den Aufbau von Muskelmasse und damit auf die Gewichtsentwicklung aus. Auch die motorische und sprachliche Entwicklung bessert sich vermutlich.

Kurzsichtigkeit und Schielen (Strabismus) sollten augenärztlich behandelt werden.

Prognose

Betroffene sind in allen Lebensphasen auf Hilfe von ihrem Umfeld angewiesen. Die Therapie und die Verlaufskontrolle von Patient*innen mit Prader-Willi-Syndrom sind anspruchsvoll und eine lebenslange Herausforderung.

Verhaltensprobleme sind an die Nahrungssuche geknüpft, und der Kampf gegen das  Übergewicht erfordert einen enormen Aufwand. Deutliches Übergewicht ist in der Regel die Hauptursache für die erhöhte Morbidität und Mortalität bei Menschen mit Prader-Willi-Syndrom. Sie leiden häufig unter Typ-2-Diabetes, Herzerkrankungen, Osteoporose und Schlafapnoe-Syndrom. Einige Menschen entwickeln schwere psychische Erkrankungen.

Eine frühzeitige Diagnose, gute Behandlung und die Vermeidung von Fettleibigkeit können zu einem fast normal langen und guten Lebensverlauf führen.

Weitere Informationen

Autorin

  • Susanna Allahwerde, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Berlin

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Prader-Willi-Syndrom. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

  1. Deutsche Gesellschaft für Humangenetik. Molekulare und cytogenetische Diagnostik bei Prader-Willi-Syndrom und Angelman-Syndrom. AWMF-Leitlinie Nr. 078-010, Stand 2020. www.awmf.org
  2. Kiess W, Gesing J, Körner A, et al. Das Prader-Labhart-Willi-Syndrom. Kinder- und Jugendmedizin 2019; 19(1): 9-17. www.thieme-connect.com
  3. Briegel W. Neuropsychiatrische Aspekte bei Prader-Willi-Syndrom – eine Übersicht. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie 2018. econtent.hogrefe.com