Sonografie der Nieren und Harnwege

Allgemeine Informationen

  • Die Sonografie der Nieren und ableitenden Harnwege ist in der Hausarztpraxis in der Regel Teil der Sonografie des Abdomens, die in einem eigenen Artikel ausführlich dargestellt wird. Siehe Sonografie Abdomen.
    • Hier sind auch Untersuchungsablauf, Befunddokumentation und technische Grundlagen ausführlich dargestellt.
  • Bei Erstvorstellung ist die Untersuchung des gesamten Abdomens empfohlen.1  
  • In manchen Fällen, kann eine alleinige sonografische Untersuchung von Nieren, Harnleitern und Blase indiziert sein, z. B. bei Kontrolluntersuchungen.
    • Bei gefüllter Harnblase ist eine orientierende Beurteilung der Prostata sowie des Uterus möglich.
  • Siehe auch den Sonografiekurs Nieren der Universität Freiburg.

Indikationen

  • Generell: Sonografie der Nieren und Harnwege2
    • wiederholte Harnwegsinfekte (Ausschluss anatomischer Ursachen)
    • Pyelonephritis (zum Ausschluss komplizierter Faktoren)
    • bei unkomplizierter Zystitis Sonografie im Allgemeinen nicht erforderlich
    • nicht-sichtbare Hämaturie (2 x positiver Urinstix): in Absprache mit Patient*in bei erstmaligem Auftreten Sonografie, ggf. Überweisung an Urologie3
  • Niere
      • Blutfluss in Arterien, Venen und Parenchym
  • Nebennieren
    • V. a. Tumoren, Metastasen, Tumoren
  • Harnleiter/Nierenbecken
  • Harnblase
  • Kinder (Diagnostik in der Regel bei Pädiater*in oder Kinderurolog*in) 4
    • bei komplizierter Zystitis
    • bei rezidivierender Zystitis mit Frage nach Blasenentleerungsstörungen auch Restharnbestimmung
  • Bildgebung zur Steuerung perkutaner Interventionen, z. B. bei einer Biopsie
  • Orientierende Beurteilung von Prostata und Uterus bei voller Blase
    • Goldstandard: transrektaler Ultraschall bei Urolog*in und transvaginaler Ultraschall bei Gynäkolog*in

Fehlerquellen

  • Untersucherabhängigkeit
  • Artefaktbildung
  • Intestinale Gasbildung
  • Limitierte Darstellung bei Adipositas

Durchführung

Schnittebenen

  • Der Abschnitt basiert auf dieser Referenz.5
  • Flankenschnitt links und rechts: linke und rechte Niere
  • Unterbauchlängsschnitt:  
    • bei der Frau: Harnblase, Douglas-Pouch, Uterus, Vagina
    • beim Mann: Harnblase, Excavatio rectovesicalis, Prostata

Befundbeschreibung

  • Der Abschnitt basiert auf diesen Referenzen.1,6-7
  • Niere: Größe, Kontur, Echogenität, fokale oder diffuse Läsionen, Organlage, Atemverschieblichkeit und Weite des Nierenbeckenkelchsystems
  • Harnblase: Volumen, Wandunregelmäßigkeiten, Raumforderungen (Tumoren, Koagel, Konkremente)
  • Innere Geschlechtsorgane (Prostata, Uterus): Lage, Größe, fokale Läsionen
  • Dokumentationsempfehlungen 

Normalbefunde

  • Nieren8
    • kraniokaudaler Durchmesser der Niere zwischen 9 und 12 cm
    • bohnenförmige Struktur, Parenchym mit einer der Leber ähnlichen Echogenität
    • Zentral (Sinus renalis) ist die Niere vorwiegend echoreich: echoreiches (helles) Bindegewebe, Fettgewebe und meist leere Kelche, wenig dunkle Flüssigkeit in den Kelchen.
    • Pyramiden als dunkle Ausbuchtungen des Parenchyms 
  • Nebennieren
    • Die Nebennieren sind im Ultraschall normalerweise nicht darstellbar.
  • Harnleiter
    • Der Harnleiter lässt sich in der Regel nicht mit Ultraschall darstellen.
  • Harnblase
    • Die Harnblase sollte bei der Untersuchung gefüllt sein: scharf abgegrenzt, keine Wandunregelmäßigkeiten, keine Raumforderungen
    • Restharn < 50 ml9
  • Prostata
    • scharf abgrenzbar, homogen
    • Größe ca. 25 ml9
  • Uterus
    • Korpus anteflektiert, glatt, Muskulatur homogen, Endometrium homogen

Auswertung anomaler Befunde

Nieren

  • Größe10
  • Parenchymveränderungen11
    • keilförmiger Parenchymdefekt
      • Niereninfarkt
    • ödematös vergrößerter Längsdurchmesser, verwaschener Mark-Rinden-Übergang
  • Raumforderung im Nierenparenchym11
    • Unterscheidung zwischen Zysten und soliden Tumoren
    • Einfache Zysten sind sehr häufig.
      • echofreier Inhalt, rund, glatt begrenzt, dorsale Schallverstärkung; Septierung und Verkalkungen möglich
      • multiple Zysten: Zystenniere
    • solide Tumoren (sollten immer abgeklärt werden)
      • maligne Tumoren: z. B. Nierenzellkarzinom
        • Malignitätskriterien: echoarm, überschreitet die Nierenkapsel, gute Randvaskularisierung.
        • bei zentralen Nekrosen meist Nierenzellkarzinom
        • Bei reduzierter Atemverschieblichkeit: Tumor hat Nierenfettkapsel überschritten.
      • Angioyolipom
        • rund, echoreich
      • Onkozytom
        • echoreich, stark hypervaskularisiert
  • Harnabflussstörung: Hydronephrose
    • Grad I.: Pyelon erweitert
    • Grad II: Kelchsystem erweitert
    • Grad III: Parenchym fokal verschmälert
    • Grad IV: Parenchym komplett verdrängt
    • Ursachen: Urolithiasis, Ureterstrikturen, Tumoren der ableitenden Harnwege, Fehlbildungen, retroperitoneale Raumforderungen
  • Nierensteine
    • echoreiches Konkrement mit Schallschatten11
    • per Ultraschall in den Nieren, den Nierenkelchen oder dem Nierenbecken, jedoch selten im Ureter nachweisbar
    • Steine, die kleiner als 5 mm sind, können beim Ultraschall leicht übersehen werden.
  • Perirenale Flüssigkeitsansammlungen
    • nach Transplantation
    • Abszesse, Hämatome, Urinome, Lymphozele
  • Nierenarterienstenose
    • Farbdoppler

Nebennieren

  • Tumoren, Metastasen und Hämatome können sichtbar sein.
  • In Untersuchungen zufällig entdeckte, meist asymptomatische Raumforderungen der Nebennieren werden als Inzidentalome bezeichnet.

Harnleiter

  • Nur bei ausgeprägter Harnstauung, großen Konkrementen oder Tumoren darstellbar

Harnblase

  • Restharn nach Miktion > 50 ml11
  • Raumforderungen der Harnblasenwand11
    • Tumoren, Papillome
    • Ausbreitung eines Tumors in die Harnblase
  • Verdickung der Blasenwand
    • Balkenblase
  • Raumforderungen hinter der Blase
  • Blasendivertikel
    • Ausstülpungen der Harnblasenwand
  • Ureterozele

Prostata

  • Vergrößerung (normal ca. 25 ml)9
  • Inhomogenität
  • Raumforderung
  • Ggf. urologische Abklärung erforderlich

Uterus

  • Raumforderungen, z. B. Myome11
  • Schwangerschaft11
  • Endometrium inhomogen11
  • Ggf. gynäkologische Abklärung erforderlich

Kontrolle auffälliger Befunde

  • Nieren und obere Harnwege: je nach Befund und Grunderkrankung
    • Urografie
    • CT oder MRT
    • Punktionsbiopsien
    • Ureteroskopie
  • Harnblase
    • Zystoskopie ggf. mit Biopsie
    • CT oder MRT
  • Prostata
    • transrektaler Ultraschall (bei Urolog*in)
  • Uterus
    • vaginaler Ultraschall (bei Gynäkolog*in)
  • Ggf. Labor: Urinstix, Urinsediment, Urinkultur, Blutbild, CRP, BSG, Kreatinin, Harnstoff, Natrium, Kalium

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Nierenzyste.jpg
Nierenzyste (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg).
Zystenniere.jpg
Zystenniere (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg).
Harnleiterkonkrement mit Aufstau.jpg
Harnleiterkonkrement mit Aufstau (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg).
Hydronephrose Grad III.jpg
Hydronephrose Grad III (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg).
Schrumpfniere.jpg
Schrumpfniere (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg).
Angiomyolipom.jpg
Angiomyolipom (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg).
Akute Pyelonephritis.jpg
Akute Pyelonephritis (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg).
Nierenzellkarzinom.jpg
Nierenzellkarzinom (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg).
Blasentumor.jpg
Blasentumor (mit freundlicher Genehmigung von sonographiebilder.de ©Albertinen-Diakoniewerk e. V., Hamburg).

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie. Harnwegsinfektion bei Kindern – Bildgebende Diagnostik. AWMF-Leitlinie Nr. 064-007. S1, Stand 2020. www.awmf.org.
  • Nationale Versorgungsleitlinie. Nierenerkrankungen bei Diabetes im Erwachsenenalter. AWMF-Leitlinie Nr. nvl/001d. S3, Stand 2015. www.awmf.org.
  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Brennen beim Wasserlassen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-001. S3, Stand 2018. www.awmf.org.
  • DEGAM S1-Handlungsempfehlung. Nicht sichtbare Hämaturie (NSH). AWMF-Leitlinie Nr. 053-028. Stand 2020. www.degam.de

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM). Dokumentationsempfehlungen für abdominelle Sonografie im Kindes- und Jugendalter, Stand 2006. www.degum.de
  2. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Brennen beim Wasserlassen (S3). AWMF-Leitlinie Nr. 053-001. Stand 2018. www.awmf.org
  3. DEGAM S1-Handlungsempfehlung. Nicht sichtbare Hämaturie (NSH). AWMF-Leitlinie Nr. 053-028. Stand 2020. www.degam.de
  4. Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie. Harnwegsinfektion bei Kindern - Bildgebende Diagnostik (S1). AWMF-Leitlinie Nr. 064-007. Stand 2020. www.awmf.org
  5. Sonographie Standard-Abdomen - Empfehlungen der Sektion Radiologie der DEGUM. (letzter Zugriff am 02.02.2021). www.degum.de
  6. Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin. Informationen zum Fach. Berlin, o.D. (Zugriff: 02.02.2021). www.degum.de
  7. Stenzel MS, Mutze SM , Dahse HP , Delorme SD , Strunk HS. Dokumentation Sonographie Abdomen nach Empfehlung der Sektion Radiologie der DEGUM. Fortschr Röntgenstr 2008. doi:10.1055/s-2008-1074037. www.thieme-connect.com
  8. Untersuchungskurs der Uni Freiburg. Sonografiekurs. Nieren. Lehrbereich Allgmeinmedizin. (letzter Zugriff am 02.02.2021) www.ukurs.uni-freiburg.de
  9. Arkadiusz M, Gratzke C. Aktuelle Therapie des benignen Prostatasyndroms. Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 843-54. doi:10.3238/arztebl.2020.0843 DOI
  10. Nationale Versorgungsleitlinie. Nierenerkrankungen bei Diabetes im Erwachsenenalter. AWMF-Leitlinie Nr. nvl/001d. Stand 2015. www.awmf.org
  11. sono4you Wien. Abdomen Pocketcard. 02/2020. www.sono4you.org

Autor*innen

  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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