Schilddrüsenkrebs

Schilddrüsenkrebs bezeichnet verschiedene Tumore, die aus unterschiedlichen Teilen der Schilddrüse hervorgehen.

Was ist Schilddrüsenkrebs?

Schilddrüse
Schilddrüse

Definition

Schilddrüsenkrebs (Schilddrüsenkarzinom) kann an jeder Stelle der Schilddrüse auftreten. Allerdings werden je nach Art der Tumorzellen verschiedene Formen von Schilddrüsenkrebs unterschieden, die unterschiedlich häufig vorkommen:

  • Differenzierte Karzinome gehen aus den hormonproduzierenden Zellen (Trijodthyronin/Thyroxin) der Schilddrüse hervor. Diese Tumoren kommen insgesamt am häufigsten vor, es gibt folgende Subtypen:
    • Papilläre Karzinome machen etwa 60–75 % aller Krebserkrankungen der Schilddrüse aus. Sie können mehrere Tumorherde an unterschiedlichen Stellen in der Schilddrüse bilden.
    • Follikuläre Karzinome (10–30 %) bilden meist nur einzelne Knoten. 
  • Medulläre Karzinome (C-Zell-Karzinome) entstehen aus den Calcitonin produzierenden C-Zellen im Stützgewebe der Schilddrüse. Sie gehören zu den sogenannten neuroendokrinen Tumoren (Tumoren hormonbildender Zellen des Nervensystems) und sind deutlich seltener (5–8 %).
  • Undifferenzierte oder anaplastische Karzinome (ca. 2 %) sind besonders aggressiv. Sie kommen fast ausschließlich bei älteren Menschen (über 50 oder 60 Jahre) vor.

Symptome

  • Schilddrüsenkrebs zeigt sich als fester Knoten an der Schilddrüse, der ab einer Größe von 1 cm tastbar ist. In den meisten Fällen sind solche Schilddrüsenknoten gutartig.
  • Beim medullären Schilddrüsenkarzinom werden verstärkt Botenstoffe (Serotonin, Katecholamine) freigesetzt, die zu Symptomen wie Durchfall und Abgeschlagenheit führen können.
  • Anaplastische Karzinome nehmen rasch an Größe zu. Zudem können Schluckbeschwerden, Atemnot und Heiserkeit auftreten.
  • Die Lymphknoten am Hals können vergrößert sein.

Ursachen

Ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Schilddrüsenkrebs besteht bei Personen, die radioaktiver Strahlung ausgesetzt waren, vor allem im Kindesalter. So hat die Aufnahme von radioaktivem Jod, z. B. nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl, das Risiko für Schilddrüsenkrebs in den damaligen betroffenen Sowjetrepubliken erhöht. Das Risiko ist ebenfalls erhöht nach einer Strahlentherapie im Kopf-/Halsbereich, z. B. bei einer Krebsbehandlung im Kindesalter.

In bestimmten Fällen besteht auch eine erbliche Veranlagung. Dem medullären Schilddrüsenkarzinom liegt in 25 % eine genetische Veränderung zugrunde, die innerhalb der Familie vererbt wird. In betroffenen Familien werden daher ab dem frühen Kindesalter regelmäßige Untersuchungen empfohlen.

Häufigkeit

  • Schilddrüsenkrebs gehört zu den selteneren Tumorerkrankungen. In Deutschland erkranken pro Jahr etwa 4 von 100.000 Männern und 9 von 100.000 Frauen. 
  • Schilddrüsenkrebs kann in jedem Alter auftreten, am häufigsten sind jedoch Personen zwischen 40 und 50 betroffen.
  • Aufgrund genauerer Untersuchungsmethoden sind die Zahlen für Schilddrüsenkrebs in den letzten Jahren gestiegen. Die Sterberaten haben im gleichen Zeitraum jedoch leicht abgenommen.

Untersuchungen

  • Bei der ärztlichen Untersuchung werden Hals, Schilddrüse und Lymphknoten abgetastet.
  • Mit Ultraschall wird die Schilddrüse genauer untersucht. Je nach Aussehen der Knoten kann die Wahrscheinlichkeit für Krebs beurteilt werden.
  • Die meisten Schilddrüsenknoten sind gutartig und müssen nicht weiter abgeklärt werden. Eine erweiterte Diagnostik wird nur nach Strahlenexposition, bei schnellem Tumorwachstum, vergrößerten Lymphknoten, in der Untersuchung auffälligen Knoten und familiärer Veranlagung empfohlen.
  • In einer Blutuntersuchung werden die Schilddrüsenhormone (TSH und FT4) sowie Schilddrüsenantikörper bestimmt. Bei Verdacht auf ein medulläres Karzinom werden auch die Werte für Calcitonin überprüft.
  • Bei einer Szintigrafie wird die Schilddrüse mithilfe von radioaktiv markierten Stoffen dargestellt. Dadurch können hormonproduzierende Bereiche sichtbar gemacht werden. Schilddrüsenkrebs erscheint meist als sog. „kalter“ Knoten, der keine Hormone produziert.
  • Besteht nach o. g. Untersuchungen der Verdacht auf einen bösartigen Tumor, wird bei einer sog. Feinnadelaspirationszytologie eine Zellprobe aus dem Knoten entnommen und mit einem Mikroskop untersucht. In manchen Fällen ist die Untersuchung einer größeren Gewebeprobe erforderlich.
  • Weitere bildgebende Untersuchungen (z. B. CT oder MRT) werden durchgeführt, um die Ausdehnung des Tumors und ggf. Metastasen zu erfassen.

Behandlung

  • Die Behandlung richtet sich nach Art und Ausbreitung des Schilddrüsenkrebs.

Differenzierte Karzinome

  • Differenzierte Karzinome werden in der Regel mit einer Kombination aus Operation und Radiojodtherapie behandelt.
  • Bei der Operation wird meist die gesamte Schilddrüse entnommen (Thyreoidektomie), um das Tumorgewebe möglichst vollständig zu entfernen.
  • Bei kleinen Schilddrüsenknoten, die sich erst nach der Entfernung als bösartig herausstellen, ist eine erneute Operation häufig nicht erforderlich.
  • Anschließend wird eine sog. Radiojodtherapie durchgeführt, bei der radioaktives Jod verabreicht wird. Das Jod sammelt sich in den Schilddrüsenzellen an, sodass eine gezielte Bestrahlung von innen erfolgt. Durch diese Therapie lassen sich eventuell im Körper verbliebene Reste der normalen Schilddrüse oder auch Tumorreste bzw. Metastasen zerstören. Das Rückfallrisiko wird dadurch deutlich gesenkt.
  • In manchen Fällen kann unterstützend eine Strahlentherapie eingesetzt werden.
  • Um Rückfälle frühzeitig zu erkennen, sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen wichtig.

Andere Krebsformen

  • Bei medullären Karzinomen wird die gesamte Schilddrüse operativ entfernt.
  • Zusätzlich werden Lymphknoten und ggf. Teile der Muskeln im Hals entfernt.
  • Anaplastische Karzinome können in den meisten Fällen nicht geheilt werden, daher erfolgt hauptsächlich eine lindernde (palliative) Behandlung.
  • Die Behandlung besteht aus einer Kombination einer Strahlentherapie, einer Chemotherapie und einer entlastenden Operation.

Hormonersatz nach der Krebsbehandlung

  • Wird die Schilddrüse im Rahmen der Krebstherapie teilweise oder vollständig entfernt, müssen die dann fehlenden Schilddrüsenhormone ersetzt werden, d. h. die Betroffenen müssen lebenslang diese Hormone als Tabletten einnehmen.
  • Die Behandlung erfolgt in diesem Fall mit dem Schilddrüsenhormon Thyroxin, das der Körper für einen gesunden Stoffwechsel benötigt.
  • Thyroxin unterdrückt zudem die Produktion des Hypophysenhormons TSH im Gehirn, das die Hormonproduktion in der Schilddrüse stimuliert. Wird TSH gehemmt, lässt sich ein erneutes Wachstum der Schilddrüse und eventuell vorhandener Tumorreste unterdrücken, was vor allem bei einer unvollständigen Entfernung des Tumorgewebes wichtig ist. Deshalb wird Thyroxin zunächst in einer etwas höheren Dosis verabreicht, als eigentlich vom Körper benötigt wird.

Vorbeugung

  • Vermeiden Sie radioaktive Strahlung. Bei Bestrahlung der Kopf- und Halsregion oder nach Reaktorzwischenfällen kann vorbeugend hochdosiertes Jod verabreicht werden.
  • Ist ein Familienmitglied an einem medullären Karzinom erkrankt, wird denjenigen Verwandten, bei denen die entsprechende Genveränderung vorliegt, eine frühzeitige Entfernung der Schilddrüse und anschließende Hormonersatztherapie empfohlen.
  • Ein generelles Ultraschall-Screening der Schilddrüse bei älteren Menschen wird nicht empfohlen, da die Gefahr der Überdiagnostik besteht.

Prognose

Die Heilungsaussichten sind bei den meisten Formen des Schilddrüsenkrebs im Allgemeinen gut, wenn er frühzeitig erkannt wird. Bei differenzierten Schilddrüsenkarzinomen sind nach 10 Jahren 84 % der Männer und 92 % der Frauen noch am Leben. Allerdings haben Patient*innen mit einem medullären Karzinom eine deutlich schlechtere Prognose. Bei den seltenen anaplastischen Krebsformen sind die Überlebenschancen gering; eine unterstützende Therapie zum Erhalt der Lebensqualität steht im Vordergrund.

Weitere Informationen

Autorin

  • Martina Bujard, Wissenschaftsjournalistin, Wiesbaden

Links

Autoren

Ehemalige Autoren

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit

Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Schilddrüsenkarzinom. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

  1. Lohnstein M, Eras J, Hammerbacher C. Der Prüfungsguide Allgemeinmedizin - Aktualisierte und erweiterte 3. Auflage. Augsburg: Wißner-Verlag, 2018.
  2. European Society for Medical Oncology. Thyroid cancer: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up, Stand 2012. www.esmo.org
  3. National Comprehensive Cancer Network. NCCN practice guidelines for thyroid cancer, Stand 2014. www.nccn.org
  4. Sherman SI. Thyroid carcinoma. Lancet 2003; 361: 501-11. PubMed
  5. American Thyroid Association Management Guidelines for Adult Patients with Thyroid Nodules and Differentiated Thyroid Cancer. 2015 www.ncbi.nlm.nih.gov
  6. Vaccarella S et al. Worldwide Thyroid-Cancer Epidemic? The Increasing Impact of Overdiagnosis. N Engl J Med 2016; 375:614-617 DOI: 10.1056/NEJMp1604412 www.nejm.org
  7. Robert-Koch-Institut (RKI). Zentrum für Registerdaten. Schilddrüsenkrebs. Stand: 06.12.2017 www.krebsdaten.de
  8. Sigurdson AJ, Ronckers CM, Mertens AC et al. Primary thyroid cancer after a first tumour in childhood (the Childhood Cancer Survivor Study): a nested case-control study. Lancet 2005; 365: 2014-23. PubMed
  9. Brandi ML, Gagel RF, Angeli A, et al. Jr., Marx SJ. Guidelines for diagnosis and therapy of MEN type 1 and type 2. J Clin Endocrinol Metab 2001; 86: 5658-71. PubMed
  10. Überdiagnose von Schilddrüsenkrebs in Südkorea. Deutsches Ärzteblatt. 7. November 2014 www.aerzteblatt.de
  11. Schilddrüsenkrebs: IARC warnt vor Überdiagnose in mehreren Ländern. Deutsches Ärzteblatt. 19. August 2016 www.aerzteblatt.de
  12. Führer D, Bockisch A, Schmid KW: Euthyroid goiter with and without nodules—diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(29–30): 506–16. DOI: 10.3238/arztebl.2012.0506 www.aerzteblatt.de
  13. Papini E et al. Risk of Malignancy in Nonpalpable Thyroid Nodules: Predictive Value of Ultrasound and Color-Doppler Features. The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism, Volume 87, Issue 5, 1 May 2002, Pages 1941–1946, https://doi.org/10.1210/jcem.87.5.8504 academic.oup.com
  14. Laborlexikon. Thyreoglobulin. 2016 www.laborlexikon.de
  15. Laborlexikon. Calcitonin. 2016 www.laborlexikon.de
  16. Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin e. V. (DGN). Iod-131- Ganzkörperszintigraphie beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom. AWMF-Leitlinie Nr. 031 - 013. S1. Stand 2019. www.awmf.org
  17. Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin e. V. (DGN). Radioiodtherapie und diagnostische 131-I-Ganzkörperszintigraphie bei differenzierten Schilddrüsenkarzinomen im Kindes- und Jugendalter. AWMF-Leitlinie Nr. 031-043. S1. www.awmf.org
  18. McCartney CR, Stukenborg GJ. Decision analysis of discordant thyroid nodule biopsy guideline criteria. J Clin Endocrinol Metab 2008; 93: 3037-44. PubMed
  19. Ravetto C, Colombo L, Dottorini ME. Usefulness of fine-needle aspiration in the diagnosis of thyroid carcinoma: a retrospective study in 37,895 patients. Cancer 2000; 90: 357-63. PubMed
  20. Deutsche Krebsgesellschaft.Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatienten. AWMF-Leitlinie Nr. 032-051OL, Stand 2014 www.awmf.org
  21. Bernier MO, Leenhardt L, Hoang C, et al. Survival and therapeutic modalities in patients with bone metastases of differentiated thyroid carcinomas. J Clin Endocrinol Metab 2001; 86: 1568-73. PubMed
  22. Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin e. V. (DGN). Radioiodtherapie beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom. AWMF-Leitlinie Nr. 031 - 002. S1 www.awmf.org
  23. Schlumberger M, Tahara M, Wirth LJ, et al. Lenvatinib versus placebo in radioiodine-refractory thyroid cancer. N Engl J Med. 2015 Feb 12;372(7):621-30 . doi:10.1056/NEJMoa1406470 DOI
  24. Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin. Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung. AWMF-Leitlinie Nr. 128-001OL, Stand 2019. www.awmf.org
  25. Pierie JP, Muzikansky A, Gaz RD, Faquin WC, Ott MJ. The effect of surgery and radiotherapy on outcome of anaplastic thyroid carcinoma. Ann Surg Oncol 2002; 9: 57-64. PubMed
  26. Bauer DC, Ettinger B, Nevitt MC, Stone KL, for the Study of Osteoporotic Fractures Research Group. Risk for fracture in women with low serum levels of thyroid-stimulating hormone. Ann Intern Med 2001; 134: 561-68. Annals of Internal Medicine
  27. Sawin CT, Geller A, Wolf PA, et al. Low serum thyrotropin concentrations as a risk factor for atrial fibrillation in older persons. N Engl J Med 1994; 331: 1249-52. New England Journal of Medicine
  28. Grigsby PW, Baglan K, Siegel BA. Surveillance of patients to detect recurrent thyroid carcinoma. Cancer 1999; 85: 945-51. PubMed
  29. Orlandi F, Caraci P, Mussa A, Saggiorato E, Pancani G, Angeli A. Treatment of medullary thyroid carcinoma: an update. Endocr Relat Cancer 2001; 8: 135-47. PubMed