Blasenkatheter

Allgemeine Informationen 

Definition

  • In die Harnblase eingeführter Katheter für die Ableitung von Urin
  • Es gibt verschiedene Arten der Katheter:
    • transurethrale Einmalkatheter z. B. zu diagnostischen Zwecken oder bei Harnverhalt
    • transurethrale Dauerkatheter (Blasenverweilkatheter) mit längerer Liegedauer, z. B. perioperativ 
    • suprapubischer Verweilkatheter bei Notwendigkeit längerfristiger Harnableitung.

ICPC-2

  • −53 Instr. Manipulation/Katheter/Intubation/Dilatation

ICD-10

  • Y84 Sonstige medizinische Maßnahmen als Ursache einer abnormalen Reaktion eines Patienten oder einer späteren Komplikation, ohne Angabe eines Zwischenfalls zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme
    • Y84.6 Harnwegkatheterisierung

Indikationen

  • Der Einsatz von Harnwegkathetern soll auf das medizinisch vertretbare Minimum reduziert werden, eine Katheterentfernung soll zum frühest möglichen Zeitpunkt erfolgen.1-2
  • Indikationen sind:2
    • eine akute Harnretention
    • kurzfristige Anwendung im Zusammenhang mit bestimmten operativen Eingriffen
    • genaue Bilanzierung der Urinausscheidung bei schwerkranken Patient*innen
    • eine Verbesserung der Lebensqualität bei im Sterben liegenden Patient*innen
    • Förderung der perinealen Wundheilung bei Hautschädigung durch Inkontinenz.
  • Nicht indiziert ist die Verordnung eines Blasenkatheters nur aufgrund einer Harninkontinenz (Frauen/Männer). 
    • Die Indikation für die Anlage eines Harnblasenkatheters kann hier eine  Restharnbildung, ein klinisch relevanter Infekt, schwerwiegende Hautdefekte/Intertrigo, ein Nierenreflux sowie individueller Leidensdruck durch Miktionsbeschwerden sein.3 
    • Eine Alternative kann bei Männern ein Kondomurinal sein.
  • Bei neurogener Dysfunktion des unteren Harntraktes (Neurogenic Lower
    Urinary Tract Dysfunction – NLUTD) ist der intermittierende Katheterismus (IK) entweder als Selbst- oder Fremdkatherisierung eine komplikationsarme Methode der Blasenentleerung.4
    • Die Indikation hierfür muss immer individuell nach neurourologischer Diagnostik gestellt werden.
  • In der Akutphase einer Querschnittlähmung kann es im Rahmen des spinalen Schocks zu Blasenentleerungsstörungen kommen.5
    • Hier kann zeitlich begrenzt ein transurethraler Dauerkatheter zum Einsatz kommen, ein frühestmöglicher Wechsel auf intermittierenden Katheterismus oder einen suprapubischen Katheter muss angestrebt werden.

Durchführung

  • Man unterscheidet die transurethrale Katheterisierung entweder einmalig, intermittierend oder als permanenten Blasenverweilkatheter von der suprapubischen Katheterisierung, die den Fachärzt*innen überlassen bleiben sollte.

Suprapubischer Katheter

  • Bei längerfristiger Notwendigkeit der Katheterisierung sollte auf einen suprapubischen Katheter gewechselt werden.
  • Hiermit können zuverlässig katheterbedingter Harnröhrenstrikturen vermieden werden.
  • Die Nachteile eines suprapubischen Katheters sind die Gefahren einer Phlegmone und eines Hämatoms sowie einer Leckage an der Einstichöffnung, eines Prolapses durch die Urethra und einer Fehlpunktion der Abdominalhöhle.
    • Relative Kontraindikationen sind suprasymphysäre Vernarbungen oder Verbrennungen, Meteorismus, Darmüberblähung, Ileus, Schwangerschaft, AdipositasAntikoagulation oder Gerinnungsstörungen.
    • Als absolute Kontraindikationen gelten die ungenügend gefüllte oder aufgefüllte Harnblase (< 200 ml), Blasentumor, Abdominaltumor mit Verdrängung der Harnblase sowie Hauterkrankungen im Punktionsbereich.

Transurethrale Katheterisierung

Leitlinie: Intermittierender Katheterismus4

  • Man unterscheidet 3 Möglichkeiten der Durchführung:4
    1. steriler Katheterismus (sterile Bedingungen, analog OP) bei Brandverletzten und Immunsupprimierten
    2. aseptischer Katheterismus (bei Selbst- und Fremdkatheterisierung)
    3. Hygienischer Katheterismus sollte nur dann zur Anwendung kommen, wenn eine Selbstkatherisierung unter aseptischen Bedingungen nicht möglich ist.
  • Materialien
    • Die Katheterlänge variiert von 7–50 cm.
    • Der Standarddurchmesser für Erwachsene beträgt Charriere (1 Charr = 1/3 cm) 12–14.
    • Die Katheterspitze kann bei entsprechenden Indikationen variieren.
      • bei unkomplizierten Eingriffen
        • Nelaton-Katheter mit gerader abgerundeter Spitze 
        • Ergothan-Katheter mit flexibler, konisch verjüngter Spitze und 
        • Kugelkopf-Katheter mit einer flexiblen Kugelkopfspitze
      • bei spastischem Beckenboden oder Sphinkter
        • Ergothan-Katheter mit flexibler, konisch verjüngter Spitze und 
        • Kugelkopf-Katheter mit einer flexiblen Kugelkopfspitze
      • bei urethralen Passagestörung oder Prostataobstruktion
        • Ergothan-Katheter mit flexibler, konisch verjüngter Spitze  
        • Kugelkopf-Katheter mit einer flexiblen Kugelkopfspitze oder
        • Tiemann-Katheter mit leicht gebogener Spitze.
          • Die Spitze zeigt beim Einführen nach oben.
    • Man unterscheidet außerdem nichtbeschichtete Einmalkatheter und beschichtete Einmalkatheter (Hydrophile oder Gelkatheter)
    • Bei einem Einsatz von nichtbeschichteten Kathetern wird der Einsatz eines Gleitmittels mit oder ohne Lidocain oder Chlorhexidin empfohlen.
    • Beim intermittierenden Katheterismus sollen beschichtete Einmalkatheter gewählt werden.
    • Die tägliche Katheterisierungsfrequenz liegt zwischen 2 und 10, die Blasenfüllung soll bei Erwachsenen 500 ml pro Katheterisierung nicht überschreiten.

Durchführung

  • Hygienische Händedesinfektion
    • beim Fremdkatheterismus zusätzlich unsterile Handschuhe
  • Desinfektion des Meatus urethrae mit Schleimhautdesinfektionsmittel wie Octenidin oder Povidon-Iod-Lösung oder alternativ Polihexanid als Reinigungsmittel (Einwirkzeit 1–2 min gemäß Herstellerangaben)
  • Mann
    • Vorhaut zurückziehen.
    • Eine Streckung des Penis ist für das Einschieben des Katheters und zur Vermeidung von Harnröhren-Verletzungen notwendig.
  • Frau
    • Labien spreizen.
    • Bei Bedarf Spiegel und Beinspreizer verwenden.2
  • Langsames Einführen des Katheters ohne Gewalt, bis Urin läuft – dann den Katheter noch ca. 1 cm weiter schieben.

 Probleme bei der Katheterisierung

  • Äußere Sphinkterspasmen
    • ggf. Lokalanästetikum
  • Verdacht auf oder bekannte Striktur
    • ggf. bildgebende Verfahren wie retrograde Urethrografie oder Urethroskopie
  • Blasenhalsobstruktion
    • Der Einsatz eines Tiemann-Katheters oder eines Katheterstiletts reduziert das Risiko von Traumata.

Kontraindikationen6

  • Verlegung der Harnröhre (z. B. Blasentumoren)
  • Entzündung der Prostata
  • Verletzungen der Harnröhre 
  • Spasmen der Harnröhre

Blasenverweilkatheter

  • Die Liegedauer eines Blasenverweilkatheters ist stets auf ein erforderliches Minimum zu beschränken.2
  • Patient*innen und/oder Pflegekräfte sollten im Umgang mit dem Blasenkatheter geschult werden.7
  • Vor und nach jeder Manipulation am Blasenverweilkatheter oder Drainagesystem ist eine hygienische Händedesinfektion vorzunehmen.
  • Es sollten keine routinemäßigen Wechsel in festen Intervallen durchgeführt werden.
  • Es sollten nur geschlossene Ableitungssysteme verwendet werden, es ist darauf zu achten, dass der Schlauch nicht abknickt und der Auffangbeutel frei hängend ohne
    Bodenkontakt und unter Blasenniveau angebracht wird.
  • Reinigung des Genitales mit Trinkwasser und Seifenlotion ohne Zusatz antiseptischer Substanzen im Rahmen der normalen, täglichen
    Körperpflege2

Komplikationen

  • Verstopfung des Katheters
    • Inkrustationen, Obstruktion oder Verschmutzung des Katheters können dazu führen, dass der Katheter gewechselt werden muss.
  • Harnwegsinfektion, siehe Artikel Harnwegsinfektion bei Dauerkatheter.
    • Die tägliche Inzidenz einer neu erworbenen Bakteriurie bei transurethral
      katheterisierten Patient*innen liegt zwischen 3 % und 10 %.2
      • Bei einer asymptomatischen Bakteriurie bei Dauerkatheter wird weder ein Screening noch eine Therapie empfohlen.8
      • Antibiose bei Fieber, Schüttelfrost, neu aufgetretene Schmerzen im Nierenlager oder Verschlechterung des mentalen Zustandes8
  • Nichtinfektiöse Beschwerden wie Schmerz, Dranggefühl oder sexuelle Dysfunktion nach Entfernung des Katheters9
  • Urethritis, urethrale Fisteln, Epididymitis, skrotaler Abszess, Prostatitis und Prostataabszess
  • Entwicklung eines Blasenkarzinoms
    • Chronische Entzündungen der Harnblase können die Entstehung eines Harnblasenkarzinoms begünstigen.10
  • Perforation der Urethra
    • Insbesondere nach Traumen mit Harnröhrenverletzungen kann eine transurethrale Katherisierung schwierig bis unmöglich sein.
    • Kann durch achtsame Einführung vermieden werden.
    • Kann bei zu großem Kraftaufwand vorkommen. Die Diagnose wird durch retrograde Urethrografie und Urethroskopie gestellt.
    • Wenn eine minimale Extravasation vorliegt, können Antibiotika und eine Harndrainage über 1−2 Tage eine ausreichende Behandlung sein.
    • Liegt eine größere Extravasation ins Peritoneum oder extraperitoneal vor, kann es erforderlich sein, die Flüssigkeit zu drainieren oder einen chirurgischen Eingriff vorzunehmen.
  • Mortalität
    • Sowohl Inkontinenz als auch das Tragen eines Katheters hat einen negativen Einfluss auf die Mortalität.11

Katherentfernung

  • Ein Abklemmen des Katheters vor der Entfernung (Blasentraining) erhöht die Wahrscheinlichkeit einer katheterassoziierten Infektion und sollte nicht durchgeführt werden.2,7

Patienteninformation

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Brennen beim Wasserlassen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-001. S3, Stand 2018. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG). Harninkontinenz bei geriatrischen Patienten, Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 084-001. S2e, Stand 2019. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V., Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegie e. V. Intermittierender Katheterismus (IK) bei Neurogenen Blasenfunktionsstörungen, Management und Durchführung. AWMF-Leitlinie Nr. 043-048. S2k, Stand 2019. www.awmf.org
  • Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegiologie. Querschnittgelähmte Patienten, neurourologische Versorgung. AWMF-Leitlinie Nr. 179-001. S2k, Stand 2016. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Urologie. Früherkennung, Diagnose, Therapie und Nachsorge des Harnblasenkarzinoms. AWMF-Leitlinie Nr. 032-038OL. S3, Stand 2020. www.awmf.org

Literatur

  1. Fakih MG, Watson SR, Greene MT, et al. Reducing inappropriate urinary catheter use: a statewide effort. Arch Intern Med 2012; 172:255. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  2. Bundesgesundheitsbl 2015, Prävention und Kontrolle Katheter-assoziierter Harnwegsinfektionen 58:641–650 DOI 10.1007/s00103- 015-2152-3 Online publiziert: 1. April 2015 edoc.rki.de
  3. Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG). Harninkontinenz bei geriatrischen Patienten, Diagnostik und Therapie. AWMF-Leitlinie Nr. 084-001. S2e, Stand 2019. www.awmf.org
  4. Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V., Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegie e.V. Intermittierender Katheterismus (IK) bei Neurogenen Blasenfunktionsstörungen, Management und Durchführung. AWMF-Leitlinie Nr. 043 - 048, Stand 2019. www.awmf.org
  5. Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegiologie. Querschnittgelähmte Patienten, neuro-urologische Versorgung. AWMF-Leitlinie Nr. 179-001. Stand 2019. www.awmf.org
  6. Kölner Interprofessionelles Skills Lab & Simulationszentrum, Steriles Arbeiten am Beispiel des Blasenkatheters, UNIVERSITÄT ZU KÖLN MEDIZINISCHE FAKULTÄTSTUDIENDEKANATREFERAT 4 DR. C. STOSCH,Stand Mai 2017. medfak.uni-koeln.de
  7. Kranz J, Schmidt S, Wagenlehner F, Schneidewind L: Catheter-associated urinary tract infections in adult patients—preventive strategies and treatment options. Dtsch Arztebl Int 2020 www.aerzteblatt.de
  8. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Brennen beim Wasserlassen – S3-Leitlinie und Anwenderversion der S3-Leitlinie Harnwegsinfektion. AWMF-Leitlinie Nr. 053-001, Stand 2018. www.awmf.org
  9. Saint S, Trautner BW, Fowler KE et al.: A multicenter study of patient-reported infectious and noninfectious complications associated with indwelling urethral catheters. JAMA Intern Med. 2018 jamanetwork.com
  10. Deutsche Gesellschaft für Urologie. Früherkennung, Diagnose, Therapie und Nachsorge des Harnblasenkarzinoms. AWMF-Leitlinie Nr. 032-038OL. S3, Stand 2020. www.awmf.org
  11. Bootsma AM, Buurman BM, Geerlings SE. Urinary incontinence and indwelling urinary catheters in acutely admitted elderly patients: relationship with mortality, institutionalization, and functional decline. J Am Med Dir Assoc. 2013 Feb pubmed.ncbi.nlm.nih.gov

Autor*innen

  • Monika Lenz, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Neustadt am Rübenberge
  • Heidrun Bahle, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

Links

Autoren

Ehemalige Autoren

Updates

Gallery

Snomed

Click to edit