Harnwegsinfektion bei Kindern

Zusammenfassung

  • Definition:Bakterielle Infektion. Fehlbildungen (und Obstruktion) der Harnwege sind prädisponierende Faktoren. Infektionen der oberen Harnwege werden oft durch eine Ausbreitung aus den unteren Harnwegen verursacht.
  • Häufigkeit:Häufige Ursache für Fieber bei Säuglingen. Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen, Prävalenz bei Mädchen mit Fieber > 39 °C 16 %.
  • Symptome:Bei Säuglingen beginnt die Erkrankung möglicherweise nur mit Fieber, Erbrechen und einem beeinträchtigten Allgemeinzustand (häufiger Infektion der oberen Harnwege). Bei Kindern über 3 Jahren sind Pollakisurie und Dysurie verbreiteter.
  • Befunde:Es gibt kaum Befunde, möglicherweise Klopfempfindlichkeit oberhalb der Nierenlogen.
  • Diagnostik:Urinuntersuchung (Urinteststreifen, Mikroskopie, Kultur mit Resistenztestung), ggf. weitere Labordiagnostik inkl. CRP. Sonografie zum Ausschluss von anatomischen Harntraktanomalien.
  • Therapie:Antibiotika. Die jüngsten Kinder sollten ins Krankenhaus eingewiesen werden, auch wenn die orale Therapie wirksam ist.

Allgemeine Informationen

Definition

  • Harnwegsinfektion (HWI): Symptome eines Harnwegsinfektes und passende Befunde, insbesondere Nachweis einer Bakteriurie1-2
    • Komplizierter Harnwegsinfekt: Vorliegen von relevanten funktionellen oder anatomischen Anomalien, Nierenfunktionsstörungen oder Begleiterkrankungen, die eine Harnwegsinfektion bzw. gravierende Komplikationen begünstigen.
      • Säuglinge in den ersten Lebensmonaten tragen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Urosepsis – in dieser Altersgruppe kann jede symptomatische HWI als kompliziert eingestuft werden.2
    • HWI der oberen Harnwege: akute Pyelonephritis
    • HWI der unteren Harnwege = afebrile HWI = akute Zystitis
    • rezidivierender HWI: zwei oder mehr Episoden innerhalb von 6 Monaten und 3 oder mehr Episoden im zurückliegenden Jahr2
  • Asymptomatische Bakteriurie
    • Nachweis einer Bakteriurie bei asymptomatischen Betroffenen1

Häufigkeit

  • Die HWI ist eine der häufigsten bakteriellen Erkrankungen bei Kindern.
  • Fieber bei Kindern < 2 Jahre ist in 1–5 % der Fälle auf eine Infektion der Harnwege zurückzuführen.3
    • Die Prävalenz bei Kindern europäischer Abstammung ist 2- bis 4-mal so hoch wie bei Kindern afrikanischer Abstammung.
    • Mädchen haben eine 2- bis 4-mal höhere Prävalenz als beschnittene Jungen.
    • Bei Mädchen europäischer Abstammung mit 39 °C Fieber oder höher beträgt die Prävalenz 16 %.
  • Bei Kindern und Jugendlichen < 19 Jahre mit Dysurie (bei Frauen/bei Männern) und/oder Fieber beträgt die Prävalenz für einen HWI 7,8 %.4
  • Die HWI-Inzidenz ist bei beschnittenen männlichen Kleinkindern und bei Kleinkindern afrikanischer Herkunft niedriger im Vergleich zu gleichaltrigen unbeschnittenen Jungen bzw. im Vergleich zu gleichaltrigen Kindern aus anderen Regionen.4
  • In der Neonatalphase sind Jungen häufiger betroffen als Mädchen.2
  • Wenn ein Junge im Alter von 2 Monaten bis 2 Jahren mit Fieber vorgestellt wird, erhöhen die folgenden Faktoren die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Harnwegsinfektion:3
    • keine Zirkumzision
    • Fieber > 39 °C für mehr als 24 Stunden
    • keine weitere Erklärung für das Fieber
    • weiße Hautfarbe
    • Wenn all diese Bedingungen zutreffen, dann liegt die Post-Test-Wahrscheinlichkeit bei über 25 %.

Ätiologie und Pathogenese

  • HWI bei Neugeborenen sind meist hämatogener Genese.
  • HWI bei älteren Kindern sind meist aszendierende Infektionen.

Ätiologie bei normaler Anatomie der Harnwege

  • Der Abschnitt beruht, sofern nicht anders angegeben, auf dieser Referenz.2
  • Zu rezidivierenden bakteriellen HWI kommt es zum einen durch spezielle Virulenzfaktoren, zum anderen durch eine verminderte Abwehrfähigkeit spezieller Wirtsfaktoren.
  • Die meisten Harnwegsinfektionen bei Kindern sind monomikrobiell.
  • E. coli bei 70–90 %
  • Weitere Enterobakterien: Klebsiella spp., Enterobacter spp., Citrobacter spp., Proteus spp., Providencia spp., Morganella spp., Serratia spp, selten Salmonellen
  • Bei weiblichen Jugendlichen im Alter von 12–18 Jahren ist Staph. saprophyticus der zweithäufigste Erreger nach E. coli (15–30 % d. F.).
  • Nachweis von Staphylococcus aureus im Urin: Hinweis auf extrarenale Herde (z. B. Osteomyelitis, Endokarditis) oder Nierenkarbunkel

Bei einer Prädisposition

  • Besonders bei Säuglingen und bei komplizierten, rezidivierenden oder nosokomial erworbenen Infekten liegen häufig andere Erreger als E. coli vor, wie Proteus, Pseudomonas, Klebsiella/Enterobacter, Enterokokken und Staph. aureus oder Staph. epidermidis.2-3

Prädisponierende Faktoren

ICPC-2

  • U71 Zystitis/Harnwegsinfekt, anderer
  • U70 Pyelonephritis/Pyelitis

ICD-10

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.5
  • P39 Sonstige Infektionen, die für die Perinatalperiode spezifisch sind
    • P39.3 Harnwegsinfektion beim Neugeborenen
  • N30 Zystitis
    • N30.0 Akute Zystitis
    • N30.9 Zystitis, nicht näher bezeichnet
  • N10 Akute tubulointerstitielle Nephritis
  • N39 Sonstige Krankheiten des Harnsystems
    • N39.0 Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet
    • N39.8 Sonstige näher bezeichnete Krankheiten des Harnsystems
    • N39.9 Krankheit des Harnsystems, nicht näher bezeichnet

Diagnostik

Leitlinie: Diagnostik bei Kindern mit V. a. HWI3

  • Bei Kindern mit Verdacht auf eine Harnwegsinfektion sollten altersspezifische Beschwerden und Symptome berücksichtigt werden (V/A).
  • Bei entsprechender Erfahrung sollte eine Urinmikroskopie durchgeführt werden.
    • Wenn Bakterien nachgewiesen werden, sollte – bei entsprechender Klinik – eine Harnwegsinfektion angenommen werden (Ia/A).
  • Bei einer fieberhaften Harnwegsinfektion sollte eine Ultraschalluntersuchung von Niere und Blase durchgeführt werden, um abwendbar gefährliche Verläufe (z. B. Obstruktion) auszuschließen (IIa/B).
  • Bei Kindern mit rezidivierenden fieberhaften Harnwegsinfektionen sollte neben der Ultraschalluntersuchung eine weitere diagnostische Abklärung erfolgen, z. B. in einer spezialisierten Kinderklinik (B).
  • Bei Vorhandensein oder zur Diagnostik eines vesikoureteralen Refluxes sollte eine Überweisung zu einer spezialisierten Diagnostik (Kindernephrologie, Kinderurologie) erfolgen (B).

Diagnostische Kriterien

  • Der gesamte Abschnitt basiert auf dieser Referenz.1
  1. Klinik: Symptome eines Harnwegsinfektes
    • Insbesondere bei Kleinkindern sind atypische Verläufe häufig.
  2. Urindiagnostik: möglichst mit Mittelstrahlurin
    • Teststreifen mit Nachweis von Leukozyten, Blut und/oder Nitrit (Letzteres selten bei Kindern positiv)3
    • Mögliche Störfaktoren beachten – siehe Urinstreifentest, Störfaktoren.
    • Mikroskopie: Nachweis von Leukozyten und Bakterien3
    • Goldstandard: Urinkultur zum Erregernachweis mit Resistenztestung1-2

Differenzialdiagnosen

Anamnese

  • Die Klinik ist altersabhängig, typische Symptome lassen sich nicht zuverlässig definieren. Bei jedem unklaren Zustand soll ein HWI ausgeschlossen werden.3
  • Neugeborene 
    • Zeichen einer Pyelonephritis/Urosepsis: Trinkschwäche, Gewichtsverlust, Ikterus, grau-blasses Hautkolorit, ZNS-Symptome, Berührungsempfindlichkeit, Tachypnoe/Zyanose, Lethargie, Hyperreagibilität2,6
  • Säuglings- und Kleinkindalter2,6-7
    • Hyperexzitabilität
    • Trinkunlust
    • verminderte Aktivität
    • ggf. hohes Fieber
    • Erbrechen
    • Durchfall
    • Inappetenz
  • Ab einem Alter von 3–4 Jahren können die meisten Kinder Symptome benennen.2,6
    • Pollakisurie und Dysurie/Algurie (zur Differenzialdiagnostik der Dysurie siehe auch Artikel Dysurie bei Frauen/bei Männern).
    • ungewöhnlich kleine Miktionsmengen, andere Miktionsauffälligkeiten
    • Unterbauchschmerzen
    • neu einsetzendes Einnässen nach erreichter Harnkontinenz
    • selten Makrohämaturie
  • Pyelonephritis
    • Fieber, Schüttelfrost und Flankenschmerzen
    • Jüngere Kinder lokalisieren die Schmerzen häufig ins Abdomen.2

Klinische Untersuchung

  • Die klinischen Befunde hängen vom Ort der Infektion und vom Alter des Kindes ab.
  • Milde Verläufe ohne bzw. mit nur gering ausgeprägten Befunden sind möglich.
  • Bei einer HWI der oberen Harnwege
    • Fieber
    • Klopfempfindlichkeit oberhalb der Nierenloge
    • Palpation verursacht Schmerzen am Bauch.
    • Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes
  • Untersuchung der Genitalregion zur Ursachensuche des Harnwegsinfektes
    • Labiensynechie, Phimose
    • Balanitis
    • Vulvovaginitis6
    • Meatusstenose beim Jungen, Epididymitis2
    • gezielte Suche nach möglichen neurogenen Ursachen für Blasenfunktionsstörungen (z. B. Spina bifida occulta, sakrale Dysgenesie)2

Ergänzende Untersuchungen in der Hausarztpraxis

Urinuntersuchung

  • Indikationen für eine Urinuntersuchung mittels Teststreifen und Kultur bei:2
    • allen Kindern mit Fieber über 39 °C ohne bekannte Ursache
    • Fieber > 48 h, bei früherem Harnwegsinfekt in der Anamnese
    • neu einsetzender Harninkontinenz
    • älteren Kindern mit typischen Symptomen
    • unklarer Gedeihstörung und/oder beeinträchtigtem Allgemeinzustand beim Säugling
    • unklaren Abdominalbeschwerden oder Flankenschmerzen (auch bei Verdacht auf Appendizitis)
    • Makrohämaturie.
  • Die empfohlenen Urinuntersuchungen sind Untersuchung mittels Teststreifen und Urinkultur.2
    • Die Urinmikroskopie kann alternativ zum Streifentest eingesetzt werden.
    • Auf eine Kultur kann bei jugendlichen Mädchen bei unkompliziertem Harnwegsinfekt und ohne Rezidiv verzichtet werden.
  • Ein diagnostischer Grenzwert für die Keimzahl im Urin existiert nicht, gebräuchlich sind derzeit > 104–10cfu/ml.3
  • Ein anomaler Geruch des Urins ist kein valider Hinweis auf eine Harnwegsinfektion.7

Leitlinie: Bewertung des Teststreifenbefunds bei Kindern3

Alter des Kindes > 3 Monate und < 3 Jahre

  • Leukozytenesterase und Nitrit negativ
    • keine antibiotische Behandlung, keine Urinkultur/Mikroskopie
    • Ausnahmen:
      • V. a. Pyelonephritis
      • hohes Risiko schwerer Erkrankung
      • rezidivierende HWI
      • fehlendes Ansprechen auf eine Therapie nach 24–48 h
      • Widerspruch zwischen Urinbefund und Klinik.
  • Leukozytenesterase und/oder Nitrit positiv

Alter des Kindes > 3 Jahre 

  • Leukozytenesterase und Nitrit positiv
    • Harnwegsinfektion annehmen und behandeln.
  • Leukozytenesterase negativ und Nitrit positiv
    • Harnwegsinfektion annehmen und – nach Gewinnung einer Urinprobe für die Urinkultur – behandeln.
  • Leukozytenesterase positiv und Nitrit negativ
    • weitere Diagnostik mittels Kultur
    • Behandlung nur bei hoher Wahrscheinlichkeit für einen HWI beginnen.
  • Leukozytenesterase negativ und Nitrit negativ
    • Keine antibiotische Behandlung, alternative Diagnosen klären.

Labordiagnostik

  • Eine Cochrane-Metaanalyse zeigte, dass BSGCRP oder Procalcitoninbestimmung nicht ausreichen, um zuverlässig zwischen einer Zystitis und Pyelonephritis zu unterscheiden.8
  • Die Bestimmung von Inflammationsparametern (z. B. Procalcitonin, C-reaktives Protein oder IL6) kann in der Zusammenschau mit klinischen und sonographischen Parametern die Differenzierung zwischen Zystitis und Pyelonephritis erleichtern.2
  • Der CRP-Wert ist bei einer HWI der oberen Harnwege in der Regel erhöht.
    • Sollte nicht als alleiniger Test verwendet werden, um zwischen HWI der oberen und der unteren Harnwege zu unterscheiden.8
    • Ein niedriger CRP-Wert (< 20 mg/l) macht eine Pyelonephritis unwahrscheinlicher.8
    • Wird auch verwendet, um den Verlauf zu verfolgen.
  • Kreatinin bei rezidivierenden Infektionen
  • Procalcitonin
    • Für Kinder im Alter von 1 Monat bis 4 Jahren mit ihrer ersten febrilen Harnwegsinfektion ist ein erhöhtes Procalcitonin ein starker und unabhängiger Prädiktor für einen vesikoureteralen Reflux (IIb).9
    • Procalcitonin kann verwendet werden, um Betroffene mit geringem Risiko zu erkennen und unnötige Zystourografien zu vermeiden.
    • Die Daten reichen derzeit nicht aus, um die routinemäßige Bestimmung von Procalcitonin zu empfehlen.8
  • Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG)
    • Die BSG ist nicht ausreichend spezifisch, um bei der Differenzierung zwischen oberem und unterem HWI hilfreich zu sein.8

Gewinnung von Urinproben

Bei Säuglingen und Kleinkindern
  • Verschiedene Methoden mit unterschiedlicher Invasivität und Kontaminationsrisiko:
    • Am höchsten ist das Kontaminationsrisiko beim „Beutelurin“ (aufgeklebter Auffangbeutel bei Säuglingen und Kleinkindern, die noch keine Urinkontrolle haben).
    • In abnehmender Häufigkeit findet man Kontamination bei:
      • Mittelstrahlurin
      • „Clean Catch“-Urin 
      • Katheter-Urin 
      • Blasenpunktion.2
  • „Clean Catch“-Urin
    • Methode zur Gewinnung von Urin bei Säuglingen und Kleinkindern, die noch keine Urinkontrolle haben.
    • Der Säugling wird mit entblößtem Genitale von einer Person auf dem Schoß gehalten.
    • Eine kalte Hand auf dem Bauch eines Säuglings mit trockener Windel kann oft spontanes Wasserlassen auslösen.
    • Auffangen des Mittelstrahlurins in ein sauberes Gefäß
    • Die bakterielle Kontaminationsrate ist erheblich geringer als beim „Beutelurin“ und war in einer Studie bei jungen Säuglingen sogar geringer als beim Katheterurin.10
  • Beutelproben
    • Die Genitalien sollten zuvor gereinigt werden.3
    • Können bei negativen Befunden nützlich sein. Bei Kindern unter 3 Jahren liegt die Sensitivität im Vergleich zu Katheterproben aber nur bei 71 %.11
    • Bei positivem Befund sollte eine erneute Urinprobe mittels Katheter, Clean Catch oder Blasenpunktion gewonnen werden.2,12
  • Verwendung von speziellen, für die Uringewinnung entwickelten Einlagen (Pads)
    • Wird aufgrund der hohen Kontaminationsrate nicht empfohlen.2
Bei größeren Kindern
  • Bei älteren Kindern, die auf Aufforderung urinieren können, soll das äußere Genitale vor der Miktion gereinigt und dann der Mittelstrahlurin aufgefangen werden.2
    • Die Wertigkeit von Mittelstrahlurin ist lt. DEGAM-Leitlinie mit der Uringewinnung per Blasenpunktion vergleichbar (II).3
  • Die invasiven Methoden setzen entsprechende Erfahrungen voraus, für hausärztliche Praxen daher nicht empfohlen.3

Leitlinie: Praktisches Vorgehen zur Gewinnung von Urinproben2

  • Bei Kindern mit ausreichender Blasenkontrolle soll ein sauber gewonnener Mittelstrahlurin für die Urindiagnostik einschließlich Urinkultur verwendet werden.
  • Bei einem Säugling oder Kind mit nicht vorhandener Blasenkontrolle kann ein Beutelurin verwendet werden, um bei unauffälligem Befund eine HWI weitgehend auszuschließen. Für die Durchführung einer Urinkultur-Diagnostik soll eine „Clean Catch“-Urinprobe (besser Katheterurin oder Blasenpunktionsurin) gewonnen werden.
  • Für eine mikrobiologische Urinkultur-Diagnostik soll ein „Beutelurin“ nicht verwendet werden, da in einer solchen Urinprobe sehr häufig mit Kontaminationen bzw. Mischkulturen zu rechnen ist.

Sonstiges

  • Messung des Blutdrucks

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Ultraschall
    • Ist Bestandteil der Basisdiagnostik bei erstem fieberhaftem HWI im Säuglings- und Kindesalter und sollte innerhalb von 24 Stunden zumindest orientierend erfolgen, um relevante konnatale Uropathien, Konkremente oder Abszessbildung nachzuweisen.2
    • Ziele der sonografischen Diagnostik von Nieren und Harnwegen bei Harnwegsinfektionen
      • Erfassung sonografisch erkennbarer Entzündungszeichen
      • Erkennung von akuten Harnabflussstörungen (z. B. bei Konkrementen)
      • Erfassung von Anomalien und Fehlbildungen von Nieren und ableitenden Harnwegen, die das Risiko für HWI oder/und pyelonephritische Schäden erhöhen können.
      • Erkennung von Nierenparenchymveränderungen (z. B. Zysten, Parenchymdefekten)2
    • Indikationen für eine frühzeitige Ultraschalluntersuchung mit farbkodierter Dopplersonografie der Nieren und Blase, Volumetrie und Restharnmessung
      • Harnwegsinfekt mit unbekannter Harntraktanomalie
      • bei ansonsten nicht auszuschließendem oberem Harnwegsinfekt
      • Prädisposition für eine komplizierte Harnwegsinfektion aufgrund einer bekannten Anomalie
      • fieberhafter Harnwegsinfekt3
      • bei v. a. atypischen Harnwegsinfektionen (schlechter Allgemeinzustand, Oligurie, abdominelle Resistenz, erhöhtes Serumkreatinin, Septikämie, fehlendes Ansprechen auf antibiotische Therapie nach 48 Stunden, Infektion mit anderen Keimen als E. coli)7
  • Refluxdiagnostik
    • Miktionsurosonografie (MUS) oder Miktionszystourethrografie (MCU; cave: Strahlenbelastung!)
    • Bei Säuglingen und Kleinkindern ist eine Refluxprüfung empfohlen:
      • nach erster Pyelonephritis bei Hinweiszeichen für einen vesikoureteralen Reflux (VUR)
      • spätestens nach dem Rezidiv einer Pyelonephritis.2
    • Die klinische Bedeutung positiver Befunde ist jedoch unsicher, da nicht klar ist, ob eine chirurgische Korrektur des Reflux oder eine Langzeit-Antibiotikaprophylaxe rezidivierende HWI verringert.2,13
    • Wenn möglich, ist die MUS wegen fehlender Strahlenbelastung vorzuziehen.2
    • Näheres siehe auch Artikel Vesikoureteraler Reflux (VUR).
  • Blutkultur2
    • bei schwerem Krankheitsbild
    • hämodynamischer Instabilität oder anderen Hinweise auf eine Sepsis
    • bei Früh- und Neugeborenen und bei Säuglingen
      • Insbesondere wenn Staphylococcus aureus oder Streptokokken der Gruppe B im Urin nachgewiesen wurden.
  • 2,3-Dimercaptosuccinsäure(DMSA)-Szintigrafie der Niere
    • Zeigt Perfussionsstörungen der Niere, ohne zwischen reversiblem Nierenschaden und irreversibler Narbe zu differenzieren.2
      • Perfusionsstörungen korrelieren positiv mit dem Vorhandensein eines ipsilateralen VUR.14
      • Parenchymnarben erhöhen das Risiko eines Pyelonephritis-Rezidivs.15
      • Parenchymnarben erhöhen langfristig das Risiko für eine renale arterielle Hypertonie.16
    • individuelle Beurteilung und Indikationsstellung (pädiatrische Nephrologie); nicht als Screening-Test geeignet17
  • Eine MRT oder CT sind speziellen Fragestellungen vorbehalten.2

Indikationen zur Überweisung/Klinikeinweisung

Überweisung in die eine pädriatische, kindernephrologische oder kinderurologische Praxis

  • Wenn Bedarf für eine bakteriologische Untersuchung besteht und die Probenentnahme in der Hausarztpraxis nicht gelingt.
  • Bei Risikofaktoren, die eine weitere Untersuchung durch eine Miktionszystourethrografie (MCU) oder eine DMSA-Szintigrafie rechtfertigen.
  • Bei nachgewiesenem vesikoureteralem Reflux oder einer anderen organischen Pathologie

Hospitalisierung

  • Bei allen Kindern unter 3 Monaten mit vermuteter Harnwegsinfektion2,7
  • Indikationen zur stationären Behandlung bei Säuglingen und Kleinkindern mit Pyelonephritis
    • schwere Krankheitssymptome (Sepsis, Dehydratation, Erbrechen/Diarrhö)
    • Zweifel über das Vorliegen einer komplizierten Pyelonephritis
    • Zweifel über Compliance und angemessene häusliche Betreuung während der Erkrankung
    • über mehr als 3 Tage persistierendes Fieber trotz resistenzgerechter
      Therapie2

Therapie

Therapieziele

  • Hauptziele der Therapie sind:
    • die rasche Beseitigung der Krankheitssymptome
    • die Vermeidung einer Urosepsis und infektionsbedingter Komplikationen wie Urolithiasis und Nierenabszess
    • die Verhinderung persistierender Nierenparenchymschäden.2

Allgemeines zur Therapie

  • Bei Kindern ist die antibiotische Therapie bei Harnwegsinfekten grundsätzlich indiziert.
    • Ausnahme: Bei jugendlichen Mädchen mit rezidivierendem unterem HWI ohne komplizierende Faktoren kann unter engmaschiger Kontrolle eine phytotherapeutische Behandlung erfolgen.
      • bei ausbleibender Besserung der Symptomatik nach 48 Stunden Einleitung einer antibiotischen Therapie2 
  • Vor Einleitung einer antibakteriellen Therapie im Säuglings- und Kindesalter ist unbedingt die Asservierung einer Urinprobe für die mikrobiologische Diagnostik anzustreben.2
  • Bei Verdacht auf Pyelonephritis soll schnell eine Therapie eingeleitet werden, weil die unreifen Nieren von Kindern leicht dauerhaft geschädigt werden können.
  • Dauer der Therapie
    • Bei Pyelonephritis wird eine längere Behandlungsdauer (7–14 Tage) empfohlen.
    • Bei älteren Kindern mit einer Zystitis werden kurze Behandlungen (3–5 Tage) durchgeführt.2,18
    • Bei Eintages- oder Einzeldosis-Therapien werden schlechtere Ergebnisse erzielt.18
  • Eine asymptomatische Bakteriurie sollte nicht antibiotisch behandelt werden (Ia/B).3
  • Bei einem Rezidiv einer Harnwegsinfektion innerhalb von 3 Monaten sollte ein Wechsel des Antibiotikums erwogen werden, weil das Risiko für eine Infektion mit resistenten Erregern deutlich erhöht ist (IIb/B).3

Kindergarten/Schule

  • Die Krankheit wird nicht von Person zu Person übertragen. Kinder können daher den Kindergarten/die Schule besuchen, wenn sie kein Fieber haben und ihr Allgemeinzustand dies zulässt.

Empfehlungen für Patient*innen

  • Eine möglichst gleichmäßig verteilte, angemessene Flüssigkeitszufuhr und regelmäßige, restharnfreie Blasenentleerungen tragen zur Prophylaxe rezidivierender HWI bei.2,19

Medikamentöse Therapie

Zystitis

  • Falls die Symptome der Zystitis kaum beeinträchtigend sind:
    • bis zum Erhalt des mikrobiologischen Befundes zunächst rein symptomatische Behandlung.
    • Die antibakterielle Therapie erfolgt dann direkt resistenzgerecht.2
  • Die DEGAM empfiehlt zur Behandlung einer nicht fieberhaften Harnwegsinfektion in erster Linie Nitrofurantoin oder Trimethoprim, in der Leitlinie der deutschen Gesellschaft für pädiatrische Nephrologie werden eine Reihe möglicher Antibiotika genannt (siehe Leitlinienkasten).2-3
    • Die Auswahl sollte vor allem vom lokalen Resistenzspektrum abhängig gemacht werden.2
    • Oralcephalosporine sollten bei unkomplizierter Zystitis möglichst nicht zum Einsatz kommen, um Resistenzen (insbesondere der Entwicklung von ESBL- Bildnern) vorzubeugen.2
  • Die Gesamt-Therapiedauer bei unkomplizierter Zystitis sollte in der Regel 3–5 Tage betragen.2

Leitlinie: Auswahl von Antiinfektiva zur peroralen Therapie von HWI im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter unter Angabe der Tagesdosis2

  • Aminopenicilline
    • Amoxicillin
      • 50–90 mg/kg KG p. o. in 3 ED
      • Jugendliche: 1,5–6 g p. o. in 3 ED
      • als Monotherapie für die empirische Therapie nicht geeignet (hohe Resistenzquoten bei E. coli); bei bekannter Erregerempfindlichkeit und v. a. bei Enterococcus-faecalis-Infektionen jedoch gut einsetzbar
    • Amoxicillin/Clavulansäure [4:1- Formulierung]
      • 50–80 mg/kg KG (bezogen auf Amoxicillin-Anteil) p. o. in 3 ED
      • Jugendliche: 1.500 + 375 mg p. o. in 3 ED
    • Amoxicillin/Clavulansäure [7:1-Formulierung]
      • Kinder 2–12 J. (bis 40 kg): 50–80 mg/kg KG, bezogen auf Amoxicillin-Anteil; p. o. in 2 ED
      • Kinder > 40 kg: 1.750 + 250 mg p. o. in 2 ED
      • 7:1-Formulierung (besser verträglich als die 4:1-Formulierung, wird lediglich 2 x/d verabreicht)
  • Sulfonamide
    • Trimethoprim
      • 5 mg/kg KG p. o. in 2 ED
      • zur Therapie bei Zystitis geeignet
      • Trimethoprim ist bei Früh- und Neugeborenen kontraindiziert
      • Anwendungsbeschränkung für Säuglinge unter 6 Wochen wegen nicht ausreichender Erfahrungen
      • Der Sulfonamidanteil der Trimethoprim-Sulfonamid-Kombinationen ist in der Regel verzichtbar, da durch ihn weder eine wesentliche Verbesserung der antibakteriellen Wirkung noch ein Einfluss auf die Resistenzsituation erreicht wird und das Risiko unerwünschter Arzneimittelwirkungen steigt.
      • Bei einer regionalen E.-coli-Resistenzrate > 20 % sollte TMP nicht zur initialen kalkulierten Therapie einer HWI eingesetzt werden.
  • Chinolone (Gyrasehemmer)
    • Ciprofloxacin
      • Kinder und Jugendliche von 1–17 Jahren: 30–40 mg/kg KG (max. ED 750 mg); max. Tagesdosis: 1,5 g p. o. in 2 ED
      • Ist zugelassen als Zweit- und Drittlinientherapie von komplizierten HWI und akuten Pyelonephritiden ab dem 2. Lebensjahr.
      • Der Einsatz soll auf Infektionen durch Pseudomonas aeruginosa oder multiresistente gramnegative Keime beschränkt werden, bei denen eine parenterale Therapie nicht möglich und kein anderes orales Antibiotikum einsetzbar ist.
  • Antibiotika unterschiedlicher chem. Struktur
    • Fosfomycin
      • Mädchen ab 12 J. und Frauen > 50 kg KG: 3 g p. o. 1 ED einmalig
      • Gegenanzeige: Nierenfunktionseinschränkung (GFR < 80 ml/min x 1,73 qm)
      • Kann zur Einmaltherapie bei Zystitis eingesetzt werden.
      • ESBL-bildende Erreger sind in Deutschland meist gegenüber Fosfomycin sensibel
    • Nitrofurantoin
      • 3–5 mg/kg KG p. o. in 2 ED
      • Jugendliche: 0,3–0,4 g p. o. in 2–4 ED
      • geeignet zur Therapie der unkomplizierten Zystitis
      • Bis zum 3. Lebensmonat u. a. wegen der Gefahr einer hämolytischen Anämie nicht zugelassen.
      • Wegen seiner unzureichenden Gewebespiegel ist Nitrofurantoin bei Pyelonephritis keinesfalls geeignet.
      • bei einer GFR < 45 ml/min x 1,73 qm kontraindiziert
    • Nitroxolin
      • Kinder ab 3 Jahren: 10–20 mg/kg KG p. o. in 3 ED
      • Jugendliche ab 14 Jahren: 450 mg p. o. in 3 ED
      • geeignet zur Therapie der unkomplizierten Zystitis
      • Derzeit existieren lediglich Weichkapseln à 150 und à 250 mg auf dem Markt, die ab 14 Jahren zugelassen sind.
      • geringere Dosierungen derzeit nicht im Handel
      • Nitroxolin soll wegen seiner niedriger Gewebsspiegel im Nierenparenchym bei Pyelonephritis nicht eingesetzt werden.
      • verminderte Wirksamkeit bei Nierenfunktionseinschränkung
  • Für das Neugeborenenalter und die ersten 3 Lebensmonate existieren bei einigen der aufgeführten Substanzen Anwendungsbeschränkungen und eigene Dosierungsvorschriften, die hier nicht berücksichtigt sind und beachtet werden müssen. 
  • Supportive Maßnahmen2
    • Durch großzügige Hydratation und häufige Miktionen kann die Keimelimination beschleunigt werden.
    • Bei Algurie kann eine analgetische Therapie Linderung verschaffen.

Pyelonephritis

  • Eine frühzeitige antibakterielle Therapie bei Pyelonephritis ist eine wirksame Maßnahme zur Verhinderung pyelonephritischer Narben. Tierexperimentelle und klinische Daten sprechen dafür, dass eine Therapieverzögerung über mehr als 48–72 Stunden das Risiko einer irreversiblen Parenchymschädigung erhöht.2
  • Indikationen zur initial parenteralen antibakteriellen Therapie2
    • Früh- und Neugeborene, Säuglinge in den ersten 3 Lebensmonaten
    • Verdacht auf Urosepsis
    • Nahrungs- bzw. Flüssigkeitsverweigerung
    • Erbrechen, Durchfall
    • Non-Compliance
    • Pyelonephritis bei hochgradiger Harntransportstörung, bei Pyonephrose, Nierenabszess, Nierenkarbunkel, xanthogranulomatöse Nephritis.
  • International besteht die beste Evidenz für die Behandlung mit:20
    • Cefixim
    • Ceftibuten
    • Amoxicillin/Clavulansäure.
  • Pyelonephritis bei Säuglingen > 3 Monate und bei Kindern2
    • Bei unkomplizierter Pyelonephritis ist die ausschließliche orale Therapie mit einem Cephalosporin der Gruppe 3 (z. B. Cefixim) oder Amoxicillin/Clavulansäure der üblichen 2- bis 4-tägigen intravenösen Therapie mit nachfolgender oraler Behandlung ebenbürtig
    • Im Säuglingsalter ist die relativ hohe Inzidenz von Enterococcus faecalis zu berücksichtigen, die gegenüber Cephalosporinen eine natürliche Resistenz aufweisen.
    • Eine Therapiedauer von 7(–10) Tagen ist bei unkompliziertem Verlauf ausreichend.

Leitlinie: Kalkulierte Therapie der Pyelonephritis2

  • Im Neugeborenen- und Säuglingsalter ≤ 3 Monate
    • Aminoglykosid + Ampicillin oder Cephalosporin der Gruppe 3 + Ampicillin 
      • parenteral bis mindestens 2 Tage nach Entfieberung, dann orale Therapie gemäß Antibiogramm
      • Dauer mindestens 7–14 Tage
  • Unkomplizierte Pyelonephritis bei Säuglingen > 3 Monate und Kindern
    • Cephalosporin Gruppe 3 oder Amoxicillin/Clavulansäure
      • peroral 7(–10) Tage
    • Aminoglykosid + Ampicillin oder Ampicillin/Sulbactam oder Cephalosporin Gruppe 3
      • initial parenteral, anschließend perorale Therapie nach Vorliegen des Antibiogramms 7(–10) Tage
  • Cephalosporine
    • Cefixim
      • 8 mg/kg KG (Jugendliche 0,4 g) p. o. in 1–2 ED
      • Nicht für Neugeborene zugelassen. Bioverfügbarkeit 40–50 %, kann durch gleichzeitige Nahrungsaufnahme um 10–30 % gesteigert werden.
    • Cefpodoximproxetil
      • 8–10 mg/kg KG (Jugendliche 0,4 g) p. o. in 2 ED
      • Nicht für Neugeborene zugelassen. Bioverfügbarkeit 50 %, kann durch gleichzeitige Nahrungsaufnahme um 10–30 % gesteigert werden.
    • Cefaclor
      • 30–50(–100) mg/kg KG (Jugendliche 1,5–4 g) p. o. in 2–3 ED
      • Oralcephalosporin Gruppe 1; zur kalkulierten Therapie der Pyelonephritis weniger geeignet als die Oralcephalosporine der Gruppe 3
  • Aminopenicilline siehe Leitlinienkasten oben.
  • Zur parenteralen Therapie der komplizierten Pyelonephritis wird auf die entsprechende Leitlinie verwiesen.2

Prävention – Langzeitprophylaxe, von Spezialist*innen durchgeführt

  • Hauptziele sind die Verhinderung von rezidivierenden Pyelonephritiden und von Nierenparenchymschäden.2
  • Indiziert bei:
    • hohem Risiko für die Entwicklung von Parenchymdefekten oder Urosepsis
    • häufigen Pyelonephritis-Rezidiven
    • Kinder mit Blasenfunktionsstörungen und rezidivierenden symptomatischen HWI, als supportive Maßnahme bei gleichzeitig gezielter Behandlung der Blasenfunktionsstörung.
    • Mädchen mit häufig rezidivierenden Zystitiden und hohem Leidensdruck durch dysurische Beschwerden und Drangsymptomatik.2
  • Die Indikation zur antibakteriellen Langzeit-Infektionsprophylaxe soll streng unter Berücksichtigung des Pyelonephritis-Rezidivrisikos, des Risikos für pyelonephritische Nierenparenchymschäden und unter Berücksichtigung des individuellen Leidensdrucks durch HWI-Rezidive gestellt werden.2
  • Nicht indiziert nach Erst- oder Zweitinfektion der Harnwege (Ib)21-23

Nichtmedikamentöse Maßnahmen

  • Der Abschnitt beruht, sofern nicht anders angegeben, auf dieser Referenz.2
  • Miktion nicht hinauszögern.3
  • Zugang zu einer sauberen Toilette gewährleisten.3
  • Probiotika
    • Die Wirksamkeit in der Prophylaxe von HWI im Kindesalter ist unzureichend belegt, daher kann der alleinige Einsatz von Probiotika nicht uneingeschränkt empfohlen werden.
    • Als Adjuvans zur antibakteriellen Prophylaxe sind Probiotika möglicherweise geeignet.
  • Cranberrysaft
    • Regelmäßige Einnahme kann vermutlich die Zahl erneuter HWI reduzieren (Ib/B).3
    • Der Anteil der Kinder, die innerhalb 1 Jahres mindestens ein Rezidiv erlitten, unterschied sich allerdings nicht von dem unter Placebo.3
    • Kann bei älteren Kindern und Jugendlichen mit unkomplizierten rezidivierenden Zystitiden als supportive Maßnahme zur Infektionsprophylaxe angewandt werden.
  • D-Mannose
    • Die Datenlage ist für Kinder so schwach, dass keine Empfehlung ausgesprochen werden kann.
  • L-Methionin
    • Führt zur Ansäuerung des Urins und kann bei Vorhandensein von Magnesium-Ammonium-Phosphat-Konkrementen („Infektsteinen“) zur Vorbeugung von HWI-Rezidiven geeignet sein.
  • Immunstimulation
    • orale Immunstimulation mit Uro-Vaxom oder parenterale Immunstimulation
    • Bei rezidivierenden Zystitiden ohne funktionelle oder anatomische Abnormalitäten kann eine orale Immunstimulation erwogen werden.
    • Wirksamkeit für das Kindesalter allerdings unzureichend belegt
  • Behandlung von Störungen der Blasenfunktion und der Stuhlentleerung
    • Bei den meisten Mädchen zwischen 4 und 18 Jahren mit rezidivierenden HWI lassen sich Miktionsmeidung, Blasendysfunktion oder Obstipationsneigung als prädisponierende Faktoren nachweisen.
    • Diese sollten durch Verhaltensmodifikation behandelt werden.
  • Flüssigkeitszufuhr
    • Eine möglichst gleichmäßig verteilte, angemessene Flüssigkeitszufuhr und regelmäßige, restharnfreie Blasenentleerungen tragen zur Prophylaxe rezidivierender HWI bei.2,19
    • Die Flüssigkeitszufuhr soll dem Alter des Kindes angemessen sein und möglichst gleichmäßig in 5–7 Portionen über den Tag verteilt werden.
  • Lokalbehandlung einer „physiologischen Phimose“
    • bei Säuglingen mit erhöhtem Pyelonephritis-Risiko Lokalbehandlung einer „physiologischen Phimose“ mit einem niedrigdosierten Steroid zur Lösung der Präputialadhärenz
      • z. B. 0,05- bis 0,1-prozentiges Hydrocortison- oder Betamethason-Salbengemisch
  • Lokalbehandlung einer Labiensynechie
    • bei ausgedehnter Labiensynechie bei einem Mädchen mit symptomatischen HWI Lokalbehandlung mit einer geeigneten östrogenhaltigen Vaginal-Creme
      • z. B. 1 mg Estriol/g

Antibiotika 

  • Eine Langzeitantibiose kann das Risiko für eine erneute Infektion senken.3
    • Die Zahl der Infekte geht jedoch nur wenig zurück.
    • Die Förderung von Resistenzen sollte bedacht werden.
  • Bevorzugte Präparate: Nitrofurantoin und Trimethoprim (unter Beachtung der Resistenzlage)2
  • Dosierungsbeispiele2
    • Nitrofurantoin 
      • 1–2 mg/kg KG
      • Anwendungesbeschränkung < 3. Lebensmonat
      • Einnahme möglichst nach der letzten Miktion am Abend
      • empfohlene Prophylaxedauer laut BfarM max. 6 Monate
    • Trimethoprim 
      • 2 mg/kg KG 
      • Anwendungesbeschränkung < 6 Lebenswochen
    • Wirksamkeit
      • Die Frequenz symptomatischer HWI kann durch Langzeitprophylaxe reduziert werden, der Nutzen ist jedoch gering und die Qualität der verfügbaren Studien ist unzureichend (Ia).24
      • Cotrimoxazol reduziert symptomatische Rezidive um 50 % im Vergleich zum Placebo bei Kindern, die eine HWI durchlaufen haben und bei denen Reflux nachgewiesen wurde.25
        • Der Anteil, bei dem innerhalb von 2 Jahren Vernarbungen der Nieren gefunden wurden, war in beiden Gruppen gleich.
      • Eine Metaanalyse (2017) konnte keine präventive Wirkung nach Erst- oder Zweitinfektion der Harnwege bei ansonsten gesunden Kindern aufzeigen.23
  • Risiken der antibakteriellen Langzeit-Infektionsprophylaxe2
    • Beeinflussung der Mikrobiota durch die antibakterielle Prophylaxe
    • Resistenzentwicklung

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Die überwiegende Mehrheit der Kinder wird von einer bestehenden Infektion geheilt.
  • Eine angemessene Therapie führt innerhalb eines Tages zu sterilem Urin. Ein Fortbestehen deutet auf resistente Bakterien oder Fehlbildungen der Harnwege hin.

Komplikationen

Zystitis

  • HWI der unteren Harnwege sind in der Regel harmlos, können aber lästige Rezidive verursachen.

Pyelonephritis

  • Urosepsis
  • Chronische Pyelonephritis
  • Chronische Niereninsuffizienz
  • Risikofaktoren für pyelonephritische Nierenschäden
    • Obstruktion
    • Reflux mit Dilatation
    • geringes Alter (unreife und verletzliche Nieren)
    • verzögerter Therapiebeginn
  • Im Anschluss an eine Pyelonephritis mit entzündlichen Parenchymveränderungen in der akuten DMSA-Szintigrafie lassen sich in bis zu 40 % der Patient*innen 6 Monate später persistierende Nierenparenchymdefekte nachweisen.
  • Nach einer Pyelonephritis können jahrelang andauernde Verzögerungen des Nierenwachstums beobachtet werden.
  • Mögliche Folgen im Erwachsenenalter

Prognose

  • Das Rezidivrisiko ist hoch.
    • Rezidivhäufigkeit 12 % bis zu über 30 % der Kinder, v. a. in den ersten 3 Monaten nach HWI2
  • HWI der unteren Harnwege und Erstinfektionen haben grundsätzlich eine gute Prognose.
  • Nierenschäden entwickeln sich bei 5–15 % der Kinder innerhalb von 1–2 Jahren nach ihrer ersten Harnwegsinfektion.26
  • Die Kombination von rezidivierenden Harnwegsinfektionen, schwerem vesikourethralem Reflux und Nierennarben ergeben eine schlechtere Prognose hinsichtlich zukünftiger Nierenkomplikationen, wie:

Verlaufskontrolle

  • Nach wiederholten Rezidiven sollen individualisiert regelmäßige Verlaufskontrollen erfolgen.
  • Ebenso wichtig wie die Kontrolle ist es, die Eltern über das Rezidivrisiko und die entsprechenden Symptome zu informieren, sodass bei Rezidiven frühzeitig eine Therapie eingeleitet werden kann.
  • Routinemäßige Kontrollen mittels Urinkulturen nach der Behandlung einer Harnwegsinfektionen sind nicht hilfreich.7

Zystitis

  • Wenn weiterhin Symptome bestehen:
    • Urinkontrolle nach 2 Tagen
  • Wenn keine Symptome mehr bestehen:
    • Eine Urinkontrolle nach erfolgter antibiotischer Behandlung ist nicht erforderlich.7

Pyelonephritis

  • Kinder, die in der Hausarztpraxis behandelt werden:
    • Kontrolle des Urins nach 2 Tagen, wenn keine klinische Besserung eintritt.
      • Dann auch stationäre Einweisung erwägen, je nach Alter und Allgemeinzustand.
    • Eine Urinkontrolle nach erfolgter antibiotischer Behandlung ist nicht erforderlich.7

Risikopatient*innen: Alle 3 Monate kontrollieren

  • (Obstruktive) Fehlbildungen
  • Nachgewiesener Nierenschaden
  • Reflux mit erweiterten Harnwegen
  • Rezidivierende Pyelonephritis

Patienteninformationen

Patienteninformationen in Deximed

Quellen

Leitlinien

  • Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie und Arbeitskreis Kinder- und Jugendurologie der Deutschen Gesellschaft für Urologie. Harnwegsinfektionen im Kindesalter: Diagnostik, Therapie und Prophylaxe. AWMF-Leitlinie Nr. 166-004. S2k, Stand 2021. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Brennen beim Wasserlassen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-001. S3, Stand 2018. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU). Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. AWMF-Leitlinie Nr. 043-044. S3, Stand 2017. www.awmf.org
  • Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin (GNPI). Bakterielle Infektionen bei Neugeborenen. AWMF-Leitlinie Nr. 024-008. S2k, Stand 2018. www.awmf.org

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU). Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. AWMF-Leitlinie Nr. 043-044, Stand 2017. www.awmf.org
  2. Gesellschaft für Pädiatrische Nephrologie und Arbeitskreis Kinder- und Jugendurologie der Deutschen Gesellschaft für Urologie. Harnwegsinfektionen im Kindesalter: Diagnostik, Therapie und Prophylaxe. AWMF-Leitlinie Nr. 166-004. S2k, Stand 2021. www.awmf.org
  3. Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Brennen beim Wasserlassen. AWMF-Leitlinie Nr. 053-001, Stand 2018. www.awmf.org
  4. Shaikh N, Morone NE, Bost JE, Farrell MH. Prevalence of urinary tract infection in childhood: a meta-analysis. Pediatr Infect Dis J 2008; 27: 302-8. doi:10.1097/INF.0b013e31815e4122 DOI
  5. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI). ICD-10-GM Version 2021. Stand 18.09.2020; letzter Zugriff 26.10.2022. www.dimdi.de
  6. Simões E Silva AC, Oliveira EA, Mak RH. Urinary tract infection in pediatrics: an overview. J Pediatr (Rio J). 2020 Mar-Apr;96 Suppl 1(Suppl 1):65-79. www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. National Institute for Health and Clinical Excellence. Urinary tract infection in under 16s: diagnosis and management. London: NICE, 2022. www.nice.org.uk
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  12. Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin (GNPI). Bakterielle Infektionen bei Neugeborenen. AWMF-Leitlinie Nr. 024-008. S2k, Stand 2018. www.awmf.org
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  26. Larcombe J. Urinary tract infection in children. In: Clinical Evicence. BMJ Publishing Group, 2010;PMID: 21733199 PubMed

Autor*innen

  • Franziska Jorda, Dr. med., Fachärztin für Viszeralchirurgie, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin, Kaufbeuren
  • Marlies Karsch-Völk, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, München
  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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