Zusammenfassung
- Definition: Die Ruptur des vorderen Kreuzbands kann isoliert auftreten, häufig aber mit anderen Begleitverletzungen des Kniegelenks.
- Häufigkeit: In Deutschland treten etwa 50.000 VKB-Rupturen pro Jahr auf.
- Symptome: Eine akute Verletzung verursacht Schmerzen, Schwellungen, Funktionsverlust und ein Instabilitätsgefühl im Kniegelenk.
- Befunde: Bewegungseinschränkung, Schwellung, Hämarthrosbildung, Instabilität.
- Diagnostik: Klinische Untersuchung aller Strukturen des Kniegelenks, Röntgen in 2 Ebenen und MRT.
- Therapie: Bei jungen, sportlich aktiven Patienten in der Regel operative Rekonstruktion, bei geringem Anspruch ans Kniegelenk konservatives Prozedere möglich.
Allgemeine Informationen
Definition
- Komplette oder partielle Ruptur des vorderen Kreuzbandes (VKB), evtl. mit Abrissfraktur
- In der Regel als Folge einer akuten, kontaktlosen Dezelerationsverletzung mit kombiniertem Valgus- und Außenrotationsstress1
- Die Verletzung kann isoliert auftreten, häufiger sind allerdings kombinierte Kapsel-Band-Verletzungen.
- häufig Mitbeteiligung von medialem Kollateralband, Innenmeniskus, posteromedialer Kapsel und/oder hinterem Kreuzband
- Das vordere Kreuzband ist die primäre stabilisierende Struktur im Kniegelenk.
- Es begrenzt die ventrale Translation (Vorgleiten) und Rotation des Kniegelenks.2
Häufigkeit
- Inzidenz
- etwa 50.000 VKB-Rupturen pro Jahr in Deutschland 3
- Alter und Geschlecht
- Häufige Sportverletzung
- etwa 70 % Nichtkontakt-Unfälle7
Klinische Anatomie
- Das Kniegelenk wird aus Tibia, Femur und Patella gebildet.
- Das Gelenk wird durch das mediale und das laterale Kollateralband sowie durch das vordere und das hintere Kreuzband stabilisiert.
- Innen- und Außenmeniskus wirken stoßabsorbierend und sorgen für eine gleichmäßige Verteilung der Gewichtsbelastung.
Funktion des vorderen Kreuzbandes
- Lage
- zentral im Kniegelenk
- intrakapsulär, aber außerhalb der Synovialflüssigkeit
- Verlauf
- vom vorderen Tibiaplateau nach schräg oben und hinten zur lateralen Femurkondyle
- Funktion
- Verhindert ein Vorgleiten der Tibia gegenüber dem Femur sowie eine Innenrotation der Tibia.
- Beitrag zur anterolateralen Rotationsstabilität
- Aufbau
- zwei Hauptbündel
- Ein Teil des Bandes stabilisiert das Knie bei Extension, ein anderer bei Flexion.
Ätiologie und Pathogenese
- Der Verletzungsmechanismus ist in der Regel eine Außenrotation des Beines mit Valgusstress bei fixiertem Fuß.5
- Beispiele:
- Hängenbleiben der Skispitze beim Skifahren
- Stollenschuh beim Fußballer bleibt im Rasen hängen.
- Beispiele:
- Eine Rotation des Beins bei fixiertem Fuß verursacht häufig kombinierte Verletzungen.
- Eine Hyperextension des Knies kann isolierte Verletzungen verursachen.
- Kontaktverletzungen machen 30 % aller Verletzungen aus, während die restlichen 70 % kontaktlose Verletzungen sind.7
- Es gibt verschiedene Theorien zum Unterschied der Geschlechter bei Verletzungen des vorderen Kreuzbandes.8-9
- u. a. weniger stabilisierende Muskulatur oder schwächeres Bindegewebe bei weiblichen Athleten
- Die Intensität der körperlichen Aktivität, die zu Verletzungen führt, ist dabei von Bedeutung.
- Das Risiko einer Verletzung ist beim Wettkampf im Vergleich zum Training 3- bis 5-mal höher.10
- Bei Kindern resultieren solche Verletzungsmechanismen häufig in Abrissfrakturen anstelle von Bandverletzungen.11
- Das vordere Kreuzband hat eine gute Durchblutung.
- Der Riss führt schnell zu einem Hämarthros.
Prädisponierende Faktoren
- Sport
- Inadäquate Beinmuskulatur, insbesondere ischiocrurale Muskulatur5
- Verletzungsträchtige Bodenbeläge
- Kunstrasen, Teppich5
Klassifikation
- Wichtig für eine mögliche Naht vom VKB ist das Alter der Ruptur.
- frisch: < 3 Wochen
- Naht theoretisch möglich
- chronisch: > 3 Wochen5
- frisch: < 3 Wochen
ICPC-2
- L96 Akuter Kniebinnenschaden
ICD-10
- S83 Luxation, Verstauchung und Zerrung des Kniegelenkes und von Bändern des Kniegelenkes
- S83.5 Verstauchung und Zerrung des Kniegelenkes mit Beteiligung des (vorderen) (hinteren) Kreuzbandes
- S83.53 Riss des vorderen Kreuzbandes (VKB; Ligamentum cruciatum anterius), partiell oder komplett
- S83.7 Verletzung mehrerer Strukturen des Knies
- inkl. Verletzung des (Außen-)/(Innen-)Meniskus in Kombination mit (Seiten-)/(Kreuz-)Bändern
- S83.5 Verstauchung und Zerrung des Kniegelenkes mit Beteiligung des (vorderen) (hinteren) Kreuzbandes
Diagnostik
Leitlinie: Diagnostik5
- Da die operative Therapie bei der VKB-Ruptur einen hohen Stellenwert hat und diese bei zeitnahem Einleiten nach der Verletzung mehr Aussicht auf Erfolg hat, ist eine rasche Diagnosestellung wichtig.
- Daher wird bei Verdacht auf VKB-Ruptur eine zeitnahe bildgebende Diagnostik empfohlen.
Diagnostische Kriterien
- Typische Anamnese mit Verletzungsmechanismen, die den Verdacht auf eine Kreuzbandverletzung liefern.
- Positiver Lachman-Test
- Bestätigung durch MRT
Differenzialdiagnosen
- Andere gleichzeitige Verletzungen
- mediales Kollateralband
- Innenmeniskus
- posteromediale Kapsel
- posterolateraler Fortsatz
- hinteres Kreuzband
- Aktivierte Gonarthrose
- Aplasie des VKB
- Frakturen des Kniegelenks
- Verletzungen des Streckapparats (Patellarsehne, Quadrizepssehne)
Anamnese
- Den Unfallmechanismus genau rekonstruieren.
- wichtige Hinweise auf möglicherweise verletzte Strukturen
- Abklärung eines Wege- bzw. Arbeitsunfalls
- Vorstellung bei D-Arzt zwingend notwendig
Akute Verletzung
- Häufig akut und „dramatisch“ mit hörbarem Knacken
- Knieschmerzen
- Die Betroffenen sind nicht in der Lage, ihre Aktivität fortzusetzen.
- Instabilitätsgefühl
- Schwellung
- Hämarthros durch starke Durchblutung des VKB
- Blockadegefühl
Chronische Verletzung
- Instabilität, persistierende Schmerzen und Schwellneigung im Kniegelenk
- Ein eindeutiges Trauma muss nicht vorliegen.
- Der Kreuzbandriss kann auch Folge mehrerer eher kleinerer Verletzungen sein.
- Bei einer früheren Verletzung ist keine genaue Diagnose gestellt worden.
- Die konservative Behandlung hat nicht zur gewünschten Stabilität geführt.
Klinische Untersuchung
- Aufgrund häufiger Begleitverletzungen ist eine Untersuchung aller Kniegelenksstrukturen sinnvoll.
- 60–75 % aller Verletzungen des vorderen Kreuzbandes sind mit gleichzeitigen Meniskusverletzungen verbunden.
- bis zu 46 % mit Kollateralbandverletzungen
- 5–24 % mit dem vollständigen Abriss eines Kollateralbandes12
Akute Verletzung
- Hämarthrosentwicklung innerhalb weniger Stunden
- Stabilitätstests können in der akuten Phase aufgrund der Schmerzen schwer durchzuführen und zu interpretieren sein.
- Wiederholung nach 3–4 Tagen
- Einschränkung der Kniegelenksbeweglichkeit
- Bei VKB-Ruptur ist vor allem die Extension eingeschränkt.2
- Detaillierte Beschreibung der indizierten klinischen Tests siehe Abschnitt Kreuzbandtests.
Chronische Verletzung
- Instabilität im Knie
- Siehe Abschnitt Kreuzbandtests.
Leitlinie: Notwendige Untersuchungen5
- Klinische Untersuchung
- Inspektion und Palpation
- Weichteilschwellung
- Kontusionsmarken
- Ergusspalpation
- Thrombosezeichen
- Palpation der Seitenbandansätze (Schmerzpunkte, evtl. Defekte im Bandverlauf)
- Palpation des Gelenkspaltes (Schmerzpunkte, evtl. Defekte im Bandverlauf)
- Meniskustests
- Aktive und passive Bewegungsprüfung
- Betrachtung des Gangbildes, Beachtung einer evtl. Schonhaltung
- Bei schmerzbedingter Einschränkung der Untersuchungsfähigkeit:
- Wiederholung der Untersuchung im Intervall, meist nach einigen Tagen nach Schonung, Gehstützen und Schmerzbehandlung
- Stabilitätsprüfung im Seitenvergleich
- alle Prüfungen stets am entspannten liegenden Patienten unter bestmöglicher Vermeidung von Schmerzen
- Nutzung einer für andere Maßnahmen notwendigen Narkose zur Stabilitätsprüfung und Dokumentation
- z. B. bei osteosynthetischer Versorgung von Kniegelenksfrakturen
- Varus- und Valgusaufklappung
- in Streckung und Überstreckung (falls möglich)
- in Beugung des Kniegelenkes
- vordere und hintere Schublade in 90-Grad-Beugung
- Lachman-Test: vordere tibiale Translation in 20- bis 30-Grad-Beugung
- Pivot-Shift-Test: Subluxationstest
Kreuzbandtests
- Entscheidend für die Auswertung der Tests ist, dass sie sanft und vorsichtig durchgeführt werden, und dass die Patienten entspannt sind.
- Wenn die Patienten angespannt sind, kontrahieren die Muskeln, was zu einem falsch negativen Ergebnis führen kann.
- Lachman-Test
- Gilt als der beste Test in der akuten Phase.13
- Durchführung
- Kniekehle des Patienten über das Knie vom Untersucher Knie legen.
- dadurch Beugung des Knies des Patienten um 20–30 Grad
- Fixierung des Oberschenkels mit einer Hand knapp über dem Knie
- Verschiebung des Unterschenkels nach vorne und hinten
- Dokumentation des Anschlags: fest – weich – kein Anschlag
- Kniekehle des Patienten über das Knie vom Untersucher Knie legen.
- Fehlender Anschlag oder ein weicherer Anschlag mit höherer Verschiebbarkeit im Seitenvergleich deutet auf eine Ruptur des VKB hin.
- Lachman positiv
- Sensitivität von 86 % und Spezifität von 91 %14
- Pivot-Shift-Test
- Gilt als der beste Test bei chronischen Beschwerden und unter Anästhesie.13
- Häufig schmerzhaft für die Patienten und daher bevorzugt unter Anästhesie durchführen.
- Veranschaulicht die Instabilität bei einer Verletzung des vorderen Kreuzbandes.
- Durchführung
- Patient in Rückenlage
- Beginn mit einer 45-Grad-Beugung des Knies des Patienten
- Streckung vom Knie bei gleichzeitigem Valgusdruck auf die Tibia sowie einer Innenrotation der Tibia
- bei einer Beugung von 20–30 Grad Subluxation des lateralen Anteils der Tibia nach ventral
- Sensitivität von 27–95 % (durchschnittlich 62 %) und Spezifität von 97–99 %15
- Gilt als der beste Test bei chronischen Beschwerden und unter Anästhesie.13
- Stabilität beim vorderen Schubladentest15
- Zeigt fehlende Stabilisierung des VKB bei ventraler Translationsbewegung an.
- Durchführung
- Patient in Rückenlage
- Bein anwinkeln, Fuß aufstellen.
- Untersucher setzt sich auf den Fuß, um das Bein zu fixieren.
- Unterschenkel umgreifen, Daumen auf Tuberositas tibias.
- Beweglichkeit des Unterschenkels nach ventral im Seitenvergleich untersuchen.
- positiver Test: vermehrte Verschiebbarkeit im Seitenvergleich
- Ein positives hinteres Schubladensymptom deutet auf eine Ruptur des hinteren Kreuzbandes hin.
- Sensitivität von 62 % und Spezifität von 88 %14
Leitlinie: Fallstrick beim vorderen Schubladentest5
- Scheinbare vordere Schublade bei hinterer Kreuzbandruptur und hinterer Schublade als Ausgangsposition der Translationsbewegung
- Bei adäquatem Trauma und anhaltender Symptomatik sollte eine eindeutige Diagnose gestellt werden.
- z. B. Wiederholung der klinischen Untersuchung im Intervall, frühzeitige MRT
Seitenstabilität
- Seitliche Instabilität bei gestecktem Knie
- Deutet auf eine schwere Verletzung mit einer Ruptur des Kreuzbandes, eines Kollateralbandes und der Kapsel hin.
- Seitliche Instabilität erst bei Kniebeugung von 20–30 Grad
- Deutet auf eine Verletzung des medialen bzw. lateralen Kollateralbandes hin.
- Große Instabilität deutet auf eine Kreuzbandverletzung hin.
Diagnostik beim Spezialisten
Leitlinie: Bildgebung/Labor5
- Bildgebung
- Röntgen zum Frakturausschluss, Kniegelenk in 2 Ebenen
- knöcherne Bandausrisse (Eminentiafraktur, Avulsionsfraktur des hinteren Kreuzbandes, Segond-Frakturen)
- tibiale Avulsion des VKB-Ansatzes
- Computertomografie bei Verdacht auf knöcherne Läsionen
- MRT bei klinischem Verdacht auf Instabilität oder Beschwerdepersistenz
- Röntgen zum Frakturausschluss, Kniegelenk in 2 Ebenen
- Laboruntersuchung
- unter Berücksichtigung von Alter und Begleiterkrankungen der Patienten
- Laboruntersuchungen im Hinblick auf eine geplante Operation
- Gerinnung, Hämoglobin etc.
Indikationen zur Überweisung
- Bei Verdacht auf Kreuzbandverletzung oder komplexe Kapsel-Band-Verletzung des Kniegelenkes
- Bei Hämarthros
Checkliste zur Überweisung
Ligamentverletzung
- Zweck der Überweisung
- Bestätigende Diagnostik? Konservative Therapie? Operative Therapie?
- Anamnese
- Beginn und Dauer: frisch oder chronisch? Trauma-Mechanismus?
- Schmerzen? Schmerzauslösende Situationen? Gelenkerguss: wie schnell? Gelenkblockaden? Instabilität?
- Verlauf und Entwicklung? Anhaltende Beschwerden?
- Sonstige relevante Erkrankungen?
- Regelmäßige Medikamente?
- Folgen: Funktionsverlust? Arbeitsunfähigkeit?
- Klinische Untersuchung
- Akutes oder chronisches Stadium?
- Lokalisierung der Schmerzen? Schmerzempfindliche Gelenklinie? Schwellung? Eingeschränkte Beweglichkeit? Hängefuß?
- Meniskusschmerzen oder -klicken bei Rotation während der Bewegung?
- Seitenstabilität (Kollateralband)?
- Lachman-Test, Schubladentests (Kreuzband)?
- Ergänzende Untersuchungen
- MRT des Kniegelenkes? Ergebnis?
- Röntgen: Fraktur?
Therapie
Therapieziele
- Symptome lindern.
- Funktion wiederherstellen.
- Komplikationen verhindern.
Allgemeines zur Therapie
- Das Therapieregime (operativ vs. konservativ) nach gesicherter VKB-Ruptur wird weiterhin diskutiert.5
- Die operative Therapie ist die häufigere Behandlungsmethode, die insbesondere bei jungen und aktiven Patienten notwendig ist, um eine sichere Rückkehr zur Aktivität unter Minderung des Risikos von Folgeschäden zu ermöglichen.5
- Akutbehandlung
- Entlastung, Ruhe, Kühlung, Kompression, Hochlagerung und Verwendung einer Orthese
- Gehstützen bei Bedarf
- Thromboseprophylaxe
- bei Bedarf entlastende Punktion
- bei Bedarf Analgetika
- Entlastung, Ruhe, Kühlung, Kompression, Hochlagerung und Verwendung einer Orthese
- Rehabilitation: Übungen und Training beginnen, sobald die akute Phase vorbei ist.
- Therapeutische Fortschritte haben dazu geführt, dass das Alter nicht mehr als entscheidender Faktor bei der Entscheidung für oder gegen eine Operation angesehen wird.
Empfehlungen für Patienten
- Konservative Therapie
- Stärkung der hinteren Oberschenkelmuskulatur
- Postoperativ
- schnellstmögliche Mobilisierung und Rehabilitation des Knies
- Rehabilitation über ½–1 Jahr, um eine Quadrizepsatrophie zu verhindern.
- Punktion eines Ergusses, wenn Hämarthros zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führt.
- Eine Immobilisierung des Knies ist unnötig.
- Gehhilfen nur für kurze Zeit, wenn die Patienten Schmerzen beim Auftreten haben.2
Medikamentöse Therapie
- In der akuten Phase können Novaminsulfon oder NSAR schmerzlindernd wirken.
- Novaminsulfon 500 mg, Einzeldosis 1–2 Tabl., Höchstdosis 8 Tabl./Tag
- Ibuprofen 1.200 mg als Anfangsdosis, danach 1.800–2.400 mg tgl., verteilt auf 3–4 Dosen
- Naproxen 375–500 mg als Anfangsdosis, danach 750–1.000 mg tgl., verteilt auf 2 Dosen
- Leitliniengerechte Thromboseprophylaxe (Frühmobilisation, Anleitung zu Eigenaktivierung der Wadenmuskulatur und medikamentöse Thromboseprophylaxe)16
Konservative Therapie
- Bei der Entscheidung zur konservativen Therapie sind engmaschige Kontrollen nötig, um bei Versagen frühzeitig eine operative Therapie einzuleiten.5
- Insbesondere die Instabilität ist ein Risikofaktor für Folgeverletzungen und die Indikation für ein operatives Vorgehen.
- Indikationen für eine konservative Therapie5
- geringe Instabilität
- niedriges Aktivitätsniveau
- vorbestehende höhergradige Gonarthrose
- hohes Alter (immer biologisch zu beurteilen)
- Es besteht keine generelle Altersbeschränkung für ein operatives Vorgehen.17
- allgemeine Kontraindikationen gegen eine Operation, z. B. florider Infekt
- Vorgehen5
- Frühfunktionelle Therapie wird sofort begonnen.
- schmerzadaptierter, abgestufter Belastungsaufbau
- Koordinations- und Propriozeptionstraining
- Muskelaufbau
- Bewegungsorthese
- Immobilisierende Verbände sind in der Regel nicht notwendig.
- Frühfunktionelle Therapie wird sofort begonnen.
- Dauer: Entspricht etwa operativer Nachbehandlung.
Operative Therapie
- Die Indikation zu einer operativen Therapie ist immer individuell zu stellen.18
- Ziel: Übungsstabile Versorgung mit der Möglichkeit zur frühfunktionellen Bewegungstherapie und rascher Belastung5
- Reduktion von instabilitätsbedingten Folgeschäden wie Meniskusrissen, Knorpelverletzungen und sekundärer Gonarthrose
- Ein protektiver Effekt ist insbesondere für junge, sportlich aktive Patienten nachgewiesen.19
- Reduktion von instabilitätsbedingten Folgeschäden wie Meniskusrissen, Knorpelverletzungen und sekundärer Gonarthrose
- Indikationen für eine Operation5
- junges Alter
- hohe Anforderungen an die Kniefunktion in der Zukunft
- Sportler, körperlich anstrengender Beruf
- begleitende Meniskusläsion
- komplexe Kapsel-Band-Verletzung
- Instabilität
Chirurgische Technik20
- Zum geeigneten Operationszeitpunkt gibt es keine klaren Empfehlungen.5
- innerhalb der ersten 48 Stunden
- insbesondere bei osteochondralen oder Meniskus-Begleitverletzungen
- nach Abklingen der Entzündungsphase mit frei beweglichem Kniegelenk
- innerhalb der ersten 48 Stunden
- Es gibt viele verschiedene Operationstechniken ohne eindeutige Überlegenheit eines Verfahrens.21
- Die Wahl des Operationsverfahrens ist abhängig von der Erfahrung des Operateurs und dem Patientenwunsch nach Aufklärung über Vor- und Nachteile der jeweiligen Operationsmethoden.
- Zurzeit existieren nur sehr wenige Untersuchungen nach Kreuzbandoperationen mit einem Nachuntersuchungszeitraum von mehr als 10 Jahren.5
- Die Hamstring-Plastik wird aktuell am häufigsten angewendet.
- Kreuzbandplastik aus Sehnen des M. gracilis und/oder des M. semitendinosus22
- anatomisch genaue und mechanisch stabile Implantation möglich
- Innerhalb eines Zeitraumes von ca. 1 Jahr bilden sich neue Sehnen, und die Muskelfunktion bleibt erhalten.
- Kreuzbandplastik aus Sehnen des M. gracilis und/oder des M. semitendinosus22
- Patellasehnen-Transplantat oder Quadrizepssehnen-Transplantat
- Dies war früher die am häufigsten verwendete Technik.22
- Vorteil: keine Schwächung der Kniebeuge-Muskulatur (vor allem für Profisportler relevant)
- Nachteil: teilweise anteriorer Knieschmerz
- Naht des VKB
- nur bei frischen (< 3 Wochen) Rupturen
- verschiedene Nahttechniken
- z. B. Refixation des VKB Stumpfes mit gleichzeitger intraligamentärer dynamischer Stabilisierung23
- Künstliches Kreuzband
- bisher über mittleren Beobachtungszeitraum gleich gute Ergebnisse wie Allograft-Kreuzbänder24
Kreuzbandverletzungen bei Kindern25
- Kinder < 12 Jahren: meistens knöcherne Bandausrissen ohne Ruptur
- in der Regel operative Refixation des Knochenfragmentes
- Kinder > 12 Jahren: eher Rupturen als Bandausrisse
- Problem bei operativer Versorgung
- Bohrkanäle durch Wachstumsfugen
- Metaanalyse früher bzw. späterer Operation versus konservativer Behandlung
- beste Ergebnisse bei frühzeitiger Operation26
Rehabilitation, postoperativ
- Postoperative Lagerung in Streckstellung, damit die Kreuzbandplastik einheilen kann.
- Je nach OP-Verfahren möglichst frühzeitig mit Bewegungstherapie beginnen.
- Intensive Physiotherapie mit Schulung der Propriozeption und Kraftaufbau
- Kniebelastende Sportarten sollten frühestens nach 6 Monaten wieder ausgeübt werden.5
- Im Leistungssport sind vorher spezielle Back-To-Sports-Test empfohlen.27
Physiotherapie
- Transplantat bzw. Kniegelenk nicht überlasten, während gleichzeitig eine schnelle Wiederherstellung der Beweglichkeit, der Muskelkraft und des Gleichgewichts stattfindet.
- Frühe passive Bewegungen in der ersten Zeit nach der Operation werden als sinnvoll angesehen. In einer Studie konnten allerdings keine besonderen Vorteile dieser Maßnahme festgestellt werden.28
- In der ersten Zeit nach der Operation sind Gehhilfen erforderlich.
- Die meisten Rehabilitationsprogramme beinhalten ein 10- bis 12-wöchiges intensives Krafttraining.
- Eine kanadische Studie zu „Freizeitsportlern“ hat gezeigt, dass ein auf Selbsttraining basierendes Rehabilitationsprogramm – wenn auch mit einigen Einheiten mit einem Physiotherapeuten – akzeptable 3-Monats-Ergebnisse liefert.29
Prävention
- Koordinationstraining zur Verbesserung der neuromuskuläre Kontrolle des Kniegelenkes30
- Für einige Sportarten gibt es bereits sportspezifischer Trainingsprogramme.31
- z. B. FIFA 11+ für Fußball
- Kniebandage kann Propriozeption verbessern.32
- Mechanisch stabilisierende Knieorthesen sind ohne Effekt.33
- Aufwärmprogramm mit wiederholten schnellen Kontraktionen der Kniebeuger und -strecker, Krafttraining und Gleichgewichtsübungen.34
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Verlauf
- Bei unzureichender Behandlung kann sich eine chronische Instabilität mit daraus resultierenden Verletzungen entwickeln.
- Je häufiger akute Subluxationsereignisse auftreten, desto stärker die Kniebinnenschädigungen.19
- Eine Implantatentfernung ist im Allgemeinen nicht erforderlich.
Komplikationen
- Thrombose/Embolie
- Chronische Instabilität
- Meniskusverletzung
- Kraftminderung
- Sekundäre Gonarthrose
-
- nach operativer Rekonstruktion einer isolierten VKB-Ruptur
- 0–13 % der Patienten nach 10 Jahren35
- bei kombinierter Kreuzband- und Meniskusverletzung
- 21–48 % der Patienten nach 10 Jahren35
- Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes reduziert das Risiko einer Arthroseentwicklung im Vergleich zum konservativen Vorgehen.36
- nach operativer Rekonstruktion einer isolierten VKB-Ruptur
- Implantatversagen/Re-Ruptur
Prognose
- Abhängig von primärer Instabilität, Konstitutionstyp und Begleitverletzungen5
- Die meisten Patienten erreichen nach einer Kreuzbandrekonstruktion mit moderner Technik (Patellasehne, Hamstring) und nach einer Beobachtungszeit von 6–8 Jahren eine gute Stabilität im Knie.
- Erneute Ruptur
- Arthroseentwicklung
- Patienten ohne Operation
- Zurzeit gibt es wenige Untersuchungen nach Kreuzbandoperationen mit einem Nachuntersuchungsverlauf von 6–10 Jahren.
- Konservativ behandelte Patienten, die ein hohes Leistungsniveau anstreben, müssen zu einem großen Prozentsatz nachoperiert werden.5
- Ca. die Hälfte scheint schlechtere Ergebnisse zu haben als Patienten, die operiert wurden.38
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Illustrationen
Quellen
Leitlinien
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Autoren
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
- Ingard Løge, spesialist allmennmedisin, universitetslektor, institutt for sammfunsmedisinske fag, NTNU, redaktør NEL
- Arild Aamodt, overlege/professor, Ortopedisk avdeling, Lovisenberg Sykehus, Oslo