Zusammenfassung
- Definition:Es handelt sich um eine selbstlimitierende aseptische Osteonekrose des Os naviculare (Morbus Köhler I) bzw. des 2. oder 3. Mittelfußköpfchens (Morbus Köhler II).
- Häufigkeit:Relativ seltene Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen.
- Symptome:Humpelnder Gang mit Schmerzen im Vorfußbereich.
- Befunde:Druckschmerz über dem betroffenen Knochen, ggfs. Schwellung.
- Diagnostik:Ergänzende Untersuchungen sind Röntgen mit typischen Befunden, eventuell MRT oder Szintigrafie.
- Therapie:Entlastung, evtl. Immobilisierung. Bei M. Köhler II mit schwerer Deformität ggf. operative Therapie notwendig.
Allgemeine Informationen
Definition
- Es handelt sich um eine selbstlimitierende, aseptische Knochennekrose im Bereich des Mittel- oder Vorderfußes, die vor allem bei Kindern auftritt.1
- Morbus Köhler I
- Nekrose des Os naviculare
- meist einseitig
- Die in der Regel bilateral auftretende Nekrose des Os naviculare beim Erwachsenen wird als Müller-Weiß-Syndrom bezeichnet.
- Erstbeschreibung 1908 durch den Arzt A. Köhler2
- Morbus Köhler II, Synonym: M. Köhler-Freiberg3
Häufigkeit
- Morbus Köhler I
- Morbus Köhler II
Ätiologie und Pathogenese
- Morbus Köhler I
- Das Os naviculare ist ständigen Kompressionskräften aufgrund des zu tragenden Körpergewichts ausgesetzt.
- Das Os naviculare ist der letzte Knochen im Fuß, der ossifiziert und kann dadurch mitsamt seinen versorgenden Blutgefäßen von den anderen, bereits ossifizierten, Fußwurzelknochen, komprimiert werden.1
- Im Verlauf kommt es jedoch fast immer zu einer Rekonstitutionsphase mit regelhafter Ossifizierung und Bildung eines regulär geformten Os naviculare.
- Morbus Köhler II
- Schädigung der Epiphyse der Mittelfußknochen
- Die Ursache ist umstritten und wahrscheinlich multifaktoriell bedingt.
- Eine traumatische Verletzung infolge akuter oder sich wiederholender Bewegungen mit Gefäßkompressionen ist eine der am häufigsten angeführten Theorien.10-11
ICPC-2
- L94 Osteochondrose
ICD-10
- M92 Sonstige juvenile Osteochondrosen
- M92.6 Juvenile Osteochondrose des Tarsus inkl. M. Köhler I
- M92.7 Juvenile Osteochondrose des Metatarsus inkl. M. Köhler II
Diagnostik
Diagnostische Kriterien
- Die Diagnose basiert auf der Anamnese, den klinischen Befunden und Röntgen.
Differenzialdiagnosen
- Metatarsalgie
- Morton-Neuralgie
- Ermüdungsfraktur im Mittelfußknochen
- Synovitis
- Os tibiale externum
- Os naviculare bipartitum
Anamnese
- Morbus Köhler I
- Betroffen sind vor allem Kinder unter 8–10 Jahren.
- Die Schmerzen treten medial im Fuß auf.
- Das Kind versucht daher, auf der Fußaußenkante zu laufen, um den Druck auf den schmerzempfindlichen Bereich zu verringern.
- Morbus Köhler II
- In der Regel sind junge Mädchen betroffen, die Balletttanz oder andere Tanzsportarten betreiben.
- Es kommt zu aktivitätsbedingten Schmerzen und ggf. Schwellungen im Vorderfuß.12
Klinische Untersuchung
- Humpelndes Kind
- Druckschmerz über dem betroffenen Knochen
- Ggf. schmerzhafte Wadenmuskulaturverhärtung durch Fehlbelastung
Ergänzende Untersuchungen
Röntgen
- Morbus Köhler I
- Abflachung des Os naviculare, Sklerosierung und ggf. Fragmentierung im Vergleich zur Gegenseite
- Morbus Köhler II
- Mögliche Zeichen sind eine Vergrößerung des Gelenkspalts, Fragmentierung des Mittelfußköpfchens oder Sklerosierung.
Weitere bildgebende Untersuchungen bei M. Köhler II3
- Szintigrafie
- Verminderte Aktivität in der Frühphase, in der Rekonstitutionsphase erhöhte Aktivität
- Der diagnostische und prognostische Zusatznutzen ist umstritten.
- MRT
- Detektion einer Frühphase, die noch nicht im Röntgen ersichtlich ist.
- Präoperative Planung, insbesondere bei geplanter Osteotomie
Klassifikation des M. Köhler II
- Einteilung nach Smillie in 5 Stadien anhand der Bildgebung13
- im Stadium 1 nur leichte radiografische Zeichen, im Stadium 5 schwere Deformität des Mittelfußköpfchen
Indikationen zur Überweisung
- Beurteilung durch orthopädische Spezialist*innen bei einer symptomatischen Erkrankung
Checkliste für die Überweisung
Osteochondrose, Morbus Köhler
- Zweck der Überweisung
- Diagnose? Konservative Behandlung (orthopädische Hilfsmittel)? Operation?
- Anamnese
- Beginn? Entwicklung/Progression? Sport?
- Belastungsschmerz? Im Ruhezustand? Funktionsbeeinträchtigung?
- Welche Behandlungsmaßnahmen wurden getestet?
- Andere relevante Erkrankungen?
- Klinische Untersuchung
- Untersuchung des Fußes
- Gewicht und Größe. Perzentilkurve ist wünschenswert, ggf. Kopie der Wachstumskurve von Pädiater*in
- Ergänzende Untersuchungen
- evtl. Ergebnisse der Röntgenuntersuchung
Therapie
Therapieziele
- Symptome lindern.
- Spätkomplikationen wie Arthrose verhindern.
Therapieoptionen
- Selbstlimitierende Erkrankung
- Morbus Köhler I
- Eine operative Therapie ist nicht indiziert.1
- Eine entlastende Therapie kann die Dauer der Beschwerden verkürzen.1
- evtl. Unterschenkel-Gips über 6–8 Wochen, gefolgt von einer Orthese zur Unterstützung des Längsgewölbes
- Dadurch wird die Dauer der Beschwerden in der Regel auf unter 3 Monate verkürzt.7,14
- Morbus Köhler II3
- Die Wahl der Therapie ist aufgrund nur kleiner Fallzahlen umstritten, bei der Mehrheit der Patient*innen ist eine konservative Therapie erfolgreich.
- Maßnahmen zur Entlastung des Fußes, z. B. Immobilisierung des Fußes für 4–6 Wochen
- NSAR zur Analgesie möglich, jedoch nicht, um die körperliche Aktivität der Patient*innen zu steigern.
- Bei schweren Verläufen mit z. B. freien Gelenkkörpern oder destruierten Gelenkflächen operativer Eingriff zum Débridement, Knochentransplantation oder Osteotomie
Verlauf, Komplikationen und Prognose
Prognose
- Morbus Köhler I
- Die Erkrankung ist selbstlimitierend und die Prognose ist exzellent.6
- Betroffene haben in der Regel später keine Beschwerden mehr.
- Das Os naviculare ist im Erwachsenenalter fast immer normal geformt.1
- Bei anhaltenden Schmerzen nach einer Immobilisationsphase von 6 Wochen sollte an Differenzialdiagnosen gedacht werden.1
- Die Erkrankung ist selbstlimitierend und die Prognose ist exzellent.6
- Morbus Köhler II5
- im Stadium 1–3 nach Smillie gute Prognose durch konservative Maßnahmen
- In höheren Stadien ist häufig eine Operation nötig und eine mögliche Arthroseentwicklung im Verlauf.
Patienteninformationen
Patienteninformationen in Deximed
Quellen
Literatur
- Vargas B. Kohler's disease. Medscape, last updated May 20, 2019. emedicine.medscape.com
- Köhler A. Über eine häufige, bisher anscheinend unbekannte Erkrankung einzelner kindlicher Knochen. Münchn med Wochenschr 1908;37:1923.
- Fehr SD. Freiberg disease. Medscape, last updated May 20, 2019. emedicine.medscape.com
- Talusan PG, Diaz-Collado PJ, Reach JS. Freiberg's infraction: diagnosis and treatment. Foot Ankle Spec 2014; 7(1): 52-56. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Carter KR, Chambers AR, Dreyer MA. Freiberg Infarction. StatPearls Last Update: August 10, 2020. www.ncbi.nlm.nih.gov
- National Organization for Rare Disorders. Kohler Disease. Stand 2018. Letzter Zugriff 11.10.2020. rarediseases.org
- Tsirikos AI, Riddle EC, Kruse R. Bilateral Köhler's disease in identical twins. Clin Orthop Relat Res 2003; (409): 195-8. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Air ME, Rietveld AB. Freiberg's disease as a rare cause of limited and painful relev in dancers. J Dance Med Sci 2010; 14: 32-6. PubMed
- Hodes A, Umans H. Metatarsalgia . Radiol Clin North Am 2018; 56(6): 877-92. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Carmont MR, Rees RJ, Blundell CM. Current concepts review: Freiberg's disease. Foot Ankle Int 2009; 30: 167-76. PubMed
- Ashman CJ, Klecker RJ, Yu JS. Forefoot pain involving the metatarsal region: differential diagnosis with MR imaging. Radiographics 2001; 21: 1425-40. PubMed
- Gauthier G, Elbaz R. Freiberg's infraction: a subchondral bone fatigue fracture. A new surgical treatment. Clin Orthop Relat Res 1979; 142: 93-5. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Smillie IS. Treatment of Freiberg's infraction. Proc. R. Soc. Med 1967; 60(1): 29-31. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- DiGiovanni CW, Patel A, Calfee R, Nickisch F. Osteonecrosis in the foot. J Am Acad Orthop Surg 2007; 15: 208-17. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
Autor*innen
- Lino Witte, Dr. med., Arzt in Weiterbildung, Innere Medizin, Frankfurt
- Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).