Sichelzellkrankheit

Die Sichelzellkrankheit ist eine angeborene Erkrankung, die zu einer Anämie (Blutarmut) führt. Ursache der Krankheit ist die Schädigung eines Gens, das für die Hämoglobinbildung zuständig ist.

Was ist die Sichelzellkrankheit?

Definition

Die Sichelzellkrankheit ist eine angeborene Erkrankung, bei der das Transportprotein für Sauerstoff (Hämoglobin) verändert ist. Die roten Blutkörperchen erscheinen unter dem Mikroskop nicht mehr rundlich, sondern sichelförmig.

Symptome

Menschen mit einer ausgebildeten Sichelzellkrankheit entwickeln im Laufe des ersten Lebensjahres die ersten Krankheitszeichen. Häufig sind die Babys blass und müde. Die Skleren der Augen oder die Haut sind gelb gefärbt. Bei Kindern und Jugendlichen sind ein verlangsamtes Wachstum, eine Verzögerung der Geschlechtsreife, Untergewicht, geringe Ausdauer und ein schneller Puls zu beobachten. Bei vielen Betroffenen heilen Wunden schlecht, was zu Geschwüren an den Beinen führen kann.

Außerdem können Episoden mit verschlossenen Blutgefäßen auftreten. Das kann leichtes Fieber und Schmerzen verursachen, vor allem an der Wirbelsäule, am Brustkorb oder an den Armen und Beinen. Am stärksten sind die Symptome im Zusammenhang mit Infektionen und Folsäuremangel. Die Dauer der Krisen reicht von einigen Stunden bis zu einigen Tagen. Bei wiederholten Gefäßverschlüssen kommen Schäden an Augen, Herz, Gehirn, Niere, Leber und Milz hinzu.

Ein absoluter Notfall ist das sog. Thorax-Syndrom: Es zeichnet sich durch Fieber, Husten, Kurzatmigkeit und Schmerzen beim Atmen aus. Ohne Behandlung kann sich dies zu einem schweren Krankheitsbild entwickeln.

Ursachen

Die Ursache der Krankheit ist die Schädigung eines Gens, das für die Hämoglobinbildung zuständig ist. Hämoglobin ist ein Protein, das für den Sauerstofftransport im Blut wichtig ist. Betroffene mit einer ausgeprägten Blutarmut haben das Krankheitsgen von beiden Elternteilen geerbt. Die Eltern selbst können als Überträger*innen symptomfrei sein.

Häufigkeit

In Europa ist die Sichelzellkrankheit selten. Am häufigsten ist die Erkrankung in den tropischen Teilen Afrikas, im Mittleren Osten, in weiten Teilen Indiens, in der Osttürkei und in Teilen Griechenlands und Süditaliens.

Es kommt wesentlich häufiger vor, dass Menschen gesunde Überträger*innen des Krankheitsgens sind, als tatsächlich an der Sichelzellkrankheit zu erkranken. In den USA sind beispielsweise 8 % der Menschen mit afrikanischen Vorfahren Überträger*innen. Die geografische Verteilung der Erkrankung wird im evolutionären Kontext damit begründet, dass Überträger*innen des Gens einen besseren Malariaschutz haben.

Untersuchungen

  • Um eine Diagnose zu stellen, wird eine Blutuntersuchung durchgeführt.
    • Hierbei wird u. a. der Anteil des veränderten Hämoglobins bestimmt.
    • Es kann auch eine DNA-Analyse erfolgen.
  • Ergänzend kann der Urin untersucht, eine Röntgenaufnahme der Lunge angefertigt oder eine Ultraschall-/MRT-Untersuchung vom Bauch durchgeführt werden. Wenn der Sauerstoffgehalt im Blut erniedrigt ist, werden Lungenfunktionstests empfohlen.
  • Kinder mit Sichelzellkrankheit haben ein erhöhtes Schlaganfallrisiko. Bei ihnen ist ein jährlicher Ultraschall vom Kopf indiziert.
  • Schwangere, deren Kinder ein hohes Risiko für eine Sichelzellkrankheit haben, können eine Fruchtwasseruntersuchung oder eine Punktion des Mutterkuchens durchführen lassen.
    • Sinnvoll ist dies insbesondere bei Kindern von Eltern, die wissen, dass sie Überträger*innen des Krankheitsgens sind, bei denen mehrere Familienmitglieder an einer Sichelzellkrankheit erkrankt sind oder die bereits ein Kind haben, das unter der Krankheit leidet.
  • Zukünftig sollen alle Kinder beim Neugeborenen-Screening auch auf die Sichelzellkrankheit getestet werden (Stand Februar 2021).
  • Regelmäßige Verlaufskontrollen, u. a. mit:
    • Ultraschalluntersuchungen
    • Blutabnahme
    • MRT oder Röntgen der Knochen
    • augenärztlicher Untersuchung
    • EKG und Herzecho.

Behandlung

  • Betroffene können nur durch eine Knochenmarkstransplantation geheilt werden.
  • Ansonsten besteht die Behandlung aus Bluttransfusionen und aus der Einnahme von Folsäure.
    • Der Folsäurebedarf ist bei den Betroffenen erhöht. Die Substitution erfolgt entweder über die Ernährung oder mit Medikamenten.
  • Bei schmerzhaften Gefäßverschlüssen werden Schmerzmittel, Flüssigkeit und evtl. Medikamente gegen eine auslösende Infektion verabreicht. Bei einer schweren Episode kann eine Austauschtransfusion erfolgen (das gesamte Blut der betroffenen Person wird durch Spenderblut ersetzt).
  • Die Therapie kann mit dem Medikament Hydroxycarbamid ergänzt werden.
    • Das Zytostatikum hilft gegen schmerzhafte Gefäßverschlüsse.
  • Kinder mit Sichelzellkrankheit nehmen bis zum 5. Lebensjahr das Antibiotikum Penicillin zur Vorbeugung einer Infektion mit Pneumokokken ein.
  • Selten muss die Milz entfernt werden.

Was können Sie selbst tun?

  • Vermeiden Sie körperlichen und psychischen Stress.
  • Trinken Sie ausreichend.
  • Wenn Sie häufig Bluttransfusionen erhalten, sollten Sie die Einnahme von eisenhaltigen Lebensmitteln einschränken.
  • Lassen Sie sich gegen Pneumokokken, Meningokokken und Haemophilus influenzae B impfen.
  • Vermeiden Sie Reisen in tropische Gebiete.

Prognose

  • Das Risiko von Infektionen ist erhöht.
  • Unbehandelte Personen mit Sichelzellkrankheit haben eine niedrige Lebenserwartung.
  • Überträger*innen des Krankheitsgens haben die gleiche Lebenserwartung wie die übrige Bevölkerung.

Weitere Informationen

Autorin

  • Hannah Brand, Dr. med., Ärztin, Berlin

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Literatur

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel Sichelzellkrankheit. Nachfolgend finden Sie die Literaturliste aus diesem Dokument.

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