Spondylose

Zusammenfassung

  • Definition:Unspezifische degenerative Veränderungen an der Hals- oder Lendenwirbelsäule.
  • Häufigkeit:Überwiegend bei Personen über 40 Jahre, wobei nur wenige Symptome haben.
  • Symptome:In der Regel asymptomatisch.
  • Befunde:Evtl. reduzierte Beweglichkeit, ansonsten durchgehend normale klinische Befunde.
  • Diagnostik:Röntgen bestätigt die Diagnose, ist aber in der Regel nicht erforderlich.
  • Therapie:Eine Therapie ist in der Regel nicht erforderlich.

Allgemeine Informationen

  • Sofern nicht anders gekennzeichnet, basiert der gesamte Artikel auf diesen Referenzen.1-5

Definition 

  • Ossäre Reaktion des Wirbelkörpers auf degenerative Bandscheibenveränderungen 
    • knöcherne Randanbauten (Osteophyten) entlang der vorderen und seitlichen oberen und unteren Wirbelkörperkanten
    • in der Regel begleitet von Osteochondrose, d. h. sklerotischen Verdichtungen und unregelmäßiger Konturierung im Grund- und Deckplattenbereich
    • Die Intervertebralgelenke sind nicht unmittelbar betroffen.
  • Die eigentliche Spondylose ist asymptomatisch.
    • Spondylose ist ein rein radiologischer Befund und keine Krankheit im engeren Sinn.
  • Funktionsbeeinträchtigungen als Folge degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule einschließlich Bandscheiben treten nur dann auf,
    • wenn es zur Affektion neuronaler Strukturen kommt, etwa bei einer Wurzelkompression durch Höhenminderung der Wirbelzwischenräume
    • oder wenn die Beweglichkeit durch die knöchernen Anbauten in einem oder mehreren Segmenten reduziert oder aufgehoben (Spondylodese) ist.6

Häufigkeit

Ätiologie und Pathogenese

  • Eine Spondylose entwickelt sich sekundär, meistens infolge einer altersbedingten Diskusdegeneration.
    • Knochenneubildung in Bereichen, in denen das Ligamentum anulare belastet wird, insbesondere im Hals- und Lendenwirbelsäulenbereich.7
    • Die knöchernen Randwülste wachsen zunächst horizontal, später vertikal.
    • reaktive ossäre Zackenbildungen an den knöchernen Insertionsstellen des anterioren Längsbands
  • Es besteht kein stringenter Zusammenhang zwischen dem Ausmaß chronischer Rückenschmerzen auf der einen und dem Schweregrad röntgenologischer Spondylose auf der anderen Seite.

Prädisponierende Faktoren

  • Scheuermann-Krankheit
  • Andere Deformitäten der Wirbelsäule
  • Infektionen
  • Traumen
    • Vermutlich tragen auch Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Übergewicht und Bewegungsmangel zu einer beschleunigten Bandscheibendegeneration bei.

ICPC-2

  • L84 Rückensyndrom ohne Schmerzausstrahlung

ICD-10

  • Nach ICD-10-GM Version 20228
  • M47 Spondylose
    • M47.0- Arteria-spinalis-anterior-Kompressionssyndrom und Arteria-vertebralis-Kompressionssyndrom
    • M47.1- Sonstige Spondylose mit Myelopathie
    • M47.2- Sonstige Spondylose mit Radikulopathie
    • M47.8- Sonstige Spondylose
    • M47.9- Spondylose, nicht näher bezeichnet
      • 5. Stelle:
        • 0 mehrere Lokalisationen der Wirbelsäule
        • 1 Okzipito-Atlanto-Axialbereich
        • 2 Zervikalbereich
        • 3 Zervikothorakalbereich
        • 4 Thorakalbereich
        • 5 Thorakolumbalbereich
        • 6 Lumbalbereich
        • 7 Lumbosakralbereich
        • 8 Sakral- und Sakrokokzygealbereich
        • 9 nicht näher bezeichnete Lokalisation

Diagnostik

Diagnostische Kriterien

  • Charakteristische Veränderungen im Röntgen: höhenreduzierte Bandscheibe und Osteophytenbildung am vorderen Teil der Wirbel
  • Bei einer weit fortgeschrittenen Spondylose sind auch sklerotische Wirbelkörper zu sehen.

Differenzialdiagnosen 

Myelopathie

  • Trauma
  • Tumoren
  • Entzündliche Erkrankungen des Nervensystems, z. B.:
  • Spinale Ischämien
  • Neurodegenerative Erkrankungen
  • Zerebrale Mikroangiopathien, z. B. subkortikale vaskuläre Demenz
    • wie zervikale Myelopathien bei älteren Menschen häufig
    • evtl. ähnliche neurologische Defizite wie bei zervikaler spondylotischer Myelopathie, z. B. Blasenfunktionsstörungen
    • Gefäßrisikofaktoren?
    • Kognitive Defizite (Näheres siehe Artikel Demenzsymptome)?
    • ggf. kranielles MRT
  • Funnikuläre Myelose (Subacute Combined Degeneration of the Spinal Cord, SACD), durch Vitamin-B12-Mangel verursacht
  • Epiduraler Abszess

Anamnese

Klinische Untersuchung

Diagnostik bei Spezialist*innen

  • Eine Spondylose ist sehr häufig ein Zufallsbefund bei ansonsten gesunden Personen und erfordert in der Regel keine weitere Diagnostik und Therapie.

Bildgebung

  • Nur bei Beschwerden in Zusammenhang mit Red Flags notwendig (Näheres siehe die Artikel Akute RückenschmerzenChronische RückenschmerzenLumbale Bandscheibenschäden mit Radikulopathie und Nackenschmerzen)
    • Beginnende Rückenschmerzen bei Patient*innen unter 20 oder über 55 Jahren bzw. Rückenschmerzen, die anders wahrgenommen werden als frühere Beschwerden.
    • ständige Schmerzen, ggf. allmählich zunehmend, Ruheschmerz
    • allgemeines Krankheitsgefühl, Fieber und/oder Gewichtsverlust
    • Trauma, Malignom, Verwendung von Steroiden oder Immunsuppressiva, Drogenmissbrauch
    • ausgedehnte und fortschreitende neurologische Ausfälle
    • Verformung der Wirbelsäule
    • Hohe BSG, ausgeprägte Morgensteifigkeit, die mehr als eine Stunde anhält.
  • Zeigt degenerative Veränderungen der Bandscheiben.
    • Verengungen des Intervertebralraums
    • reaktive Veränderungen der angrenzenden Deckplatten in Form von Osteochondrose und Spondylose

Therapie

Allgemeines zur Therapie

  • Wärme, Ruhe, entzündungshemmende Medikamente und schmerzstillende Mittel bei akuten Schmerzen
  • Evtl. Krankschreibung für einen kurzen Zeitraum
  • Bewegungsübungen in ruhigen Perioden zur Aufrechterhaltung der Mobilität
  • Multimodale Therapieprogramme bei chronischen Schmerzen
  • Immobilisierung, etwa mit einer Schanz-Krawatte, nur kurzfristig. Möglichst rasche Entwöhnung durch Physiotherapie

Medikamentöse Therapie

  • In Phasen mit Schmerzen können NSAR gegeben werden.
    • z. B. Naproxen-Tabletten 2 x 250–500 mg
    • möglichst nicht länger als 7 Tage, max. 4 Wochen
  • Bei Kontraindikationen oder Unverträglichkeiten
    • Novaminsulfon (Metamizol) oder retardierte Opioide
      • Nebenwirkungsprofil und Kontraindikationen beachten.
      • Niedrigste schmerztherapeutisch wirksame Dosis wählen.
        • z. B. Novaminsulfon 2 x 500 mg
        • z. B. Tramadol retard 2 x 50 mg
      • Näheres siehe Artikel Schmerzbehandlung, Grundsätze.

Operative Therapie

  • Eine operative Therapie spinaler Osteophyten kommt nur bei wenigen Patient*innen infrage.
    • bei ausgeprägter Osteophytenbildung mit:
      • starker Bewegungseinschränkung oder
      • neurologischen Defiziten oder
      • Schluckstörungen.
  • Mögliche operative Eingriffe
    • Dekompression von Nervenwurzeln, Cauda equina oder Myelon zur Reduktion neurologischer Defizite (z. B. Claudicatio spinalis), etwa durch:
      • Foraminotomie (Abtragung von Osteophyten)
      • Diskektomie, evtl. mit Aufrichtung des Bandscheibenfachs durch Diskusprothesen (Cages)
      • Laminotomie
      • Hemilaminektomie
      • Laminektomie mit stabilisierender Fusions-OP.
    • Fusion von Wirbeln mit dem Ziel der Schmerzlinderung
      • bislang ohne überzeugenden Wirksamkeitsnachweis bei hoher Rezidivrate und häufigen Komplikationen
      • Die instrumentierte Spondylodese (Anlage eines in den Pedikeln verschraubten internen Fixateurs) erlaubt zwar höhere Fusionsraten, ist aber möglicherweise auch mit einer höheren Komplikationsrate assoziiert.

Verlauf, Komplikationen und Prognose

Verlauf

  • Geht parallel mit der meist chronisch progredienten Bandscheibendegeneration.

Komplikationen

  • Eine Spondylose kann – zusammen mit einem Bandscheibenvorfall, traumatischen oder entzündlichen Alterationen – zur Bildung einer Spinalkanalstenose mit Myelopathie oder Konus-Cauda-Syndrom beitragen.
    • HWS
      • nahezu ausschließlich bei prädisponierendem engem zervikalem
        Spinalkanal
      • Führt meist im mittleren und unteren Abschnitt der HWS zu einer Einengung und letztlich zu einer Kompression des Myelons und/oder spinalen Blutgefäßen.
    • LWS
      • Kompression des Conus medullaris oder der Cauda equina
  • Selten kann es zur Kompression von Nervenwurzeln kommen.
  • HWS: selten Dysphagie oder Dyspnoe durch ausgeprägte, raumfordernde Osteophyten (M. Forestier? Rezidiv nach Osteophytenabtragung?)

Patienteninformationen

Worüber sollten Sie die Patient*innen informieren?

  • In der Regel asymptomatische, abnutzungsbedingte Veränderungen in Rücken und Nacken
  • Der radiologische Befund korreliert nicht mit den Beschwerden der Patient*innen.
    • Auch eine ausgeprägte Spondylose ist meist asymptomatisch.
    • Auch starke Rückenschmerzen sind in den meisten Fällen unspezifisch und selbstlimitierend.
  • Bei unspezifischen Rückenschmerzen
    • Längere Bettruhe und Passivität sollten vermieden werden.
    • Abwechslungsreiche körperliche Aktivitäten unterstützen die Heilung.

Patienteninformationen in Deximed

Illustrationen

Bandscheibendegeneration.jpg
Bandscheibendegeneration mit Osteophytenbildung
Wirbelsäule mit mäßig ausgeprägter Spondylose
Wirbelsäule mit mäßig ausgeprägter Spondylose
Spondylose und Bandscheibendegeneration
Spondylose und Bandscheibendegeneration
 

Quellen

Leitlinien

  • Nationale Versorgungsleitlinie (NVL-Programm) der Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz. AWMF-Leitlinie Nr. nvl-007. S3, Stand 2016. www.awmf.org
  • Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Lumbale Radikulopathie. AWMF-Leitlinie Nr. 030-058. S2k, Stand 2018. www.awmf.org

Literatur

  1. Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Zervikale spondylotische Myelopathie. AWMF-Leitlinie Nr. 030-052. S1, Stand 2017 (abgelaufen). awmf.org www.awmf.org
  2. Turner DA. Degenerative cervical spine disease. BMJ Best Practice. Last reviewed: 13 Mar 2022; last updated: 23 Sep 2021. bestpractice.bmj.com
  3. Mehta JS. Discogenic low back pain. BMJ Best Practice. Last reviewed: 13 Mar 2022; last updated: 03 Feb 2022. bestpractice.bmj.com
  4. Theodore N. Degenerative Cervical Spondylosis. N Engl J Med 2020; 383: 159-68. PMID: 32640134 PubMed
  5. Nationale Versorgungsleitlinie (NVL-Programm) der Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz. AWMF Leitlinie Nr. nvl-007. S3, Stand 2016. www.awmf.org
  6. Ludolph E, Schürmann J. Neubewertung der MdE bei unfallchirurgisch-orthopädischen Arbeitsunfall- und BK-Folgen in der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV). Med Sach 2016; 112: 60-71. silo.tips
  7. Zukowski LA, Falsetti AB, Tillman MD. The influence of sex, age and BMI on the degeneration of the lumbar spine. J Anat 2012; 220: 57-66. PMID: 22050626 PubMed
  8. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI): ICD-10-GM Version 2022. Stand 17.09.2021; letzter Zugriff 13.04.2022 www.dimdi.de

Autor*innen

  • Thomas M. Heim, Dr. med., Wissenschaftsjournalist, Freiburg
  • Annette Becker, Prof. Dr. med., Abteilung Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin, Philipps-Universität Marburg (Review)
  • Die ursprüngliche Version dieses Artikels basiert auf einem entsprechenden Artikel im norwegischen hausärztlichen Online-Handbuch Norsk Elektronisk Legehåndbok (NEL, https://legehandboka.no/).

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